Drittes Kapitel der Fortsetzungsgeschichte von Alexander “Tiff” Kaiser, Fortsetzung von: Die Sternenfahrt | Buch 1: Die Suche nach Kertes | Kapitel 2: Botschafter der Allianz von Roland Triankowski
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1. Zu Besuch
Es war exakt einundzwanzig Stunden, nachdem General Aris Stondra seinen „Anruf“ bei Riho gemacht hatte, dem Kommandanten der AVATAR, und nicht etwa zweiundzwanzig Komma zwei Stunden, was achtzig Kilosekunden entsprochen hätte.
Stondra wurde von einem interplanetartauglichem Shuttle geflogen, in dem sich neben der Sektorendiplomatin Myu ran Tau auch noch eine militärisch-wissenschaftliche Abordnung befand, die die planetare Regierung von Flora quasi in letzter Sekunde zusammengekratzt hatte. Es handelte sich dabei um ein Fünferteam Soldaten unter der Anführung eines Leutnants in Tanksuits, einen Sprachwissenschaftler, einer Physikerin, einem Historiker und zweier Diplomaten des Büros für Auswärtige Angelegenheiten von Flora. Alle erfüllten eine Mindestanforderung, die ran Tau gestellt hatte, und bis kurz vor dem Abflugtermin hatte es nicht so ausgesehen, als wären alle Dinge so ins Rollen gekommen, wie sich Aris Stondra das gewünscht hatte.
Dann aber war die EXCALIBUR ins System gesprungen, und alles entwickelte sich so, wie der General es sich gewünscht hatte.
„Wir kommen in Reichweite des Schwerefelds der AVATAR“, meldete Helen Miarr, die Anführerin des Infanterietrupps. „Es liegt verdammt weit draußen, Sir.“
„Aris reicht“, erwiderte der groß gewachsene Mittvierhunderter.
„Verzeihung, Sir, aber es kommt nicht alle Tage vor, dass der Held von Norik einen persönlich anfordert und in einen Einsatz der Kategorie A mitnimmt. Bis ich meine Ehrfurcht vergessen habe und Sie mit Vornamen anreden kann, geschweige denn Duzen, werden wohl erst noch ein paar Jahrhunderte vergehen müssen“, erwiderte sie verlegen. Dabei war sie selbst laut Akte bereits einhundertneunzig Jahre alt, und die Infanterielaufbahn war ihre dritte Karriere; zuvor hatte sie sich als Raumschiffsingenieurin bewährt und vierzig Jahre praktiziert; anschließend hatte sie fast einhundertzehn Jahre ein Lehramt innegehabt und es am Ende ihrer Karriere zum Sektorleiter gebracht und damit die Lehrpläne von fünfundzwanzig Kernwelten koordiniert. Die zehn Jahre in der Flotte, in der sie quasi von Grund auf bis in diesen Rang aufgestiegen war, schienen dabei geradezu vernachlässigbar zu sein, aber sie war jetzt und hier Offizierin, und hier und jetzt brauchte Aris eine Kommandeurin mit vielschichtigem Hintergrund.
„Beeilen Sie sich damit ein wenig. Wir werden schon sehr bald mit der AVATAR aufbrechen, oder mit der EXCALIBUR. Sie werden dann meine engste militärische Mitarbeiterin für die Dauer des Einsatzes sein, und ich kann mir keine Zeitverluste wegen falschem Respekt leisten“, tadelte er milde, während der typische leichte Ruck durch das Schiff ging, der bewies, dass das Shuttle den Bereich der eigenen Schwerkraft der AVATAR erreicht hatte. In fünftausend Jahren Gegengravitation und Andruckabsorbierung war es nicht gelungen, den Moment vollkommen unspürbar zu machen. Oder er war einfach gewollt, da hatte Aris vergessen zu fragen. Immerhin konnte Andruck von bis zu zweihundertfacher Erdschwere binnen von Millisekunden kompensiert werden, und das mit zivilen Absorbern. Alles andere hätte sich auch schnell als tödlich erwiesen.
