Atlan starrte sinnend vor sich hin und schien in fremde Dimensionen und ferne Zeiten entrückt. Nur oberflächlich streifte sein Blick die Kontrolltafeln und Bildschirme der Zentrale der SOL. Die Reparaturarbeiten am Schiff schritten, auch ohne Einmischung des Arkoniden, zügig voran. Die Mom’Serimer überschlugen sich förmlich in ihrem Eifer, den von ihnen angerichteten Schaden zu beseitigen und unterstützen die Besatzung der SOL wo es nur ging. Allerdings war ihre Hektik ansteckend und so hatte sich Atlan in die gegenwärtig ruhige Zentrale zurückgezogen. Sonst der betriebsamste Ort, befand sich gegenwärtig nur eine Notmannschaft an den Kontrollgeräten. Wer keine wichtigen Aufgaben in der Zentrale zu erfüllen hatte, beteiligte sich an den Arbeiten.

Ruhig wanderte sein Blick durch die Zentrale und traf jene Stelle, an der einst das Podest mit dem Thron des High Sideryt stand und über den nun ein seltsamer Kokon mit dem Symbol ESTARTUS hing. Vor wenigen Stunden hatte eine Stimme aus diesem Gebilde den Auftrag erteilt, in der Galaxis Segafrendo einen Kym’Jorier zu bergen. Niemand hatte eine Vorstellung, worum es sich dabei handelte, doch laut der rätselhaften Stimme ging es um nicht weniger als die Existenz der Menschheit. Atlan musste bei diesen Gedanken kurz auflachen.

Was hätte denn sonst passieren sollen?! Stets ging es an Bord der SOL um das Schicksal der Menschheit oder gleich des ganzen Universums! Schließlich hatten die Solaner, nach langer und gefährlicher Odyssee, gemeutert und waren für Jahrhunderte ihren eigenen Weg gegangen. Doch das Universum war gnadenlos. Shabazza hatte die SOL erobert und die Solaner ausgesetzt. Wo mochten sie sein? Gab es sie überhaupt noch?

Müßige Gedanken, die nur zu der wachsenden Unruhe Atlans beitrugen. Endlich rang er sich dazu durch sich an den Arbeiten zu beteiligen. Er wollte sich bereits abwenden, als urplötzlich die Kontaktplatte, aus dem Kokon ausfuhr.

Auf der Platte war ein Abdruck der Hand Atlans. Der Arkonide starrte irritiert auf die Erscheinung, als handle es sich um einen Geist. Zögernd trat er auf dem Kokon zu und führte seine rechte Hand zur Vertiefung der Platte. Sie passte wie maßgeschneidert und Atlan fragte sich, was gewesen wäre, wenn er sich nicht auf dem Schiff befunden hätte. Wäre dann ein anderer Abdruck auf der Fläche erschienen? Er wusste es nicht.

>Diese Frage ist gegenwärtig irrelevant!<

Der kurze, disziplinierende Impuls des Extrasinns traf Atlan wie ein Stromschlag. Langsam senkte sich seine Hand auf die Platte. Welcher unlösbare oder seltsame Auftrag mochte nun folgen? Doch zunächst tat sich nichts. Mit einiger Konzentration war zu erkennen, dass der Kokon zu pulsieren begann. Verwirrt trat Atlan einige Schritte zurück.

Mit einem Ruck, den er körperlich zu spüren vermeinte, öffnete sich eine Schublade im Kokon. Die Lade hatte etwa die Größe eines Schuhkartons. Im Inneren lag auf einem Polster aus rotem Samt ein großer dunkler Kristall. Der Kristall reflektiert keinerlei Licht und war nur als Schattenriss zu erkennen. In einer Tasche an der rechten Wand der Lade war ein Briefumschlag zu erkennen. Verwirrt trat Atlan auf dem Kokon zu und nahm den Kristall in die Hand. Der Anblick dieses Objekts weckte alte, fast vergessene Erinnerungen. Doch dies war nicht die letzte Überraschung. Als der Arkonide den Briefumschlag an sich nahm und öffnete, fand er eine Botschaft.

GIB CARCH DEN KRISTALL !

