Der Roman aus der Feder von Julius von Voß erschienen im Original im Jahre 1810, übertragen und Korrektur gelesen von Bernd “Göttrik” Labusch. Fortsetzung von: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 16

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Die Luftpost trug die Reisenden bald nach der westlichsten Hauptstadt in Europa. Dort befand sich unter andern eine berühmte Vorkehrung gegen Erdbeben. Weshalb Lissabon so große Summen zu diesem Zweck aufgewendet hatte, sieht man leicht ein. Die Anstalt würde einem Bürger des achtzehnten Jahrhunderts großes Staunen abgenötigt haben, wenn ihm ein prophetischer Geist davon hätte Meldung tun können, wie Jedermann im zehnten gefühlt hätte, wenn damals die Rede von Feuerröhren und Blitzableitern gewesen wäre.

Doch eine andere Szene fesselte Guidos Aufmerksamkeit, wo möglich, noch mehr. Da er nämlich am Ausfluss des Tejo umherging, kam etwas über die See, keinem Schiffe gleichend. Das Herannahen des Phänomens setzte ihn in nur heißere Verwunderung. Er begriff nicht, wie ein Gegenstand von diesem Umfange auf den Wogen schwimmen könne. Endlich sah er klar, dass es eine Insel war, und halb Lissabon strömte hinaus, sie an zu staunen.

Sie kam noch näher. Fernrohre hatten die Versammlung Neugieriger schon überzeugt, dass sich viele Menschen darauf befänden, welche sich teils auf dem Rasen und in den kleinen Gebüschen ergingen, teils in einem Wohnhaus, das man auf dem Eilande erblickte, allerhand Zeitvertreib hielten. Wer konnte aber das alles erklären? War ein Stück Land irgendwo durch ein gewaltsames Naturereignis losgerissen worden, und schwamm es nun zufällig gerade auf Lissabon zu? Niemand wusste, was er denken sollte.

Freundlich grüßten aber von der Insel Kanonenschüsse, und die dankende Antwort wurde vom Kastell des Hafens nicht vergessen.

Endlich hielt die Insel. Sie hatte eine so geringe Tiefe, dass sie unmittelbar an der Küste ihren Lauf beenden konnte.

Nun offenbarte sich aber, dass Wale von ungeheurer Größe, deren Köpfe und Rücken auch vorher, obwohl nicht deutlich, über der Flut bemerkt worden waren, das Eiland gezogen hatten. Die Männer, mit ihrer Lenkung bis dahin beschäftigt, spannten sie jetzt von den unerhört dicken Geschirren, warfen Anker von seltener Schwere, und banden die Tiere an ihren Tau.

„Wale gezähmt, zum Dienst des Menschen angelehrt?“ rief Alles; in wem erwachte zu erst der kecke Einfall? Welche Mittel ersann er, ihm Wirklichkeit zu geben?

Mit einem kleinen Nachen kamen nun einige Männer ans Land, fast erdrückt von Portugiesen. Sie zeigten auf einen hochbejahrten Greis in ihrer Mitte, nannten ihn den Besitzer des unerhörten Seefuhrwerks. Alles ging diesen nun um Auskunft an, er musste einen Balkon besteigen, zu der immer mehr angewachsenen Menge zu reden.

„Ich bin aus Nordamerika, Philadelphia ist mein Geburtsort“, setzte er an. „Schon mein Vater kam in früher Jugend auf die Vermutung, es werde möglich sein, sich Tieren mit seinem Willen verständlich zu machen, und ihre geringe Denkkraft, mit der viel umfangenden menschlichen, in Beziehung zu setzen. Denn, dachte er, geht dies bei Tieren vom Lande an, wo ist der Grund, es werde hier notwendig misslingen? Ohne Zweifel gab es einst Menschen, die den verlacht haben würden, der behauptet hätte, man könne Ross oder Stier zum dienenden Knecht machen.