Aris drehte sich in seinem Sitz um und sah die zivilen Mitarbeiter noch einmal einzeln an. „Also, um das Ganze noch mal durchzukauen: An Bord dieses Gigantschiffs erwartet uns nicht nur künstliche Schwarze Löcher, die unsere Vorfahren vor bis zu viertausend Jahren verwendet haben, um künstliche Wurmlöcher geradezu zu bauen. Uns erwartet auch ein Menschenabkömmling der Erde, der aus einem gespeicherten DNS-Code quasi von grundauf neu gezüchtet wurde. Dieser Mensch, sein Name ist Riho Zypher, ist IOT (in own Time) rund vierhundert Jahre, ISTAT (in Standard Time) aber über achthundert alt. Er ist vollkommen gelöst von unserem Konzept des Zeitempfindens und lebt abseits seiner eigentlichen Gesellschaft, die, so wissen wir, von einem in unseren Akten verschollenen Geleitzug mit vierhunderttausend Neusiedlern für Brimcom III abstammt, der dort niemals ankam und von dem wir bis heute nicht wussten, was mit ihm passiert ist. Ebenfalls an Bord befinden sich vier offenbar künstliche Wesen namens Kea, Luma, Cora und Dyka vom Volk der Kresh. Sie sind in Vierergruppen organisierte Schwarmwesen, in denen jedes Individuum eine klar definierte Sonderaufgabe einnimmt, ansonsten sind Rollen und Fähigkeiten der vier nahezu identisch, abgesehen von Unterschieden in den Persönlichkeiten. Sowohl Riho als auch die vier Kresh sind diplomatisch akkreditiert und dazu bevollmächtigt als auch in der Lage, für ihre Allianz diplomatisch zu sprechen. Aber, und das schränke ich ganz bewusst so ein, gilt zwischen uns und der Allianz nur, was von beiden Seiten ausgesprochen, bestätigt und gegenseitig gesiegelt wurde. Ich möchte nicht, dass der erste Eindruck der Föderation in der Allianz ist, dass wir den diplomatisch unerfahrenen Herrn Zypher im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch ziehen und ihm die Reibungshitze als Nestwärme verkaufen. Haben das alle verstanden?“
Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
Aris seufzte und fügte dann an: „Ich weiß, dass dies alles sehr kurzfristig erfolgt ist und dass die Informationslage, die ich Ihnen allen habe zukommen lassen, mehr als dürftig ist. Um Sie alle anständig zu briefen, hätte ich mindestens acht Stunden gebraucht. Aber hätte ich diese acht Stunden gehabt, hätte ich ein Team von der Erde einfliegen lassen, das bereits eingespielt ist und einander kennt. Sie alle sind die beste Lösung, die ich in dieser kurzen Zeit finden konnte. Tun Sie Ihr Bestes und sehen Sie die Situation als Bewährung an, womöglich als Chance auf eine Beförderung. Wenn alles gut läuft.“
Das Raunen wurde lauter, zustimmender.
Myu ran Tau wandte sich nun ebenfalls um. „Ich will das auch noch mal klarstellen. Riho und die Kresh kommen zu uns mit der Bitte um Aufnahme von diplomatischem Kontakt und dem Angebot, ein Wurmloch zur Allianz zu errichten. Dies sind alles Ziele, die der Föderation zugutekommen.
Wir brauchen quasi gar nichts zu tun, um diese zu erreichen, nur zustimmen und nicken. Aber leider ist dies nicht mehr das alleinige Ziel, sonst hätten Aris und ich auch alleine zur AVATAR fliegen können. Eines unserer Ziele der kommenden Stunden ist und muss sein, herauszufinden, ob Riho Zypher etwas über Kertes weiß. Ja, Miss Rouven?“
Atiella Rouven war mit fünfzig Jahren die Jüngste an Bord (wenn man von Kert Irgens absah, einem Korporal und Infiltrationsspezialisten unter Leutnant Miarrs Kommando, der erst achtundvierzig war) und blickte auf die kürzeste Karriere zurück. Allerdings war die Physikerin auch eine Erstkarrierin und hatte sich noch nicht an einem weiteren Standbein probiert, was ihr nach dem Zweiten Staatsexamen vierundzwanzig Jahre praktische Erfahrung einbrachte. Dazu kam neben ihrer jugendlichen Frische, die alte Männer mit weniger Agilität durchaus in den Wahnsinn trieb, ein sehr extrovertiertes, neugieriges Wesen, das jeden Diplomaten neidisch lassen werden konnte. „Miss ran Tau, wir alle haben die Botschaft gesehen, und wir wissen, was passiert, wenn jemand, irgendjemand vor der Föderation Kertes erreicht und womöglich plündert, das ist zumindest der praktische Teil. Man stelle sich nur vor, die Rau würden in den Besitz von Waffen kommen, die an einem einzigen Tag ein interstellares Imperium haben auslöschen können. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Riho Zypher, das Bordhirn der AVATAR oder aber die vier Kresh etwas über Kertes wissen?“
„Die Wahrscheinlichkeit ist bei Null, zumindest was die AVATAR angeht“, erwiderte Myu. „Das bedeutet, dass unsere Suche sich auf die Köpfe der Kresh, auf den Kopf von Mister Riho und auf die kollektive Erinnerung der Allianz ausbreiten muss. Sobald der Instafunk mit der Allianz etabliert ist, werden entsprechende Expertenteams alles, was wir von ihnen empfangen, auf Spuren von Kertes absuchen; sobald wir Zugriff zu ihren öffentlichen Datenbanken haben, werden diese auf Hinweise durchsucht. Vergiss nicht, Ati, sobald wir Zugriff auf die Daten der Allianz haben, hat sie jedermann in der Föderation; sobald die Föderation Zugriff auf sie hat, werden auch dreihundert Kilosekunden spätestens alle umliegenden Nationen Zugriff auf sie erlangen, so oder so. Dies betrifft die öffentlich zugänglichen Datenbanken. Sind die Hinweise oder gar planetare Koordinaten dort versteckt, müssen wir einfach die Ersten sein, die sie finden.“ Myu winkte ab, als sich die Physikerin erneut zu Wort melden wollte. „Ja, wir untersuchen die Möglichkeit, ob eine der vier Welten der Allianz mit Kertes identisch ist, sobald wir es können.“
Aris schnallte sich ab, als ein Signal ertönte und mitteilte, dass ihr Shuttle sicher in einem Hangar des zwei Kilometer langen Giganten aufgesetzt hatte. „Wichtig ist auch, dass wir sowohl Riho als auch Kea, Luma, Cora und Dyka sowie das Bordgehirn beschäftigt halten. Unsere Gruppe ist vor allem deshalb so groß, damit permanent jemand von uns zur Verfügung steht, falls das Schiff oder die fünf Diplomaten reden wollen; unsere Charaktere sind deshalb vielschichtig, um größtmögliches Interesse zu wecken und zu erhalten. Dies ist der erste Eindruck, den die Allianz von der Föderation bekommt, und diesmal möchte ich einen sehr guten Eindruck auf sie machen.“
Jlen Kenderson, der dienstältere der beiden Diplomaten, ein durchaus sympathischer Achtzigjähriger, dem man die Grabo-Vorfahren an der unterdurchschnittlichen Körpergröße, den kräftigen Schultern und dem wallenden schwarzen Bart mehr als deutlich ansah, schnaubte mit seiner schweren, rauen Stimme auf. „Wenn Sie das wollen, Stondra, warum handeln Sie dann nicht danach?“
Die Anwesenden lachten. „Später vielleicht. Jetzt lassen Sie uns erst mal das Richtige tun, Jlen, okay?“, erwiderte dieser grinsend.
