Filmbesprechung von Uwe Lammers
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Die Eckdaten
- Midnight in Paris
- Ein Film von Woody Allen
- Erscheinungsjahr: 2010
- Länge: 90 Minuten
- Hauptpersonen: Owen Wilson, Rachel McAdams, Adrien Brody, Kathy Bates, Marion Cotillard, Michael Sheen, Carla Bruni, Alison Pill, Tom Hiddleston, Léa Seydoux, Tom Cordier u. a.
Irgendwie hat allein schon der Name Woody Allen etwas Magisches – wenn der Regisseur des „Stadtneurotikers“ ruft, sagt irgendwie alles zu, was Rang und Namen hat, und unterwirft sich bereitwillig seinen Anweisungen, in einem Film eine illustre Riege der Darsteller zu formen. Das merkt man ganz besonders an diesem faszinierenden kleinen Komödien-Juwel, das ich lange schon mal ansehen wollte, aber erst kürzlich auf dem Flohmarkt als DVD erstand. Es ist wirklich ein romantischer Film mit philosophischen Akzenten, durchströmt von einer süßen Melancholie, dass man tatsächlich die Welt rings um sich herum völlig vergisst.
Worum geht es?
Im Jahre 2010 ist der Hollywood-Drehbuchschreiber Gil Pender (Owen Wilson) mit seiner Verlobten Inez (Rachel McAdams) in Paris, zeitgleich mit ihren Eltern, und sie treffen Inez´ früheren Studienkollegen Paul (Michael Sheen), der sich rasch als nerviger Pedant outet. Gil hadert mit seinem Beruf und ist dabei, einen ersten Roman zu schreiben. Zugleich ist er einfach unglaublich romantisch und träumt von dem „Goldenen Zeitalter“ der 20er Jahre, während seine Verlobte ihn ständig davon abzubringen sucht, sein Glück als Schriftsteller zu suchen. Rasch merkt man, wie sie sich innerlich voneinander entfernen. Ihn nerven die Schwiegereltern, die ihn nicht akzeptieren (Inez´ Vater steht der republikanischen Tea Party-Bewegung nahe, während er selbst es eher mit den Demokraten hält), Paul ist nachgerade unerträglich arrogant und stößt selbst die Fremdenführerin (Carla Bruni) vor den Kopf mit seinem zur Schau gestellten Fachwissen.
Eines Abends klinkt sich Gil einfach aus und wandert angetrunken durchs nächtliche Paris … und auf einmal um Mitternacht rollt ein altes Automobil vor seine Füße, und er wird zum Einsteigen einer ausgelassenen Gruppe von scheinbar kostümierten Leuten genötigt. Einer von ihnen stellt sich allen Ernstes als F. Scott Fitzgerald (Tom Hiddleston) vor.
Anfangs hält Gil das für eine Art von bizarrem Traum, aber er stellt schnell fest, dass ihn offensichtlich seine Sehnsucht nach den Zwanziger Jahren tatsächlich in jene Zeit zurückversetzt hat. Hier trifft er binnen kürzester Zeit nicht nur Fitzgerald und seine Frau Zelda (Alison Pill, bekannt aus der jüngeren Serie „Star Trek – Picard“), sondern er begegnet auch kulturellen Größen wie dem Musiker Cole Porter, der Tänzerin Josephine Baker, Ernest Hemingway (sehr beeindruckend: Corey Stoll) und Gertrude Stein (Cathy Bates, die ich aus „TITANIC“ kannte). Außerdem begegnen ihm Künstler wie Salvador Dalí (Adrien Brody), Man Ray (Tom Cordier), Luis Buñuel (Adrien De Van) und weitere Berühmtheiten, die er alle aus der Literatur kennt. Besonders beeindruckt ihn Pablo Picassos Geliebte Adriana (Marion Cotillard), und damit wird die Geschichte kompliziert.
Wieder zurückgekehrt in die Gegenwart ist Gil völlig verwirrt. Sein Versuch, seiner Verlobten diese Erfahrung nahe zu bringen, scheitert, was die Entfremdung verstärkt. Er sucht daraufhin verstärkt Rat und Unterstützung in der Vergangenheit, stolpert in der Gegenwart über die Antiquitätenhändlerin Gabrielle (Léa Seydoux – mir vertraut aus den jüngsten Bond-Filmen) und kommt so zum einen Adriana näher, in die er sich unweigerlich verliebt, als er auch einem Geheimnis auf die Schliche kommt, das ihm in der Gegenwart zum Verhängnis zu werden droht.
Und dann ist da noch Adrianas Sehnsucht nach IHREM Goldenen Zeitalter, der Belle Epoque. Ach ja, und nicht zu vergessen, dass Inez´ Vater inzwischen skeptisch wird, was Gils ständige nächtliche Ausflüge angeht … er setzt kurzerhand einen Detektiv auf ihn an. Was mit ihm passiert und mich zum lauten Lachen brachte, muss man selbst gesehen haben.
Wirklich, dieser Film ist so prallvoll mit berühmten Schauspielern, die hier mit Begeisterung in die Rollen von noch viel prominenteren historischen Persönlichkeiten, des frühen 20. Jahrhunderts und der Belle Epoque schlüpfen (wo sich dann Personen wie Henri Matisse, Henri de Toulouse-Lautrec, Paul Gauguin und Edgar Degas zum Cast gesellen), dass ich aus dem Staunen kaum mehr herauskam. Wer immer sich für das Paris und die kulturelle Szene der Goldenen Zwanziger Jahre interessiert und hier ein bisschen Grundwissen besitzt, wird ohne jede Frage von dem schillernden Setting mitgerissen werden. Owen Wilson spielt den unsicheren, romantisch-verträumten Gil so niedlich, dass man ihn unwillkürlich ins Herz schließt. Dabei muss man die Logik des magischen Realismus dieser Zeitreisen einfach mal akzeptieren, gewissermaßen als Zauber von Paris, dem Woody Allen hier eine äußerst charmante Liebeserklärung zukommen lässt.
Generell ist zu sagen, dass der eigentliche Zauber des Films von dem illustren Stelldichein der Personen ausgeht. Streng genommen „passiert“ nicht wirklich allzu viel, aber das merkt man, während man sich den Film anschaut und von ihm verzaubern lässt, im Grunde nicht … sodass einem am Schluss fast das Wichtigste entgeht. Denn Gil zieht natürlich eine Konsequenz aus dem Geschehen und trifft eine Entscheidung, die ich vernünftig fand und die irgendwie sehr schön zu Woody Allen passt.
Alles in allem ist der Film ein schönes kleines romantisches Juwel, das unbedingt die Wiederentdeckung lohnt. Nicht umsonst urteilen Kritiker darüber, es handele sich um „ein echtes Feel-good-Movie“ bzw. einen „zauberhaft-klassischen Woody Allen mit Dialogwitz, Esprit und Situationskomik“. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen.
senex
22. Dezember 2023 — 13:50
Dem ist nichts hinzuzufügen. Eine wirkliche Empfehlung für einen netten Film.
Danke für die Erinnerung.