Perry-Rhodan-Fortsetzungsgeschichte von Senex
Zum Inhaltsverzeichnis von World of Cosmos 117
Kapitel 1: Venus
Ohne Ceres und Bacchus bleibt Venus kalt! (Terenz)
August 2084, Solares System, An Bord der VIRIBUS UNITIS
Der Admiral der Raumflotte der Vereinten Nationen, Mascaren Atlan daGonozal, ehemaliger Kristallprinz und Admiral des arkonidischen Imperiums hatte einen schweren Arbeitstag hinter sich. Irgendwie musste er es schaffen, mehr neues Personal zu rekrutieren, nicht nur allein Offiziere und Spacemen für sein Flaggschiff, was allein schon eine Herkulesaufgabe gewesen wäre, sondern auch noch Personal für unzählige administrative Aufgaben. Nach einer ausgedehnten Dusche saß er nun, in einen flauschigen Bademantel gehüllt, ein Glas Rotwein vor sich, auf seinem pastellbeigen Sofa, hatte die Beine auf das Tischchen gelegt und genoss den bisher einsamen, ruhigen Abend. Der Arkonide hatte die Augen geschlossen und lauschte genussvoll der Musik, die aus den hervorragenden Bose-Lautsprechern seiner exklusiven Pioneer HiFi Quadro Sorroundanlage erklang. Es war die Carmina Burana von Cafl Orff, eine seltene Aufnahme aus dem Jahr 2056, als es dem Stardirigenten Paolo Cantero gelungen war die größten Opernsängerinnen und -Sänger dieser Zeit in einem Saal zu versammeln, um dieses Konzert zu singen, der Mitschnitt wurde nur in knappest limitierter Auflage hergestellt. Der große Chor intonierte eben den 14. Satz. „In taberna quando sumus – non curamus quid sit humus…!“ (Wenn wir in der Schänke sitzen – fragen wir nicht nach dem Grabe…), als der Türmelder penetrant in die Wiedergabe summte.
Der unsterbliche Arkonide schrak aus seinen Gedanken und verzog gequält das Gesicht. Welches von den Göttern verdammte Problem konnte denn nicht bis morgen warten und musste dazu noch persönlich mit ihm besprochen werden, wenn er endlich einmal ein klein wenig entspannen wollte. Ein erneutes Summen überzeugte ihn davon, dass es wohl keinen Erfolg zeigen würde, den Summer einfach zu ignorieren. „Quid agatur in taberna – ubi nummus est pincerna…“ sang er den Text lauthals mit, als er zur Tür ging. „…Hoc est opus ut queratur…“ beinahe unhörbar glitt die Tür auf die Seite, er sang weiter, obwohl er wusste, dass seine Singstimme, vorsichtig und schmeichelhaft ausgedrückt, dünn klang. Vielleicht eine kleine Revanche für die Störung, der oder die Betreffende sollte ruhig unter seinem Gesang ein wenig leiden. „…sic quid loquar, audiatur!“ „Das hoffe ich, Admiral, und dafür bin ich hier!“ eine nicht mehr ganz junge, aber hübsche, gepflegte Frau mit kastanienroten, kurzen Haaren und braunen, intelligent blickenden Augen stand vor ihm. Sie trug die olivgrüne Uniform mit den UNO-blauen Schulterstücken der UN-Raumflotte, am linken Oberarm die silberne Äskulapnatter auf blauem Grund der medizinischen Personals. Eine Colonel, wie die Rangabzeichen auf den Schultern verrieten, ihr Name stand auf einem Schild an ihrer Uniform über ihrem gut geformten Busen zu lesen. ‚Dr. Marie Anne Collard‘. „Äh…“ kein geistreicher Kommentar Atlans, der ein klein wenig auf dem falschen Fuß erwischt wurde. „Nun, das haben Sie doch gesungen, dass es sich lohnt, zu vernehmen, und dass wir, also in diesem Fall wohl ich allein, zuhören solle. Carl Orff?“ sie sah ihn an, und er ging einen Schritt zurück, machte die Tür frei und mit der Hand eine einladende Geste. „Eine Frau, die triviales Latein versteht, Orff erkennt und offensichtlich schön und gut gebaut ist, wie könnte ich einer solchen Erscheinung widerstehen. Treten Sie ein, Frau Doktor. Oder soll ich lieber Madame le Docteur sagen?“ „Danke!“ mit einem eleganten Nicken nahm sie das Lob zu Kenntnis, während des Eintretens reichte sie ihm die Hand. Doch statt sie zu drücken, beugte er sich darüber und küsste sie formvollendet, eine Geste, die selbst bei dieser modernen, selbstbewussten Frau durchaus ein warmes Gefühl hervorrief. „Bitte, Madame, nehmen Sie doch Platz. Ein kleines Glas Rotwein, vielleicht einen Merlot, während ich in etwas ein klein wenig – sagen wir, formelleres schlüpfe? Oder…?“ er spielte mit dem Gürtel, die Ärztin lächelte in offen an. „Rotwein, ja bitte. Und ja, ich denke, andere Kleidung wäre von Vorteil.“ Der Admiral reichte der Ärztin den Wein und verschwand im begehbaren Schrank, schlüpfte in eine leichte, steingraue Hose und ein blaues Poloshirt.
„Also, was kann ich für Sie tun, Madame Collard?“ fragte er, als er wiederkam, und sie schaltete ihr Pad ein und öffnete eine Seite. „Nach den allgemeinen Dienstvorschriften, Artikel 25, Paragraph 1 muss jeder, der Offizier der Raumflotte der Vereinten Nationen werden will, sich einem psychologischen Gespräch stellen und nach Paragraph 2, wenn der Psychologe der Meinung ist, es sei nötig, auch einem entsprechenden Test. Nach Paragraph drei ist es möglich, dieses Gespräch nötigenfalls bis drei Monate nach Dienstantritt nachzuholen, wenn gewichtige Gründe für einen sofortigen Dienstantritt vorliegen. Diese Gründe liegen in Ihrem Fall durchaus vor…“ „Aber ich habe mich bis jetzt nicht freiwillig bei Ihnen gemeldet.“ Der Arkonide begann schallend zu lachen. „Ich bin wohl jetzt über meine eigene Dienstvorschrift gestolpert. Na schön, lassen Sie uns heraus finden, ob ich für ein solches Kommando noch genügend Tassen im Schrank habe!“ er stand auf und holte von seiner Anrichte die Rotweinflasche. „Ein Glas noch? Also, Frau Doktor. Sie möchten jetzt also ein privates und exklusives Gespräch. Ganz persönlich mit mir, Atlan daGonozal? Nun ja, ich habe den Verdacht, dass Ihre großen, braunen Augen mich dazu bringen werden, etwas mehr als geplant zu erzählen, vielleicht auch den Charme der Unsterblichkeit zur Anwendung zu bringen?“ Die Ärztin nippte an dem exquisiten Rotwein. „Admiral, wenn Sie es schaffen, mich zu verführen, verspreche ich Ihnen jetzt eines. Morgen steht Professor Doktor Johann von Greipelwegen vor Ihrer Tür, um mit Ihnen diese Gespräche zu führen. Wir können also die nächsten Tage beruflich oder privat mit einander verkehren, was immer Ihnen lieber ist!“ sie lehnte sich vor und musterte Atlan unverhohlen. „Ich hätte meinen Spaß an beidem, aber ob Ihnen ein Gespräch mit Johann angenehmer wäre?“ „Ach mein Herz, ach mein Verstand.“ Atlan legte theatralisch die Hand auf die rechte Brustplatte und verzog gequält das Gesicht. „Immer diese schier unmöglich scheinenden Entscheidungen. Ich sage Ihnen etwas, verlegen wir das private doch einfach auf später, Madame. Was möchten Sie denn hören? Sie werden allerdings Verständnis haben, wenn Sie im Alarmfall nur ein leichtes Aroma von Kunststoff von mir feststellen können. Häuptling ‚Qualmende Sohle‘ ist dann nämlich auf dem Weg zur Brücke, weil irgendein Notfall vorliegt! In diesem Fall machen sie es sich einfach gemütlich, bis wir weiterplaudern können. Und jetzt, haben Sie irgend welche besonderen Wünsche?“ „Wie wäre es mit dem Anfang, Admiral? Das ist immer gut.“ Die Ärztin griff zu ihrem Pad, um sich Notizen zu machen. „Am Anfang war das Chaos!“ intonierte der Admiral pathetisch und hob die Hände zur Decke. „Aus diesem Chaos schuf ich ein Wesen und nannte es DIE GOTTHEIT, und das Wissen war bei DER GOTTHEIT, die daraus Himmel, Erde und den restlichen Unsinn schuf, mit dem ich mich herum ärgern muss. Marie Anne, glauben Sie mir, in DEN GOTTHEITEN steckt noch jede Menge Chaos, der Junge oder das Mädchen, ich habe es nie herausgefunden, wurde ganz einfach nie erwachsen.“ Doktor Collard starrte Atlan erschrocken und entgeistert mit großen Augen an und der lachte einmal mehr. „Ein kleiner Scherz, Frau Doktor. Nehmen Sie es mir nicht übel, bitte.“ „Na schön!“ Marie Anne stimmte in das Gelächter ein. „Ich habe jetzt wohl ganz schön dumm geschaut!“ „Sie sehen nie dumm und immer wunderschön aus, Marie Anne. Darf ich Marie Anne zu Ihnen sagen? Dann nennen Sie mich Atlan. Also, wo waren wir? Ach ja, der Anfang. In der Verfilmung von Dune sagt Prinzessin Irolan einen schönen Satz. ‚Der Beginn ist eine sehr delikate Zeit.‘ Wie recht sie doch hat…“