FÜHRE DAS SCHIFF NACH HAUSE !

KLÄRE DAS SCHICKSAL DER MÄCHTIGEN !

*

Ein lautes Knallen ließ “Rob-Roy” aus dem Schlaf schrecken. Die Nebenzentrale der SZ-1 schien förmlich in Flammen zu stehen. Mit zugekniffenen Augen starrte er auf das Kontrollpult vor sich. Blaue, grüne und rote Leuchterscheinungen tanzten über die Schalttafel. Der Dookie hatte im Schlaf sein Trinkgefäß umgestoßen. Der Saft aus der teuren Palaumafrucht hatte sich über die elektrischen Anlagen ergossen und für zahlreiche Kurzschlüsse gesorgt. Rob fluchte, als er nach den Wischlappen griff und zu retten versuchte, was er zu retten vermochte.

Ursprünglich hatte Rob sich nur für ein kurzes Päuschen zurückgezogen, doch der Stress der letzten Stunden war stärker gewesen als gedacht. Diese Mom’Serimer konnten wahrhaft nerviger sein als Cpt’Carch. Vor dem Beginn der Arbeiten hätte Rob sich dies nicht vorstellen können.

Nach einiger Zeit schaffte es “Rob-Roy” die größten Schäden zu beseitigen. Zufrieden musterte er sein Werk. Wer nicht zu genau hinsah, würde keine Spuren seines Missgeschicks bemerken. Allein die Bildschirme bereiteten den Dookie geringe Sorgen. Im Sekundentakt wechselten die Anzeigen und Abbildungen. Da mit dem Erscheinen anderer Besatzungsmitglieder nicht zu rechnen war, beschloß er, diese Unregelmäßigkeit nicht weiter zu beachten. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es sich nicht mehr lohnte, sich an die Arbeit zu begeben. Er würde hier das Ende der Schicht abwarten und sich anschließend im eigenen Quartier ausruhen.

Träge zogen sich die Minuten. Erst jetzt bemerkte “Rob-Roy”, daß Nichtstun zu einer schweren Qual werden konnte. Dennoch änderte er seine Absichten nicht. Langsam begann der Dookie wieder zu dösen. Dabei starrte er auf das Ausgangsschott der Nebenzentrale. Dieses stand seit Robs kleinen Missgeschick offen und gab ein beständiges Brummen von sich.

Unerwartet störten Schritte die betäubende Stille. Gespannt wartete Rob auf den Neuankömmling. Leise erwachte ein schlechtes Gewissen im Dookie. Als der Ankömmling das Schott durchschritt, erkannte “Rob-Roy” sofort die Medoeinheit von Cpt’Carch. Entgegen Robs früherer Annahme, gab es doch nur einen Roboter dieser Bauart auf dem Schiff.

Die Medoeinheit war tiefschwarz. Nur die Markierungen mit dem roten Kreuz im weißen Kreis stachen von der dunklen “Haut” ab. Tatsächlich wirkte die Verkleidung des Roboters wie eine künstliche Haut. Die Gestalt war menschenähnlich, wenn man von den zahlreichen Instrumenten und Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche sowie den drei kleinen Greifarmen und zahlreichen abnehmbaren Aggregaten und Tornistern absah. Auf dem ersten Blick hätte es sich auch um einen Cyborg handeln können. Der Dookie wusste es besser.

Ein leichtes Schaudern überlief den Rücken von “Rob-Roy”. Doch bevor er sich zu sehr in sein Unbehagen hineinsteigern konnte, zischte bereits Cpt’Carch in den Raum.

