Vader&Ich

Folgen 31 bis 34

PER ANHALTER DURCH DAS IMPERIUM:
“Sperren Sie ihr das Bankkonto …”

Käme es nur aufs Ankommen an, so hätte ich einfach solange ausgeharrt, bis ich auf einen der wenigen Frachterpiloten getroffen wäre, der nicht für eine der großen Reedereigesellschaften arbeitete (und der deshalb auch nicht nur innerhalb des Systems Linie flog).
Das konnte ich mir aber gerade nicht leisten, da ich bekanntermaßen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Coruscant sein wollte.
Ich fing an, mein Handeln zu hinterfragen. War es ein Fehler gewesen, die Devastator zu verlassen? Alleine wenn man die Begegnungen und Gelegenheiten betrachtete, die potentiell gefährlich für mich hätten sein können.
Dazu kam, dass die gestohlene ID-Card nach wie vor verhinderte, dass ich sowohl Geld von meinem Konto abheben als auch einen Flug mit einem Passagierschiff buchen konnte.
Tja, da waren sie wieder, meine drei Probleme: keine Credits, keine ID-Card und keine Ahnung, wie es weitergehen soll …
Ich besorgte mir einen Kaf und dachte darüber nach, ob ich aufgeben und wenn ja, wie ich es Vader gegenüber am besten formulieren sollte. Oder sollte ich doch lieber den Diebstahl meiner ID-Card den Behörden melden und mir Ersatzdokumente ausstellen lassen? Das konnte ein paar Tage dauern, wenn man die Vorgangsbeschleunigungsgebühr nicht zahlen konnte oder wollte.
Doch dieser Überlegungen wurde ich plötzlich enthoben, als mir jemand von hinten die Arme auf den Rücken drehte und mir Handschellen anlegte: „Mirian Sirtani, Sie sind verhaftet …“

„Mirian Sirtani“, sagte der ältere Sicherheitsbeamte, der meinen Fall übernommen hatte. „Gesucht wegen Diebstahl, Prostitution und Drogenbesitz.“
„Ich bin nicht Mirian Sirtani“, sagte ich. „Mein Name ist Kilian. Rosalinda Kilian.“
Das hatte ich schon den beiden Jungspunden gesagt, die mich am Raumhafen verhaftet hatten, konnte dieses Missverständnis ohne ID-Card aber nicht gleich vor Ort aufklären.
Da man mit Sicherheitsbeamten aller Art erfahrungsgemäß besser zurechtkam, wenn man sich kooperativ-fügsam und der Einsatz von Schlagstock und Schocker hier üblich war, sobald man sich renitent-uneinsichtig zeigte, hatte ich mich widerstandslos abführen lassen.
„Sie haben keine Papiere“, sagte der Vernehmungsbeamte.
„Die wurden mir gestohlen.“
„Soso“, meinte er, „warum haben Sie sie dann nicht gestohlen gemeldet und Ersatzpapiere beantragt?“
„Ich war auf dem Weg zu einem Termin nach Coruscant und wollte das dort nachholen.“
Die beiden jungen Beamten, die mich verhaftet hatten, grinsten einander wissend an. Ja, solche Ausreden kannten sie schon …
„Durchsuchen Sie ihr Gepäck“, befahl der ältere Beamte.
Oh-oh. Das war gar nicht gut. Denn da würden sie das Lichtschwert finden, das Vader mir gegeben hatte …
„Wollen Sie denn nicht erst mal meine Angaben überprüfen?“, fragte ich in dem bemühten Versuch, die Durchsuchung meines Gepäcks doch noch abwenden zu können.
„Das werden wir, keine Sorge“, sagte der Ältere grinsend, während die beiden Jüngeren meine Reisetasche öffneten und den Inhalt ausschütteten.
Getragene wie ungetragene Unterwäsche und Unterkleidung, der Businessanzug, Utensilien zur Körperpflege, mein ComLink und das Lichtschwert.
Order 66 war immer noch in Kraft und die imperialen Sicherheitskräfte wussten, was ein Lichtschwert war, wer es benutzt und welche Fähigkeiten seinen Nutzern im Allgemeinen zugeschrieben worden waren, denn der Vernehmungsbeamte zückte sofort seinen Blaster und einer der jüngeren Beamten knockte mich aus, indem er mich niederschlug …

Vader öffnete die Augen. Irgendetwas war gerade geschehen, das seiner Aufmerksamkeit bedurfte. Bald …

„Ich muss mal auf’s Klo.“
Nachdem sie mich niedergeschlagen hatten, wachte ich in einer Hochsicherheitszelle auf. Sowohl Hand- als auch Fußgelenke waren gefesselt, vor meiner Zelle standen zwei Sicherheitsbeamte mit Blastergewehren im Anschlag und ich hatte mörderische Kopfschmerzen.
Hm. Ob das einen Jedi aufhalten würde? Vielleicht. Vader? Eher nicht.
Vader.
Wie er DIESE Geschichte wohl aufnehmen würde? Andererseits hatte er ja gesagt, dass ich das Lichtschwert ständig bei mir führen sollte …
„He, habt ihr mich gehört?“, rief ich.
Gut, es war noch nicht SO dringend, aber man sollte sich rechtzeitig um seine Bedürfnisse kümmern …
Sie reagierten nicht.
„Wenn ihr mich nicht lasst, mach‘ ich euch die Zelle dreckig und ihr müsst den Gestank ertragen …“
Endlich kam ein höherrangiger, mittelalter Beamter.
„Nun lasst sie schon oder ihr macht mir nachher die Zelle sauber“, befahl er.
„Aber Sir“, wandte einer der beiden jüngeren ein. „Sie steht im Verdacht, ein Jedi zu sein!“
„Unwahrscheinlich“, sagte er. „Ich habe in den Klonkriegen gedient und gesehen, wie die Jedi Leute mit ihren Gedankentricks manipuliert haben. Könnte sie das, hätte sie es schon längst getan und Sie hätten sie unter Verbeugungen und Entschuldigungen hier rausgelassen …“

