Science-Fiction-Story von Uwe Lammers
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Ich sprach gegen den blubbernden Tank im Raum. Es war ein Kasten von drei Metern Länge, zwei Metern Breite und anderthalb Metern Höhe. Er bestand fast ganz aus silbrigen Titanit und besaß an der Oberfläche eine Reihe von gummiabgedichteten Öffnungen, durch die Nahrungsschläuche, Informationskabel und die Akustikleitung gingen. Die Psiotronik übertrug die Gedanken von drinnen in elektrische Signale, die wiederum von einem Translator übersetzt und in Laute transformiert wurden. Nur deshalb sprach ich nicht gegen die Wand.
„Du wusstest genau, dass das gegen Paragraph 33, Absatz 2, verstößt, Hazel. Warum hast du das dennoch getan?“
Die blubbernde Stimme aus dem Tank war kaum mehr als die zu erkennen, die zu der wunderschönen, unbeugsamen Händlerin gehörte, die ich immer schon bewundert hatte. Aber etwas von ihrem Temperament war noch zu erkennen.
„Du bist vielleicht witzig, Gordon! Du warst nicht auf Borrlund, du hast keine Ahnung, was da vorgefallen ist. En detail jedenfalls nicht! Was die Leute auf Platon II dazu sagen, kann mir völlig schnuppe sein. Immerhin agieren wir hier auf Provisionsbasis. WIR machen die Geschäfte. WIR machen die Kontrakte, WIR erschließen diese gottverdammten Welten! Und eigentlich kannten wir Borrlund VII auch!“
„Ich weiß nur, dass du dich in die internen Belange eines Planeten eingemischt hast und dabei fast dem Sensenmann begegnet wärst“, sagte ich zu dem Tank. „Die Regenerationsautomatik hat jedenfalls gehörige Problem, weil du ein Präzedenzfall bist. Das Schlimmste daran ist aber ohne Zweifel deine Eitelkeit.“
„Gordon!“, fauchte der Tank, „würdest du bitte aufhören, mir ewig Vorhaltungen zu machen? Ich sage doch, du hast keine Ahnung von den Vorkommnissen dort!“
Ich seufzte und lehnte mich in dem leidlich bequemen Sessel zurück. Der Raum, in dem wir uns befanden, war die Kommandozentrale. Ich verfluchte meine Bereitwilligkeit, mich für den Flug gemeldet zu haben. Als ich gehört hatte, dass Hazel Braer etwas zugestoßen war und sie mit einem Regenerationstank nach Platon II überführt werden sollte, um dort schließlich vor einem Gericht der Obersten Handelskammer auszusagen, hatte ich mich spontan gemeldet, den Flug zu übernehmen.
Hazel war sozusagen meine Lehrmeisterin, ich hatte auf ihrem Schiff, der SPACE MERCHANT, gelernt und in der Materiebrücke zwischen der Großen und Kleinen Magellanschen Wolke meine ersten Gesellenstücke in Handelspraxis erlebt. Auf Welten der Tardassianer, der Cheen und bei den Urwaldkegeln. Stets war sie diejenige gewesen, die uns – also mich und alle anderen „Lehrlinge“ – wieder aus den von uns selbst verschuldeten Schlamasseln herausholte. Nie hatte ich geglaubt, sie könne selbst einmal in die Bredouille geraten. Und dann auf Borrlund VII.
Borrlund VII, siebter Planet des Roten Riesen Bartlett, in der Peripherie der GMW gelegen, seit vierunddreißig Jahren bekannt und erforscht als Low-Tech-Welt, eigentlich kein Problemfall.
Nun, ich hätte mich nicht freiwillig melden sollen. Man stellte uns ein extrem kleines Kurierschiff zur Verfügung, das so winzig war, dass der klobige Tank mit seinen Anschlüssen direkt in die nicht gerade große Zentrale des Schiffes gestellt werden musste. Es wurde damit begründet, dass ich die Kontrollen nicht aus dem Auge verlieren durfte und auch dann und wann mit meiner Passagierin kommunizieren musste, damit sie in der Enge des Tanks nicht den Verstand verlor.
Nur gut, dass der Flug lediglich zwanzig Tage dauerte. Ich war mir sicher, selbst Sardinen konnten sich nicht beengter in ihren Dosen fühlen.
„Wenn ich von all dem keine Ahnung habe“, meinte ich leichthin über die Schulter, während ich die nächste Hyperspace-Etappe programmierte, dann kannst du mir ja deine Version der Geschichte erzählen. Das ist sicherlich eine gute Übung für die Aussage nachher vor dem Ausschuss.“
„Sozusagen die ‚Generalprobe’, was?“, kam der zynische Kommentar aus dem Tank.
Ich nickte. Dann erst wurde ich mir bewusst, dass sie das ja nicht konnte, da sie keine Bildverbindung in die Zentrale hatte. Alles, was sie sehen konnte, war das sie umgebende, grünlich flimmernde Nährplasma, das ihren geschundenen Körper wieder instand zu setzen versuchte. Gar keine so leichte Aufgabe, denn wie gesagt: sie war der Präzedenzfall. So ein Fall war dem Medotank noch nie untergekommen. Er hatte mehr mit Hieb- und Stichverletzungen, zwangsamputierten Gliedern, Vergiftungen und Knochenbrüchen zu tun als DAMIT.
Ich meinte leichthin zu ihr: „Versuche es auch als Möglichkeit der Konversation zu verstehen, Hazel. Sonderlich viel haben wir uns ja ohnehin nicht zu erzählen.“
Das stimmte allerdings. Seit sich unsere Wege vor acht Jahren getrennt hatten und sie sich in den Tau-Sektor der GMW begab, um hinter den Explorer-Kommandos herzuarbeiten (die sahen uns immer als eine Art Weltraumkapitalisten an, die nur das Geschäft im Sinn hatten und sich um die moralisch-ethischen Folgen des Händlertums, namentlich um die Folgen des Technokontaktschocks, kaum scherten. Da kannten sie uns allerdings schlecht. Well done, es gab auch solche Händler. Aber was nutzte uns anderen ein Volk, das nach dem ersten Technologiekontakt einen Bürgerkrieg vom Zaun brach und sich völlig auslöschte? Oder dadurch Ressentiments gegen uns aufbaute, weil wir interne militärische Konflikte durch unsere Einmischung auslösten? Das machte doch nur die Geschäfte kaputt, im Ernst), hatte ich andere Dinge getan.
Ich war auf Boulders Welt in der Handelsverwaltung Große Magellansche Wolke Nord gelandet, einige hundert Lichtjahre von Platon II entfernt, wo die Hauptverwaltung sowohl des Explorer-Kommandos lag als auch die der Obersten Handelskammer, die natürlich ihre Anweisungen im großen Rahmen nach wie vor von der Erde bekam, über 200.000 Lichtjahre entfernt. Das war für mich am anderen Ende des Universums. Ich hatte die Erde nie gesehen, sondern war im Sektor Delta der GMW geboren worden, auf Garmaschon, einer Aquawelt. Deshalb hatte ich auch gegen solche Welten wie Platon II und Borrlund tiefe Abneigungen. Zuwenig Wasser oder im falschen Aggregatzustand. Auf Borrlund beispielsweise in Form von Eis. 762 von 762 Tagen im Jahr. Es war eine Eiszeitwelt, auf der es erst in etwa viertausend Jahren wärmer werden würde.
Aus dem Tank kam Hazels Stimme. „Du hast mich überzeugt, Gordon. Ich werde dir erzählen, was auf Borrlund passierte.“
Und sie begann.