Dann ging das Schott auf und entließ sie in einen Großraumhangar, der zwanzig Shuttles ihrer Größe hätte aufnehmen können. Atembare Atmosphäre erwartete sie, und nach einem automatischen Abgleich auf Zusammensetzung und der Gefahr von Viren-, und Bakterienkontakten erlosch der automatisierte Prallschirm, der die Atmosphären von Schiff und Shuttle getrennt gehalten hatte, vollständig. „Willkommen in der Allianz“, murmelte Stondra eher zu sich selbst.
*
„Willkommen an Bord“, erklang die künstliche Stimme der AVATAR. „Riho Zypher erwartet Sie und Ihre Begleiter im Großen Garten. Anschließend ist es Ihrer Entscheidung überlassen, ob Sie im Garten bleiben, oder einen Konferenzraum beziehen.“
„Danke, AVATAR. Was ist mit den vier Kresh?“
„Kea und Dyka werden an dem teilnehmen, was immer dies hier wird. Eine Konferenz, ein zwangloses Kennenlernen …“
„Ein Krieg …“, fügte Stondra an.
„Krieg, General?“, fragte die Künstliche Intelligenz.
„Wir werden sehen. Bekommen wir ein Fahrzeug, oder nehmen wir einen Turboschacht? Ich nehme an, du hast dich bei der Rekonstruktion an die Baupläne der Schiffe dieser Klasse gehalten, sodass ich mich orientieren kann, AVATAR.“
„Natürlich habe ich mich nicht vollends an die Baupläne gehalten. Ich musste improvisieren und konnte auch einiges verbessern. Sie verfügen über meine Baupläne, General Stondra?“
„Natürlich“, erwiderte er. „Dies ist trotz allem ein terranisches Schiff. Wenn die Umbauten nicht zu gravierend sind, sollte ich mich ohne Führung bewegen können, ohne mich zu verlaufen. Der einzige Ort, der „Großer Garten“ genannt werden kann, ist über achthundert Meter entfernt und zwei Ebenen über uns. Es wäre ein Ton der Höflichkeit, würden wir diese Strecke nicht laufen müssen, AVATAR.“
„Ein terranisches Schiff. Reden Sie deshalb von Krieg, General Stondra?“
„Kriegen wir jetzt einen Wagen?“, erwiderte Aris geradezu barsch.
„Ich fahre zwei Wagen vor. Ich nehme an, die gepanzerten Infanteristen haben nichts dagegen, sich aufzuteilen, weil sonst die Tragkraft der Gefährte überlastet ist. Verzeihung, aber ich brauche normalerweise nur einen Wagen vorzuhalten, weil Riho Zypher meistens zu Fuß geht und die Kresh immer fliegen. Ich musste erst einen zusätzlichen Wagen entmotten und auf Funktionalität prüfen.“
Kurz darauf fuhren zwei offene mehrsitzige Wagen mit Ladefläche ein, auf denen drei Tanksuits gerade so Platz fanden. Von den ungepanzerten Passagieren ganz zu schweigen.
2. Herzlicher Empfang
Riho empfing die Ankömmlinge mit einem leicht verzerrten Lächeln. „Willkommen auf der AVATAR und damit auf dem Gebiet der Allianz. Was ist Ihr übliches Verhalten zur Begrüßung? Bei meiner Recherche, die Föderation betreffend, bin ich auf sehr viele unterschiedliche Methoden gekommen. Salut, Handschlag, Umarmung, Verbeugung, Bruderkuss, Schwesterkuss, Zungenkuss, Kopulation im Stand, leichtes Nicken, Kopfschütteln, beidhändiger Handschlag …“
Myu hüstelte verlegen, während Atiella Rouven puterrot wurde. „Ähemm, Riho“, sagte Myu verlegen, „es scheint mir, Ihre Recherchen haben auch das mit einbezogen, was wir Pornographie nennen. Es ist eine Form der Kunst und wird üblicherweise zu einer Begrüßung nicht eingesetzt.
Die letzte gesellschaftlich akzeptierte Begrüßung zwischen zwei einander fremden Humanoiden ist die Umarmung.“
„Ich bedanke mich für die Information. Welche bevorzugen Sie?“
„Den Handschlag.“ Aris Stondra trat vor und streckte Riho die Rechte entgegen. Der zögerte einen kurzen Moment und legte dann seine Hand in die des Generals.
„Haben Sie AVATAR angewiesen, meine Handfläche darauf zu scannen, ob ich vorhabe, Sie in irgendeiner Form zu manipulieren, von Gift über Biozide bis hin zu Naniten, oder warum haben Sie gezögert, Riho?“, fragte er geradeheraus.