-○-
Ich war zuerst Kristallprinz des Imperiums, ohne materielle Sorgen, aber immer allein mit dem Kindermädchen – ich will mich nicht beschweren, sie war ein nettes und durchaus hübsches Mädchen, das auf die vorerst noch bescheidenen Wünsche eines kleinen Kindes einging und sie erfüllte, auch später, als andere, die Bedürfnisse eines heranwachsenden Pubertierenden auftraten. Es gab schlimmere Nannys, die meines Bruders etwa. Mama Yagthara und Papa Mascudar waren damals zu sehr damit beschäftigt, Imperatrix und Imperator zu sein, als dass sie sich groß mit ihrem Nachwuchs beschäftigen konnten. Danach war ich einige Zeit Flüchtling, und ohne Tarts wohl schon vor vielen Jahrtausenden ein toter Flüchtling. Das war, als Onkel Veloz sich den Kristallthron einbildete und es auch schaffte, ihn sich anzueignen. Und dann war Arkon Veloz Orbanaschol wieder los, ein anderer Onkel von mir, Upoc, saß auf dem großen Stuhl und war Imperator, und ich wurde Admiral und wieder Kristallprinz. Ich übernahm das Nebelsektor – Geschwader und kämpfte, so gut ich konnte, gegen die Methaner. Mit wechselndem Erfolg, aber insgesamt wohl eher in den rückwärtigen Raum vorstoßend. Die wenigen Gegenschläge und Siege waren letztendlich eben doch nicht ausreichend. Und dann schickte der Imperator eines Tages seinen Neffen und getreuen Paladin, also meine Erhabenheit und so weiter, vor etwa – ach, es sind einfach zu viele, ob in Arkon- oder Terrajahren gerechnet, aber es müssen etwa 10, 12.000 Erdenjahre sein – also der Imperator sandte mich aus, um auf einem Kolonialplaneten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Nun haben Kolonisten ja fast immer etwas zu meckern, aber irgendwann ist eine Schwelle erreicht, an der jemand nachschauen muss. Dieser Jemand war nun einmal ich, als Mitglied der Herrscherfamilie besonders geeignet und zudem praktischerweise gleich um die Ecke stationiert, im Nebelsektor. Dazu kam noch erschwerend, dass sich dieses Mal die Kolonisten auch noch zu Recht zu beschweren schienen, der Administrator war tatsächlich ein derart offensichtlich bestechlicher Narr, dass nicht einmal eine minimalste Steigerung vorstellbar war. Allerdings schien er gut genug zu sein, die Beweise verschwinden zu lassen, er musste kompetente Hilfe bekommen. Und wegen eines solchen korrupten Ahh- Hohlkopfes und seines nicht voll zu bekommenden Halses musste ich die Methanfront verlassen, um die schlimmsten Fehlentscheidungen dieses Mannes zu korrigieren. Larsaf galt immerhin als wichtiges System, es war zwar nicht wirklich als kriegsentscheidend klassifiziert, aber als wichtig genug, um nach dem Rechten zu sehen. Mein Flaggschiff, die ARK’EMPE, wurde von dem gesamten Geschwader begleitet, laut Befehl des Imperators. Na gut, vielleicht hat der Imperator den Befehl sogar gesehen. Zumindest musste er in der Unterschriftenmappe gewesen sein. Also, unterzeichnet wird er ihn möglicherweise haben. Dachte ich halt in meiner jugendlichen Naivität. Das heißt, eigentlich machte ich mir keine großen Illusionen, aber die Tradition verlangte, dass man es glaubte, also glaubte ich es auch.
In Wirklichkeit war irgendein Subalterner wohl wieder einmal zu faul gewesen, einen einzelnen Raumer heraus zu suchen und verschob lieber das ganze Geschwader in das Larsaf System, ließ einen großen Frontabschnitt ohne Schutz oder zumindest Beobachtung. Ein Bürokrat! Nun, wenn ich schon das gesamte Geschwader im Schlepptau hatte, dann wollte ich zumindest ein wenig frische Nahrungsmittel bunkern lassen und gab auch den Nachschubsraumern den Marschbefehl. Sie müssen bedenken, meine Liebe, ich war damals natürlich noch nicht der alte und weise, der abgeklärte, aber trotzdem noch wahnsinnig gut aussehende Mann von heute, sondern ein junger, aber fescher Spund von etwa 40, der jüngste Admiral, den die arkonidische Flotte je gesehen hatte. Natürlich hatte mein Name daGonozal einiges, nein, beinahe alles, damit zu tun. Aber – ich war voll Elan und Heldenmut, ich wollte meinen Körper zwischen den Feind und meine Heimat werfen, der Retter, wenn schon nicht des Universums, so doch des Imperiums sein! Meine Stimmung beim Einflug in Larsafs System, weit weg von meinem Frontabschnitt, war, wie Sie sich vorstellen können, entsprechend…
⊙
Um Beherrschung bemüht tigerte ich durch meine Kabine. „Dieser dreimal verdamme Narr.“ brüllte ich laut. „Bei Hemutags Riesenbrüsten, ich hänge ihn an der höchsten Hypercom-Antenne von Larsaf II auf! Ich weide ihn aus! Ich schneide ihm die Eier ab und verfüttere sie an die Zamuga, während er zusehen darf! Dieser Gripphr!“ Wie meinen Sie, Frau Doktor? Was Ausraster? Ich? Nicht doch. Noch heute erfüllt es mich mit Stolz, nicht ausfallender geworden zu sein und darauf zu verzichteten, Pokale und ähnliches gegen die Wände zu knallen. Lust dazu hatte ich zur Genüge, glauben Sie mir, aber ich beherrschte mich, auch wenn es mühsam war. Die Nachrichten aus dem Methankrieg waren alles andere als Hoffnung erweckend, um ehrlich zu sein, ich hatte es schon angeschnitten. Wir lieferten, dank des Versagens von Imperator Orbanaschol I und seiner nur die eigene Tasche füllenden Gefolgschaft, seit einiger Zeit an der gesamten Methanfront nur noch Rückzugsgefechte. Es war nur noch eine Frage wenigen Jahrzehnten, bis der Sternennebel Arkons, den sie M 13, NGC 6205 oder Herkuleshaufen nennen, von unseren Feinden, den Methanatmern, erreicht wurde. Wir hatten zu wenige Schiffe für die Flotten, es standen bei mancher Einheit zwar 40 Schlachtschiffe in der Stammrolle, davon besaßen aber zehn nur noch Schrottwert und einige andere machten bei einer anderen Flotte Dienst. Um dort Lücken zu schließen, die in den Dateien gar nicht existierten, weil angeblich 30 Kriegsschiffe in diesem Sektorabschnitt stationiert waren, in Wirklichkeit aber kein einziges Raumschiff, sondern eine Handvoll Torpedoboote auf Patrouille waren. Noch gravierender machte sich allerdings das Fehlen eines fähigen Oberkommandos, das die Verteidigung koordinieren konnte, bemerkbar. Und nun fehlte auch noch ein ganzes gemischtes Geschwader – eine verstärkte Flotte mit etwa 900 Schiffen aller Größen, davon 30 Schiffe der Tussan- und 70 der Fusuf-Klasse, an der sowieso schon lückenhaften Verteidigungslinie. Und all das, weil ein verdammter kleiner planetarer Verwalter den Hals nicht voll bekam und die Mittel für die Verteidigung in die eigene Tasche steckte. Wie alle von Orbanaschols Kreaturen, deshalb war die Flotte ja in diesem desaströsen Zustand. Und Sie kommen mir mit Ausraster? Aber gut, ich erzähle einmal weiter, vielleicht verstehen sie mich nachher besser.