* * *
Borrlund VII war ein einfacher Auftrag. Zumindest sah es am Anfang ganz danach aus. Die Borrloos, von uns so benannt, weil sie für sich selbst als Volksgemeinschaft keinen Namen hatten (oder höchstens einen, den die Translatoren witzigerweise mit „Menschen“ übersetzten), sollten von uns Handelswaren erhalten im Tausch gegen Plastiken aus Bergkristall, der auf Borrlund VII in großen Mengen vorkam. Da aber die Temperatur den Abbau mit Hilfe von technischem Gerät außerordentlich problematisch gestaltete, machten wir uns die Fähigkeiten der Borrloos zu eigen, die unter dem dicken Eis und den Schneegletschern ihrer Welt die Höhlen am schnellsten und leichtesten aufzufinden imstande waren. Irgendwie schienen sie diese Quarzvorkommen zu „orten“. Ein besseres Wort dafür fällt mir derzeit nicht ein.
Magellan Trade hatte mir aufgetragen, mit der SPACE MERCHANT die Welt aufzusuchen, die dortige Handelsmission zu erweitern und zugleich leichte technologische Kontakte zu ermöglichen. Ich sah darin einen Auftrag, den ich binnen weniger Tage oder Wochen abwickeln wollte, um danach im Phi-Sektor weiterzuarbeiten, wo es noch wirkliche Neuheiten zu finden gab.
Aus dem Weltraum gesehen war Borrlund VII ein graublaues Juwel, allerdings stammte das Blau nicht von Meeren her, sondern von den bläulichen Glasgletschern. So waren sie getauft worden, weil sie bei der Landung der ersten Schiffe in der Tat wie blaues Glas ausschauten, mit einem Stich ins Türkise. Das Grau waren ausgedehnte Schneefelder und die Wälder, die eigentlich neben den Quarzvorkommen das einzig Faszinierende sind.
Weißt du, Gordon, diese Wälder sind Kathedralen nicht unähnlich. Es handelt sich um eine Art von Nadelbaum, die da wächst, sie nennen sie Ckekk-Kenek, für uns in dem kehligen Tonfall, wie sie das machen, kaum auszusprechen. Jedenfalls sind das beeindruckende Bäume, die meisten von ihnen bis zu hundertvierzig Meter hoch, wobei die Äste erst sechzig Meter über dem Boden anfangen und dann aufwärts geschwungenen Tangenten gleich nach oben wachsen. Die Blätter sind eisgrau und nadelförmig. Wenn man diese Wälder betritt, ist man fast augenblicklich in den Bann geschlagen von dieser Erscheinung. Der Boden ist mit Pulverschnee bedeckt, meistens bis zu zwei Meter hoch. Da kann kein normaler Händler gehen. Das einzige, was auf Borrlund einsetzbar ist, das sind die Luftkissengleiter.
Von den Handelsstützpunkten auf dem Äquator – dort ist das leben, wie du weißt, noch am erträglichsten, weil die Temperaturen da nicht so extrem sind – kann man die einzelnen Gruppen erreichen, die sich den Planeten in nomadischer Siedlungsweise teilen. Es gibt da die Hüter der Wälder, mit denen wir primär Geschäfte abwickelten. Die anderen großen Gruppen sind dann die Ebenen-Tunneler und die Wanderer.
Mit einer geschätzten Kopfzahl von rund neunzigtausend Individuen sind die erstgenannten die kleinste Gruppe. Da es jedoch ein festes soziales Gefüge auf Borrlund gibt, war nie die Gefahr gegeben, dass eine Gruppe vernichtet werden könnte. Das war, bevor wir kamen.
Der Borrlund-Clan, der Borrlund vor zweiundzwanzig Jahren für das eigene Handelshaus erschloss, hatte die größten Vorrechte an den Bodenschätzen, aber wir hatten ihnen die Konzession für die Kristalle abgeluchst. Das ist natürlich nicht ohne Folgen geblieben. Es hat in den vergangenen zwei, drei Jahren verschiedene Zusammenstöße zwischen unseren Handelsmissionen, die sinnigerweise fast zweihundertfünfzig Kilometer auseinander liegen, gegeben, bei denen auf beiden Seiten Händler ums Leben kamen.
Edgar Borrlund III., der maßgebliche Chef des Handelssektors Borr VII, wie er ihn hochtrabend nennt, ein vierschrötiger, unsympathischer Kerl mit poltriger, lauter Art sich zu benehmen und der unangenehmen Eigenschaft, plumpe sexuelle Anspielungen in seine Gespräche einzustreuen, die völlig sinnlos sind, hatte sich, wie ich mir das zusammengereimt habe, eine besonders infame Methode ausgedacht, um uns auszubooten …
… ich werde unsachlich? Na gut. Dann berichte ich der Reihenfolge nach weiter.
Wir landeten am 8. April auf Borrlund VII auf dem Kontor Ultima Thule. Ein kleiner, ringförmiger Handelsposten mit Kältebarrieren und stetig umhüllt von der obligatorischen Dunstglocke, die auch die Borrloos fernhält. Bei Temperaturen um minus dreißig Grad – und das zur Mittagszeit – ist das schon erforderlich.
Ultima Thule ist, wie ich sagte, ein kleines Kontor. Du hast es ja auch gesehen, als du da ankamst. Zweihundertdreißig Leute, zweiunddreißig Kuppelgebäude, Kantine, Lagerhallen und Wartungshangars, alles oberirdisch angelegt auf der Ebene am Fuß der Götterberge. Die Borrloos haben ein Tabu, das es untersagt, dass Fremde unter den Boden gehen oder auch nur unter den Schnee. Ja, das wusstest du noch nicht, nicht wahr? Mit solchen regionalen Schwierigkeiten muss man immer rechnen, und zum Glück kenne ich mich da einigermaßen aus …
… nein, dagegen habe ich NICHT verstoßen! Wäre ja auch noch schöner! Hör gefälligst auf, mich für ein kleines Kind zu halten, sonst sage ich kein Wort mehr!
… also weiter im Text. Wir landeten am 8. April und mussten hier von Kontorleiter Wijstadt Hansen erfahren, dass unsere Rivalen offenkundig mit Nomadenstämmen auf der anderen Seite des Gebirges Geschäfte zu machen begonnen hatten. Das an sich wäre nicht schlimm gewesen, aber Hansen meinte sinngemäß: „Händlerin Braer, die Verwaltung auf Platon II untersagt es doch, Hightech auf untertechnisierte Planeten zu transferieren, nicht wahr? Genau das tun diese Borrlund-Schweine aber!“
„Waffen?“
„Um sie zum Angriff gegen uns zu verleiten? Nein, das wahrlich nicht. Die guten Borrloos sind so friedfertig wie eh und je. Aber sie heben die technologischen Standards an, geben ihnen einfache miniaturisierte Geräte, automatische Haarreiniger, Schillernetze, allerlei modischen Schnickschnack …“
„Ich sehe darin keine Gefahr!“
„DARIN nicht. Das stimmt. Aber dadurch sind die Nomaden in einem Schuldverhältnis. Und als Gegenleistung verlangen die Borrlund-Händler, dass sie Ortungsbojen aufstellen. Mit denen können die Kerle natürlich unsere Routen auskundschaften und so die Treffpunkte mit dem Waldvolk ausfindig machen. Es nützt nichts, neue Treffpunkte auszuhandeln. Erstens sind die Waldleute sehr traditionalistisch, zum anderen würden die neuen Treffpunkte genauso schnell herausgefunden werden.“
„Ein ernstes Problem“, hatte ich zugegeben. Das konnte nämlich den seit sechs Jahren eingehaltenen Waffenstillstand gefährden, und wenn das der Fall war, dann würde es Krieg auf Borrlund geben. Natürlich Krieg zwischen den einzelnen Händlerstützpunkten. Aber während wir darauf kaum eingerichtet waren, hatte das Borrlund-Imperium nur 42,9 Lichtjahre entfernt einen Stützpunkt, der auch leichtbewaffnete Frachter einschloss und womöglich noch mehr Waffentechnik.