Er bestürmte Rob mit zahlreichen Fragen, die dieser nicht verstand. Dabei blieb der Cpt’Nok nie auf der Stelle stehen oder schaute den Dookie auch nur an. Vielmehr stürzte er sich auf jede Hervorhebung im Raum und probierte so ziemlich jede Schublade, jede Tür und jeden Hebel aus. Natürlich blieben ihm die dürftigen Flickarbeiten “Rob-Roys” nicht verborgen. Ein erneuter Schwall an Fragen traf den Dookie wie eine Meereswoge. Dieser entschloss sich aus Verzweiflung einfach zu schweigen. Irgendwann wurde es endlich ruhig. Cpt’Carch starrte wie gebannt auf die Bildschirme. Das Kaleidoskop an Eindrücken aus dem Schiff forderte seine gesamte Aufmerksamkeit. Dass der Cpt’Nok diesen Schwall von Bilder wirklich verarbeiten konnte, bezweifelte Rob. Für den Dookie zählte nur, dass Ruhe eingekehrt war und er wieder beruhigt auf Dienstschluss warten konnte. Damit sollte er sich getäuscht haben.

*

Die Schiffsführung hatte sich im Konferenzraum von SOL-City versammelt. Atlan hoffte, dass die ihm vertraute Umgebung sich positiv auf die Arbeit auswirkte. Einst waren die Räume von SOL-City das Hauptquartier der Atlan-Treuen gewesen, zu einer Zeit als es galt die Diktatur des High Sideryt zu brechen. Die Mehrheit der Anwesenden waren erstmals an Bord gekommen, nachdem ein anderer Tyrann, Shabazza, von Perry Rhodan besiegt wurde. Die “Gute Alte Zeit” war ihnen fremd. Selbst Icho Tolot und Roland Tekener waren nie in SOL-City gewesen, da diese erst lange nach ihrer letzten Anwesenheit eingerichtet wurde. Doch Atlan waren solche Bedenken momentan gleichgültig.

>Du hoffst auf ein Wunder, durch die Magie des Vertrauten. Du bist tief gesunken alter Häuptling<, kommentierte der Extrasinn.

>Sei still, wenn du keinen besseren Rat hast!<

Atlan blickte von seinen Unterlagen auf, als das beständige Murmeln im Hintergrund für kurze Zeit abriss. “Hat Jemand eine Idee, was es mit den neuen Auftrag auf sich hat?”

“Mein Gefühl sagt mir, dass wir es mit einem anderen Auftraggeber zu tun haben als beim ersten Mal. Ich denke wir sind uns einig, dass der Auftrag innerhalb von 32 Tagen einen Kym’Jorier zu bergen, von ES stammt. Aber dieser Text deutet auf eine andere Wesenheit hin.” Tekener wirkte leicht erregt, als er sich so in die Diskussion einmischte.

“Ach und an welche Wesenheit dachtest du?” Atlan wurde ungehalten, der Zeitdruck und die Hektik der vergangenen Stunden zerrten an seiner Kraft.

Tekener antwortet mit seinen typischen Lächeln und zeigte auf den Kristall aus dem Kokon. “Kommt dir dieses Ding nicht auch irgendwie bekannt vor?”

Atlan strich sich durch die Haare, “Der Kristall erinnert mich an den Pruuhl, aber das kann auch Zufall sein. Nein, das reicht mir nicht. Außerdem soll der Kristall an Carch übergeben werden. Doch nicht etwa dem Carch? SENECA?”

“Wider erwarten befindet sich Cpt’Carch seit kurzem tatsächlich auf der SOL. Er erschien völlig verwirrt auf dem Schiff, kurz nachdem wir die Nacht erreichten. Eine Meldung an die Schiffsführung unterblieb bislang auf Wunsch von Carch. Zudem gab es anfänglich Zweifel an seiner Person. Er tritt gegenwärtig als Cpt’Nok auf! Mit vier Beinen!”

Icho Tolot bemerkte kurz “Als Cpt’Carch letztmalig auf der SOL weilte, war er meines Wissens bereits ein Cpt’Kul und nannte sich Twoxel!”

“Richtig! Aber dieser Carch stammt aus einer früheren Epoche, etwa dem Jahr 3601 n. Chr.”

Myles Kantor, der sich bisher nicht an der Diskussion beteiligte, begann fieberhaft Notizen auf seinen Block zu kritzeln. “Ein Zeitreisender reist aus der Vergangenheit in die Zukunft. So etwas hat es seit Ovaron nicht mehr gegeben und ist mit einigen mir bekannten Theorien nicht vereinbar. Ein interessantes Phänomen. Bin im Moment eh unterbeschäftigt.”