Der imperiale Bauchaufschneider, Tarts, nippte an seinem Wein. Das Wort ist ähnlich genug, die Weintrauben Terras sind übrigens, wie auch der Weizen, arkonidischen Ursprungs. Nun, ich werde mir erlauben, während meiner Erzählungen einfach das Adäquat zu arkonidischen Bezeichnungen zu verwenden. Obschon – vergorener Saft aus Weintrauben, ist es dann nicht tatsächlich Wein? Egal. Tarts war eine Erscheinung, etwas über zwei Meter groß und gebaut wie ein Schrank. Seine grauen Uniformen und der Raumanzug waren Spezialanfertigungen, denn die Ware von der Stange wurde, auch bei den größten Kleidungsstücken sprengten seine Schultern die Nähte, falls er sie überhaupt überziehen konnte. Früher ein Problem bei der Beschaffung von Ausrüstung, besaß ich heute genug Mittel, um meinem Beschützer Maßuniformen und den besten für Geld zu erhaltenden Kampfanzug zu besorgen. Ich verdankte ihm mein Leben und meine Freiheit, und wo immer meine Schwächen liegen, Undankbarkeit und Geiz gehörten nie dazu. „Hast Du schon entschieden, wer denn die Geschäfte auf Larsaf II, III und IV übernehmen soll?“ fragte der alte Freund, durch den Pokal bekam seine Stimme einen ganz eigenartigen, hohlen Klang. Ich fuhr herum. „Alter, unterbrich mich doch nicht, wenn ich gerade im Schwung bin! Welche Geschäfte, wovon, beim Eiskalten, sprichst Du eigentlich?“ „Nun, irgend jemand muss die Kolonie führen, Atlan.“ Tarts blieb, im Gegensatz zu mir, stets der ruhige und ausgeglichene Pol in unseren Diskussionen. „Wenn Du den Administrator tötest, verstümmelst oder auch nur in der Zelle nach Arkon beförderst, musst Du einen neuen Verwalter ernennen. Einen reinen Arkoniden, wohlgemerkt. Immerhin kann kein nicht auf Arkon I selbst Geborener, keiner, der nicht aus einem der Häuser ist, einen derart hohen Rang einnehmen.“ Ich versuchte mich zu beruhigen. „Vorschläge?“ schnappte ich, immer noch ungehalten. „Nun“ Tarts kratzte sich am Hinterkopf. „Ich verliere ja nicht gerne einen guten Nachschuboffizier. Aber wenn es nötig ist – egal. Oberleutnant Thalma dalZarmol ist nicht nur hervorragend, wenn es um Logistik geht, sondern auch als Führungskraft.“ „Hmm..“ Nun war es an mir, ratlos meinen Skalp zu kratzen. „Ich kann mich nicht an sie erinnern“, gestand ich schließlich ein. „Die Oberleutnant kam vor etwa einem halben Monat zu uns. Du erinnerst Dich vielleicht noch an die Schlacht beim Haarakonsystem?“ Ich nickte, denn bekanntlich konnte ich nichts vergessen. Ein Ergebnis der Ark Summia war neben dem Logiksektor auch ein photographisches, besser gesagt ein eidetisches, Gedächtnis, das nicht nur Bilder, sondern auch Geräusche und Gerüche speicherte. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Sache vor allem mit dem Geruch nicht immer angenehm ist, manche Odeure – die ungewaschenen Menschen der frühen Neuzeit, im 18 Jahrhundert, etwa am Hof des Sonnenkönigs oder seines Ludwig XV. Nie war das Leben sexuell ausschweifender und ich selbst enthaltsamer gewesen. Manchmal ist dieses Gedächtnis ja von Vorteil, durchaus, aber manchmal eben auch eine Qual, wenn der implantierte Duftfilter in der Nase versagt und – bitte, ersparen Sie mir und sich selbst weitere Details. An Thalma konnte ich mich allerdings nicht entsinnen, was bedeutete, ich hatte sie nie kennengelernt. Aber bei den Verlusten damals konnte es schon sein, dass Versetzungen nicht gleich zur Kenntnis gebracht wurden. Solange alles funktionierte …
Wie auch immer. Ich sagte also zu Tarts, er solle die Oberleutnant kommen lassen. „Woher Deine Kenntnis über die Fähigkeiten des NO?“ fragte ich, nur mäßig interessiert, Tarts antwortete dröhnend lachend. „Vielleicht ist es Euer Erhabenheit entgangen, dass stellvertretende Geschwaderkommandeure ebenso wie Raumschiff-Kapitäne so etwas wie einen Code besitzen, um die Wahrheit über eine Versetzung und die Qualifikationen der Mannschaften und Offiziere weiterzugeben.“ „Und Admiräle bleiben außen vor und dürfen unwissend sterben.“ grummelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart. Und wieder malträtiert Tarts lautes Lachen meine Ohren. „Ich sag’s Dir doch gerade, Gebieter, oder nicht? Der Erhabene muss nur fragen!“ Ich winkte ab. „Hole Dein Wunder schon herein. Man könnte glauben, sie wäre deine Tochter, die Du auf dem Sklavenmarkt auf Bharlat verkaufen möchtest, so wie Du sie anpreist.“ „Hören ist gehorchen, Gebieter!“ Tarts verbeugte sich devot, doch seine Stimme führte die altehrwürdige Formel ad absurdum, aber immerhin öffnete er die Tür und winkte Thalma herein.
Meine Augen meldeten ‚Oh, wow‘, meine Hormone brüllten ‚alles klar zum Gefecht‘! Zum Glück hatte ich den Extrasinn, der ‚SPÄTER‘ brüllte, alle niederen Instinkte unterdrückte und mich weiteratmen ließ. Wie soll ich Thalma dalZarmol bloß beschreiben? Natürlich war sie fast so groß wie ich, schlank, weiße Haare, schließlich war sie eine adelige gebürtige Arkonidin aus dem Drei-Planeten-System, sogar von Arkon I direkt. Athletisch gebaut, selbstverständlich, als Offizier musste sie zumindest ein wenig sportlich sein. Trotzdem einige durchaus weibliche Rundungen. Ein relativ kleiner, aber durchaus hübscher und gefälliger Busen, schlanke Taille, lange Beine. Ein edles Gesicht, eine gerade Nase, durchaus eine klassische, arkonidische Schönheit. Sie machte vorschriftsmäßig ihr Männchen und legte das Händchen an die Mütze. Sie wissen schon: „Oberleutnant dalZarmol meldet sich wie befohlen und erwartet die Befehle des Erhabenen.“ Diese in jeder militärischen Organisation ebenso unnötigen wie wichtigen Rituale. Wissen Sie, Dotoressa Collard, wie viel Zeit verschwendet wird, nur um frisch gefangenen Rekruten beizubringen, wie man die Hand richtig an das Mützchen hält? Stundenlang nur „salutiert auf, salutiert ab! Ellenbogen dorthin, Handfläche nach dahin!“ Als käme es im Ernstfall darauf an, im exakten Winkel zu salutieren. Frustrierend, sage ich Ihnen.