„Ja“, erwiderte er schlicht. „Meine bisherigen Recherchen, die Föderation betreffend und vor allem Ihre Äußerung über einen Krieg machen mich vorwiegend positiv gestimmt, aber mit einer gesunden Portion Skepsis. Wie Sie bereits der AVATAR gegenüber erwähnt haben, dies ist ein terranisches Schiff und Sie sind ein Terraner.“
„Dazu werde ich gleich etwas sagen. Myu, stell bitte unsere Begleiter vor. Die Bordintelligenz sagte etwas davon, dass zwei der Kresh ebenfalls hier sein werden. Kea und Dyka.“
„Sie sind in der Nähe und werden zu uns stoßen, wenn es … ungefährlich ist.“
Die Sektorendiplomatin reichte dem Retortenmenschen die Hand und drückte sie fest. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Riho Zypher. Dies ist ein bedeutender Tag für die Föderation und für die Allianz. Unsere Begleiter …“
Aris Stondra sah auf, als etwas Schweres auf seiner Schulter landete. „Ich bin Dyka“, sagte das Zwitterwesen.
„Ich bin Aris“, erwiderte der General. „Und ich führe euch ins Licht.“
„Ich weiß, dass du Aris bist. Und in das Licht geführt zu werden kann auch eine Explosion beinhalten.“
„Ist nicht alles Licht Explosion?“, hinterfragte der General.
„Oho, ein Philosoph.“
„Manchmal.“
Derweil war die Vorstellung vorbei. Riho sah zu Stondra herüber und runzelte die Stirn. „Wir hatten schon viele Gäste an Bord, darunter auch viele Menschen von Ma‘uhi, unserer menschlichen Kolonie, und ich habe so ein Verhalten schon bei Kea, Luma und Cora beobachtet, aber noch nie bei Dyka.“
„Ich weiß nicht, warum mir Dyka diese Ehre zuteilwerden lässt. Über ihre Motive müssen Sie sie selbst befragen. Aber es ist mir sehr angenehm und ein vertrautes Gewicht auf der Schulter.“
„Sie haben schon einmal mit Kresh gearbeitet?“, fragte Riho erstaunt.
„Mit ähnlichen Wesen“, wich Stondra aus. „Wenn Sie uns einen Tisch zur Verfügung stellen könnten, selbstverständlich mit Sitzgelegenheiten, würde ich gerne ein paar Dinge mit Ihnen besprechen, Riho.“
„Ich hatte gehofft, wir würden etwas formeller beginnen“, sagte der Raumfahrer.
„Es gibt Dinge, die dulden leider keinen Aufschub. Deshalb auch dieser Empfang anstelle einer sofortigen Akkreditierung Ihrer fünf Personen und die Weiterfahrt zur Erde.“
Dieses Wort ließ Rihos Augen aufleuchten. „Die Urheimat. Es interessiert mich, ob sie so ist wie die Legenden und Mythen der Menschen auf Ma‘uhi beschreiben. Die Filme, Bilder und schriftlichen Berichte sind ebenso durchwachsen wie die Unterlagen für verschiedene Begrüßungen.“
„Wir werden Ihnen Zugang zu einigen öffentlichen Adressen geben, die relativ exakt über die Erde berichten“, versprach Aris.
„Dafür danke ich.“ Riho deutete eine Verbeugung an und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Sie gingen auf etwas zu, was man eigentlich nur als Strandbar an einem kleinen See beschreiben konnte. Musik aus einem Saiteninstrument erklang in weichen, tragenden Tönen in einer einfachen, aber schmeichelnden Melodie. Riho bedeutete den Gästen mehrere Tische mit Hockern als Sitzgelegenheiten und trat selbst hinter die Theke. „Darf ich Ihnen allen Erfrischungen anbieten?“
„Alkoholfreier Fruchtsaft, bitte“, sagte Stondra und warf dem Grabo einen amüsierten Blick zu, dessen Lippen gerade das Wort „Bier“ formten.
„Fruchtsaft für alle. Ich hatte ein Getränk mit Ethanol erwartet und bin dementsprechend ausgerüstet. Aber ich habe da etwas für Sie, das Ihnen allen hoffentlich munden wird.“ Behände, aber nicht hektisch füllte er vierzehn Gläser mit einer rosa Flüssigkeit, die er mit bunten Papierschirmchen verzierte. Dann löste sich der Teil der Theke, auf dem die Gläser standen, vom Rest und ging zu den Tischen. Ein Greifarm erschien und stellte vor jedem ein Glas ab.
Die Gäste hatten sich an zwei Tische gesetzt, die Tanksuits blieben stehen, aber hinter ihren Schutzbefohlenen. Die Tische standen nebeneinander, sodass sie eine einigermaßen einzige Fläche bildeten. Die sieben Föderationsvertreter hatten sich auf einer gemeinsamen Seite eingerichtet. Riho blieb daher die andere Seite mit mehreren vakanten Hockern. Er entschied sich für den mittleren, Stondra gegenüber.
„Kommen wir gleich zum Wichtigsten.“ Aris Stondra streckte die rechte Hand aus. Ein Hologramm erschien. „Dies sind Ihre Akkreditierungspapiere, Riho Zypher. Ich sende sie zeitgleich an AVATAR. Damit sind Sie nicht nur offizieller Diplomat Ihrer Nation in unserer Nation, Sie genießen auch vollkommene Immunität. Ihr Schiff ist dabei als exterritoriale Exklave anerkannt.