Ein durchdringender Summton erklang und unterbrach die Diskussion. Atlan wandte sich an SENECA. “Ist die Nachricht wirklich wichtig!”

“Ja! Die Mom’Serimer vermissen gegenwärtig sieben ihrer Techniker auf der SOL!”

*

“STOP!!” Mit einem kurzen und schrillen Ruf beendete Cpt’Carch die träge Ruhe in der Nebenzentrale der SZ-1. “He! Was war denn das? Ich will das noch einmal sehen!”

Mühsam richtete sich “Rob-Roy” auf und wandte seine Aufmerksamkeit den Cpt’Nok zu. “Was regst du dich auf! Dieser Bildschirm zeigt doch nur Aufnahmen aus den Hangarsektoren der SOL-Zelle 1! Da war seit Jahrhunderten niemand mehr!”

“Und ich sage, da war was! Halte die Bilder an!” Carch schaute den Dookie mit allen vier Augen flehend an.

Rob versuchte zunächst das Flehen und Fordern Carchs zu ignorieren. Lange hielt er den Druck durch den Cpt nicht stand und tippte nun verzweifelt auf den Kontrollen herum.

“Du hast sie kaputt gemacht! Ich will aber wissen, ob ich mich nicht geirrt habe. SENECA, stoppe diesen Trottel und zeige mir die Bilder!”, Carch klang ungewohnt verzweifelt.

“Durch die Beschädigungen war eine Aufzeichnung durch SENECA nicht möglich. Ich kann jedoch mit meinen eigenen Aufzeichnung aushelfen!” Damit griff der Medoroboter erstmals in die Diskussion ein.

“Ja! Dann fang gefälligst an, Korrago-666!” In Cpt’Carch wuchs neue Zuversicht.

Rob wandte sich beruhigt von den Kontrollen ab. Er beobachtete, wie der Roboter seine Aufzeichnungen auf eine freie Wand projizierte. Zunächst erschienen keine besonders aufregenden Bilder. Wie vom Dookie erwartet, Aufzeichnungen der Hangars, die mit allerlei alten, zum Teil bereits wracken Beibooten gefüllt waren.

Plötzlich geriet Unruhe in den Cpt’Nok und Carch verlangte vom Roboter, die Aufzeichnung zu verlangsamen. Mit einiger Mühe erkannte Rob einige Mom’Serimer, die in ihrem Eifer auch seit langem verlassene Bereiche der SOL herzurichten versuchten. Einige dieser an aufrechtgehende Termiten erinnernde Wesen drangen sogar in abgesperrte Hangars vor.

“Halt! Nur Bilder von den Aktivitäten dieser sieben Serimer im Sektor SZ-1 H-K-32 und bitte etwas langsamer!” Carch schien gefunden zu haben, was er suchte.

Nun wurde auch der Dookie neugierig und schenkte den Bildern größere Aufmerksamkeit. Zunächst verliefen die Arbeiten reibungslos.

Der Puls von Rob beruhigte sich bereits, als die Serimer das Schott zu einem Hangar erreichten, das nur durch einen grünen Energieschirm verriegelt war. Drei der Serimer wandten sich dem Schott zu und versuchten durch den trüben Schirm hindurch zu sehen. Als einer der Neugierigen die übrigen vier Pseudo-Termiten herbeirufen wollte, brach die Hölle aus. Aus kleinen Erhebungen der Decke, den Rahmen des Schotts, den Wänden und sogar den Boden schossen unzählige Strahlen hervor. Die sieben Mom’Serimer waren innerhalb Sekunden vollständig atomisiert. Nur ein schwacher Nebel blieb zurück, der schon bald von den Belüftungsanlagen beseitigt war.

Die Aufzeichnung stoppte und in der Nebenzentrale breitete sich drückende Stille aus. Damit hatte Rob nicht gerechnet. Der Angriff auf die Serimer konnte nur von SENECA ausgegangen sein. Der Dookie schluckte trocken: “Wie konnte so etwas passieren?”

“Keine Information vorhanden. SENECA verweigert auf meine Anfrage die Antwort!” Irrte sich Rob, oder klang die Medoeinheit wirklich verunsichert?