Genug, mein Vater begann sein Werk mit umfänglicher Mühe. Kleine Flussfische in Becken waren es, womit er den Anfang machte. Die Nachbarn fragten, wozu denn das je nützen solle? Dies mochte mein Vater auch noch nicht recht einsehen, doch machte ihn nichts irre, und nach Jahren konnte er doch einen Hecht, einen Aal zeigen, welche auf seinen Wink allerlei kleine Künste vollzogen. Der Neuheit wegen lief man herzu, sah es an, zuckte hernach aber die Achsel ob der eitlen Mühe. Doch mein Vater fuhr fort. Ein Zitterfisch, ein Kabeljau und ein Hai, sehr jung eingefangen, kamen an die Reihe. Er fand bei diesen Tieren größere Gelehrigkeit, mit gebändigtem Mut bei dem folgenden Geschlecht verbunden, das er zog. Mit dem dritten ging es noch weiter. In einem großen Teich, den Meerwasser füllte, hatte der Vater eine Menge Kabeljau und Haie, ruderte sich auf derselben umher, sie abrichtend. Sie kamen auf seinen Ruf, empfingen Speise, entfernten sich wenn er es haben wollte, ließen sich ergreifen, sprangen sogar in den Nachen, und schmeichelten ihrem Herrn, indem sie aber zu bitten schienen, sie wieder in ihr Element zu entlassen. Mein Vater genoss keinen Vorteil davon, als dass er von denen, welche die seltsamen Künste seiner Tiere zu sehen begehrten, sich ein Zutrittsgeld erlegen ließ, wodurch er aber den noch eine artige Summe gewann. Eines Tages blieb ein großer Hai ganz zufällig an dem Stricke hängen, womit mein Vater den Nachen am Lande zu befestigen pflegte. Und so zog er diesen, indem er fortschwamm, hinter sich. Das kann ein neues Kunststück geben, dachte mein Vater, und fertigte Zaumzeug für zwei Haie an. Erst taten die Tiere unbändig, eine Last hinter sich empfindend, und einen Zügel im Mund, sie wollten ihre Bande zerreißen, schossen gegen den Grund, was den Nachen in Gefahr brachte. Doch fortgesetzte Liebkosung, Fütterung, wie sie sie gern empfingen, und nach Jahr und Tag, gab mein Vater seinen Haien ein Zeichen mit einer im Wasser bewegten Glocke, sie kamen, ließen sich Zaum und Geschirr anlegen, und lenken, wohin man wollte. Gegen das Ende seines Lebens fuhr der Alte aus seinem Teich nach dem hohen Meere, holte von einem Küstenort zum andern allerhand Waren. – Ich, noch ein Knabe, sann dem Dinge weiter nach. Wie, wenn man Seeschiffe so fortbringen könnte? Man dürfte des entgegenwehenden Windes oft spotten, hätte nicht nötig zu kreuzen, würde mehr Herr der Zeit, bedürfte der kostspieligen Ruder nicht, und käme vielleicht schneller als mit ihnen davon. Aber da bedürfte es größerer Tiere. Wenn indessen der Hai zum Gehorsam zu bringen ist, warum sollte es nicht auch der Wal sein? – Vater starb bald, ich nahm mein Erbe, und begab mich nach Kanada, mir dort einen kleinen Meerbusen als Eigentum zu verschaffen. Seine Enge vorn ließ ich mit einem Damm versehen, der durch eine Schleuse gesperrt werden konnte. Eine Wohnung erbaute ich mir am einsamen Strand, machte Niemand zum Zeugen meines Vorhabens, als einige Knechte, weil ich vor der Zeit nicht davon geredet wissen und von keinen Neugierigen überlaufen sein wollte.Nun ruhte ich nicht, bis es mir gelungen war, vieler jungen Wale habhaft zu werden, wobei mir Taucherhütten und dazu eingerichtete Fangwerke dienten. Dies gelang, aber mein weiteres Beginnen war mühevoll. Doch jung, kräftig, ausdauernd und mein Ziel mit festem Willen ins Auge gefasst, ließ ich mich nicht ermüden. – Da ich kurz bin, sage ich euch nur, dass ich mein Vorhaben fünfzig ganze Jahre lang treu verfolgte. Dann sah ich mich aber auch belohnt. Es war mir ein Scherz, eine Brigg oder einen Dreimaster von wohl eingefahrenen Walen dahinschleppen zu lassen, ich sah jedoch auch ein, wie die Kraft dieser Ungeheuer noch mehr leisten konnte. Da fertigte ich ein großes Floß, aus aneinander gefügtem Treibholz, bewarf es mit durchgesiebter fruchtbarer Erde und pflanzte allerhand Gras und Kräuter darauf. Einige erhöhte Hügel konnten Katalpen und Akazien, andere Fruchtbäume tragen. Ein gemächlich Wohnhaus und Speicher zu Waren folgten. So entstand das künstliche Eiland welches ihr seht. – Manches Jahr übte ich erst die Fahrt in meiner Bai, dann ließ ich den Damm mit Pulver sprengen‚ die Insel zum Ozean bringen und langte damit wohlbehalten auf der Reede von Philadelphia an. Die Einwohner staunten wie ihr. Man überzeugte sich aber bald von der Festigkeit und Sicherheit meiner Fahrt und gab mir reiche Ladung nach Europa, die ich verlangte. Auch einige Passagiere fanden sich, andere wagten es noch nicht, die Reise zu teilen. Die meisten unter jenen Männern sind meine Knechte. Doch fahrt jetzt zu der Schwimminsel hinüber und schaut ihre Bequemlichkeiten. Der Reisende merkt kaum, dass es weiter geht. – Welch ein angenehmer Aufenthalt. Bei heiterer Witterung lustwandelt man auf den Hügeln, schlummert im Grase, belustigt sich mit Fischfang. Ist der Himmel unfreundlich ladet das Gebäude ein’, wo sich mehr angenehme Einrichtungen finden, als auf dem größten Schiffe, nicht Büchersammlung, Orchesterorgel, Lusttheater, Fechtboden u. s. w. fehlen. Eine Taucherhütte hängt hinten am Eiland, dass man sich auf der Reise beliebig in die Tiefe senken und dort umsehen kann. Dies alles wurde erst in Philadelphia vollendet. – Und prüft auch meine großen Warenspeicher. Wohl mehr noch als ein Dutzend große Schiffe, vermag ich zu laden, wohlgeordnet, wohl gepackt, keiner Verderbnis bloßgestellt, und dennoch geht meine Insel nicht tief, weil ihre Breite und Länge im ausgleichenden Verhältnis zu den aufgebürdeten Lasten steht. Eiliger schießen die Wale dahin, als der günstigste Wind ein Fahrzeug zu treiben vermag. Der Sturm kann ihnen nichts anhaben, er trifft sie nicht in ihrer Tiefe. Das Eiland ist zu groß um ein Spiel der Wogen zu sein, zu hoch, zu fest, durch Brandungen zu leiden; stranden kann es nicht leicht, und wenn auch, es ruht dann sicher auf dem Grunde und es sind Winden vorhanden, die es bald wegschaffen. – Seht, ihr Europäer, dies alles kann des Menschen Fleiß ins Werk richten!“