Eigentlich war das aber nicht mein Problem. Die Nomaden waren weit weg, und wenn etwas gegen die Machenschaften der Borrlunds unternommen werden sollte, dann musste das auf Platon II von der Obersten Handelskammer und dem Explorer-Kommando beschlossen werden. Nur letzteres verfügte über die Waffentechnologie, sich gewaltsam durchzusetzen.
Ich hatte nur die diesmalige Lieferung von Kristallen mitzunehmen, die in geheimen Lagern in den Bergwäldern gehortet wurden. Wir würden morgen oder übermorgen im Konvoi hinausfahren, darauf hoffend, dass uns kein Schneesturm einen Strich durch die Rechnung machte. Und schließlich würden wir die Kristalle mitnehmen im Tausch gegen schlichte Gebrauchswaren ohne elektronische Teile. Wir würden wieder Gesundheitsuntersuchungen durchführen, die Eispocken der Borrloos, die glücklicherweise eine endemische Krankheit waren und auf Menschen nicht überspringen konnten, bekämpfen und ähnliches. Und schließlich würden wir nach den Verladearbeiten wieder losfliegen.
So hatten wir uns das gedacht, aber es kam leider ganz anders.
* * *
Am Morgen des 9. April wütete, wie fast befürchtet, ein Schneesturm, der Stärken bis Windstärke 14 erreichte. Ohne die Energieschilde hätte es die Niederlassung und das Schiff beinahe weggepustet.
Erst gegen Mittag beruhigten sich die aufgewühlten Elemente, angekündigt durch Klopfzeichen der Ebenen-Tunneler. Sie spüren so etwas, weißt du?
Nachdem die Schneeverwehungen rings um die Basis planiert worden und die Eiswälle abgeschmolzen worden waren, die sich an dem Schirm gebildet hatten, da hatten wir die Karawane klargemacht, acht große Lastengleiter mit Luftkissen, die die Meilen zum fernen, blau schimmernden Gebirge zurücklegen würden. Der Treffpunkt war wie immer gestaffelt. Es gab drei Punkte, einen am Fuß der Gebirgszüge, kaum fünfzehn Meilen von uns entfernt, dann ein durch einen Zickzackkurs mit dem ersten Punkt verbundenes Basislager, und schließlich einen Treffpunkt, an dem die Ware übergeben wurde. Ich hatte hiervon keine Koordinaten. Die besaß nur ein Verbindungsoffizier Hansens, ein massiger Mann namens Hoffmann, dessen Vornamen ich nicht erfahren habe.
Er sollte uns ebenso begleiten wie Snorri Ekbrandsson, ein Soziologe, der im Basislager zurückbleiben würde. Seine Aufgabe war die Verstärkung des dortigen Teams von Soziologen, Biologen, Physiologen und Historikern, die versuchten, die Borrloos und ihre Lebensweise besser zu verstehen. Soweit ich das bis dahin mitbekommen hatte, waren sie noch nicht allzu weit gekommen. Glücklicherweise täuschte ich mich …
… was soll das heißen: „Viel kann das ja nicht genutzt haben!“? Natürlich hat’s mir geholfen. Ich habe nur noch nie von Soziologen viel gehalten und deshalb nicht hingehört. Meine Schuld. Nachher habe ich es begriffen. Aber wenn ich GAR NICHT hingehört hätte, wären wir vielleicht ALLE in dem Zustand, in dem ich jetzt bin. Capisce? Hör gefälligst weiter zu!
Wir fuhren los, als es etwa vierzehn Uhr planetarer Zeit war. Da die Welt ziemlich groß ist und sich nur langsam dreht, hat Borrlund VII einen Tag von etwas mehr als zweiunddreißig Stunden. Aber die Tage sind nicht allzu helle, das liegt an der Distanz zum Muttergestirn. Aber wozu erzähle ich dir das, du hast mich ja aus dieser Scheißkühltruhe…
… na gut, dann versuche ich es demnächst halt etwas zahmer auszudrücken, wenn es deine zart besaiteten Ohren nicht aushalten, falls ich mal ein wenig ausfallend werde. Du hast mich also von diesem Mistplaneten runtergeholt, also weißt du auch, wie es da aussieht. Und natürlich auch, wie die Gleiter aussehen …
… schöner Witz – „Die hatten sie gerade alle in der Inspektion“! Dass ich nicht lache. Du willst nur, dass ich länger rede. Na schön.
Die Gleiter sind Ovale von vierzig Metern Länge und achtzehn Metern Breite. Die Ränder sind gewölbt, etwa so wie die von Nährstoffbottichen, oben läuft ein Geländer entlang, damit man auch bei voller Fahrt nicht über die Kante kippen kann. Dann verschwindest du nämlich auf Nimmerwiedersehen im Pulverschnee von Borrlund. Und glaube mal nicht, die Ebenen-Tunneler würden dich wieder hergeben. Kannst du knicken.
Oben auf den Gleitern sind lang gestreckte Kuppeln. Jedenfalls auf den meisten. Manche, die reinen Lastenschweber, die sind oben mit Quadern bedeckt, um die man einen halbtransparenten Windwall errichten kann …
Aber nun genug des Geschwätzes. Wir fuhren also los, und damit gingen die Probleme ebenfalls los …
* * *
In dem bläulich schimmernden Zwielicht kamen wir binnen einer Stunde zu dem Stützpunkt am Fuß der Berge. Eine seltsame Anlage, sage ich dir. Carter hat mir mal gesagt, das irdische Venedig habe so ähnlich ausgesehen. Auch auf Stelzen errichtet. Wenn du mich fragst: eher eine Bauweise, wie sie für Vögel denkbar ist. Die Siedlung lag drei Meter über dem Boden, nur die Stelzen ragten in den Boden. Und das auch nur dank eines Abkommens mit den Ebenen-Tunnelern.