“Wieso? Als Roboter der SOL bist du doch ständig mit SENECA vernetzt. Du bist praktisch ein Teil der Bordpositronik. Wie kannst du da nicht wissen, was das soll?” Das langsam gewachsene Misstrauen des Dookie gegen den Roboter brach sich eine Bahn.

“Sie unterliegen einen massiven Irrtum. Ich wurde von Tangens dem Falken aus Überresten eines Korrago-Roboters hergestellt. Der originale Korrago-666 befand sich zum Zeitpunkt der Eroberung der SOL durch Perry Rhodan, in einer Wartungssektion. Ich wurde lediglich mit Standardbauteilen ergänzt. Es besteht keine ständige Vernetzung mit SENECA. Vielmehr muss ich bei jedem Datenaustausch von mir aus den Kontakt mit SENECA suchen.”

Das Misstrauen von “Rob-Roy” war damit nicht wirklich beschwichtigt, doch hatte der Dookie keine Möglichkeiten die Angaben des Roboters zu überprüfen.

Inzwischen hatte Cpt’Carch sich gefangen. Sein an eine Banane erinnernder Körper zitterte noch leicht, als er sich dem Roboter zuwandte. “Was ist in dem Hangar?”

*

Atlan rannte durch die weiten Gänge der SOL. Seit Stunden lief die Suchaktion nach den sieben verschwundenen Mom’Serimern. Doch wollte sich kein Erfolg einstellen. Um Zeit zu sparen hatte er die Leitung der Suchaktion an Tekener übergeben. Dafür befand sich der Arkonide nun auf der Suche nach Cpt’Carch. Der Kristall steckte in einer Hosentasche und drückte leicht gegen den rechten Schenkel Atlans. Kurzatmig erreichte der Unsterbliche jenen Sektor der SZ-1 in dem sich die Spur von Carch und seinen Begleitern verlor.

Plötzlich entstand eine Wand aus rotem Leuchten vor dem Arkoniden. “Ein Eindringen in diesem Sektor muss aus Sicherheitsgründen verweigert werden!” SENECA verweigerte Atlan den Zutritt zum Standort des Cpt’Nok. Wieso? Der Arkonide war ratlos. Er ahnte jedoch, dass die Antwort auch das Schicksal der Serimer klären würde.

Einen Hinweis seines Extrasinns folgend, ging Atlan einige Meter des Ganges zurück. Dort fand er den Einstieg zu einem Wartungsschacht. Er kletterte hinein und umging die Sperre. Überraschend einfach kam Atlan durch die engen Schächte vorwärts. Dennoch war zweifelhaft, dass er es rechtzeitig schaffte.

*

Ohne Probleme war das Trio an jenen Ort gelangt, an dem SENECA die Serimer getötet hatte. Nun standen sie vor dem Schott und versuchten einen Blick ins Innere des Hangars zu erhaschen.

“Eine Analyse der verwendeten Energien lässt vermuten, dass dieser Schirm nicht von Anlagen der SOL errichtet und stabilisiert wird.” Korrago-666 wandte sich an Carch: “Mit einigem Aufwand lässt sich ermitteln, was die drei Serimer mit ihren Sinnen wahrgenommen haben und auf Wunsch sogar ein besseres Bild.”

“Dann fang schon an!”, rief der Dookie und schritt auf den Roboter zu.

Es dauerte einige Minuten. Aus dem Bordfunk hatten sie erfahren, dass die Arbeiten in der SOL abgeschlossen waren. In wenigen Stunden würde die SOL die NACHT verlassen. Doch das Trio interessierte sich nicht wirklich dafür.

Ein Versuch des Cpt’Nok den Schirm mit Hilfe seiner besonderen Fähigkeiten zu neutralisieren schlug fehl. Fast wäre der ungeduldige Carch von den Energien nach sonstwohin abgestrahlt worden. “Wenn ich bereits geboren wäre, ständen wir jetzt nicht so hilflos herum!”

“Beruhigen Sie sich! Die ersten Ergebnisse stehen gleich zur Verfügung.” Der Roboter war kurz vor dem Abschluss seiner Tätigkeit.