Captain Hadat schüttelte den Kopf. Der Sicherheitsbeamte, dem der Raumhafen unterstand, hatte ein vorzügliches Personengedächtnis. Zugegeben, die Person, die seine jungen, übereifrigen Beamten verhaftet hatten, sah einer Verdächtigen flüchtig ähnlich – die langen schwarzen Haare, die grüngrauen Augen, die helle Haut …
Doch die Gesichtszüge der Gesuchten waren anders, sie war auch kleiner und, eh, schmaler.
Andererseits war „Rosalinda Kilian“ ein interessanter Beifang: sie besaß ein Lichtschwert …
Hadat glaubte nicht ernsthaft, dass sie eine Jedi war, so problemlos, wie ihre Festnahme und Inhaftierung vonstattengegangen war.
Aber der Besitz von Lichtschwertern war verboten, es war schon eigenartig, mit was die Leute sich in Schwierigkeiten brachten. Vielleicht hatte sie es auch verkaufen wollen, manche Sammler bezahlten für Artefakte des Jedi-Ordens Unsummen.
Er rief ihre Akte auf. Name, Alter, Ausweisnummer, Arbeitgeber. Immatrikuliert an der Universität von Coruscant. War einmal Opfer einer Geiselnahme sowie einer Entführung geworden. Bisher noch nicht im Zusammenhang mit illegalen Transaktionen aufgefallen.
Dann las er, WER sofort informiert werden wollte, sollte Rosalinda Kilian in einen Unfall verwickelt oder festgenommen werden.
Er schloss die Akte fast reflexhaft. Kriff …

„Kri mi oo“, stöhnte das Alien, mit dem ich die gewöhnliche Zelle teilte, in die man mich inzwischen verlegt hatte.
„Kri mi oo, kri mi oo, kri mi oo …“
Dabei wand es sich mitleid¬erregend am Boden.
„Was haben Sie?“, fragte ich und konnte dabei meine Besorgnis nur ungenügend kaschieren.
„Kri mi oo, kri mi oo …“
„Sind sie krank, haben Sie Schmerzen?“
„Kri mi oo, kri mi oo …“
Das Alien (auch bei ihm habe ich bis heute keine Ahnung, um was für eine Spezies es sich handelte) jammerte immer weiter, normalerweise hätte ich längst einen mobilen Arzt oder den Rettungsdienst gerufen. Der würde mir hier doch nicht einfach so wegsterben?
Ich trat an das Zellengitter.
„He, Ihr“, rief ich. „Könnt Ihr mal kommen?“
Die beiden Männer, die hier die Aufsicht führten, sahen unwillig auf.
„Ich glaube, der Typ in meiner Zelle ist krank“, fügte ich an.
Ein Wachmann stand tatsächlich auf, näherte sich unwillig und sah dann flüchtig in die Zelle.
„Den haben wir öfters hier“, sagte er, „zum Ausnüchtern.“
Ich sah zweifelnd auf das jammernde Alien am Boden.
„Der will und braucht keinen Arzt, sondern einen Drink.“
„Aber …“, wandte ich ein und überstrapazierte damit die Geduld des Wachmanns, denn er schlug seinen Schlagstock so heftig gegen das Zellengitter, dass es knallte und ich erschrocken zurückwich. Ende der Diskussion …

Nervös harrte Captain Hadat der Dinge, die da kommen sollten.
Zuerst hatte er Rosalinda Kilian einfach laufen und den Vorgang ihrer Verhaftung aus den Akten verschwinden lassen wollen.
Das war zu bewerkstelligen, solange die Dateien noch nicht festgeschrieben worden waren.
Dann verwarf er diesen Gedanken.
Zugriffe auf persönliche Akten wurden automatisch protokolliert.
Und in Kilians Akte stand unmissverständlich, dass Darth Vader informiert werden wollte, wenn sie verhaftet werden oder ihr sonst etwas zustoßen sollte.
Trotzdem zauderte er.
Was sollte er Lord Vader eigentlich sagen?
Dass sie Kilian der Prostitution verdächtigt hatten?
Sie verwechselt?
Gedacht, dass sie ein Jedi sei?
Schließlich zeigte eine eingehende Prioritätsmeldung, dass seinem Ersuchen, mit Darth Vader zu sprechen, entsprochen worden war.
Hadat nahm das HoloVid an und ein lebensgroßes Hologramm Darth Vaders baute sich vor ihm auf.
„Captain Hadat“, sagte der dunkle Lord. „Sie haben eine wichtige Information für mich?“
„Es geht um Rosalinda Kilian“, sagte Hadat und riss sich zusammen.
Er machte hier eine einfache Meldung und Darth Vader war tausende von Lichtjahren entfernt.
Hoffte er.
„Geht es ihr wohl?“, fragte der dunkle Lord.
„Ich denke schon“, antwortete Hadat.
„SIE DENKEN SCHON?!“, wiederholte Vader.
Hadat wich instinktiv zurück.
„Sie, ähm, sie wird keine bleibenden Schäden davontragen.“
Hadat dachte mit schlechtem Gewissen an die Beule, die der engagierte Schlagstockeinsatz seines jungen Beamten auf ihrem Hinterkopf hinterlassen hatte.
„Das will ich hoffen“, sagte Vader und eine unbestimmte Drohung lief durch die Macht.
Hadat schlucke.
Konnte sich nicht einfach ein Loch im Boden auftun und ihn verschlingen?

Vader wartete, zunehmend ungeduldig. Warum verrieten ihm die Leute nicht einfach, was er wissen wollte?
„Sie haben Rosalinda Kilian also verhaftet“, sagte er.
Das war simple Deduktion und doch würde das den Gerüchten über seine Fähigkeiten neue Nahrung geben.
„Zwei noch sehr junge Beamte haben sie mit einer, äh, Prostituierten verwechselt und festgenommen.“
Vader war nur mäßig schockiert.
„Wie führt eine einfache Verhaftung zu Verletzungen, die keinen bleibenden Schaden verursachen?“
Kilian handelte rational. Nur wenn Sie in Panik geriet oder man ihren Zorn erregte, reagierte sie über.
Manchmal.
„Sie behauptete, dass man ihre ID-Card gestohlen habe. Dann haben wir ihr Gepäck durchsucht und ein Lichtschwert gefunden.“
Das erklärte natürlich das rabiate Vorgehen der Sicherheitskräfte, Order 66 war immer noch in Kraft.
Vader ließ den Sicherheitsbeamten noch ein wenig zappeln.
„Sperren Sie die gestohlene ID-Card, stellen sie ihr eine neue aus und dann entlassen Sie sie aus der Haft“, verlangte Vader.
Hadat verneigte sich.
„Ja, Herr.“
Vader langte schon nach dem Beenden-Button, hielt dann aber inne.
„Und sperren Sie ihr das Bankkonto.“
Sie hatte sich als findig erwiesen. Bisher …

Die Sicherheitskräfte hatten vermutlich ihren Mut wiedergefunden und Darth Vader kontaktiert. Ich grinste, als ich mir die Szene in den leuchtendsten Farben ausmalte.
Jedenfalls hatten sie mich ziemlich plötzlich freigelassen, mir meine Sachen und eine neue ID-Card ausgehändigt und anschließend zum Raumhafen gefahren.
Ich schob die ID-Card in den Automaten.
Ich würde jetzt einen Flug nach Coruscant buchen und …
Der Computer beepte verneinend.
„Ein Zugriff auf das gewünschte Konto ist derzeit nicht möglich.“
Ich versuchte es noch zwei Mal, jedes Mal ohne Erfolg.
Ich runzelte die Stirn.
„Darth Vader“, sagte ich dann zu niemandem Speziellen.
Er hatte für meine Freilassung gesorgt und mir eine neue ID-Card ausstellen lassen. Und dann das Bankkonto sperren lassen.
Mistkerl …