Ich frozzelte, dass sie wahrscheinlich auch die Borrloos fragen würden, bevor sie fu … hm … bevor sie ihre Abluft rauslassen würden. Weißt du, was dieser Soziologe, der mit uns gekommen war, daraufhin völlig ernst sagte? Sinngemäß etwa: „Sie sind nur Händlerin, Sie können nicht unsere Forschungen und deren Implikationen verstehen. In der Tat ist das soziale Geflecht der Borrloos hier äußerst verletzlich. Das haben wir schon herausgefunden. Wenn hier ein technologischer Schock eintritt, könnte eine Katastrophe die Folge sein, wie wir sie noch nicht erlebt haben.“
Das war natürlich eine ausweichende Antwort von ihm. Klar. Eierköpfe wie er reden gerne stundenlang um den heißen Brei herum, verständlich. Wenn sie sich nämlich allgemeinverständlich äußern würden, hörten sie sich genauso an wie Normalsterbliche, und das, obwohl sie studiert haben. Unter der Forscherschale steckt nämlich meiner Ansicht nach auch nur’n normaler Mensch, nur ein bisschen aufgeblasen …
Wir ließen unsere Fahrzeuge an dem bodennahen Anlegekai und begaben uns auf die kreisförmige Großplattform, die von einer Zentralkuppel überragt wurde. Dort residierten die ganzen Eierköpfe. Hier gab’s keine Wärmeglocke, der Bäume wegen, die auf so etwas empfindlich reagiert hätten. Negativ natürlich. Deshalb waren unaufhörlich Robots damit beschäftigt, Eis und Schnee wegzuhämmern und wegzuschaufeln. Die Metallstege waren rutschig wie mit Schmierseife eingerieben, und fast hätten wir auf der Schnauze gelegen. Ekbrandsson auch. Das habe ich mit innerem Grinsen zur Kenntnis genommen. Lachen konnte ich nicht so gut. Bei der Saukälte …
… nun hör endlich auf, die Mimose zu spielen! Mann! Das ist ja nicht mehr zum Aushalten! Soll ich nun weitererzählen oder hier Schluss machen? Kann ich auch … ha, das hast du so gerne nicht. Dachte ich mir doch. Na schön. Dann mal weiter im Text. Und wenn mir wieder was rausrutscht, dann hör einfach drüber hinweg. Du weißt doch selbst, dass die Sache gleich losgeht.
* * *
Der Boss dieser Station hieß Herzon Lardigg. Und er war gelernter Verwaltungsfachmann. Mit der Sache, die sich vor weniger als einer Stunde hier ereignet hatte, war er mithin völlig überfordert.
Die Station sah aus, als würde sie belagert. Die Borrloos, Dutzende, ach was, Hunderte wohl, belagerten sie in der Tat regelrecht. Du weißt ja, wie die Kerle aussehen. Pelzige Knäuel mit ölig glänzendem schwarzem Fell, gelblichen Knopfaugen in den Kopffalten und ansonsten aussehend wie eine Kreuzung zwischen diesen ekelhaften Faltenhunden und Ratten. Sie gehen zwar – uns zuliebe, wie Hoffmann meinte – auf zwei Beinen, bewegen sich auf allen Vieren jedoch viel rascher fort.
Und es waren, ungelogen, sicherlich hundert, hundertfünfzig von ihnen da, wimmelten zwischen den Kuppelbauten herum und stießen ihre Schreie aus, die immer so ein bisschen an das Winseln von jungen Hunden oder Katzen erinnern. Jämmerlich. Und jeder in einer anderen Tonlage. Sie scharrten mit ihren Vorderpfoten, die mit scharfen Krallen besetzt sind, mit denen sie sich springend von Baumstamm zu Baumstamm oder von Krone zu Krone fortbewegen. Die Ebenen-Tunneler benutzen sie, um in irrer Geschwindigkeit die Tunnel zu buddeln.
Es fiel auf, dass es sich offenbar hauptsächlich um Graupelze handelte – also um Junge, kaum mal drei, vier Jahre alt. In dem Alter sind die Borrloos schon ziemlich helle. Das müssen sie auch sein, ihre Lebenserwartung beträgt ja gerade mal zweiunddreißig Standardjahre. Später werden sie blaupelzig und sind damit auch für natürliche Feinde besser im Schnee zu erkennen. Die Biologen meinten, das sei von der Evolution so eingerichtet, um die Fittesten der Art am Leben zu erhalten. Und das sind die Jungen, Unauffälligen. Wenn sie blaupelzig werden, sind sie ja nicht mehr geschlechtsreif …
Wir drängelten uns also so durch und kamen allmählich zu einem freien Platz vor der Zentralkuppel, wo Lardigg in dickem Pelzanzug stand und versuchte, mit Hilfe seiner Wissenschaftler die Borrloos zu beruhigen. Irgendetwas lag neben ihm in einer Wanne und war zugedeckt. Ich muss zugeben, mir war ziemlich übel zumute, als ich das sah. Das sah mir nämlich verdammt nach einer Leichenwanne aus. Damit sollte ich auch Recht behalten.
Hoffmann, wahrscheinlich der kompetentere Mann als ich, verlangte natürlich sofort von Lardigg zu wissen, was hier eigentlich vorging. Als die Borrloos das mitbekamen, wurden sie ruhiger. Endlich, war wohl ihre Ansicht, passierte etwas.
Die Sache war ganz einfach.
Es herrschte Krieg.
* * *
Krieg auf Borrlund VII – Krieg unter diesen friedfertigen Fellbündeln, die so etwas wie Waffen gar nicht kannten? Für uns eine ziemlich unvorstellbare Sache. Die Soziologen waren aber offenkundig weniger überrascht als besorgt. Sie schienen das schon lange erwartet zu haben.
Die Borrloos, die sich auf der Plattform drängten, waren die Neulinge der Hüter der Wälder, und sie hatten , wie sich nun allmählich herausstellte, von den Ältesten verlangt, dass man doch den Schutz der Händler suchen solle. Die Älteren hatten, traditionsbewusst, wie sie waren, das kategorisch abgelehnt. Da waren also die Jungen unter Führung eines Feuerkopfes, wie wir sagen würden, losgezogen, um auf eigene Faust die Handelsmission um Hilfe zu ersuchen.
„Und weshalb sollten gerade wir uns in eine planetare Auseinandersetzung einmischen?“, erkundigte ich mich. „Unsere Händlerstatuten sagen aus, dass uns das untersagt ist. Wir können dabei mit dem Entzug der Handelslizenz auf Lebenszeit bestraft werden, was mit Vernichtung der eigenen Karriere gleichzusetzen ist.“
„So, wie ich das mitbekommen habe“, erklärte kurz darauf der Stützpunktleiter, als wir im mäßig temperierten Konferenzsaal der Station waren, „ist das sogar diesmal unsere Verpflichtung. Denn die Waffen, die zur Destabilisierung der sozialen Situation auf Borrlund VII beitragen, wurden von Händlern importiert.“
„Die Borrlund-Schweine!“
„Ganz recht. Die Mission dort handelt mit den Nomaden und hat ihnen offenkundig Hightech zugesichert für ihre Mithilfe, Ortungsbojen aufzustellen. Unter dieser Hightech müssen sich auch Waffensysteme befinden.“
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Borrlunds so idiotisch sein würden, ihren Verbündeten Waffen in die Hände zu geben. Das drückte ich auch unmissverständlich aus. Keiner sägt sich schließlich den Ast ab, auf dem er selbst vorhat, noch eine Weile zu sitzen. Besonders Händler nicht.
„Tatsache ist aber“, erklärte Lardigg, „dass die Nomaden nach unseren Informationen ihre traditionellen Routen verlassen haben und sich auf dem Weg in die Bergwälder befinden. Sie führen Krieg gegeneinander.“
Das konnte ich nicht begreifen. Bis Hoffmann das Wort ergriff und zu erklären begann.
Laut der Stammesgeschichte des Borrloo-Volkes war es in grauer Vorzeit, als die Welt noch hell und warm gewesen war, also vor vielen Jahrtausenden, so gewesen, dass die Borrloos in den Ebenen gesiedelt hatten. Dort waren fruchtbare Felder gewesen, und es hatte große Siedlungen und sogar Städte gegeben. damals hatten die Bergwälder als Sitze der Götter gegolten und niemand, eine kleine Priesterkaste ausgenommen, hatte sie jemals aufgesucht.