Der Dookie, der sich längere Zeit im Hintergrund aufgehalten hatte, stellte sich nun direkt neben den Korrago. Er hoffte so einen besseren Blick auf die Bilder zu haben. Diesmal projizierte die Medoeinheit die Bilder nur 10 cm groß in seine linke Handfläche. Die Hoffnung, so vor einer Beobachtung durch SENECA sicher zu sein, war reine Illusion.

Die Projektion wirkte wie ein Spielzeugmodel des Hangars. Überraschend war der Hangar zum größten Teil leer. Lediglich weiter hinten befand sich ein kleines Raumschiff, dass entfernt an eine Keule mit gefiederten Griff erinnerte. Davor stand ein Denkmal, eine Statue eines Lebewesens, das entfernt an ein Kissen auf Beinen erinnerte.

“Die Statue stellt Douc Langur dar und das Schiff ist die HÜPFER! Was denkt sich SENECA dabei?” Cpt’Carch hatte fast geschrien, er war geradezu hysterisch.

Bevor der Dookie die Worte des Cpt richtig verarbeitet hatte, brach das Chaos über das Trio herein. Wie bereits bei den Mom’Serimern griff SENECA die allzu Neugierigen einfach an. Ein Inferno aus allen nur denkbaren Waffen, die in geschlossenen Räumen einsetzbar waren, wurde aktiv. Der Dookie überlebte nur, da er nahe bei Korrago-666 stand. Der Roboter besaß aus alten Zeiten hochwirksame Schutzschirme, die ihn und Rob schützten. Cpt’Carch warf sich bewusst ins Feuer und saugte die ihn treffenden Energien förmlich auf. Der Schirm des Roboters begann zu flackern und wurde von Carch gezielt unterstützt. SENECA erkannte seinen Fehler innerhalb von Sekunden und fokussierte seinen Angriff auf den Cpt. Korrago-666 und “Rob-Roy” waren unter den Schirm nun relativ sicher, aber auch zur Untätigkeit verdammt. Doch Carch konnte, obwohl noch nicht geboren, unglaubliche Mengen von Energie schlucken. Abermals änderte SENECA seine Taktik, statt den Cpt’Nok weiterhin mit allen denkbaren Energien aufzuheizen, begann er ihn mit “Saugstrahlen” anzugreifen. Dagegen war Carch wehrlos. Um nicht aller Energie beraubt zu werden, sog er die benötigten Energien aus den Anlagen der SOL. Es ging um Minuten. Wessen Möglichkeiten Energie zu gewinnen waren zuerst erschöpft? Ein Sieg des Cpt hätte allerdings die Entladung aller Speicher der SOL bedeutet. Als es Carch gelang Zugang zum Stromfluss eines Hypertropzapfers zu erreichen, war der Kampf fast entschieden. Nur die körperliche Erschöpfung konnte den Cpt noch stoppen. Doch fand SENECA seinerseits einen Weg, die von Carch gewonnen Energien wieder in den Hyperraum abzuleiten. Der Kampf hatte sich zu einen Kreislauf entwickelt, der keinen Sieger kennen konnte.

*

Nur wenige Meter vor dem Ziel war Atlan aus den Wartungsschacht geklettert. Nun musste er nur noch durch einen Gang in die Halle vor dem Hangar gelangen.

Der Arkonide atmete kurz durch und setzte sich wieder in Bewegung. Die Beleuchtung des Gangs begann zu flackern. Aus dem ständig eingeschalteten Bordfunk erfuhr Atlan, dass die Energieversorgung der gesamten SOL zusammenzubrechen drohte. Endlich erreichte er das letzte Schott vor dem Ziel.

Es schienen Ewigkeiten zu vergehen, während sich das Schott öffnete. Grelle Helligkeit schlug dem Unsterblichen entgegen. Es dauerte, bis sich der Arkonide an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Ihm bot sich ein erschreckender Anblick.