PER ANHALTER DURCH DAS IMPERIUM:
“Die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest …”


„Warum ist ein Zugriff auf mein Konto derzeit nicht möglich?“, fragte ich.
„Das Konto wurde gesperrt“, antwortete der Computer.
Witzig. Erzähl‘ mir was, das ich noch nicht weiß …
„Wer ist dafür verantwortlich?“, fuhr ich fort.
„BeepBeepBeep.“
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Es gab eigentlich niemanden außer Darth Vader, der über die Mittel, die Gelegenheit und das Motiv verfügte, um das zu bewerkstelligen, ich kannte den dunklen Lord inzwischen viel zu gut und das nicht nur im biblischen Sinne.
Außerdem neigte Vader dazu, sein Umfeld ständig auszutesten. Dieses Umfeld wurde dadurch entweder schnell besser, suchte fluchtartig das Weite oder dünnte auf andere Weise aus.
Betrachtete Vader meine Reise per Anhalter nach Coruscant als eine Art Wettstreit?
Wollte er herausfinden, wie ich mit Problemen umging?
Ich ließ mir die Lokalzeit von Coruscant auf dem ComLink anzeigen. Mitten in der Nacht. Da brauchte ich gar nicht erst anrufen, da saß die Nachtschicht im Büro, die solche Auskünfte nicht geben konnte.
„He, wie lange wollen Sie das Terminal denn noch blockieren?“
Der Typ hinter mir hatte es ganz offensichtlich eilig. Im Augenblick konnte ich nichts erreichen und trat deshalb zur Seite. Am besten fing ich schon mal an, mir Gründe für mein Scheitern zu überlegen, Vader mochte fundierte Analysen …

Ich wanderte ziellos durch die Abfertigungshalle, als ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir hörte: „Frau Kilian! Na, das ist aber ein Zufall …“
Ich drehte mich um.
„Professor Ioness!“, rief ich.
Der Professor konnte jetzt meine Rettung sein …
„Ich habe gerade eben versucht, einen Flug nach Coruscant zu buchen, aber dieser elende Computer behauptet unentwegt, dass mein Konto gesperrt sei. Aus welchem Grund auch immer.“
Ioness lachte mich aus.
„Das kenne ich. Kommt immer mal wieder vor. Sie brauchen nur in den Verdacht zu geraten, an illegalen Transaktionen beteiligt zu sein.“
„Tatsächlich?“, fragte ich.
Der Professor war meiner Ansicht nach mehr Grabräuber als Archäologe und pflegte deshalb auch Kontakte, die schon mal das Interesse der Behörden erregen konnten. Das tat meiner Sympathie für ihn aber keinen Abbruch und Ioness ging auf meine Frage nicht weiter ein.
„Ich halte gerade eine Reihe von Gastvorlesungen und könnte Sie bis nach Duro mitnehmen“, bot er an.
Na, das war doch ein Wort …

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Ioness.
„Sie sind zur Zeit so selten an der Uni anzutreffen.“
„Ich arbeite gerade an meiner Doktorarbeit“, entgegnete ich und das war nicht einmal gelogen.
Allerdings verwendete ich den größten Teil meiner Zeit für den Job im Verteilerzentrum der Imperialen Sternenflotte, die Beziehung zu Vader und die Abenteuer, auf die er mich mitnahm sowie die Bücher und Holocrons, die er mir zum Studium gab und irgendwann wollte ich auch mal Freunde treffen, musste mit ausruhen oder schlafen.
„So lange?“
Ioness war ein cleverer Bursche und nicht leicht zu täuschen. Man darf nicht vergessen, dass eine Galaxis mit einer komplexen Geschichte wie die der diesen von einem Archäologen nicht nur Kombinationsgabe, sondern auch die Fähigkeit verlange, Original von Fälschung und Wahrheit von Propaganda zu trennen.
„Wie Sie wissen, muss ich für meinem Lebensunterhalt arbeiten.“
Und nicht davon, die besten Fundstücke an Sammler mit zu viel Geld zu verkaufen …

Ich folgte Ioness über das Flugfeld zu dem alten Forschungsschiff, in dem er reiste und ließ mein Gepäck in der Kabine, die er mir zuwies.
Danach suchte ich die Gesellschaft des Professors und der drei Studenten, die mit ihm unterwegs waren.
Eigentlich waren die Kommilitonen nur für Handlangerdienste zuständig, zeigten die Fundstücke dem mehr oder weniger interessierten Publikum, transportierten sie und setzten sich mit den Zollbehörden auseinander. Der Professor hingegen war nicht nur für die Vorträge, sondern auch für das Einwerben von weiteren Forschungsgeldern zuständig.
Ein Feld, das er ebenfalls gut beherrschte …

Der Flug nach Duro fand weitgehend automatisiert statt, denn der Captain und der Bordtechniker setzten sich umstandslos zu uns an den Tisch, eine der Studentinnen holte zum Abendessen etwas knusprig-fettig-würziges aus dem Erhitzer und der Professor spendierte zwei Flaschen schweren, süßen Weins. Ich kannte Ioness‘ ausgelassene Runden nach Feierabend ja schon …
„Haben Sie eigentlich jemals wieder von Dr. Aphra gehört?“, fragte ich den Professor irgendwann im Laufe des Abends.
„Nur Gerüchte“, entgegnete er.
„Und was sagen die Buschtrommeln denn so?“
Es interessierte mich, was diese fähige, nichtsdestotrotz hochkriminelle junge Frau jetzt eigentlich tat, in zivilisierten Gegenden konnte sie sich nach der Nummer auf Habassa jedenfalls nicht mehr blicken lassen.
Er hob die Achseln in einer Geste des Unwissens.
„Manche sagen, sie habe sich selbständig gemacht, andere wiederum behaupten, sie habe sich Söldnern angeschlossen.“
Irgendwie erinnerte mich Dr. Aphra an Jyn. Intelligent und hochbegabt und trotzdem dumm genug zu glauben, auf die Dauer mit krummen Geschäften durchzukommen …