Dann war die eiszeitliche Katastrophe über die Welt hereingebrochen, und die Felder waren gefroren, große Hungersnöte hatten sich ausgebreitet, Epidemien waren gefolgt, Hunderttausende waren kläglich umgekommen. Und es hatte einen Kampf um Ressourcen gegeben, bei dem sich drei Gruppen schließlich behaupteten. Das eine waren die Traditionalisten, das zweite die Priesterschaft mit ihrer Soldatenkaste, und das dritte eine Gruppe, die nomadenhaft auf die Wanderschaft zu gehen bereit war.
Die Priester erzwangen mit ihrer militärischen Kraft einen Waffenstillstand zwischen den Parteien, die überlebt hatten. Und sie erzwangen weiterhin eine fast vollständige Demilitarisierung und weiterhin eine neue Weltordnung. So sollten sich die Traditionalisten, die wir heute als Ebenen-Tunneler kennen, um die Reste der alten Kultur kümmern, und ihnen sollte verboten sein, jemals die Oberfläche zu besuchen. Sie sollten umgekehrt auch jedermann den Zugang zu den Stätten der Ahnen und den dort möglicherweise lagernden Waffen verwehren.
Die Nomaden, die heutigen Wanderer, durften sich nirgendwo dauerhaft niederlassen, und insbesondere die Berge sollten für sie tabu sein bis in die fernste Zukunft hinein. Sie wurden entwaffnet und durften nur das behalten, was für den Lebensunterhalt notwendig war.
Die heutigen Hüter der Wälder, die Nachkommen der alten privilegierten Priesterkaste, hatten sich während der eiszeitlichen Katastrophe auf die Bergrücken geflüchtet, unter die wärmenden Mäntel der Wälder, und es erging ihnen weitaus besser als den anderen Gruppen, die größtenteils zugrunde gingen. Dieses sichere Domizil erschütterte allerdings auch den altgewohnten Götterglauben, und so wurden für sie die Wälder zu den Gottheiten, die sakrosankt waren. Eine Gemeinschaft aber, die über Jahrtausende hinweg keinerlei Veränderungen ausgesetzt ist, stagniert, und das war schließlich auch mit diesen Borrloos der Fall. Sie degenerierten, vergaßen die Waffenkunst, schließlich hatten sie sich selbst auch gründlich demilitarisiert, nachdem sie festgestellt hatten, dass die Eiszeit keine kurzfristige Sache von ein, zwei Jahrhunderten, sondern von einigen tausend Jahren war. Sie konnten nicht, wie ursprünglich wohl geplant, nach der Eiszeit ihre alte soziale Stellung als allmächtige Kaste über dem gesamten Volk wieder antreten. Die war wohl vorher auch nicht unbestritten gewesen.
Nun, jedenfalls kamen nun nach Jahrtausenden die Borrlunds und begannen, sie mit einer völlig fremdartigen Welt zu konfrontieren, und vor allen Dingen mit TECHNIK, die sie nur noch aus Überlieferungen der grauen Vorzeit kannten.
Und damit begann das Dilemma. Denn die Nomaden waren keineswegs so vergesslich wie die Priester. Unter ständigem Überlebensdruck stehend, hatte sich in ihnen ein Hass auf die Bergpriester verfestigt, der ein fest gefügtes Feindbild darstellte. Nur die Angst vor der übernatürlichen Macht der Priester hielt sie vor Übergriffen zurück. Aber als sie nun von den Borrlund-Händlern Unterstützung bekamen, begannen sie, die Gesellschaftsordnung aufzubrechen.
Das war die Situation.
„Wenn wir Pech haben und nichts unternehmen“, fuhr Hardigg seufzend und mit sorgenschwerem Gesicht fort, „dann haben wir bald keine Handelspartner mehr, sondern müssen uns komplett von Borrlund VII zurückziehen. Bis wir die Oberste Handelskammer auf Platon II informiert haben, bis die entschieden haben und uns Hilfe schicken, vergehen Wochen. Wenn die Borrlunds den Wanderern weitere Waffen geben, werden die Hüter der Wälder komplett ausgerottet sein – und es ist durchaus nicht sicher, dass es damit aufhört.“
* * *
Ich fragte damals, ob sie denn mit den Borrlund-Händlern umgehend Kontakt aufgenommen hätten. Das war noch nicht geschehen, weil die Zeit zu knapp gewesen war. Also wurde das nachgeholt, während wir da waren.
Freilich stritt Ole Borrlund, der Händlerfürst der hiesigen Niederlassung, alles ab. Klar: Waffenhandel an technisch unterlegene Völker war eine handelsrechtliche Todsünde. Niemand würde das zugeben, es sei denn, er war scharf auf zwanzig Jahre Strafarbeit auf einer Minenwelt in der Großen Magellanschen Wolke. Da musste man aber schön blöd sein.
Wir hätten also den Nachweis zu führen, hieß es.
Unser einziger Nachweis war ein Borrloo, der in einer Leichenwanne auf der Plattform lag. Er sah scheußlich aus. als ob man ihn gehäutet hätte, ein fell- und hautloses Bündel von rohem Fleisch. Ich konnte mir keine Waffe vorstellen, die das bewirkte, und da war ich nicht alleine. Untersuchen konnten wir den armen Kerl nicht, weil ein Tabu der Borrloos, das sogar von den Jungen eingehalten wurde, uns daran hinderte. Mehr als der Augenschein blieb uns also nicht.
Wir beschlossen also, leidlich bewaffnet den Weg zu den Älteren anzutreten und den Kontrakt noch einmal zu erfüllen. Danach würden wir uns um diese Nomadensache kümmern.
Es sollte nicht mehr dazu kommen.
* * *
Wir fuhren verkleinert weiter. Sechs Lastenschweber und zwei normale Gleiter, besetzt mit insgesamt zwölf Personen, von denen neun unserem Bodenkommando von der SPACE MERCHANT entstammten. Die anderen waren Dolmetscher und Hoffmann.
Es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn du unter den riesenhaften Baumkolossen durchfährst, in das düstere Zwielicht hinein, das nur von den Scheinwerferbatterien der Gleiter aufgehellt wird. Unter uns zischte der Schnee, ansonsten war es fast unnatürlich still in diesem ungeheuren Wald.
Leider kreisten meine Gedanken um andere Themen, als diese Bäume, und ich konnte die Sache so gar nicht genießen. Ich dachte an das Dilemma, in dem wir steckten und beschloss, ohne die anderen zu informieren, einen Vermittlungsversuch zu machen … ja, genau das ist es, weshalb man mich verurteilen will. Von wegen „Einmischung in innere Angelegenheiten des Planeten Borrlund VII“. Natürlich habe ich mich eingemischt. Aber das war ja wohl unvermeidlich.
An dem nächsten Halt, auf einer felsigen Lichtung zwischen den Baumriesen, wo wir endlich auf dem Boden des Planeten aufsetzten, befanden sich keine Terraner. Nur eine von den Händlern aufgebaute Art von Empore aus Kunststoff, die leicht wieder abzutransportieren war, deutete darauf hin, dass hier ein Treffpunkt mit einem der Borrloos aus den Wäldern war.
Ich stieg mit Hoffmann, Jacqueline Derradier und den Dolmetschern sowie zwei weiteren Handelsexperten aus und ging zu der Empore hinüber, einem Halbrund von dreißig Metern.
Hoffmann erklärte mir, dies sei ein Vermittlungsforum, gemäß den Vereinbarungen mit den Hütern der Wälder rekonstruiert.