Na egal. DalZarmol machte also ihren Servus, ich holte mir ihre Akte auf den Monitor und war durchaus beeindruckt, denn für ihr jugendliches Alter hatte sie schon eine ganze Menge erreicht. Danach musterte ich Sie genauer. „Sie wissen über das Larsaf – System Bescheid?“ fragte ich, sie nickte kurz. „Ja, Gebieter.“ „Welche Veränderungen schlügen sie mir denn vor?“ Thalma schloss die Augen und rekapitulierte aus ihrem Gedächtnis, einer der Vorteile einer ArkSuumia-Ausbildung. Einige Reformen hier, bessere Verhältnisse da, dort bessere Vereidigungseinrichtungen „falls die Methans doch hierherfinden sollten.“ Nun, der letzte Punkt war ja auch der letzte Tropfen, der Grund, warum ich hier war. Auf dem größten Trabanten von Larsaf II wollte Thalma ein Depot und zumindest eine kleine Werft für die Reparatur von zumindest mittelgroßen Raumschiffen bis 400 Meter bauen.
Ja, Frau Doktor, Larsaf II. Larsa, wie wir die Venus auch nannten. Damals hatte dieser Planet drei Trabanten. Zwei davon etwa in der Größe der Marsmonde, einer etwas mehr als doppelt so groß. Dadurch rotierte die Venus langsamer, wenn auch wie heute ‚rückdrehend’, auch ein starkes Magnetfeld war damals vorhanden, sogar noch etwas stärker als das der Erde heute. Die Nordlichter waren besonders spektakulär und erschienen zu manchen Zeiten bis tief in die gemäßigten Zonen. So war Larsa zwar schon ein sehr warmer, doch für Arkoniden angenehm bewohnbarer Planet, üppig bewachsen, mannigfaltige Tierwelt und sogar eine etwa arkonoide, halb intelligente Lebensform, welche, wie einige Wissenschaftler des Kristallimperiums verblüfft festgestellt hatten, genetisch sehr eng mit jener uns ähnlichen Spezies auf dem dritten Larsafplaneten verwandt war. Es gab eine Übereinstimmung zwischen Arkoniden und den eingeborenen Bewohnern der Planeten von Larsaf von 99,94% im genetischen Muster, wie es bei allen arkonoiden Spezies, die wir bis zu diesem Zeitpunkt gefunden hatten, üblich war. Die Übereinstimmung zwischen den Bewohner von Larsa, also der Venus und jener von Thatlas, der Erde, betrug allerdings 99,99892%, das war praktisch identisch. Es war ein sensationelles Ergebnis, doch wie eine solch starke genetische Verwandtschaft zustande kam, war ungeklärt. Aber, wir sind ja noch bei der Venus, ich werde später noch mehr von den Menschen Terras zu erzählen wissen, Marie Anne. Ja, von Ihren Vorfahren. Aber weiter im Text. Flora und Fauna waren auf beiden Planeten für Arkoniden essbar, arkonidische Nutzpflanzen zumindest an einigen Stellen erfolgreich anzupflanzen, nun, man kann im Leben nicht alles haben. Venus etwas zu warm, Erde etwas zu kalt im Durchschnitt. Was nur bedeutete, dass man sich als Arkonide auf der Venus besser vom Äquator fernhielt und auf der Erde von den Polen. Also durchaus machbar. Der Mars allerdings war auf Dauer nur für Kolonisten von bereits an kalte Planeten gewöhnte Arkonabkömmlinge gemütlich, hier war es selbst zu den heißesten Zeiten für Arkoniden ziemlich kalt. Wir Arkoniden sind Frostbeulen, 20, 25 Grad Celsius sind für uns nicht mehr lustig. Überleben? Wer spricht vom Überleben? Aber wer will schon ständig ein Kältegefühl verspüren? Gut, alles in allem kein perfektes Sonnensystem, aber ein mehr als brauchbares und damit wertvoll, an Nahrungsmitteln bis Erzen und an, wie man sie heute nennt, seltenen Erden reich, konnte das System von Larsaf eine recht gute Nachschubbasis werden. Falls das Imperium es schaffte, diese Basis zu verteidigen. Dafür war aber eigentlich der Administrator verantwortlich, wir sind also wieder bei dem Grund meines Anfluges. Was? Wo die Monde geblieben sind? Hören Sie nur zu, ich werde es noch erzählen, Marie Anne. Zurück zu Thalma, für das Erste aber war ich mit den Antworten der jungen Arkonidin mehr als zufrieden, ein rasch ausgestelltes Kriegspatent machte aus einem Ober-Leutnant einen Oberst-Leutnant, der absolut niedrigste Rang für die Aufgabe, die vor ihr liegen würde. So schnell kann man Karriere in Zeiten des Krieges und der Gefahr machen.
Waren Sie schon einmal auf der Brücke der VIRIBUS UNITIS, Madame le Docteur? Kennen Sie den prinzipiellen Aufbau? Nun, es ist einfach. Vom großen Süddeck über der Polschleuse führen acht Antigravitationslifte durch das gesamte Schiff bis zum großen Norddeck unter der Polkuppel, nach unten können sie, ausgestattet mit Schleusen für zehn Personen, teleskopartig bis zum Boden ausgefahren werden. Auf der Kommandoebene gibt es natürlich keinen Ausstieg, diese erreicht man nur über acht andere, die von der Ebene unter der Kommandoebene bis in Ebene darüber führen, für die Einstiege ist eine spezielle Berechtigung nötig. Auf dieser Ebene liegt die Zentrale, rund um diese sind die Quartiere der Kommandooffiziere angelegt, je höher der Rang, desto näher am Gang, der rund um die Zentrale führt. Auf die Brücke führen acht Eingänge zwischen den Stationen – im Uhrzeigersinn Ruder, Navigation, Wissenschaft, Ortung, Kommunikation, der Flightboss, die Koordination für die Korvetten – wir nannten sie Ultraleichtkreuzer – und Waffenkontrolle, wobei Ortung und Kommunikation abgeschottet sind, um nicht gestört zu werden. In der Mitte ist die Kommandoempore. Einige versenkbare Sitze für den Kommandanten, den Admiral und ihre Adjutanten, noch ein paar für etwaige Gäste, insgesamt können es etwa 30 sein, wenn es sein muss. Jeder ist einzeln ausfahrbar, so dass man auf dieser Empore auch ganz gut Besprechungen im kleinen Rahmen halten kann. Darunter ist ein wirklicher Lagebesprechungsraum, 10 Meter Durchmesser, hocheffiziente Datenübermittlung und -Auswertung, die Wand ist ein zwei Meter hoher Touchscreen rundherum, ein Tisch mit eingelassenem Touchscreen und Holoprojektoren für Lagebesprechungen. Auch hier Gliedersessel, die man ein- und ausfahren kann. Von der Kommandobrücke gibt es eine hervorragende Sicht auf den Panoramaschirm, der nur einen Nachteil hat. Um in Flugrichtung zu sehen, musste man entweder den Kopf weit in den Nacken legen oder die gesamte Ansicht um 90 Grad schwenken, weil der Nordpol nun einmal zumeist vorne ist. Nun, man gewöhnt sich irgendwann daran, ständig nach ‚oben‘ zu fliegen, und das Ruder ignoriert den Panoramaschirm sowieso komplett und hat eigene Instrumente. Diese Männer und Frauen schalten ihre Ansichten einfach um, je nachdem, wie es gerade für sie einfacher ist. Auf einem arkonidischen Schlachtschiff der Tussan-Klasse sah es nicht viel anders aus, nur ein wenig kleiner, unsere Hologrammausrüstung war noch nicht so weit entwickelt und bei den physischen Tasten für den Notfall und den Alarm zogen wir kleine runde rote statt der viereckigen großen roten der VIRIBUS vor. Außerdem war der Raum unter der Brücke noch nicht so ausgefeilt. Aber das sind Details, die nicht weiter wichtig sind. Ich wollte nur, dass Sie eine Vorstellung bekommen, wie es in einer Zentrale aussieht, Madame.