Als sich der Abend dem Ende zuneigte und die jungen Frauen damit begannen, mit dem Captain und dem Techniker zu flirten, zog mich der Professor zur Seite.
„Kilian“, sagte er. „In was sind Sie da eigentlich hineingeraten?“
„Wie meinen Sie das?“, fragte ich und war sofort auf der Hut.
„Dieser blauhäutige Admiral mit dem unaussprechlichen Namen hat mich zu Ihnen befragt“, präzisierte Ioness seine Frage. „Außerdem ist mir aufgefallen, dass sie Sachen recherchieren, die nicht Gegenstand ihrer Doktorarbeit sind.“
Thrawn wurde man bekanntermaßen nicht so schnell wieder los, wenn man einmal seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Aber das Ioness aufgefallen war, dass ich in offiziellen Quellen nach Bestätigungen, Hinweisen und weiteren Verweisen dessen suchte, was ich in den geheimen Jedi-Holocrons fand, die Vader mir zugänglich gemacht hatte …?
„Sie meinen Admiral Mitth’raw’nuruodo?“
„Genau den meine ich“, sagte er. „Wollte sich mit mir über Kunst unterhalten.“
„Und? Haben Sie?“
Ioness wollte gerade antworten, als jemand ein Tablett mit Drinks brachte und jedem einen in die Hand drückte. Ich musterte das Glas und seinen Inhalt kritisch. Sollte das so sein? Das leise Blubbern und der feine Nebel, der von dem Getränk aufstieg?
„Was ist das?“, fragte ich.
„Das ist eine Spezialität, die ich von einer meiner Exkursionen mitgebracht habe“, sagte der Professor, hielt sein Glas gegen das Licht und musterte seinen Inhalt.
„Ich nenne ihn den Pangalaktischen Donnergurgler.“

Der ominöse Drink bestand hauptsächlich aus hochprozentigen Alkoholika sowie süßen und fruchtigen Beimischungen, die ihn süffig machten und die verschleierten, wie sehr er den Alkoholpegel sprunghaft erhöhte. Spezies, die Alkohol schlechter vertrugen als Menschen, verglichen seine Wirkung gerne mal mit einem Schlag auf den Kopf …
„Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie Dinge recherchieren, die für ihre Doktorarbeit nicht relevant sind“, sagte Ioness.
„Es ist doch nicht verboten, Dinge aus persönlichem Interesse zu recherchieren“, entgegnete ich.
Nicht nur Admiral Thrawn, sondern auch Professor Ioness konnte hartnäckig sein. Sehr hartnäckig.
„Was ist denn Ihr Interesse?“, fragte Ioness.
„Die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“, behauptete ich.
„Ist das nicht eher eine Frage für Religionen und Philosophen als für Historiker?“
Ioness nippte kurz an seinem Drink.
„Nicht, wenn es historische Aufzeichnungen dazu gibt“, sagte ich und nippte gleichfalls an meinem Drink.
„Zweiundvierzig“, fügte ich an.
Der Professor schüttelte den Kopf.
„Zweiundvierzig was?“
Ich grinste innerlich.
„Die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.“
„Ich kann Ihnen gerade nicht ganz folgen“, entgegnete Ioness.
„Ich sehe, ich muss weiter ausholen“, sagte ich. Ioness beugte sich vor und musterte mich mit Interesse.
„Ich höre …“
„Meine Nachforschungen haben ergeben“, erklärte ich, „dass eine prähistorische Kultur eine KI namens ‚Deep Thought‘ erdacht und speziell dafür gebaut hat, um eben diese Frage zu beantworten. Deep Thought soll dabei so leistungsfähig gewesen sein, dass sie zum Zeitvertreib über die Vektoren sämtlicher Teilchen des Urknalls meditiert hat. Und dennoch benötigte die KI Sieben Komma Fünf Millionen Jahre Rechenzeit, um diese Antwort zu ermitteln.“
„Das ist unbefriedigend“, sagte Ioness.
„Wie man’s nimmt“, sagte ich. „Deep Thought erklärte, dass man ihr die Aufgabenstellung zwar umschrieben, diese aber niemals als konkrete Frage formuliert habe. Da sie sich selbst nicht dazu in der Lage sah, die Frage zu ermitteln, schlug die KI vor, einen noch größeren Computer zu konstruieren, so komplex, dass das organische Leben einen Teil seiner Arbeitsmatrix bildet.“
„Sie suchen also einen Planeten“, vermutete er.
Offenbar kaufte er mir diese irrsinnige Geschichte tatsächlich ab. Mir selbst war gerade leicht schwindlig. Das lag vielleicht an den kreisenden Gedanken …
„Wenn es nur so einfach wäre“, fuhr ich fort.
„Ich habe Hinweise gefunden, wonach die Kenntnis der Antwort und der dazugehörigen Frage einander ausschließen und niemals beide im selben Universum zur gleichen Zeit bekannt sein können.“
„Vielleicht hilft das Studium verschiedener Schöpfungsmythen weiter“, bot Ioness an.
Ich entschied, meine Geschichte weiter auszubauen, ich musste nur aufpassen, nicht zu überziehen.
„Am Anfang wurde das Universum erschaffen. Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.“
Ich hielt inne, weil der Tisch sich mit einem Mal drehte und ich ihn festhalten musste.
„Es gibt eine Theorie die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt.“
Dann kippte irgendetwas und ich versank in Schwärze.

Ich schwebte.
Mein Inneres dehnte sich aus und erfüllte das Universum.
Ich sah das schimmernde Firmament singen und hörte Klänge in den leuchtendsten Farben.
Ich registrierte jedes einzelne Atom, spielte mit Neutronen und Protonen, tanzte mit den Strings.
Das Universum war unendlich und doch hielt ich es in der Hand, einer gläsernen Kugel gleich, die erfüllt war von Myriaden von Sternen.
Ich tauchte in sie hinein, Sterne wie Staub, eine in allen Farben glitzernde Unendlichkeit.
Dann veränderte sich etwas.
Etwas Schwarzes begann, die Sterne zu verdecken, aufzusaugen, zu verschlingen, wurde immer größer, sein Sog immer unerbittlicher, zog mich zu sich heran, so sehr ich mich auch dagegen wehrte.
Irgendetwas sagte mir, dass ich verloren war, wenn ich nicht … wenn ich nicht … warum konnte ich mich nicht erinnern, was ich dringlich, unbedingt tun musste?
Die Schwärze füllte inzwischen meinen Gesichtskreis aus und ich wurde panisch, nein, ich durfte nicht in diesen Schlund aus unendlicher Schwärze fallen, sonst wäre ich verloren …

Der Dialog zwischen Kilian und Professor Ioness zum Thema “Die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest” stammt natürlich aus Douglas Adams’ Buch “Per Anhalter durch die Galaxis” …

PER ANHALTER DURCH DAS IMPERIUM:
“Als hätte sich alles gegen mich verschworen …”