Eingepackt in dicke Kombinationen warteten wir in der beißenden Kälte einige Minuten darauf, dass der Vertreter der Borrloos kam.
Natürlich hatten sie uns längst gehört. Ihre Ohren sind sehr empfänglich für die Schwingungen, die die Düsentriebwerke der Schweber produzieren. Sie hören uns schon auf acht Meilen Distanz.
Es waren fünf Borrloos, die sich uns von der linken Seite der annähernd runden Lichtung näherten. Dunkle, blaue Greise. Außer der Farbe sahen sie ganz genauso aus wie die Jungen. Irgendwie fast possierlich, aufrecht gehende Ovale aus Fell, mit dünnen Ärmchen und stämmigen Beinen.
Sie kamen näher und hatten uns fast erreicht, als auch auf der anderen Seite eine Gruppe von Borrloos auftauchte, erheblich zahlreicher und grauer.
Wir blickten etwas verdutzt von der einen zur anderen Gruppe. Hoffmann meinte gepresst, es handele sich bei den Neuankömmlingen um Nomaden. Wir sollten uns ruhig verhalten und ja keinen Anlass zur Eskalation der Geschehnisse geben. Also unterließ ich es, die Waffen scharf machen zu lassen. Wir hatten ein paar Schocker dabei, ich sogar eine Multiwaffe. Aber wir hatten nicht vor, sie einzusetzen. Vielleicht wollten die Borrloo-Gruppen ja auch verhandeln.
Naive Narren, die wir waren!
Der erste heftige Wortwechsel, von einer Seite des Halbrunds zur anderen belehrte uns eines Besseren. Die Dolmetscher sagten übereinstimmend aus, dass das Geschnatter der alten Borrloos deutlich genug pure Ablehnung ausdrückte. Sozusagen ein Hinauswurf auf verbale Art.
Die Jungen schnatterten und quiekten zurück. Da war die Rede von Machtwechsel, Herrschaft der Alten und Wiederherstellung einer demokratischen Ordnung. Notfalls mit Gewalt.
Das regte die Alten natürlich heftig auf.
Ich merkte, dass sie dieser Bewegung recht hilflos gegenüberstanden und dass alles, was sie zustande bringen würden, nicht mehr als Theaterdonner sein konnte.
Also griff ich selbsttätig ein.
* * *
Von nun an beginnt eigentlich das, wessentwegen man mich verurteilen möchte. Es trifft, wie ich immer so schön sage, stets die Falschen. Immer nämlich setzen sich die durch, die die Macht haben, die Chauvinisten, die Nationalisten, die Rassisten, die Herrschenden – es ist überall derselbe Sch … Mist.
Ich scherte also aus der Gruppe aus und ging hinüber auf das Halbrund selbst zu, vor dem wir bislang gestanden hatten. Die Kante war nicht allzu hoch, mit einem Sprung zu überwinden, dann stand ich auf dem geriffelten grauen Kunststoff und blieb mitten zwischen den Konfliktparteien stehen.
Natürlich waren alle zuerst wie vom Donner gerührt. Darin ähneln sich Borrloos und Terraner sehr.
Und dann redeten alle durcheinander. Die Borrloos beider Fraktionen ebenso wie auch meine lieben Begleiter. Am meisten regte sich natürlich Hoffmann auf. Mir gefiel das direkt. Endlich zeigte er mal, dass er so etwas wie Nerven doch hatte.
Ich solle zurückkommen, ich würde die Verhandlungen gefährden, den Konflikt eskalieren lassen, das meinte in erster Linie Hoffmann. Man solle gegen mich einen Prozess anstrengen wegen Einmischung in innere Angelegenheiten des Planeten, argumentierte irgendein Idiot von den Gleitern aus. Vermutlich war das Geraldine Enscher, die es mir noch immer übel nimmt, dass ich das Kommando über die SPACE MERCHANT bekommen habe, obwohl sie sich für die Befähigtere hält … ach, danke, dass du meinen Verdacht bestätigst.
Nun, jedenfalls ging ich langsam auf die Wanderer zu und dokumentierte mit meinen offenen Händen, die ich gegen sie erhob, dass ich in friedlicher Mission kam. Dennoch hing meine Multiwaffe entsichert an der Hüfte. Völlig naiv bin ich ja nun auch nicht, und wenn die Kerle Zoff haben wollten, sollten sie ihn ruhig bekommen. Das würde dann schon eine nachhaltige Wirkung haben. Vor allen Dingen dann, wenn sie eine tödliche Waffe dabei hatten.
Sie hatten.
Ich war gerade fünf Meter weit gekommen, als einer der vorderen Wanderer die Todeswaffe zog.
Im ersten Moment erkannte ich nicht genau, was es war. Und dann war es eigentlich schon zu spät, denn er feuerte bereits auf mich. Das einzige, was ich noch machen konnte, war, meine eigene Waffe hochzureißen und auszulösen …
… ich sage dir, es ist ein widerliches Gefühl, das zu fühlen, was mich durchraste. Der Ionenstrahler war auf höchste Leistung eingestellt worden, eine Sache, die eigentlich nicht gut gehen konnte. Leider weiß ich alles, was danach passierte, nur von Schilderungen der anderen her. Ich selbst war bewusstlos, bevor ich den Boden berührte.
* * *
Unmittelbar während ich stürzte, brachen mindestens ein Dutzend der Wanderer zusammen, darunter auch der Schütze. Der Rest der aufständischen Borrloos verließ in kopfloser Flucht die Lichtung und verschwand schnatternd im Walde.
Die restlichen Mitglieder meiner Crew eilten von den Fahrzeugen rasch auf mich zu, und Doc Samyth untersuchte mich, um mich gleich darauf zu betäuben und in den nächsten Gleiter zu verfrachten, der mich so rasch als möglich zurückbrachte.
Der Kontrakt wurde abgeschlossen, die Frage um die Verteidigung durch die Händler gegen die Nomadenübergriffe blieb ungeklärt und unbehandelt. Die Alten waren wohl noch zu schockiert über den Bruch ihrer Traditionen. Dass sie durch mein Handeln dem Tod entgangen waren, schienen sie gar nicht zu begreifen.
Die betäubten Borrloos wurden der Lynchjustiz, die sicherlich eingesetzt hätte, durch die Händlervertretung entzogen, ebenso wurde die Waffe konfisziert und untersucht. Dabei wurde – natürlich – festgestellt, dass sie Borrlund-Erzeugnis war, und durch die Verhöre war die Schuld unserer Gegner einwandfrei erwiesen. Nur gibt es da einen Wermutstropfen, weil … es keine Waffe war. Deshalb können wir sie also nicht belangen. Sie werden nach Paragraph 82, Absatz 6 und 7 sicherlich eine Konventionalstrafe zahlen müssen und einige ihrer Waren auf den Index für Borrlund VII setzen. Aber das wird’s auch schon gewesen sein. Das wird die Lage auf Borrlund VII nicht nennenswert erleichtern …
* * *
Ich blickte den Tank erwartungsvoll an, aber Hazel war offensichtlich mit ihrer Erzählung am Ende.
„Nun, und was WAR das für eine Waffe, die dich so zugerichtet hat?“, wollte ich wissen. „Ich meine, eine Waffe, die die Borrloos förmlich zu häuten versteht und dir die gesamte Hautoberfläche versengt und jeder Behaarung beraubt, das ist doch eindeutig eine Waffe!“
Hazel lachte blubbernd aus dem Nährlösungstank. „Das denkst du. Es ist keine Waffe für uns. Du kennst doch sicherlich die Haarsalons an Bord von Passagierlinienlinern. Da gibt es ein Instrument, das sehr sauber für Haarschnitte verwendet werden kann. Meistens führen es – der Genauigkeit wegen – Roboter.