Der Dookie, der allgemein nur “Rob-Roy” genannt wurde, hatte sich an den Medoroboter geklammert. Der hatte sich mit seiner Last in einen Winkel des Raums zurückgezogen. Der Energieschirm der für einen Medoroboter ungewöhnlich stark war, behinderte ihn jedoch. Charch schließlich war durch unzählige Energiebahnen an seinen Standort gebunden. Die Bahnen, durch die SENECA den Cpt seine Energien entzog, pulsierten unaufhörlich. Dazwischen gab es beständig neue Überschlagsblitze, mit denen sich Carch mit Energie versorgte.

Ratlos starrte Atlan ins Inferno. Mit Gewalt konnte er diesen Kampf nicht mehr beenden. Und Befehle nahm SENECA jetzt wohl keine entgegen. Da meldete sich der Extrasinn und gab uralte Erinnerungen frei.

>Denke an den Traum Narods über den 4. Oktober 3645 n. Chr.! Handle endlich!<

Zögernd betrat Atlan die Halle und näherte sich der Kampfzone.

Beständig rief er: “Aktivatorsicherheitsschaltung A-1 aktivieren. Überrangbefehl!”

Zunächst verschwanden die Energiebahnen nur dort, wo sie Atlans Weg schnitten. Als der Arkonide sich den Cpt zunehmend näherte, erloschen nach und nach auch die letzten Bahnen. Nur zögerlich verzichtete Carch auf die für ihn rettenden Überschlagsblitze.

Erst als alle Waffen schwiegen und auch Korrago-666 seinen Energieschirm deaktivierte, beruhigte sich der Arkonide. Erschöpft sank Atlan in sich zusammen.

*

Als Ronald Tekener in Begleitung von drei Sicherheitsoffizieren die Halle erreichte, hatten sich das Trio und Atlan bereits wieder erholt. Der Arkonide hielt den Kristall in seiner Hand und wartete mit Carch darauf, dass sich Tekener zu ihnen gesellen würde.

Atlan begann zu sprechen: “Dieser Kristall stammt von einer Höheren Macht, dessen Identität mir noch unklar ist. Ich soll ihn dir, Cpt’Carch, übergeben! Ich hoffe, du weißt, was damit passieren soll.” Still nahm der Cpt den Kristall entgegen. Als dieser von Carchs Hand fest umschlossen wurde, begann er Wärme auszustrahlen. Gleichzeitig schien ein Gong zu erklingen und der bis dahin undurchdringliche Schirm im Hangarschott erlosch.

“Der Beauftragte ist wunschgemäß erschienen, die HÜPFER steht ihn für die weitere Arbeit zur Verfügung!” Die Stimme, die dies sagte, erklang nur in den Köpfen der Anwesenden. Eine Geisterstimme wie von ES, jedoch sehr viel ruhiger und beherrschter, fast kalt.

“So weit so gut,” meinte Tekener nach einiger Zeit und sah Atlan an: “Aber was ist denn eigentlich vorgefallen?”

“Nun. Ich hatte Zeit für ein kleines Gespräch mit den Dreien und erfuhr so einiges. Die Details wie immer später im Konferenzraum. Nur soviel: SENECA hat die sieben vermißten Mom’Serimer ermordet, als diese hier zu schnüffeln begannen. Die Drei wurden durch Zufall Zeugen des Verbrechens und wurden neugierig. Da sich Cpt’Carch für unverwundbar hielt, wurde keine Meldung gemacht. Als das Trio erkannte, dass sich im Hangar die Hinterlassenschaften von Douc Langur befinden, griff SENECA an und konnte von mir nur unter Berufung auf eine uralte Sicherheitsschaltung gestoppt werden. Sie besagt, dass SENECA sich unter keinen Umständen gegen einen Zellaktivatorträger stellen darf.”

“Mag sein! Aber warum hat SENECA überhaupt so reagiert?”

“Dies hängt wohl mit dem Denkmal für Douc Langur zusammen. Lass uns einfach nachsehen.”

Das Trio hatte das Ende des Gesprächs nicht abgewartet und war bereits ins Hangar vorgestoßen. Während Cpt’Carch sich vor allem für die HÜPFER interessierte, wandte sich “Rob-Roy” den Denkmal zu. Er vermutete, dass hier der Grund für den Angriff SENECAS lag.