Was uns eigentlich auch schon zum Thema bringt. Das Prinzip der Wurmlöcher ist Ihnen bekannt. Aber in welchem Maße, Riho?“
Für einen Moment wirkte er überfahren, aber er fing sich schnell und erwiderte: „Nun, Sie befinden sich an Bord eines Schiffes, das Wurmlöcher baut. So besteht noch immer mein Angebot, eine Wurmlochverbindung zur Allianz zu schaffen. Oder deren mehrere.“
Aris nickte Rouven zu. Die junge Frau erhob sich, nahm ihr Glas und trank einen großen Schluck.
Dann wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund. „Tolles Zeug. Trinke ich gerne mehr von.“
„Danke für das Kompliment. Ich ziehe die Früchte an Bord selbst.“
„Ah, Wissen. Der wichtigste Punkt an diesem Tisch. Sie wissen doch hoffentlich, dass es Wurmlöcher im Universum zuhauf gibt, Riho Zypher?“
Ein Stirnrunzeln war die Antwort. „Wollen wir bis zur Basis, oder kann ich etwas höher anfangen?“
„Ich bin Physikerin, wie Sie wissen. Aber meine Begleiter sind es nicht.“
Riho seufzte leise und lächelte schief. „Sie wollen also wissen, was mein Schiff taugt. Nun, zuallererst bilden alle Sonnen in dieser Galaxis sogenannte Gravitationssenken. Man kann sie sich vorstellen wie eine Quillarfrucht, die auf einem Tuch liegt und durch ihr Gewicht eine Delle macht. In die Raumzeit.“
Rouven nickte bestätigend.
„Alle Sonnen produzieren diese Senken, und auch alle Planeten tun dies. Auch die Raumschiffe. Ein Umstand, der nicht vielen bekannt ist. Materie krümmt den Raum.“
„Richtig“, lobte sie ihn wie ein Lehrer.
„Das Prinzip der Wurmlöcher ist etwas komplex zu erklären, aber die einfache Version sieht so aus: Alle Sonnen dieser Galaxis bilden Raumzeitsenken. Diese Raumzeitsenken sind alle miteinander verbunden. Durch eine Art Abkürzung. So als würde man die Delle nehmen, sie unter dem Tuch durchdrücken und auf der anderen Seite bei der nächsten Delle ebenso verfahren. Diese Wurmlöcher entstehen natürlich. Manche sind stabil, manche existieren nicht lange, manche flackern, und, und, und. Die sichersten Verbindungen dieser Art hat eine Sonne mit ihren direkten Nachbarn. Je schwerer diese sind, desto stabiler ist diese Verbindung. Auch leichtere Sterne wie Braune Zwerge und Weiße Zwergsterne haben ihre stabilsten Verbindungen mit großen Sonnen und Gigantsonnen, die Dutzende Lichtjahre entfernt sind.“
„Richtig.“
„Leider bedeutet dies auch, dass die Verbindung zu einer Sonne, die weiter entfernt ist automatisch schlechter ist. Theoretisch also ist Sol, die Sonne der Menschheit, mit allen anderen Sonnen der Galaxis verbunden, auch mit dem Zentrums-Black Hole. Aber durch die Entfernungen sind dies Verbindungen, die so gering sind, dass sie eigentlich existieren, aber nur mathematisch nachweisbar sind. Was ganz gut ist, denn man stelle sich einen hyperstarken Gammastrahlenausbruch im Zentrum vor, der über eine stabile Wurmlochverbindung seine Energie über ein vierzigtausend Lichtjahre führendes Wurmloch auf eine bewohnte Welt abstrahlen würde.“
„Weiter“, ermunterte Rouven.
„Soweit ich weiß, gab es in der interplanetaren Zeit große Anstrengungen der unterlichtschnellen Raumfahrt, um die direkten Nachbarn Sols zu erreichen, die Centauri-Gruppe. Eher durch Zufall wurde ein stabiles, befahrbares Wurmloch nach Proxima Centauri entdeckt. Das zweite befahrbare Wurmloch, das entdeckt wurde, führte zum Doppelsystem des Sirius, das durch die Masse seines Hauptsterns eine sichere und hoch stabile Funktion auszeichnet.
Alle anderen Verbindungen, die man damals fand, eigneten sich lediglich für Transmissionen.“ Er korrigierte sich selbst. „Für Instafunk.“
„Bis hier ist alles korrekt“, sagte sie lächelnd, und auch der General machte eine wohlwollende Miene.
„Etwa einhundert Jahre, nachdem die Menschheit begonnen hatte, sich über den Sirius-Korridor auszubreiten, also den Umweg über einen Riesenstern zu gehen, anstatt von der Erde aus fremde Systeme mit Unterlichtflug anzusteuern, erbrachten die Wissenschaftler von neun verschiedenen Völkern, die dank der Menschen mittlerweile zusammengekommen waren, den praktischen Versuch, dass man Wurmlöcher künstlich stabilisieren konnte. Dies war die Geburtsstunde der ersten Wurmlochbauschiffe. Mit Hilfe von künstlichen Gravitationsressourcen konnte eines der Wurmlöcher, die zu schwach für den Schiffsverkehr waren, oder aber nur theoretisch existierten, soweit stabilisiert werden, dass sie nutzbar wurden. Erforderlich dafür war aber, dass dies zugleich von beiden Seiten geschah. Dadurch erschloss sich die Erde ohne den Sirius-Korridor Wurmlöcher zu den sie in einem Umkreis von zwanzig Lichtjahren umgebenden Sternen Direktverbindungen.