Auf dieser Kommandoempore stand ich jetzt mit vor der Brust verschränkten Armen und beobachtete den Einflug in das System, die Schirmansicht gedreht, dass ich bequem nach vorne blicken konnte. Sie wissen schon, Rang hat eben seine Privilegien. Larsaf VI zog vorbei und zeigte die volle Pracht seines Ringsystems, es war schon ein beeindruckendes Bild, wenn die Eiskristalle wie Edelsteine funkelten. Der Riese Larsaf V stand weit abseits, wir ließen seine Bahn zurück und überflogen den Asteroidengürtel. Natürlich hätten uns die Gesteinsbrocken in unseren von Energieschirmen geschützten Raumschiffen nichts anhaben können, aber ich wollte mir das Bild, von dem ich schon gehört hatte, einmal ‚von oben‘ anschauen. Der rote vierte Planet stand auf der anderen Seite des Gestirns, aber die Nummer drei mit dem großen Mond stand blau und weiß leuchtend beinahe auf unserem Kurs. Ich verspürte ein leises Flattern in der Magengrube, als ich seiner Angesichtig wurde und ich vermeinte, so etwas wie ein entferntes Lachen zu hören, es musste aber wohl eine Einbildung gewesen sein. Dachte ich zumindest damals. Danach näherten wir uns endlich dem zweiten Planeten und schwenkten in einen Parkorbit. Zweiplanetenträger Ascuzar daAkkat wandte sich an mich und salutierte. „Gebieter, wir haben Larsaf II erreicht!“ meldete er den Vorschriften gemäß. Ich nickte. „Die erste Kampfgruppe unter der ARK’EMPE und die Frachtschiffe sollen landen, der Rest verbleibt im Orbit!“ Mir kam überhaupt nicht in den Sinn, dass ich nicht landen durfte, wie, wann und wo ich wollte, denn immerhin war ich nicht nur der Kristallprinz, sondern dazu noch der direkte Kontrollbeauftragte des Imperators. Der Radiooffizier gab unsere Wünsche bekannt und die Landepositionen wurden eiligst geräumt.
Meine kleine Kampfgruppe landete also auf dem Raumhafen der Venus, der Rest des Geschwaders blieb vorsichtshalber, und auch um das Landefeld nicht zu überlasten, im Orbit. Der Administrator erwartete mich nach dem Aufsetzen und begrüßte mit großem Pomp, ich war ja der Kristallprinz, da konnte man schon so richtig auftrumpfen. Ich war ja durchaus an einiges auf diesem Sektor gewöhnt, aber woher hatte er denn die Musikkapelle organisiert? Echte Musiker statt Roboter, zwar nicht unbedingt eine Starbesetzung, aber durchaus brauchbar. Was bitte? Wie arkonidische Musik damals klang? Stellen Sie sich eine Mischung aus Free- und Cooljazz vor, mit ein wenig Hardrock in den Rhythmen und einer Art Sackpfeife, wie die Iren sie benützen, nicht geblasen wie die schottische, sondern mit den Armen durch Zug und Druck gespielt. Ich schritt also zu den Klängen der imperialen Hymne auf dem grünen Teppich auf das Empfangskomitee zu, und dann fielen diese Schranzen doch glatt auch noch auf die Knie und redeten von Ehre und Vergnügen und wie glücklich sie doch wären, weil ich Sie besuchte, allen voran der Administrator, Vieste dalPralma. ‚Schleimer!‘ meldete sich mein Extrasinn angeekelt zu Wort, ‚Lügner! Warte ab, gleich bietet er Dir einen Anteil!‘ ‚Und seine Töchter gleich dazu!‘ betätigte ich in Gedanken und winkte unwirsch ab, obwohl der Logiksektor doch nur wie immer die Lage auf den Punkt brachte. Abrupt unterbrach ich die Empfangs-Zeremonie, die mich allmählich nervte, ich war doch Soldat, kein dekadentes nanotronisches Tanzpüppchen! „Ich brauche ihre Büros und Zugriff auf alle Dateien.“ herrschte ich den Verwalter Vieste, die Adeligen und die hohen Verwaltungsbeamten an, es ekelte mich vor ihnen. „Sie selbst begeben sich an Bord meines Schiffes und warten, bis mein Stab seine Arbeit beendet hat. Oberstleutnant dalZarmol, übernehmen Sie. Leisten Sie gute Arbeit im Namen des Imperators!“ Ungerührt beobachtete ich, wie Marines Administrator Vieste mitsamt seinem Stab abführten und in einige Kabinen an Bord der ARK’EMPE brachten. „ABTRETEN!“ die Götter mögen bedankt sein, dalZarmol war mit einem lauten und kräftigen, aber nicht schrillen Kommandoton ausgestattet. So etwas ist immer hilfreich.
Nachdem ich keine Ahnung von Buchführung und ähnlichem hatte und es daher für mich nicht mehr unmittelbar etwas zu tun gab, entschloss ich mich für eine Sightseeingtour durch die Straßen der Hafenstadt. Ich denke, es ist immer gut, wenn man nicht nur theoretisch Bescheid weiß, sondern alles Interessante nach Möglichkeit auch praktisch und persönlich in Augenschein nimmt. Mit dieser Devise bin ich eigentlich immer ganz gut gefahren, und ich stecke heute noch meinen Riechkolben gerne in einige Details. Ja, Marie Anne, es ist nicht immer gesund, ich habe schon mehrmals eine auf das besagte Riechorgan bekommen, trotzdem halte ich daran fest. Also, ich ließ ich mir einen Gleiter ausschleusen und begann meine Rundreise.
Eigentlich sieht ja jeder arkonidischer Raumhafen ziemlich gleich aus, Differenzen konnten sich nur durch Unterschiede im Gelände ergeben, und die wurden durch die Roboter weitestgehend egalisiert, eingeebnet, schon weil das Landefeld natürlich so eben und flach wie nur irgend möglich sein sollte. Zuerst wurden schwere Spezialdesintegratoren waagrecht ausgerichtet, dann der Metallbeton ausgebracht, in dem Kühlrohre eingebettet wurden, danach Leitungen für Magnetfelder verlegt, damit das Plasma aus den Ausstoßöffnungen der Triebwerke nicht direkt den Boden berührt, solange es überhitzt und beschleunigt ist. Das wäre auf die Dauer dem Zustand des Landefeldes gar nicht zuträglich. Dann noch eine letzte Metallbetonschicht mit den Markierungen, das Feld war fertig. Nachdem es einfach und billig war, stellten unsere Baumaschinen gleich größere Versionen der Landefelder her, wenn genug Platz vorhanden war. Wenn nicht, war es natürlich möglich, auch jenen Teil des Hafens über Wasser zu verlegen, auf dem kleine Schiffe landeten, und natürlich konnten dort einige Gebäude errichtet werden. Selbstverständlich empfahl es sich auch, von Anfang an eine Ebene auszuwählen, es machte den Bau schneller und billiger. Wirklich nötig war es aber nicht, die Desintegratoren wurden mit allen Hügeln fertig. Zum Schluss wurden die bereits angesprochenen Gebäude aufgebaut, auf jedem Hafen die gleichen, man schrieb doch nicht für verschiedene Welten kreative Programme! Vielleicht, wenn man ein wenig exzentrisch war, für ein eigenes Haus, eine Villa, einen Palast meinetwegen, aber für einen reinen Zweckbau? Wozu? Dieses System haben auf Terra auch später die Römer benutzt, ihre Legionen verlegten jeden Abend einfach ihre Stadt einige Meilen weiter, wenn sie auf dem Marsch waren. Mitsamt Hauptquartier, Badehaus und – Bordell. Man konnte einen Legionär von Asia nach Britannia oder Iberia versetzen, er kannte sich sofort aus, und so wie dieser Legionär in seinem Lager fand ich mich auch rasch auf diesem Raumhafen der Stadt Omotakar zurecht. Auf zwei Seiten wurde das Flugfeld durch Lagerhallen begrenzt, leicht erkennbar an den kubischen Formen. Ein Trichterbau ist für ein Wohnhaus schön und praktisch, für große Lagerhallen natürlich nicht, denn Container waren auch auf Arkon Quader. Eine weitere Seite war für die diversen Bars und Bordelle, wo Mann und natürlich auch Frau einmal ordentlich tanken und Dampf ablassen konnte. Diese Etablissements jeder Preisklasse gehörten noch zum Raumhafen, es war unmöglich, an diesen drei Seiten das Areal desselben zu verlassen. Wenn ein Stadtbewohner sich in einem dieser Lokale vergnügen wollte, konnte er einen Passierschein beantragen, doch die meisten begnügten sich mit ähnlichen Häusern außerhalb der Zone, es gab, wie überall im Imperium, ausreichend davon. Die vierte Seite war den Verwaltungsgebäuden und dem Tower vorbehalten, der eine unverkennbare Form aufwies. Ein sechseckiger, hoher Turm, von einer größeren sechseckigen Scheibe gekrönt, von welcher der gigantische Sendemast der Hyperfunkanlage in den Himmel ragte. Dort waren auch die Abfertigungsgebäude untergebracht, durch welche man den Hafen betreten oder verlassen konnte. Zoll, Duty free und ähnliches …
Warum sind Sie erstaunt, Frau Doktor? Natürlich wurde für das Vergnügen der Raumfahrer alles nur Mögliche getan, und wenn auch in der Kriegsflotte beinahe ebenso viele Frauen als Offizier dienten, waren niedere Mannschaftsgrade und auch die Handelsraumfahrt eine eher maskuline Domäne geblieben. Außerdem – es gab auch für die Damen einiges an Zerstreuungen. Schockiert? Nicht doch, das war alles ganz normal und natürlich. Selbstverständlich wollten auch Raumfahrer, ob weiblich oder männlich, nicht immer fünf gegen einen spielen, und auch die Stimulation der Genitalen durch mechanische Spielzeuge, seien sie noch so ausgefeilt, ist immer nur Ersatz. Manchmal möchte eben jeder gerne einen atmenden, weichen Körper neben sich. Obwohl – einige Jahrhunderte später ging Arkon den gegenteiligen Weg, wie ich von Crest hörte. Nicht mein Ding, und damals auch nicht das der meisten Arkoniden, wir schätzten den echten Sex.