„Bringen Sie mir sofort den Notfallpack“, rief Ioness und die junge Studentin beeilte sich, dem Professor das gewünschte zu bringen.
Kilian war plötzlich bewusstlos zusammengesackt und zu Boden gestürzt, dann hatte er festgestellt, dass sie nicht mehr atmete.
Mit fliegenden Händen suchte Ioness das Notfall-Diagnosegerät und legte es Kilian auf die Brust.
Blutdruckabfall, stark verlangsamter Herzschlag, Atemstillstand.
Er langte nach der Atemmaske und legte sie ihr an, beobachtete, wie die Maske begann, regelmäßig Sauerstoff in ihre Lungen zu pumpen.
Ioness wandte sich an den Captain.
„Melden Sie Duro, dass wir einen medizinischen Notfall an Bord haben und sofort ein Behandlungszentrum aufsuchen müssen!“

Ioness Forschungsschiff landete in unmittelbarer Nähe zum Behandlungszentrum und wurde bereits von einem Notfallteam erwartet.
Die Duros gingen an Bord und untersuchten Kilian.
„Sie ist nicht in unmittelbarer Lebensgefahr“, sagte der ältere Duros, wohl der Arzt. „Sie haben richtig und schnell gehandelt.“
„Aber was fehlt ihr?“, fragte Ioness. „Sie hat plötzlich das Bewusstsein verloren und nicht mehr geatmet.“
„Ihr Blutalkoholspiegel ist erhöht“, erwiderte der Duros. „Ihnen ist doch sicherlich bekannt, dass Ihre Spezies einen Atemstillstand erleiden kann, wenn sie zu viel Alkohol konsumieren?“
Ioness nickte.
„Wir haben gefeiert und dabei getrunken“, gab er zu. „Aber bei weitem nicht genug für einen Atemstillstand.“
Der Duros dachte nach und konsultierte sein PAD. Er besaß eine Zusatzausbildung, um verschiedene andere Spezies behandeln zu können, unter anderen Menschen. Wenn keine Verletzungen vorlagen, Fremdkörper die Trachea blockierten oder der Patient zu lange unter Wasser gewesen war, dann lagen bei einem Atemstillstand für gewöhnlich Vergiftungen oder Lähmungen vor.
Der Duros tippte nachdenklich auf den letzten Punkt auf seinem PAD.
Oder Allergien.
Der Duros sah auf.
„Leidet sie an Allergien?“
„Nicht dass ich wüsste“, entgegnete Ioness.
Was nicht hieß, dass sie nicht darunter litt …

Vader erwachte mitten in der Nacht und sein Gefühl sagte ihm, dass Kilian sich in Gefahr befand.
Warum nur hatte er Anweisung gegeben, sie aus der Haft zu entlassen, ja sogar, ihre Papiere in Ordnung zu bringen? Weil er Kilian vor eine neue Herausforderung stellen wollte, indem er ihr Bankkonto sperren ließ – es war anzunehmen, dass sie nun wieder per Anhalter reiste, statt mit einem sicheren Passagierraumschiff …
Und während all das geschah, saß er hier, dazu verurteilt zuzusehen, wie die Ereignisse sich entfalteten.
Er konnte nichts tun.
Wieder einmal.
Vader hielt inne. Das stimmte nicht ganz.
Er griff nach seinem PAD und rief einige Dateien auf. Anschließend warf er seine leichte Schlafkleidung ab und legte Anzug und Rüstung an.
Danach trat er auf die Übertragungsplattform des Holoemitters und wartete, bis sich die Verbindung aufbaute und das Hologramm einer jungen, dunkelhäutigen Frau erschien.
„Zweite Schwester.“

Dr. Ugk schloss die Analyse ab, ließ sich die Auswertung anzeigen und nickte. Anschließend zog er das Ergebnis der Analyse auf sein PAD und verließ das Labor. Glücklicherweise hatte der Professor Proben aller am Abend aufgetragenen Speisen und Getränke liefern können.
Der Duros fand Professor Ioness am Bett seiner Patientin sitzend und schüttelte leise den Kopf: Dieses typische Verhalten menschlicher Anteilnahme war den Duros fremd.
„Professor Ioness“, sagte er. „Ich möchte Sie kurz sprechen. Bitte.“
Ioness erhob sich und folgte dem Arzt in ein Besprechungszimmer.
„Und?“, fragte er.
„Frau Kilian leidet in der Tat an einer Allergie“, sagte Dr. Ugk. „Das Allergen befand sich im Fruchtsirup. Nicht, das uns das vor Probleme stellen wird, Frau Kilians Körper baut den Stoff von selbst ab und sie wird bald wieder in Ordnung sein.“
Professor Ioness war erleichtert, das zu hören.
Jedoch machte ihn die Aussage des Arztes gleichzeitig Sorgen.
„Sie sagten, das Allergen befand sich im Fruchtsirup?“
„Ja, der Sirup, der sich in einem der Drinks befand. Was ist das für ein Getränk? Der Computer hat keine handelsübliche Marke in den Datenbanken gefunden.“
Oh. Ja. Der Drink.
„Der Computer kann nichts finden, da es sich bei ihm um keine Handelsmarke handelt. Ich habe das Rezept vor ein paar Monaten bei einer meiner Exkursionen entdeckt, die Zutaten zusammengestellt und meine Studenten verkosten lassen. Experimentelle Archäologie, Sie verstehen?“
„Und außer Frau Kilian hat bisher niemand einen Atemstillstand erlitten?“, fragte Dr. Ugk. „Ich frage das, weil viele Lebewesen auf diese spezielle Chemikalie empfindlich reagieren.“
„Meines Wissens nicht“, sagte Ioness.
„Das freut mich zu hören“, sagte der Duros. „Trotzdem sollten Sie von experimenteller Archäologie dieser Art künftig Abstand nehmen, sonst muss ich diesen Vorfall den Behörden melden …“

Ich erwachte in einem Krankenhausbett, umgeben von Apparaten, Bildschirmen und Computern.
„Wo bin ich?“, krächzte ich, sobald ich in der Lage war, mich zu artikulieren.
„Sie sind im Universitätskrankenhaus Bbuburru City“, erklärte der junge Duros, der meinen Aufwachprozess überwachte.
„Ihr Kollege hat Sie hergebracht, weil Sie einen Atemstillstand erlitten haben.“
Mein Kollege? Er meinte sicher Professor Ioness.
„Atemstillstand?“, fragte ich irritiert.
Das letzte, woran ich mich erinnern konnte, war eine intensive Halluzination …
„Ja“, antwortete er. „Wenn Sie noch Fragen haben, wird Dr. Ugk Ihnen nachher im Entlassungsgespräch alles erklären.“