Es handelt sich um einen Ionenstrahler, dessen konzentrierte Strahlen bis auf eine gewisse Länge Haare zertrennen. Es gibt so etwas Ähnliches auch im Gartenbau. Wenn du jedenfalls die erstgenannten Ionenstrahler nimmst und sie an solche Wesen wie die Borrloos verkaufst, ist das sicherlich ihrer Fellpflege förderlich. Aber die Nomaden waren natürlich nicht auf den Kopf gefallen. Als sie merkten, dass man die Stärke verstellen konnte, versuchten sie vermutlich, ihre Nahrung damit zu jagen, zum Teil sind das Eiswürmer, ebenfalls stark behaart. Und dabei müssen sie diesen Entpelz-Effekt festgestellt haben. Dann war es nur noch ein kleiner gedanklicher Sprung hin zum Mord an einem Artgenossen und zum Aufstand mit dieser neuartigen, für Borrloos tödlichen Waffe.“
Ich fröstelte und sah auf den unpersönlichen Tank. „Du hast Schwein gehabt, Hazel, ist dir das klar?“
„Gewaltiges“, stimmte sie zu. „Hätte ich die Kälteschutzmontur nicht angehabt, wäre ich wohl von der Dosis geröstet worden und ebenso gestorben wie der arme Hüter der Wälder. Aber dafür“, fuhr sie fort, „haben wir den Konflikt etwas vertagt. Vielleicht haben wir eine Revolution verhindert.“
Ja, das war möglich. Natürlich hatte ich meine eigenen Gedanken während Hazels Erzählung nicht ausgeschaltet, und ich musste offen gestehen, dass mir die Vorgeschichte der Priester gar nicht gefiel. Sie war diktatorisch, und wir machten, wenn man so wollte, Geschäfte mit postdiktatorischen Gerontokraten. Andererseits – es war unser Gesetz, nicht in die internen Machtstrukturen auf Planeten einzugreifen. Das enthob uns nicht gänzlich der moralischen Verantwortung. Ich sagte das Hazel auch noch einmal.
„Ach du“, fuhr sie mich an. „Gordon, ich wusste ja immer schon, dass du ein Moralist bist. Aber mit der Einstellung kommst du als Händler nicht weiter. Lass es dir von einer alten Raumwölfin gesagt sein. Als Händler hast du dich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Wenn du sie ändern willst, bist du ein Revoluzzer, und die sind bislang alle gegen die Wand gelaufen oder von ihrer eigenen Entwicklung aufgefressen worden. Mein guter Rat an dich: hör auf, großräumig zu denken und lass dich nur von den Entwicklungen lenken, die du selbst in die Wege leitest. Alles andere bringt nichts.“
Wir diskutierten ergebnislos noch eine Weile miteinander, dann begab sie sich erschöpft zur Ruhe und schaltete die Verbindung aus.
Auch ich hatte eine Denkpause dringend verdient. Und während ich in dem kleinen Cockpit des Raumschiffes saß und auf die leisen Maschinengeräusche hörte, da fragte ich mich, ob Hazel Braers Antworten wirklich der Weisheit letzter Schluss sein konnten.
Und ich fand keine Antwort.
Nun, bis Platon II war es noch weit. Ich würde jede Menge Zeit zum Nachdenken haben. Und brauchen.
ENDE
© 1995 by Uwe Lammers
Gifhorn, den 21. September – 22. Oktober 1995
Abschrift: Braunschweig, den 13. Dezember 2018
Neuformatierung: 24. Januar 2021
An die Geschichte selbst ist noch eine Seite angefügt, die handschriftlich mit Bleistift ausgeführt wurde. Sie enthält Hintergrundinformationen und eine Vorabskizze, datiert auf den 21. September 1995, 00.08 Uhr morgens. Der Text lautet folgendermaßen: „Der Entpelzer* SF-Kurzgeschichte. Auf einem winterlichen Planeten bekämpfen sich zwei Stämme der pelzigen BORRLOO [im ersten, gestrichenen Ansatz offenbar BOOCLOO genannt], die mit den Terranern befreundet sind. Diese haben nur eine Handelsmission vor Ort, da diese Welt untertechnisiert ist. Als sich aber ein ernsthafter Konflikt anbahnt, sollen die T. zugunsten der unterlegenen Partei eingreifen, denn die Gegenseite hat eine ABSOLUT TÖDLICHE WAFFE* entwickelt.
Als ein Händler zwischen die Fronten gerät, passiert Unglaubliches…!
Titelvorschlag: Kleiner Zwischenfall auf Borrlund XII“
Man sieht hieran, dass die Grundstruktur noch eine deutlich andere war als später in der Ausführung. Insbesondere der anfängliche Titel, der den Storyplot sofort verraten hätte, musste natürlich geändert werden. Der Widerspruch zwischen Untertechnisierung und Waffenentwicklung wurde ebenso aufgelöst wie die stellare Position des Planeten korrigiert wurde (Borrlund XII wurde zu Borrlund VII). Auch erkennt man hier deutlich, dass ursprünglich nicht gedacht war, diese Geschichte im rudimentären Kosmos des Explorer-Kommandos spielen zu lassen oder die Hauptperson zu einer Frau zu ändern. Das hat der Story insgesamt aber gut getan, wie ich finde.
Ace Kaiser
18. Juli 2023 — 21:57
Hallo, Uwe.
Mit etwas Verspätung nun auch mein Kommentar zu Deiner Story aus dem letzten WoC.
Ich habe sie, nachdem ich einmal angesetzt habe und etwa ein Drittel schaffte – mir kam was dazwischen, ich musste unterbrechen und habe danach vergessen, weiter zu lesen – habe ich jetzt alles in einem Stück durchgelesen.
Du entwickelst eine farbige (also metaphorisch gesehen farbig, denn weiß, grau und blau der Borrlo-Welt ist relativ einfarbig) Welt mit vielen Nuancen, baust große DInge auf wie die Händlergilde und deren Ehrenkodex, aber letztendlich wird die Geschichte dem Szenario nicht zurecht, weil das Problem, das Du aufwirfst, nicht gelöst wird. Das finde ich schade, weil ich abgeschlossene Geschichten durchaus zu schätzen weiß. (Pure Ironie aus meinem eigenen Mund, ich weiß.) Auch kommen die Gräber überhaupt nicht zu Wort, aber das ist für diesen Teil der Erzählung vielleicht auch gar nicht nötig.
Alte Eliten, alte Mächte, eine gigantische Katastrophe, Gruppen, die dahin vegetieren und sich durchschlagen, das klingt alles ein wenig wie eine Metapher auf die Zustände einer Post-Klima-Kollaps-Erde, nur halt mit Minustemperaturen, nicht mit Hitzewellen. Auch die Metapher fand ich sehr interessant, beanspruchten doch die Nomaden … Demokratie? Oder doch Kommunismus? Da bin ich mir nicht so sicher.
Jetzt im Nachhinein wirkt alles ein wenig schnell abgehandelt und zu fix abgeschlossen, da darf durchaus noch was kommen. Auch mag ich durchaus erfahren, wie es Deinen beiden Erzählcharakteren weiter ergeht, und wie und ob sie weiterhin involviert sein würden in diesem Konflikt.