Schließlich aber baute man eine neue Generation von Wurmlochbauschiffen, die in der Lage waren, ein solches Wurmloch auch alleine zu errichten und zu stabilisieren. Falls es zuvor im System, mit dem die Verbindung etabliert werden sollte, eine künstliche Singularität zurückgelassen hatte. Diese Schiffe waren darauf ausgelegt, zwanzig, dreißig, einhundert Jahre in Dilatationsflug zurückzulegen, um geeignete Sterne anzufliegen und von dort dann Wurmlöcher zu etablieren, die bereist werden konnten. Dadurch entstand der Begriff eines Wurmlochbauschiffs, obwohl es sich lediglich um Wurmlochausbauschiffe handelte. Auch die AVATAR ist in dieser Zeit entstanden.
Verzeihen Sie, dass ich darüber hinaus nicht sehr viel weiß über Missionen, Wurmlochbauten und dergleichen. Wie ich schon sagte, gab es einen Unfall, dem nicht nur der größte Teil des Schiffs, sondern auch alle Besatzungsmitglieder zum Opfer fielen. Dabei ging auch das Gros der Daten verloren. Was ich Ihnen zugetragen habe, weiß ich aus einem analogen Datenträger aus einem nichtzerstörten Bereich des Schiffs.“
„Er meint ein Buch“, sagte Myu in Richtung Stondras.
„Natürlich. Was sonst? Ihre Informationen sind korrekt, Riho.“
Aris taxierte den Mann mit einem langen Blick. „AVATAR hatte ausgiebigen Zugang zu unseren Netzen und hatte fast eineinviertel Megasekunden Zeit, Ihnen die Daten aufzubereiten. Daher wissen Sie sicher längst, dass wir ein sehr dichtes Netz an Wurmlochverbindungen geschaffen haben, wo wir keine natürlichen Verbindungen entdecken konnten, um die Föderation möglichst gut zu vernetzen. Dies geschah und geschieht mit immer neuen Generationen an Bauschiffen, die unser Wurmlochnetz beständig warten und erweitern. Diese neue Generation von Wurmlochbauschiffen ist bei einer guten echten Verbindung in der Lage, ein Wurmloch für den Raumflug nutzbar zu machen, ohne ein Pendant im Zielsystem zu haben. Eine aufwändige Geschichte, und wir haben nur wenige Schiffe dieser Klasse zu unserer Verfügung. Diese nutzen wir so gut wie irgend möglich, deshalb sind die Auftragsbücher dieser Schiffe randvoll, und es ist fast unmöglich, eines von ihnen für einen Sondereinsatz loszueisen.“
„Außer die EXCALIBUR, die gerade das System durchquert“, sagte die Schiffsintelligenz.
„Außer die EXCALIBUR“, bestätigte der General. Erneut streckte er die Hand aus, und ein weiteres Hologramm erschien. „Ich habe ein paar Geschenke mitgebracht. Eines davon ist dieses Dokument, das Sie, Riho Zypher, als Eigentümer der AVATAR anerkennt. Im gleichen Dokument verzichtet der Erbauer, die Föderation, auf jeglichem Anteil an Ihrem Schiff. Außerdem erkennen wir Ma‘uhi als Heimathafen der AVATAR an.“
Nun war es an Riho, die Stirn zu runzeln. „Und legen damit auch jede mögliche Verantwortung beiseite, die für ein terranisches Schiff gelten würde. Was kommt als Nächstes? Erschießen Sie mich, damit das Schiff keinen Eigentümer mehr hat und Sie es erneut in Föderationsdienst stellen können?“
Aris grinste schwach. „Wie ich sagte, wir brauchen die AVATAR nicht.“
„Ihre Einbringung des Wortes Krieg hat wie gesagt bei mir eine gewisse Vorsicht und Skepsis ausgelöst, Aris“, erwiderte Riho eine kleine Spur zu bissig.
„Wieso, haben Sie Angst vor dem Tod?“
„Ich sagte es Ihnen bereits, ich bin schon einmal gestorben und daher keinesfalls unsterblich oder unverwundbar. Darum interessiert es mich als lebendes Individuum brennend, wie es ab hier weiter geht.“
„Auch das habe ich Ihnen bereits gesagt. Sie sind ebenso wie die Kresh diplomatisch akkreditiert.
Dadurch verfügen Sie über Immunität. Die Föderation gewährleistet Ihre vollkommene geistige und körperliche Unversehrtheit durch alles, was Sie durch die Föderation erleiden könnten. Ihr Schiff, die AVATAR, ist in diesem Zusammenhang als diplomatisches Schiff registriert worden. Das bedeutet, Sie könnten die AVATAR auf Flora in irgendeinem Halteverbot abstellen, und wir wären nicht dazu in der Lage, Ihnen ein Ticket zu schreiben.“
„Solange die Föderation meinen Status garantiert.“
„Solange die Föderation Ihren Status garantiert“, bestätigte Myu ran Tau.