Trilla Suduri hatte den Auftrag Lord Vaders nur ungern angenommen. Eine Aufspürmission – das war weit unter ihrer Würde.
Andererseits war der dunkle Lord ihr Oberkommandierender und sie fürchtete ihn nicht grundlos.
Vader hasste die Inquisitoren und hatte jeden einzelnen von ihnen verstümmelt oder anderweitig dauerhaft gezeichnet. Dazu kam, dass sie nicht im Mindesten verstand, was hier vor sich ging.
Die Sicherheitsbehörden auf Loronar hatten die Zielperson, eine „Rosalinda Kilian“, inhaftiert, Vader hatte ihre Freilassung veranlasst und jetzt sollte sie diese Kilian aufspüren und nach Coruscant bringen – warum?
Die Beamten auf Loronar hatten nicht weiter verfolgt, wohin Kilian sich nach ihrer Freilassung gewandt hatte, aber die Aufzeichnungen der Überwachungskameras bewiesen, dass sie den Raumhafen in Begleitung einer Person verlassen hatte, die als „Professor Ioness“ identifiziert wurde, der wiederum einen Flugplan nach Duro eingereicht hatte.
Jeder halbwegs intelligente Beamte hätte diese Person aufspüren können …

„Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen“, sagte Dr. Ugk. „Diese Substanz ist ausschließlich in Roibenbeeren enthalten und die haben nirgendwo eine Zulassung, weil viele Lebewesen allergische Reaktionen auf ihren Genuss zeigen. Ich habe Professor Ioness bereits darauf hingewiesen, dass er künftig bitte auf solche Experimente verzichten möge.“
„Wo ist der Professor eigentlich?“, fragte ich.
„Professor Ioness sagte, dass er noch Vorbereitungen für einen Vortrag treffen muss, den er heute Abend halten wird.“
Nun, er war ja nicht aus der Welt und ich würde ihn spätestens an der Universität von Coruscant wiedersehen …

Ich packte meine Sachen und unterschrieb die Entlassungspapiere.
Auf dem Weg zum Ausgang begegnete mir eine dunkelhäutige Frau mit halblangen, glatten schwarzen Haaren und einer Uniform, die meiner Adjutantenuniform ähnelte.
„Scheiße“, dachte ich, als ich das Lichtschwert an ihrem Gürtel entdeckte.
Ein Inquisitor hatte mir gerade noch gefehlt …
Gleichzeitig beglückwünschte ich mich zu der Entscheidung, diesmal die Codezylinder sichtbar zu tragen, denn die meisten Leute scheuten sich, jemanden mit vier Codezylindern an der Uniform anzusprechen. Außerdem trug ich die Kappe und hatte sie tief ins Gesicht gezogen.
Ich stolzierte an ihr vorbei und grüßte dabei nachlässig, wie ich es bereits mehrfach von hohen Offizieren gegenüber niedrigeren Rängen beobachtet hatte.
Sie grüßte herablassend zurück und sobald ich außer Sichtweite war, verließ ich das Behandlungszentrum eilig durch einen Nebenausgang, rief einen der wartenden Mietspeeder heran und ließ mich unverzüglich zum Raumhafen bringen.

Am Raumhafen suchte ich nach einer Mitfluggelegenheit in Richtung Coruscant, hatte aber wieder kein Glück: die meisten freien Frachterpiloten verdingten sich auch hier für die großen Reedereien und flogen ausschließlich innerhalb des Systems.
Vader hatte mir erst seine Adjutanten hinterhergeschickt und jetzt sogar einen Inquisitor.
Ab wann war mein Bemühen, rechtzeitig nach Coruscant zu gelangen, zu einem Wettstreit zwischen uns geworden?
„Sie schon wieder?“, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir, die mir irgendwie bekannt vorkam.
Ich drehte mich um.
„Taras Bal“, sagte ich und starrte ihn finster an.
„Sie wollten nach Imperial City, nicht wahr? Ich habe eilige Fracht für Coruscant und könnte Sie mitnehmen. Als Wiedergutmachung?“
Der Kerl hatte mich mit einer Prostituierten verwechselt, die er sich aufs Schiff bestellt hatte und war im weitesten Sinne für meine Verhaftung sowie die aufmerksam-liebevolle Behandlung durch die Sicherheitskräfte verantwortlich.
„Nein, danke“, sagte ich.
Das kam gar nicht in Frage.
Allerdings begann ich jetzt etwas in Betracht zu ziehen, das ich bisher aus gutem Grund gemieden hatte …

Der Geldverleiher war ein seriös wirkender älterer Herr (der allerdings keinerlei Skrupel haben würde, geplatzte Kreditverträge an die Schwarze Sonne zu verkaufen, die über die geeigneten Mittel verfügte, das Geld einzutreiben), war allerdings gerade mit jemandem im Gespräch, so dass ich warten musste.
Sollte ich das wirklich machen?
Kreditzinsen waren hier schon bei regulären Banken hoch, Geldverleiher hingegen verlangten meist einen Zinssatz von um die fünfzig Prozent.
Und Zinseszins.
Während ich wartete, sah ich mir das Werbe-HoloVid einer Band an, die sich „Desaster Area“ nannte und deren Mitglieder in metallenen Versatzstücken antiker Rüstungen über die Bühne stampften, dabei mit ihren Instrumenten schrille Geräusche erzeugten, während der Frontmann kreischende Laute von sich gab.
„Interessieren Sie sich für diese Art Musik?“, fragte plötzlich jemand neben mir.
Der Frager war freundlich und sympathisch wirkender Mann, vielleicht in den Dreißigern, der aber trotzdem noch ein wenig Babyspeck mit sich herumtrug.
„Eigentlich nicht“, sagte ich. „Ich habe gerade überlegt, ob ich mir bei dem Kredithai da drüben etwas leihe, um noch rechtzeitig nach Coruscant zu gelangen.“
„Ihre Angelegenheiten sind so dringlich?“, fragte er.
„Wie man es nimmt. Eine Freundin und ich haben Karten für ein Konzert im Galaktischen Opernhaus ergattert, aber ich glaube, das werde ich nicht mehr schaffen bis heute Abend.“
So knapp.
Als hätte sich alles gegen mich verschworen …

PER ANHALTER DURCH DAS IMPERIUM:
“Das darf doch nicht wahr sein …”


