Der Roman aus der Feder von Julius von Voß erschienen im Original im Jahre 1810, übertragen und Korrektur gelesen von Bernd “Göttrik” Labusch. Fortsetzung von: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 15

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Man schlug nun den Weg nach Spanien ein. Hier fand Guido viele Monumente mit traurigen Bezeichnungen, und überschrieben: “Denkmal beweinter Irrtümer.”

Gelino gab ihm hierüber folgende Auskunft: „Spanien hatte vor mehr als einem halben Jahrtausend einen hohen Gipfel des Wohlstandes eingenommen. Freundlich durch die Natur begünstigt, sah man zahlreiche kunstfleißige, kluge Bewohner, seine üppigen, reizenden Gefilde pflegen, in den weiten blühenden Städten wohnten Tätigkeit und Überfluss. Doch ein System frevelhafter Kirchlichkeit, weiter von Religion entfernt als in irgend einem Lande und zu irgend einem Zeitraum der Verfinsterung, trat mit widrigen Maßregeln seiner Regenten in Bund, und entvölkerte nach und nach den gesegneten Erdstrich bis auf ein Drittel der alten Menschensumme. Der Zufall ließ Spanien die ersten Vorteile von Amerikas Entdeckung ziehen, weite reiche Landschaften eignete es sich dort an, Gold- und Silberminen, wie sie zuvor keinem Staate gehörten, wurden sein Eigentum. Doch dieser Umstand brachte, statt wieder erwachten Flor, nur tiefere Verarmung zuwege; denn Spanien ergab sich dem Müßiggang, das Gold wich in die Fremde, man versank in Schulden. Zuletzt schwelgten nur noch wenige Große und die Priester, die Geisteskraft lag in den Banden des wahnsinnigsten Aberglaubens, die Regierung, trotz der vom Meer umflossenen und durch die Mauer der Pyrenäenkette gesicherten Lage von Spanien, konnte sich nicht mehr verteidigen. Die späterhin geistesumwölkten Nachkommen, blickten nun so mit Wehmut in eine Vergangenheit zurück, die so viel Versäumnisse, das Gute zu erkennen, zu beklagen darbot. Sie meinten, wenn man der Kraft und Weisheit billig Denkmale stelle, gebühre solches auch wohl zerrüttenden Irrtümern, damit die schaudernden Enkel laut gemahnt würden, auf edlem Pfad zu wandeln.“

Guido seufzte bei dieser Erzählung, freute sich aber desto inniger über das nun paradiesisch angebaute Land, die prangenden Reisgefilde, die duftenden Orangenhaine, die Weingärten, alles Übrige, welches er je gesehen hatte, an Schönheit hinter sich lassend.

„Madrid“, sagte Gelino: „Wird Dich entzücken. Ehedem soll es eine winklige, ohne Geschmack aufgeführte, und über alle Beschreibung unreinliche Stadt gewesen sein, späterhin ist sie jedoch von Grund auf neu erbaut worden, und das, dem an sich lieblichen, und noch viel veredelten Klima angemessen.“