Ich mag es, wie einmal anklingt, die Nomaden wären die Zeitenwende nach Jahrtausenden der Unterdrückung und Ausgrenzung, und die Waldleute als Nachfahren der Unterdrücker die Schützer ihrer eigenen Privilegien in Form einer absoluten Diktatur. (Was befähigt diese Diktatur?)
Aber letztendlich ist meine Erkenntnis, dass die schlimmste Organisation jene der Händler ist, nämlich genau mit ihrem Nichteinmischungsgebot, das die Borloos sehenden Auges in einen Krieg stürzen lässt, voraussichtlich nomadische Entpelzer gegen das, was den Priestern ihre Macht erhält. Mit jeder Menge Kollateralschaden und zivilen Opfern dazwischen. Nun.
Ich schätze mal, das liegt auch daran, dass die Wissenschaftler noch nicht wirklich weit gekommen sind.
Alles in allem eine gut lesbare, kurzweilige Geschichte, bei der man sich fragt, wie es weitergeht, denn ein Ende war das nicht.
Viele Grüße,
Tiff
Uwe Lammers
4. September 2023 — 19:45
Lieber Tiff,
vielen Dank für deine intensiven und ausführlichen Kommentare zu meiner Story “Eine kleine Auseinandersetzung mit einer tödlichen Waffe”! Ich bin da noch nicht so firm, was das Online-Antworten angeht, darum mache ich das hier einfach mal via Mail. Parallel dazu bin ich gerade intensiv eingespannt in den neuen Newsletter der KreativRegion e.V., und morgen naht der Einsendeschluss des Fanzines BWA 479, das ich ja redaktionell verantworte. Also halte ich mich am besten mal so knapp als möglich.
Es kam mir bei der Geschichte wesentlich darauf an, die komplexe Hintergrundstory zumindest zu umreißen, da das World-Building in diesem Fall elementar dafür war, dass man die grundsätzlichen Konfliktlinien erkennen konnte. Anfangs sah es ja ganz nach einem schlichten beinahe tödlichen Fehlverhalten der Händlerin aus, bis diese dann etwas Licht in die Geschichte brachte. Dass es am Ende natürlich jede Menge offene Fragen und offene Enden gibt, stimmt. Ich habe sie allerdings nicht weiter verfolgt, darum kann ich derzeit nichts dazu sagen, wie die Geschichte der beiden Protagonisten weitergegangen ist oder ob noch auf der Eiswelt später interveniert wurde, um den drohenden innerrassischen Konflikt, der in der Tat drohend bevorsteht, zu entschärfen.
Das Interessante an der Geschichte ist auch nach all den Jahren (sie wurde 1995 geschrieben, ist mithin fast 30 Jahre alt, das entschuldigt vielleicht, dass ich nicht mehr so ganz in der Storyline drin bin) die Tatsache, dass sie Leser dazu anzuregen vermag, sie auf unterschiedlichste Weise zu lesen. Dass die Nomaden gegen eine erstarrte hierarchische Ordnung aufbegehren, was – wie man gesehen hat – auf gewalttätige Weise vonstatten gehen kann, ist richtig erkannt. Hier stellen sich bei genauerer Betrachtung (die man vielleicht in Form einer Fortsetzung oder eines Romans leisten könnte) schon interessante soziologische Fragen. Etwa diese: Ist die Überlieferung zutreffend, auf die sich die hierarchische moderne Ordnung gründet? Oder handelt es sich hier um eine zielgerichtete “gefälschte” Historie, um die Legitimität der aktuellen Führungsschichten zu präsentieren? Auch die Frage, was die “Revoluzzer” anstelle der bestehenden Ordnung setzen wollen, ob es da um Demokratie, Anarchie oder nur um einen Elitenwechsel (neuer Wein in alten Schläuchen) handelt, wäre zu thematisieren. Da gibt es verschiedenste Möglichkeiten. So gesehen bietet die Geschichte einiges an Weitererzähl-Potenzial. Ich habe das selbst zurzeit aber nicht auf dem Schirm.
Dazu sollte ich noch einiges Grundsätzliche sagen: In den frühen 90er Jahren befand ich mich thematisch auf der Suche nach neuen kreativen Welten. Der Oki Stanwer Mythos (OSM) war ein wenig eingerostet und schwächelte vor sich hin, dasselbe galt für die Fantasy-Serie “Horrorwelt” (bis heute unpubliziert, erst vor kurzem komplett digitalisiert, inzwischen fast 200 Episoden lang). Also experimentierte ich mit solchen Welten. Eine davon war das SF-Setting des “Explorer-Kommandos”, zu dem zwei Geschichten fertig wurden (die “Waffe” ist die zweite), eine dritte wurde nur noch begonnen, dann starb diese Welt gewissermaßen ab, obwohl sie definitiv interessante Ansätze zeigt und prinzipiell gern von Coautoren fortgesetzt werden könnte.
Ich schwenkte aber ab 1997 stark in eine völlig andere Gegenwelt um, nämlich in den tropischen Archipel, in dem ich dann in den folgenden 17 Jahren mehrere lange Romanwerke und Dutzende von Kurzgeschichten verfasste, an vielen Werken arbeite ich noch. Parallel dazu kam es nach 2000 zu einer Neubelebung des Oki Stanwer Mythos, als ich hier in kurzer Folge neue Serien entwickelte (KONFLIKT 2: Oki Stanwer und das Terrorimperium, 2003; KONFLIKT 4: Oki Stanwer – Der Insel-Regent, 2004; KONFLIKT 7: Oki Stanwer – Held der Hohlwelt, 2006; KONFLIKT 9: Oki Stanwer – Der Kaiser der Okis, 2011, und schließlich KONFLIKT 11: Oki Stanwer – Verteidiger von Demor, 2023). Hinzu kam die Digitalisierung der bestehenden Werke ab dem Jahr 2002, was bis heute andauert. Inzwischen hat der OSM Band 2225 erreicht und wächst munter weiter. Schon deshalb ist mein Fokus von den Magellan-Geschichten sehr weit weg.
Mir ist klar, dass das nicht die Art von Antwort ist, die du erwartet hast … tut mir wirklich leid, Alex. Aber ich halte nichts davon, hier falsche Erwartungen zu wecken. Ich fand, die Geschichte habe zuviel interessantes Potenzial, als dass sie einfach so unveröffentlicht in meinen Storyordnern dahindämmern sollte. Und deine kritischen Kommentare haben mich darin bestärkt, dass diese Entscheidung goldrichtig war. Und wer weiß … vielleicht hat ja jemand aus dem Leserkreis Interesse, die Geschichte der Borrloos und der Händler weiter zu verfolgen?
Ach ja … und kommt Zeit, kommt sicherlich auch die Digitalisierung der ersten Explorer-Geschichte aus diesem Raum. Sie heißt “Versteinerte Zeit” und entstand 1993. Die ist wirklich noch gar nicht veröffentlicht worden.
Eigentlich nahm ich an, da du ja via WoC-Leserbrief-Kommentarfunktion schon einiges zu den anderen Geschichten aus WoC 115 geschrieben hast, ich würde dir dort darauf antworten … aber dann machtest du hier diesen Nebenschauplatz auf … kann aber gut sein, dass sich das hier dann als Kommentar auf der WoC-Seite wieder findet. Wie ich sagte: Ich bin damit noch nicht so firm.
Soviel für den Moment von meiner Seite. Vielen Dank für deine ausführliche Kritik!
Oki Stanwers Gruß,
dein Uwe.