Vader sah ungnädig auf das Hologramm Trilla Suduris herab.
„Lassen Sie mich raten“, knirschte er. „Die Zielperson ist Ihnen entkommen.“
„Nein, Sir“, widersprach sie vehement. „Die Zielperson war nicht mehr im Behandlungszentrum auffindbar. Eine Befragung des Personals ergab, dass man sie bereits entlassen hatte. Anschließend habe ich unverzüglich den Raumhafen aufgesucht, um dort meine Suche fortzusetzen.“
„Wo sie Ihnen entkommen ist, weil Sie Zeit für das Behandlungszentrum aufgewendet haben“, entgegnete der dunkle Lord. „Ich werde mich demnächst wohl in das Hauptquartier der Inquisition begeben müssen. Zur Nachschulung.“
Suduri begann zu schwitzen.
„Ich habe Kilian gesehen“, sagte sie, verzweifelt darum bemüht, ihren finsteren Herren zufriedenzustellen.
Und darum, ihn daran zu hindern, zur Nachschulung, wie er es ausgedrückt hatte, in das Hauptquartier der Inquisition zu kommen. Dass Lord Vader die Inquisitoren hasste war Suduri schmerzlich bewusst …
„Sie war in Begleitung von Trias und ging zusammen mit ihm an Bord seiner Yacht.“
Vader hielt inne. Das war doch nicht zu fassen! Die Macht verhöhnte ihn …

„Der Besitzer dieser Yacht interessiert sich für Musik oder ist selbst Musiker“, vermutete ich, als der freundliche, nicht mehr ganz junge Mann, der sich mir als „Dan“ vorgestellt hatte, die Besichtigung der Yacht beendete.
Sein Angebot, mich nach Coruscant mitzunehmen, hatte ich nur zu gerne angenommen. Jetzt nahm er diese Spekulationen unkommentiert, aber freundlich lächelnd hin.
„Sie haben einen ungewöhnlichen Akzent“, sagte er. „Aus welchem System stammen Sie, wenn ich fragen darf?“
„Sie dürfen nicht“, entgegnete ich.
„Tut mir leid“, fügte ich an, als er mich enttäuscht anblickte.
Meine Herkunft unterlag der militärischen Geheimhaltung und Vader hatte sich damals ganz klar ausgedrückt: Niemals durfte die Öffentlichkeit von den Experimenten erfahren, die dazu geführt hatten, dass sich zwei Universen berührt hatten …

„Captain Wermis“, sagte Vader. „Wie ist unsere Ankunftszeit in Coruscant?“
„Planmäßig, Sir.“
Wer sich häufiger in Vaders Gegenwart aufhielt lernte schnell, seine Körpersprache zu deuten.
Was dazu führte, dass Wermis seine Aussage hastig präzisierte.
„Eine Stunde, zweiundzwanzig Minuten, Sir.“

Dan überwand seine Enttäuschung schnell.
„Aber mit mir musizieren dürfen Sie?“, fragte er hoffnungsvoll.
Vermutlich durfte ich das. Maximal würde er herausfinden, dass sich sowohl die Lieder, die ich vortragen konnte, als auch die Sprache, in der sie verfasst waren, in diesem Universum bisher völlig unbekannt waren.
Ob er daraus aber die richtigen Schlüsse zog?
Wohl kaum. Es gab in dieser Galaxis tausende Welten, die niemand kannte oder die auch nur kartographiert waren.
„Ich spiele leider kein Instrument“, behauptete ich. Das bisschen Flöte und Gitarre, das ich während der Grundschulzeit erlernt hatte, zählte nicht wirklich, „spielen können“ war was anderes.
„Aber Sie können doch gewiss ein paar Lieder vortragen?“, fragte er.
Ich zögerte.
Natürlich konnte ich ihm ein paar Lieder vortragen.
Mit mehr Begeisterung als Können.
„Es würde mich aufrichtig freuen, wenn Sie mir die Ehre erweisen und mit mir gemeinsam musizieren würden.“
Wenn es ihn glücklich machte … Ich begleitete ihn in das voll eingerichtete Musikstudio, dass er an Bord hatte und wir sangen. Erst gemeinsam zum Aufwärmen, anschließend trug ich ihm ein paar Schlager vor, die ich (fast) auswendig konnte: „Griechischer Wein“, „Nur geträumt“, „Atemlos durch die Nacht“, „Die Hände zum Himmel …“
Dan schien mit diesem eher schlichten Liedgut zwar seinen Spaß zu haben, auf meinem Smartphone wären weitaus mehr und anspruchsvollere Musikstücke zu finden gewesen.
Leider hatte Vader es konfisziert, als ich auf Habassa damit etwas fotografiert hatte, das es eigentlich nicht geben konnte …

Am späten Nachmittag servierte das Personal ein leichtes Mahl (und das war nichts, das man kurz mal in den Erhitzer stellte), Dan schien keinerlei Berührungsängste zu haben und speiste zusammen mit mir, dem Personal und der Crew.
Hier fielen mir erstmals die vier durchtrainierten Männer auf, die ebenso gut Bodyguards hätten sein können.
Auch wenn dieser Dan Geld wie Heu haben mochte: vier Leibwächter an Bord seiner eigenen Yacht waren auf jeden Fall übertrieben …

„Wir haben Coruscant soeben erreicht“, meldete der Captain.
Ich sah auf den Chronometer und stöhnte auf.
„Was haben Sie?“, fragte Dan. „Ist alles in Ordnung?“
Ich winkte ab.
„Es geht mir gut. Aber ich bin zu spät. Das Konzert, zu dem ich wollte, findet bereits in zwei Stunden statt und das werde ich nicht mehr rechtzeitig schafften.“
Es wurde Zeit, Jen zu informieren, dass ich nicht kommen würde – die Wartezeit, um landen zu dürfen, das Einreiseprozedere, der Weg vom Yachthafen irgendwo auf Coruscant zum Galaktischen Opernhaus und dann hatte ich mich noch nicht einmal umgezogen und für den Konzertbesuch aufgetakelt …
„Aber machen Sie sich doch keine Gedanken“, sagte Dan. „Selbst wenn wir ein paar Minuten zu spät kommen – ohne mich werden sie gewiss nicht anfangen.“
Der Groschen fiel erst mit Verzögerung:
„Sie sind Trias?!“
Jen als ausgemachter Fan seiner Person hätte ihn vielleicht auch ohne sein Bühnenoutfit sofort erkannt …

Trias‘ Musik bewegte sich in einem Spektrum, das man auf meiner Heimatwelt irgendwo zwischen Folk und Pop eingeordnet hätte, Abendgarderobe wäre hier overdressed.
Aber Jen und ich hatten uns extra für das Konzert bunte Kleidchen mit Blumenmuster besorgt, die so gut zu der fröhlich-leichten Musik Trias‘ gepasst hätten.
Egal, der Businessanzug ging auch …
Trias Yacht gelangte ohne weitere Verzögerung auf die Oberfläche und ein bereitstehender Speeder brachte uns zum Galaktischen Opernhaus.
Wir betraten die Oper durch den Bühneneingang, ich bat Trias um (und bekam) eine Autogrammkarte mit persönlicher Widmung für Jen, dann verabschiedeten wir uns und ein Bediensteter führte mich zum Foyer.
Das war aber noch nicht das Ende dieses in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Abends …