Die eigentliche Statue stand auf einem großen und breiten Sockel. Auf der Vorderseite des Sockels war eine breite Metallplatte zu erkennen. Es war die Front einer Art Schublade. Diese war groß genug um einen Menschen aufzunehmen.

Rob rief alle Anwesenden zu sich. Carch erschien als erster. Er hatte sich in der Zwischenzeit Logikors bemächtigt und stand im intensiven Kontakt mit diesem. Alls sich alle versammelt hatten, zog der Dookie den Kasten heraus. Tatsächlich war es eine Art Sarg. Im Inneren lag der Leichnam von Douc Langur. Er lag da, als wäre er friedlich entschlafen, doch alle wussten, dass er von Surfo Mallagan während eines Amoklaufs über den Planeten Kran getötet worden war. SENECA hatte alle Spuren der Tat beseitigen lassen. Atlan ließ den Sarg wieder schließen. Ratlos standen sie um das Mausoleum, dass dieses Denkmal wohl war, herum.

Schließlich sagte Atlan: “Ich habe Mallagan diese Tat nie wirklich verziehen. Aber, warum schützt SENECA diese Stätte? Und dann noch auf diese Weise?”

“Weil er vertuschen wollte, dass nicht Surfo Mallagan den Forscher der Kaiserin von Therm getötet hat, sondern er, SENECA selbst, war es.” Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten sprach Logikor in einer Lautstärke, dass er von allen verstanden wurde.

“In der Zeit der SOL als Spoodieschiff in Vayquost ist SENECA durchgedreht, größenwahnsinnig geworden. Er wollte die Herrschaft über den Limbus. Doch du, Atlan, standest ihm im Weg. So konditionierte er Surfo Mallagan mit manipulierten Spoodies. Er sollte zu einem den Orakel gleichwertigen Handlanger werden. Mallagan sollte eines Tages Atlan vernichten, etwas das SENECA selbst wegen der Sicherheitsschaltungen nicht konnte. Doch die Betschieden und Douc Langur kamen ihm auf die Schliche. Langur gab nicht auf und wurde schließlich von einem Roboter SENECAS erschossen. Tage später nach der Zähmung der Bordpositronik und ihrer Reparatur schämte sie sich ihrer Tat und tat alles um sie zu vertuschen. Warum Surfo Mallagan und die Betschieden mitspielten ist mir unklar. Jahrhunderte war SENECAS dunkles Geheimnis sicher. Durch die jüngsten Ereignisse drohte es offenbar zu werden. SENECA hatte vielleicht auch Angst eines Tages durch eine Syntronik ersetzt zu werden.”

“Ich hoffe, dieser Spuk ist jetzt vorüber. Wir werden ein Auge auf SENECA haben müssen. Aber wir wissen nun auch, was der erste Teil der Botschaft aus dem Kokon bedeutet. Cpt’Carch soll mit Hilfe des Kristalls in den Besitz der HÜPFER gelangen und mit dieser einen Auftrag erfüllen.” Atlan atmete einmal tief durch und schloss das Thema geistig ab: “Bis wir die Nacht verlassen, vergehen noch einige Stunden. In Kürze wollen uns unsere unfreiwilligen Gastgeber, die Mom’Serimer, mit einem Geschenk überraschen. Dazu wird es eine Vollversammlung der Besatzung geben. Ich hoffe es sind dann alle Anwesend. Bis dahin ordne ich strenge Nachtruhe für alle Beteiligten an, die über keinen Zellaktivator verfügen. Also gute Nacht und bis Morgen!”

Während “Rob-Roy” sich schnellstmöglich aus dem Staub machte, blieb Carch noch eine Weile, um sich mit der HÜPFER vertraut zu machen. Tekener und die Sicherheitsleute verließen den Hangar und Atlan richtete sich darauf ein, dass er Crom Harkanvolter, dem Herrscher der Mom’Serimer, eine bittere Nachricht übermitteln musste.

Nur langsam breitete sich wieder die gewohnte, leicht angespannte Ruhe im Schiff aus. Und alles wartete auf die Herausforderungen der Zukunft.

ENDE