Es versteht sich wohl von selbst, dass ich keine Verzögerung durch Zoll- und Ausweiskontrollen verbringen musste, Sie erinnern sich – Kristallprinz? Beauftragter mit Privilegien, die ich schamlos ausnützte? Nun, die Stadt Omotakar war durch eine gerade mehrspurige Hochgeschwindigkeitsstraße mit dem Raumhafen verbunden, jenseits eines gründlich gerodeten Streifens war ein gepflegter Park zu sehen. Eigentlich war der Planet auf dieser venerographischen Höhe keine ausgesprochene Dschungelwelt wie in der Äquatorgegend mehr, auch wenn es immer noch genug Pflanzenwuchs gab. In dieser Klimazone war die durchschnittliche Temperatur etwa 30 bis 35 Grad, am Äquator war es natürlich noch weit wärmer. Wenn sie eine Karte der Venus über eine der Erde legen wollten, fänden Sie Omotakar etwa auf der Höhe von London, Marie Anne. In diesem Park sah ich auch mein erstes Rüsseltier, gehört hatte ich schon davon. Die gerade nach vorne zu gigantischen Hauern gewachsenen oberen Eckzähne und die als Greiforgan ausgebildete Oberlippe, mit der Nase verwachsen, das Tier war gigantisch. In der Schulter ganz sicher mehr als acht Meter, ich konnte es nicht fassen, von dieser unfassbare Größe hatte ich bisher nur bei Sauriern gehört, nicht bei Säugetieren. Es war Wahnsinn!
Nun, Omotakar machte im großen und ganzen einen durchaus gepflegten und sauberen Eindruck, nirgendwo war Schmutz oder Unrat zu sehen, die Siedler eilten durch die Straßen, der Verkehr war flüssig, ohne große Stockungen. Aber! Ja, aber! Die Blicke der Passanten. Irgendwie – unstet, unruhig, nicht fest auf einen Punkt gerichtet, distanziert, unsicher. Nur wenige standen in kleinen Gruppen plaudernd in den Parks und auf den Plätzen vor den Trichterbauten, und diese sahen sich beständig misstrauisch um. Kennen Sie arkonidische Architektur, Marie Anne? Die Grundform ist in etwa eine Sektflöte. Ich weiß, man redet oft vom Sektkelch oder Sekttulpe. Nicht ganz falsch, aber – warten Sie. Sehen Sie hier, die Tulpe. Der obere Rand neigt sich wieder einwärts, damit das Aroma im Glas bleibt. Bei der Flöte hingegen ist das Glas vom Stiel bis zum oberen Rand in einer sanften konkav geschwungenen Linie immer breiter wird. Den ‚Stiel‘ umgibt bei den Häusern des Adels oft noch ein Park, wogegen man bei den Mehrfamilienhäusern und Geschäftsgebäuden eher von einem großen Parkplatz ausgehen kann. Und natürlich ist es ein Zeichen von Reichtum, wenn die Flötenöffnung oben möglichst weit und der Stiel möglichst schmal ist, die Häuser mancher Adelsfamilien sahen schon mehr wie ein Martiniglas aus. Nun ja, in erster Linie konzentrierte sich das Haus nach Innen, wenn man in einem Mietshaus wohnte, waren die billigen Wohnungen jene nach außen liegenden, die oft nicht einmal über Fenster verfügten, die man öffnen kann. Nach Innen aber gab es Balkone oder, wie etwa bei einem Einkaufszentrum Wandelgänge, von denen man die gesamte gegenüberliegende Trichterseite betrachten konnte. Und nach meinen Gesprächen mit Crest gehe ich davon aus, dass sich nichts geändert haben wird. Sehen Sie sich den GCC – Tower in Galactic City an. Zwei Türme mehr, und fertig wäre der Palast des Imperators auf Arkon I. Ja natürlich, weiter.
Ich ließ vor einem Einkaufszentrum halten, stieg aus und ging in eines der Gebäude, in dem von außen für die Geschäfte im Inneren geworben wurde. Schlendernd ging ich durch die Gänge und über den offenen, inneren Wandelgang, lehnte mich an das Geländer und sah mich um, ganz der gelangweilte Raumoffizier. Was ich bemerkte, waren leicht, aber bemerkbar hochgezogene Schultern, keine Fröhlichkeit, kein Lachen, kaum ein Lächeln. Nun, vielleicht lag es an der prinzlichen Standarte am Bug des Gleiters, vielleicht auch an den drei Sonnen auf meiner Uniform oder dem Abzeichen meiner Familie auf der Schulter, an dem Cape über meiner Schulter, dessen Muster mich als Prinzen aus allererhabenstem Haus auswies, aber die triste, hochgeschlossene Kleidung in dumpfen Farben, und das bei dieser Sonne und Wärme – das konnte nicht an der Standarte, am Dienstgrad oder am Gonozalwappen liegen. Es war, als hinge eine dunkle Wolke über der Stadt, eine sehr dunkle, eine schwarze Wolke. Nachdenklich befahl ich dem Piloten des Schwebers die Rückkehr zum Schiff.