„Das ist immerhin besser als meine schlimmsten Erwartungen. Viele Ihrer Filme, interaktiven Spiele, Serien, Romane und Comics sind da relativ eindeutig.“
Jlen Kenderson stöhnte laut auf. „Riho, wir werden uns ernsthaft über Ihr Konsumverhalten der verfügbaren Medien unterhalten müssen. Sie brauchen dringend ein Gespür dafür, was der Unterhaltung dient, und was als Berichterstattung zu verstehen ist. Die Föderation kennt von Ersterem ungefähr das Zweitausendfache des Zweiten. Das macht es einem Außenstehenden, der Sie ja nun mal sind, etwas schwierig, Realität und Fiktion voneinander zu unterscheiden.“
„Später“, winkte Aris ab.
Er ließ ein drittes Dokument entstehen. „Ich habe mir die Zeit genommen und anhand Ihrer Aufnahmen, Riho, auf Ihre DNS geschlossen und auf der Erde recherchieren lassen. Wir haben mit dreiundachtzigprozentiger Sicherheit jene Person identifiziert, von der die Genprobe stammt, aus der die AVATAR Sie in der Retorte wieder entstehen ließ. Eine Akte zur Person, zum Lebenslauf, soweit wir ihn kennen, zur weiteren Schiffsbesatzung und zu heutzutage lebenden Nachfahren, sende ich in diesem Moment an AVATAR. Ob Sie sie öffnen und reinschauen, wer Sie sind – oder wer Sie vor dem Unfall waren – ist Ihre Entscheidung.“
Erstaunt riss Riho die Augen auf. „Damit … hätte ich rechnen müssen. Ich habe es nicht. Ich bin überrascht, und zugegeben verwirrt. Ich habe nicht erwartet, Familie zu haben.“
„Familie, die viertausend Jahre überbrückt hat. Es gibt Menschen, die Ihre DNS teilen. Wir haben jene identifiziert, die mit Ihnen so identisch wie möglich sind. Was nach über einhundert Generationen natürlich nicht besonders einfach ist. Ich kann Ihnen diese Entscheidung nicht abnehmen, Riho. Aber ich freue mich darüber, dass ich Ihnen dieses Geschenk machen kann.“
„Danke, Aris“, erwiderte der Raumfahrer.
„Kommen wir zum letzten Punkt. Lynda.“
Die zweite Diplomatin erhob sich. Sie war fast zweihundert Jahre alt und hatte die meiste Zeit ihrer Berufsfähigkeit in den Ministerien Floras verbracht. „Lynda Danvers, Chefdiplomatin. Riho Zypher, Kea, Dyka, AVATAR, im Namen der Planetaren Regierung von Flora entschuldige ich mich dafür, dass die Einwanderungsbehörde versucht hat, in die Datenbanken des Schiffs einzubrechen. Es war abzusehen, dass das misslingen würde.“
Riho musste lächeln. „Dieses Schiff ist viertausend Jahre alt, aber keinesfalls veraltet“, sagte er.
„Ihre Einbruchsversuche, oder vielmehr die des Ressorts Einwanderung haben wir registriert, aber noch nicht als Grund für den Abbruch der Gespräche über diplomatische Beziehungen gewertet.“
„Es war eine große Dummheit“, brummte Aris.
„Dem möchte ich nicht widersprechen“, schmunzelte Riho.
„Dabei wäre alles, was sie hätten tun müssen, AVATAR zu fragen, ob sie ihre Datenbänke zur Verfügung stellt, so wie ich dies vor zwanzig Stunden getan habe“, fügte der General an.
Riho blinzelte. „Bitte, was?“
„Wie wir schon festgestellt haben, die AVATAR ist ein terranisches Schiff. Es war relativ einfach, den Wunsch zu äußern, auf Ihre Daten zugreifen zu dürfen, Riho. AVATAR hat uns vollen Zugang gewährt.“
„AVATAR?“
„Ich sehe nichts, was dagegen gesprochen hätte“, rechtfertigte sich die Künstliche Intelligenz. „Ich habe selbstverständlich nur die allgemeinen Datenbanken geöffnet. Alle systemkritischen Daten sind unter Verschluss geblieben.“
„Ach. Auf einmal wirst du misstrauisch“, tadelte Riho.
„Jedenfalls“, fuhr Aris ihm dazwischen, „haben wir die Speicher nach dem Begriff Kertes durchsucht, aber nichts gefunden.“
„Kertes?“, echote der Wurmlochbaumeister. „Was ist Kertes?“
„Ich hatte gehofft, mehr darüber von der Allianz zu erfahren. So oder so.“ Aris lehnte sich ein Stück zurück, obwohl der Barhocker keine Lehne hatte. „Kertes ist ein Geheimnis, das siebzigtausend Jahre alt ist. Oder einhundertsechsundzwanzig Gigasekunden und ein paar.“
Riho pfiff anerkennend. „Das ist selbst für mich und das Schiff ein sehr langer Zeitraum. Was ist das Geheimnis?“
Myu stützte sich auf dem Tisch ab und bettete ihr Gesicht auf ihren Händen. Dabei lächelte sie fein.
„Stellen Sie sich mal vor, Riho, vor rund einhundertsechsundzwanzig Gigasekunden hätte es eine Zivilisation von Menschen gegeben, die in einem Gebilde gelebt hat, das den Begriff Imperium verdient hat. Und stellen Sie sich vor, es wäre zu einem Bürgerkrieg gekommen, der beide Seiten rückstandslos ausgelöscht hätte.“
Riho runzelte die Stirn. „Vor siebzigtausend Jahren waren unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler im Paläolithikum. In der Altsteinzeit.“
„Und dennoch gibt es Hinweise, dass es solch eine Zivilisation gegeben hat. Und dass sie sich tatsächlich binnen eines kurzen Zeitraums selbst ausgelöscht hat“, erklärte Aris. „Und was noch besser ist, das Imperium hat eine Art Museumsplaneten eingerichtet, um seine Kultur und seine Technologie über den Abgrund der Zeit zu retten. Eben dieses Kertes.“
„Und auch die Waffen, ja? Das sind tolle Aussichten. Vor allem, da Sie mir das alles erzählen, weil Sie Kertes irgendwo in diesem Sektor vermuten. Aber einen Zahn kann ich Ihnen bereits ziehen.