Der Greis endete. Man konnte nicht genug Boote finden, die Neugierigen überzusetzen.

Dass Gelino und Guido nicht in Lissabon zurückblieben versteht sich. Man fand alles, wie der Mann gesagt hatte, bewunderte sich am meisten über die Sielen und Zugketten der sechs Meerungeheuer und sah zu, wie sie gefüttert wurden und die Knechte auf ihren Rücken tanzen ließen.

Das Abladen der Waren begann und der Mann verlangte an der Börse Rückfracht nach Nordamerika. Sie fand sich, seine Maschinen machten Alles in wenigen Tagen ab.

Während der Zeit erwachte in Guido eine heiße Neigung, die Inselfahrt auch zu teilen. „Wir wollten ja ohnehin nach Westindien“, sagte er zum Lehrer, „lass uns Plätze mieten.“

Gelino hatte kein Ohr, sein Alter empfahl mehr Vorsicht als Guidos jugendlich ungestümer Mut. „Zu wenig ist das noch erprobt, mein Freund“, antwortete er, „Unfälle, die der Mann selbst nicht erwartet, könnten uns treffen.

Erfahrung muss noch über den Gegenstand reden, vielleicht litt diese Reise nicht von heftigen Stürmen, doch was erzählt diese eine über kommende Reisen. Der Mann erwähnt nur seine erfolgreichen Anstalten, über alle Gefahr erhaben, aber ein Andermal können sie ihn überwinden.“

Doch dies alles leuchtete unserem Guido nicht ein, sein Verlangen wuchs nur am Widerstand und er drang so lange mit Bitten auf den Lehrer ein, bis er, obwohl bedenklich genug, einwilligte.

Fortsetzung folgt …

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