*
„WACHEN!“ Ich blickte in die Mündung der halbautomatischen Projektilwaffe, die Tarts beim Eintritt in meine Kabine blitzartig gezogen hatte. Aus irgendeinem nur ihm bekannten Grund liebte er dieses halbe Museumsstück, das etwa Kaliber .78 Ghrami, also 11,5 Millimeter hatte. Bei diesem Laufdurchmesser glaubte man das Geschoss am hinteren Ende des Laufes zu sehen. Tarts zog dieses Gürtelgeschütz einem Energiestrahler vor, eine Ehrensache, nahm ich an. Irgendein Urahn hatte wohl diese Waffe für besondere Leistungen geschenkt bekommen, der Alte hegte und pflegte, reinigte und ölte sie regelmäßig. Der mattgraue Stahl reflektierte kaum die Raumbeleuchtung, doch der gespannte Hahn war nicht zu übersehen. Trotz aller Primitivität war dieses Museumsstück eine absolut tödliche Waffe, die der Hüne trotz des großen Gewichtes wie eine Feder handhabte, und er pflegte immer wieder zu sagen: ‚ein Energiefeld kann die Energie eines Strahlers lahmlegen, aber die chemische Treibladung und die kinetische Energie nicht‘. Einmal hatte ich damit geschossen, ein Erlebnis, das ich nicht zu wiederholen gedachte. Nicht mit 11,5 mm, 9 waren für mich ausreichend. Dachte ich damals, bis Sam Colt sein Modell Walker – nein, das ist jetzt wieder eine andere Geschichte. Kehren wir zu Tarts zurück, der seine Haubitze auf mich richtete und mich anbrüllte. „Rühr´ Dich nicht, Bursche, wer auch immer Du bist!“ tobte er, doch die Mündung der Kanone bewegte sich keinen Millimeter und wies unverrückbar auf meine Stirn. „GEBIETER! ATLAN! Was hast Du mit dem Erhabenen gemacht? Antworte!“ Ich lachte dem treuen Alten ins Gesicht! „Erkennst Du Deinen Admiral nicht mehr, alter Freund?“ fragte ich ihn, „Erkennst Du zumindest meine Stimme?“ Tarts ließ die Waffe sinken. „Atlan, Erhabener, wie kannst Du mich alten Mann derart erschrecken? Was soll eigentlich die Maskerade. Und wo, bei der Herrin der kältesten Höllen, hast Du diese fadenscheinige und zerrissene Kleidung her. Und worin hast Du Dich gewälzt? Du stinkst wie der Abfallhaufen hinter dem billigsten Bordell auf dem hinterletzten Kolonialplaneten!“ „Mars?“ fragte ich, schüttelte aber den Kopf. „Nein, der Mief ist echt Venus. Aber fast richtig!“ Tarts übertrieb natürlich maßlos. Jeder, aber auch wirklich jeder Raumfahrer achtete absolut penibel auf seinen Körpergeruch. Das lernte man ziemlich schnell, wenn man nicht von Haus aus reinlich war, wurde man es nach der ersten Wäsche mit der harten Kunststoffbürste. Als Kadett lebt man in der ersten Zeit mit vielen anderen auf engstem Raum, und diese stecken einen geruchsintensiven Kameraden gerne in eine Wanne mit heißem Wasser und bürsten ihn nicht gerade zärtlich ab. Der ausbildende Unteroffizier hat jede Menge guter Ratschläge parat, wie die Sache noch peinlicher und schmerzhafter werden kann. Einmal – nein, Sie würden mir doch nicht glauben, Marie Anne, belassen wir es bei der Andeutung, dass der junge Mann nie wieder stank. Und lange Zeit seine Urlaube nicht in Damengesellschaft verbringen wollte. Gestank ist fast ein schlimmeres Verbrechen als eine vorlaute Meldung einem Vorgesetzten gegenüber. Wie viel mehr bei Mannschaftsgraden, die kein Einzelzimmer ihr eigen nannten.
„Aber wozu?“ fragte Tarts fassungslos, er war noch immer ganz aus dem Häuschen und steckte seine Pistole endlich ein. „Nun, ich habe vor, einem Etablissement von fragwürdigem Ruf einen Besuch abzustatten.“ Tarts zog pfeifend die Luft ein. „Atlan, Gebieter, Freund! Wenn Du Bedürfnisse hast, ich tätige einige Anrufe, ganz diskret, eine entsprechende Dame kommt an Bord in Deine Kabine. Gewaschen, sauber, mit Gesundheitscheck und allem. Sicher und unauffällig!“ Wieder schüttelte ich den Kopf. „Ich will nicht irgend ein Mädchen! Ich möchte eine Bar mit Bordell besuchen!“ „Dann lass mich eine Eskorte zusammen stellen.“ Der Alte griff schon zum Kommunikator. „Auch wenn ich es nicht verstehe!“ „Keine Eskorte!“ wies ich zurück. „Man würde mich sofort erkennen! Gerade das soll man aber nicht! Allerdings möchte ich, dass Du eine Streife zusammen stellst, die in der Nähe ganz unauffällig herumlungert. Zivil, Ausgangskleidung, keine sichtbare Bewaffnung. Eine Flasche, die herumgereicht wird. Lachen und ein wenig Lautstärke, aber nicht zu viel. Nicht, dass noch eine echte Streife eingreift. Miniaturcoms für alle, ein Codegeber für mich! Nun mach schon, Alter. Vertraue mir!“ „Ja, ja, ‚vertraue mir, glaub´ an mich!‘ Ich bin nicht überzeugt, aber Du bist der Gebieter, Erhabener!“ grummelte der Riese vor sich hin. „Du solltest diese Aufgabe einem Profi überlassen, statt wieder einmal eine Faust auf Deine edle Nase zu riskieren. Trotzdem wirst Du mit meiner Auswahl der Leute und der Ausrüstung zufrieden sein!“ „Wie immer, Tarts. Wie immer! Wieder einmal vertraue ich Dir meine Sicherheit, vielleicht auch mein Leben an!“ ich legte meinem engsten und besten Mitarbeiter die Hand auf die Schulter, auch wenn ich ziemlich hoch greifen musste. Und wie Sie sehen können, Marie Anne, bin ich nicht unbedingt ein kleiner Mann. „Es wäre nicht das erste, und ich bin überzeugt, auch nicht das letzte Mal. Sag mir bitte Bescheid, wenn alles bereit ist. Ach, und ich möchte einen Mini-Medokitt. Nichts besonderes, nur ein Bakterienstreifen, zur Sicherheit.“
Ich musterte die fünf Männer und drei Frauen, die Tarts zu meinem Schutz ausgewählt hatte. Wie nicht weiter verwunderlich, war Major Laverita doDene die Kommandeuse der kleinen Truppe. Die Majorin war die Kommandantin der Marines an Bord der ARC‘EMPE und Geschwadermeisterin des Dagor. Dagor ist in etwa so wie das japanische Zen, das Bushido. DoDene hatte nicht nur den höchsten Meistergrad erreicht – bei weitem höher als ich es je schaffen würde, sondern hatte auch alle anderen ihrer Klasse geschlagen. Sergeant Gwylmar war ein Bulle von einem Mann mit einer enormen Schulterbreite, dennoch im Kampf schnell und geschmeidig wie eine Katze. Na gut, wie ein Kater. Acht Personen, jeder ein Könner in seinem Metier, ein Kämpfer der Sonderklasse. Versteckt unter weiten Blusen kleine Lähmstrahler. „Gwylmar! Lassen Sie das Messer an Bord!“ Tarts hielt ostentativ die Hand auf. Der Sergeant seufzte. „Welches Messer?“ versuchte er sich herauszureden. „Sie haben IMMER ein Messer in der Tasche. Also bitte! Wir wollen niemand verletzen, die Stunner müssen reichen!“ Endlich lieferte Gwylmar den Klappdolch ab und ich trat vor sie hin.
„Also!“ begann ich meine Ansprache. Das ist so Tradition bei militärischen Organisationen, wie gut auch immer ein Sonderkommando eingewiesen wird, der Einsatzleiter muss noch einmal alles erklären. Nicht, weil es die Truppe vorher nicht verstanden hätte, wenn ich einfach ‚lasst uns gehen’ gesagt hätte, wäre es ausreichend gewesen, aber Traditionen sind eben etwas pseudoheiliges. „Ihr werdet Euch in der Nähe des ‚trunkenen Raumers‘ aufhalten und dort wie zum Vergnügen herumlungern. Es gibt dort auch Sessel und Tische, ihr werdet wohl nicht auffallen. Ich werde einen Lokalbummel unternehmen und ihr müsst beobachten, in welchem Lokal ich gerade bin. Wenn ich das Signal gebe, kommt ihr kampfbereit in die Spelunke und befreit mich aus der misslichen Situation, in der Ihr mich dann wahrscheinlich vorfinden werdet. In Ordnung, los geht’s!“ Das ist der Vorteil eines höheren Offiziersranges, man muss nur befehlen, und die anderen haben das Problem, wie es umgesetzt wird.
So begab ich mich auf einen Kneipenbummel. Ich wanderte wie ein typischer Raumfahrer von Lokal zu Lokal, trank immer wieder eine Kleinigkeit und hielt die Ohren offen. Ohne große Erfolge, wie ich zugeben musste. Irgendwann näherte ich mich dem schäbigsten und wahrscheinlich billigsten der Striptease-Lokale mit Bordell, oder richtiger und weniger nobel ausgedrückt, einem richtigen Puff mit Tanzeinlagen. Na schön, dachte ich mir, dieses noch und dann Schluss für heute, mein Extrasinn meldete sich zu Wort: ‚Vielleicht wird es lustiger, als Du denkst. Halte lieber den Codegeber bereit!‘ Irgendetwas hatte ich gesehen, ohne es zu bemerken.