Keine der vier Welten der Allianz kommt als diese Welt in Frage.“
„Das wissen wir. Wie gesagt hatten wir Zugriff auf Ihre Datenbanken. Und auch auf Ihr Logbuch.
Ihr Konflikt mit den Rau ist dort auch verzeichnet. Wir bedauern, was mit den Trago passiert ist und wir bedauern, was wohl mittlerweile auf Rût stattfindet“, erklärte Aris.
„Wenn Sie bedauern, was die Rau tun, dann …“, begann Riho, aber Jlen Kenderson kletterte plötzlich vom für ihn viel zu hohen Barhocker, errichtete ein Privatsphärefeld und sprach mit dem General und der Sektorendiplomatin, die Unterhaltung ohne Warnung unterbrechend. Als das Milchfeld wieder erlosch, kletterte er zurück auf seinen Platz.
Aris Stondra wirkte zufrieden. „AVATAR, bitte ein Bild der EXCALIBUR.“
„Natürlich, General Stondra.“ Über den beiden Tischen flammte ein Hologramm auf, das die Einheit darstellte. Ein Raster verriet, dass gewaltige Gravitationskräfte vor dem Schiff wirkten.
„Erweitern auf das Tausendfache“, wies Aris an.
Das Schiffsgehirn tat wie geheißen, und das Bauschiff schrumpfte auf ein Tausendstel der bisherigen Darstellung. Und dadurch gerieten neue Ortungssignale ins Bild. Es waren über ein Dutzend, und im Sekundentakt gab es einen neuen Kontakt.
„Wir kennen die Rau. Wir sind im Krieg mit ihnen. Das bedeutet eigentlich, sie sind im Krieg mit uns, trauen sich aber nicht über die Grenze. Nicht noch einmal. Wir beobachten sie und verteidigen uns, sollte dies nötig sein. Dies war bereits zwanzig Mal der Fall“, erklärte Myu. „Jedes Mal haben wir die Rau-Flotten aufgerieben, bei geringsten eigenen Verlusten. Sie sind keine Bedrohung für uns. Aber wir werden nicht dabei zusehen, wie sie eine Bedrohung werden, zum Beispiel indem sie die Gene der Tragos ihrem Fundus bei tun oder etwas von ihnen lernen, was für uns über kurz oder lang eine Gefahr ist. Zudem vermuten wir Kertes in diesem Sektor, und wenn es der Zufall will, und Rût ist identisch mit Kertes, schweben wir alle in Gefahr.“
„Die Frage, die sich jetzt stellt, Riho Zypher, ist, ob Sie und die Kresh mit der AVATAR mitkommen, oder lieber die Erde besuchen wollen“, schloss Aris Stondra.
„Mitkommen?“, echote Riho. Er deutete auf die EXCALIBUR. „Sie sagen, das kleine Ding baut eine Wurmlochverbindung nach Ssom auf?“
„Richtig. Die Schiffe, die sich dort versammeln, sind die Achte Flotte, einhundert Einheiten aller gängigen Größen und Klassen, vorwiegend Kampfschiffe mit Einsatzerfahrenen Besatzungen. Die Flotte hört auf mein Kommando und wird, nachdem das Wurmloch nach Ssom etabliert ist, hindurchstoßen und anschließend die Rau bekämpfen mit dem Ziel, sie wieder aus dem System zu vertreiben. Und dabei von den Trago zu retten, was noch zu retten ist. Ihre Simulationen waren recht optimistisch, sodass wir wohl auch tatsächlich jemanden retten werden. Natürlich nutzen wir die Gelegenheit und untersuchen, ob Rût mit Kertes identisch ist, oder ob wir im Ssom-System Spuren von Kertes finden können. Aber unser oberstes Ziel ist es, ein Erstarken der Rau zu verhindern. Wir haben die Möglichkeiten, wir haben die Gelegenheit, wir haben die Macht, und ich führe das Kommando. Ihre Expertise vor Ort könnte dabei lebenswichtig werden, Riho. Ihre und die der Kresh und der AVATAR. Aber es ist Ihre Entscheidung. Bleiben wir zusammen, oder wollen Sie zur Erde weiter fliegen?
„Also das haben Sie mit Krieg gemeint, General“, sagte Riho. Es klang erleichtert.
Fortsetzung folgt in WoC 118 …
Tiff
10. Dezember 2023 — 14:23
Hallo, Roland.
Teil drei, eh? Ich kann und werde jetzt nicht mein eigenes Kapitel kommentieren.
Aber ich kann sagen, dass ich mich auf weitere Kapitel aus Deiner Feder freue. Das gibt mir Gelegenheit, darauf zu antworten, und wir werden wieder verdammt viel Spaß haben.
Wollen wir das Star Wars-Projekt hier auch veröffentlichen? Vielleicht gibt uns das dann den Schwung, auch da weiter zu machen.
Viele Grüße,
Tiff