Das Galaktische Opernhaus war ein verschachtelter Bau. Es war nicht unmöglich, hier jemanden überraschend über den Weg zu laufen.
Aber Imperator Palpatine und zwei seiner rotgewandeten Leibwachen plötzlich und unerwartet über den Weg zu Laufen, war schon eine andere Nummer.
Der Bedienstete und ich fielen vor ihm auf die Knie.
„Mein Imperator!“
Zuvor war mir jedoch noch die Ähnlichkeit mit Trias aufgefallen … Waren Trias und der Imperator etwa verwandt?!
Ich könnte nicht sagen, warum mich diese Vermutung so überraschte, war doch anzunehmen, dass auch Palpatine Angehörige haben musste (auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht thematisiert wurde) …
Palpatine maß mich mit säuerlichen Blicken.
„Ja, Trias ist mein Sohn“, sagte er. „Finden Sie es etwa ungehörig, wenn ein Vater sein Kind besucht?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, mein Imperator.“
„Wenn die Dame und der Herr sich nun erheben und zur Seite treten würden, könnte ich weitergehen“, sagte er.
Ich und der Bedienstete beeilten uns, Palpatines Wünschen nachzukommen.
Der Imperator ging weiter.
Kaum war er an uns vorüber, schien ihm etwas einzufallen.
Er blieb stehen, wandte sich an den Bediensteten und machte eine nachdrückliche Bewegung mit der Hand.
„Vergessen Sie diese Begegnung.“

„Wie schön, dass du da bist“, plapperte Jen. „Ich habe schon befürchtet, dass du nicht mehr kommen würdest. Mulchie hat mir eine Nachricht geschickt, dass du die Devastator verlassen hast und per Anhalter gereist bist!“
„Das ist wahr“, sagte ich. „Du glaubst gar nicht, was ich alles erlebt habe. Übrigens – ich habe hier was für dich.“
Ich reichte Jen die Autogrammkarte, um die ich Trias gebeten hatte.
„Wo hast du die denn her? Und sogar noch mit persönlicher Widmung!“
„Das ist Teil meiner unglaublichen Abenteuer“, grinste ich. „Ich habe noch zwei Tage frei, da können wir uns treffen und ich erzähle dir alles.“
„Nein, nein“, entgegnete sie. „Mulchie hat sich für morgen und übermorgen angesagt, du kommst selbstverständlich zu uns zum Abendessen und dann kannst du uns alles berichten. Papa und Mulchies Eltern kommen auch.“
Die Devastator traf morgen ein? Gut, dass ich per Anhalter gereist war, sonst hätte ich das Konzert verpasst …

Der Imperator saß in seiner persönlichen Loge im Galaktischen Opernhaus und lauschte dem Konzert, welches sein Sohn gab.
Dass der Junge so gar nichts von ihm geerbt zu haben schien …
In stillen Momenten gab Palpatine vor sich selbst zu, dass Dan ein begnadeter Musiker war. Jemand, der seinen Weg schon in frühen Jahren gefunden hatte. Aber irgendwie war es schon enttäuschend, dass mit Dan darüber hinaus kein Staat zu machen war …
Palpatine spürte Vaders Anwesenheit lange, bevor er das Geräusch der Atemmaske hörte.
„Lord Vader“, sagte er und wies auf einen freien Sitz neben sich. „Konntet Ihr Euren Auftrag auf Mimban ausführen?“
„Ja, Herr“, sagte Vader.
„Gut“, entgegnete der Imperator.
Beide, der Herr über die Galaxis und sein finsterer Vollstrecker, schwiegen.
„Kilian ist hier“, sagte Palpatine nach einer längeren Pause.
Vader wandte den Kopf.
„Das ist mir bekannt.“
„Ihr solltet besser auf das achten, was Ihr als das Eure betrachtet. Ihr ihre Eigenmächtigkeiten nicht durchgehen lassen.“
„Ihre Eigenmächtigkeiten haben uns eine eklatante Sicherheitslücke aufgezeigt“, entgegnete Vader.
„Frachterpiloten werden künftig keine Anhalter mehr mitnehmen können, ohne das den Behörden anzuzeigen. Ich habe bereits die entsprechenden Anweisungen herausgegeben.“

„Ein tolles Konzert“, schwärmte Jen.
Das war wahr. Trias‘ war ein so begnadeter Musiker …
Wir standen vor dem Galaktischen Opernhaus und warteten auf die Taxen, die wir uns bestellt hatten.
„Ich beneide dich“, fuhr Jen fort. „Wie gern hätte ich Trias persönlich kennengelernt!“
Ich grinste.
„Was ist mit Mulchie?“, fragte ich.
„Trias ist ein Traum. Mulchie ist die Realität“, sagte Jen.
Vernünftige Einstellung.
Ein Taxi näherte sich und hielt vor Jen.
„Wir sehen uns morgen Abend?“, vergewisserte sie sich.
„Auf jeden Fall“, entgegnete ich.
Jen stieg ein und ich sah dem Fahrzeug nach, welches sich schnell entfernte und sie sicher nach Hause bringen würde.
Der Platz vor dem Galaktischen Opernhaus leerte sich langsam. Hoffentlich kam mein Taxi bald …
Plötzlich umfingen mich starke Arme und hoben mich hoch, so dass ich erschrocken quietschte.
„Vader!“, protestierte ich.
Wie schaffte er es nur, sich immer so anzuschleichen?
„Ich dachte, Ihr kommt erst morgen?“
„Nein“, sagte Vader, „wir sind bereits vor ein paar Stunden eingetroffen.“
„Schon vor ein paar Stunden?! Aber Jen sagte, dass Mul…, äh, Captain Wermis erst morgen kommen wird!“
„Captain Wermis hat noch an Bord zu tun“, sagte Vader.
Das durfte doch nicht wahr sein! Ich hätte bequem an Bord der Devastator bleiben können und wäre trotzdem noch rechtzeitig zum Konzert eingetroffen, hätte mir die ganze nervenaufreibende und streckenweise gefährliche Reise per Anhalter nach Coruscant sparen können …
„Ja, das hättet Ihr“, sagte Vader.
Er las schon wieder meine Gedanken …
„Ich kann nichts dafür, dass Ihr so laut denkt“, entgegnete er.
„Wo tragt Ihr mich hin?“, fragte ich.
„Zu meinem Speeder. Dann fahren wir zu mir. Ich möchte heute Nacht noch etwas von meiner Lieblingsfrau haben, nachdem ich Euch so lange entbehren musste …“

Leseempfehlung:

“Per Anhalter nach Coruscant” von Frostschimmer.

Hier begibt sich Director Krennic auf den Weg nach Coruscant und Frostschimmer lässt ihn mehr als nur ein wenig leiden …