Guido fand die Bestätigung dieser Worte. Hatten Polen und Teutonen, durch Kultur ihrem Boden Früchte erzogen, die man sonst nur in Spaniens Breite sah, so hatte dies Land, durch glückliches Streben und bei reicherem Segen der Naturkräfte, manche Erzeugnisse von Afrika zu sich verpflanzt. Die Gärten um Madrid sahen die edelsten Feigengattungen reifen, der Pisang blühte lustig, die Dattelpalme, der Kokosbaum breitete sein dichtes Laubgewölbe in langen Blättern aus, die Brotfrucht gedieh auf kräftigen Stämmen und erhöhte den Reichtum an Lebensnahrung. Gewürzstauden mancher Art, sonst ein Eigentum indischer Eilande, wurden auch mit Erfolg gezogen und durchhauchten die Lüfte mit den angenehmsten Aromen. Madrid hatte sehr breite Straßen, in welche, zur erfrischenden Kühlung, Kanäle geleitet waren. Man wachte über ihre Sauberkeit mit fleißiger Sorge, spiegelhell wogten sie langsam zwischen den marmornen Verkleidungen hin. Zu beiden Seiten prangten Baumgänge, und die Straßen hatten ihre Benennung davon, je nachdem es Pfirsich, Granatäpfel, die stattliche Benta von Senegal, der nützliche Kapok, die schattige Pflaumenpalme u. s. w. waren, welche dort in gleichförmigen Reihen standen. In Herbst- und Winternächten hüllte sie am Stamm eine Decke ein, und oben waren Frostableiter angebracht. Vor den Häusern sah man auch in Gartenabteilungen Blumenbeete, und von den platten, mit Geländern versehenen, Dächern, winkten allerhand liebliche Stauden in Vasen, wie sie auch, von guten Steinwölbungen unterstützt, eine Erdlage für Luftpflanzen trugen. Die Einwohner brachten schöne Morgen und Abende oben zu, verrichteten hier mancherlei Geschäfte. Oft klang die katalanische Gitarre, noch, wiewohl sehr veredelt, im Gebrauch, in süßen Melodien herab, begleitet vom Sopran Liebe atmender Mädchen, oder der alte Fandango drehte sich auf den Blumenmatten der Höhe.

Von den vielen Plätzen waren diejenigen, welche nicht zu Handelsmärkten dienten, entweder mit Lustwäldchen von Zedern oder üppigen südlichen Fruchtbäumen bepflanzt, oder in anmutige Wiesen umgestaltet, oder mit weiten klaren Wasserbecken geziert, auf denen bequeme Gondeln zu Freudenfahrten einluden.

So glich Madrid einem großen Garten, und die Wohnungen der Menschen darin, Pavillons, Nischen u. s. w. Kaum ließ sich ein reizenderer Aufenthalt erträumen. Es gab auch Tempel aus Baumgewölben von seltener Höhe, unten mit Meisterwerken der Bildhauerei geschmückt, und die Andacht darin hatte einen feierlichen Zauber. Der große Hang, die Lieblichkeit der schönen Natur zu genießen, hatte auch mancher Bühne, aus Hecken erbaut, das Dasein gegeben.

Bei guter Witterung sah man hier Schauspiele unter dem freien Himmelsbogen, oft noch ein Werk des Lope de Vega voll seltsamer Liebesabenteuer, die die romantisch empfindenden Einwohner nicht vergessen hatten.

Dem Fluss Manzanares war ein Bett von mehr Tiefe und Umfang als Ehedem geschaffen worden, er stand mit dem Minho, Guadiana, Guadalquivir u. s. w. in Verbindung, welche, jetzt auch geeignet Seeschiffe zu tragen, der Hauptstadt den Vorteil eines ausgebreiteten Handels verschafften.

Nur Buenretiro und Aranjuez entzückten Guido noch mehr, als das liebliche Madrid, und er hätte es beweinen mögen, nicht mit Ini in diesen Elisäen wandeln zu können. Denn Geschmack und Reichtum hatten wetteifernd sich verbunden, die Gärten dort, mit Allem, was Phantasie und Herz glühend füllen kann, verschwenderisch auszustatten. Obgleich der Winter nahte, ließ ihn die noch überall grünende Wonne nicht ahnen.

Der Lehrer sagte aber: „Fort von hier, mein Guido! Wenn diese Lust Dich, dem die üppigen Vergnügungen von London und Paris langweilten, im Streben nach Unterricht, mehr ankettet, weil die Natur höheren Teil daran hat, freut es mich, doch Deinem Zweck darf sie Dich auch nicht entführen. In tieferer Wissenschaft kannst Du hier nichts Beträchtliches erlernen, dies Volk hat noch manchen Schritt zu tun, die alten Versäumnisse einzuholen, um neben den Teutonen, Briten und Franken zu stehen. Wir wollen nach Lissabon, doch auch da nur kurze Frist weilen.

Guido folgte sogleich, er hatte Selbstbeherrschung genug, um zu wollen, was er sollte.

Fortsetzung folgt …

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