Der Dunst von abgestandenem Alkohol und betäubendem Rauchwerk wehte mir entgegen, als ich die Bude betrat, wahrscheinlich war nicht alles davon auch legal. Eigentlich begann ich meinen Plan jetzt zu bedauern, ich war schon nahe daran, umzudrehen und wieder zu gehen. Hätte ich denn nicht wirklich einen anderen auswählen können? Musste ich wirklich alles selber machen? Das ist wohl bis heute eines meiner Probleme, das alles selber machen wollen und sich für alles verantwortlich fühlen, meine ich. Ich riss mich zusammen und näherte mich der langen Bar, links von mir tanzte eine Zaliterin träge und lustlos, stakste nur mit ihren Stöckelschuhen bekleidet über die Bühne und wackelte dabei manchmal vorgebeugt ein wenig mit den Hinterbacken oder spielte mit ihrem blanken Busen. Sie versuchte wohl aufreizend und erotisch zu wirken, aber wenn es keine besseren Tänzerinnen gab, konnte das Geschäft nicht wirklich gut gehen. Andererseits – es war hier eine Bar für die untersten Ränge, der Extrasinn meldete sich zu Wort: ‚Hier tanzen wahrscheinlich eher mit Zwang oder falschen Versprechungen importierte Frauen. Kein Wunder, dass sie so lustlos sind.‘ Ich musste dem Logiksektor innerlich zustimmen, genau so wirkte es, und so war es wohl auch. „Bier!“ meine Stimme klang rau von dem ganzen Qualm, als ich meine Bestellung aufgab. Der Barmann nickte. „Hier, Kapitän!“ er stellte ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit mit leichter Schaumkrone vor mir auf den Tresen und verlangte „Fünf Konns!“ Ich griff in die Tasche und legte einen 10-Konn-Schein auf den Tisch, ehe ich das Gebräu kostete. „Fünf fünfzig!“ Es war gar nicht so übel. Teuer, natürlich, in einer normalen Bar hätte es nicht einmal die Hälfte gekostet, aber es war nun einmal keine Kneipe. Für ein Puff war der Preis nicht exorbitant, das Glas war sogar so halbwegs sauber. Ich drehte mich um und betrachtete, wie man es von einem männlichen Gast wohl erwartete, die Tänzerin. Nun war – und bin ich, wie sie wissen werden – für weibliche Schönheit durchaus nicht unempfänglich, hier aber.. Mittlerweile hatte eine Ekhonidin die Bühne betreten und wirbelte zumindest halbwegs graziös an einer Stange herum. Ja, diese Darbietung gab es damals schon. Die junge Frau war mäßig hübsch, aber Busen und Po waren ganz offensichtlich künstlich vergrößert, nun, immerhin zeigte sie etwas mehr Enthusiasmus als ihre Vorgängerin und war, wenn man die Aktivität von der sportlichen Seite auffasste, sogar recht gut..
Ich versuchte mich anzupassen, so gut es eben ging, und übte mich darin, möglichst an der Darbietung interessiert zu wirken. Ich war als Adeliger an bessere Etablissements, bessere Getränke und hübschere Mädchen gewöhnt, die wirklich dafür sorgen konnten, dass einem Mann die Hose eng und der Mund trocken wurde, und ich wusste eine solche sexuell aufgeladene Darbietung durchaus zu genießen. So waren für mich diese Darbietungen nur eingeschränkt erotisch, sehr eingeschränkt! Trotzdem nickte ich im Takt der Konservenmusik und wippte ein wenig mit den Füßen, während ich mich bemühte, das etwas dümmliche Grinsen zu zeigen, dass in solchen Lokalen öfter vorkommt. Eine ockerfarbene Miridanerin ohne Gewand, aber hochhakigen Sandalen stöckelte auf mich zu. „Süßer, bist Du gerade mit einem Schiff gekommen?“ Ich lächelte sie an. „Sicher. Ich bin vom Transportschiff BUKK’WA, das mit dem Geschwader des Kristallprinzen gelandet ist!“ „Der Kristallprinz!“ ihr Staunen war so falsch wie ihr Lächeln, ihre Augen blickten stumpf und tot, als wäre sie unter Drogen, vielleicht, nein, sehr wahrscheinlich war sie es auch. „Wie ist er denn so? Möchtest Du mich nicht einladen?“ ich nickte und winkte dem Barmann. „Warum nicht? Was möchtest Du denn?“ Na ja, der folgende Wortwechsel war nicht eben kreativ, er folgte einem Drehbuch, das nur wenige Abweichungen wie etwa den Namen des Getränkes vorsah und so alt war wie die Prostitution selber. Also sehr viel älter als das Sternenreich Arkons. Falsches Lachen, billiger Fusel oder gefärbtes Wasser für die Damen, teuer verrechnet. Wie es überall im Imperium in solchen Kneipen vorkam – und wahrscheinlich, nein ganz sicher sogar, gibt es solche Lokale heute noch. Überall in der Galaxis, und wahrscheinlich auch darüber hinaus, wo zwei- und mehrgeschlechtliche Wesen bereit sind, für Sex zu bezahlen. Zwangsprostitution und überteuerte Getränke für den Gast, noch teurer und oft nur Sprudel die Getränke, die man den Dirnen auszugeben hatte, waren – und sind – wohl leider üblich. Ich nahm mein Glas und das der Miridanerin und dirigierte sie zu einem Tisch in der Nähe einer Männerrunde, die beinahe zu offensichtlich den Tanzvorführungen folgte. Während ich so tat, als würde ich mit dem Mädchen schäkern, lauschte ich unauffällig den Gesprächen um mich. Nirgendwo erfährt man mehr als in solchen Spelunken, wo Alkohol die Zungen löste und man sich unbelauscht glaubt. Der ‚Flirt‘ kostete nicht viel Gehirnarbeit, das Drehbuch ist vorgegeben, und es wird als sicher vorausgesetzt, dass der Kunde lieber schauen und grapschen als reden möchte. Ausnahmen gibt es natürlich, aber sie sind sehr selten.
Ich wurde nicht enttäuscht. Es handelte sich um Hafenarbeiter, die auf dem Gelände auch eine Unterkunft hatten und selten einen Urlaubsschein für die Stadt ausgestellt bekamen. Man wollte solche Leute einfach nicht um sich sehen, die Arbeit sollte unsichtbar einfach gemacht sein, und Roboter waren nicht immer in der Lage, bei empfindlicher Fracht richtig zu handeln. Ich erfuhr äußerst Interessantes, mal ein Container ohne Papiere da, mal leere Container dort, auf denen das arkonidische Zeichen für ‚Achtung! Militärfracht!‘ prangte. Kleine, aber auffällige Unregelmäßigkeiten. Mangelnde Bezahlung und Bespitzelungen. Überraschend wurde die Tür laut aufgestoßen, und etwa fünfzig, sechzig Polizisten stürmten in das Lokal und sofort mit gezogenen Schlagstöcken auf die Männerrunde zu. Ich brauchte nicht erst auf die Wortspende meines Extrasinnes zu warten, es war alles klar. Irgendwie hatte wohl der Barmann einige Fetzen der Unterhaltung mitgehört und die Exekutive gerufen, um sich mit der Obrigkeit gut zu stellen, die dafür bei einigen seiner nicht ganz so astreinen Geschäften ein Auge zudrückte. Eine Hand wäscht die andere, und beide das Gesicht, schon bei den Stammvätern eine bekannte Weisheit. Sollte ich mich Einmischen? Abwarten? Mein hitziges Gemüt übernahm die Entscheidung, ich sprang auf und machte mich damit natürlich sofort ebenso zum Ziel. Zu einem Primärziel sogar! Also begann eine typische Barschlägerei, der Kristallprinz Arkons mittendrinn. Die Polizisten waren mit Schockstäben bewaffnet und etwa vierfach überlegen, also schluckte ich meinen Stolz hinunter und verständigte meine acht Helfer in der Annahme, dass acht ausgebildete Marines mit 60 Polizisten fertig werden könnten, besonders wenn besagte Marines mit Betäubungswaffen ausgerüstet waren. Leider verfügten aber auch die Polizisten über eine Verstärkung, die sie herbei rufen konnten, ich jedoch hatte keine Reserven mehr in der Hinterhand. Diese Schockstäbe waren schon verdammt schmerzhaft, wenn sie trafen und langsam kamen wir ganz massiv in Bedrängnis, die Narkosestrahler meiner Truppe wirkte bei der Körperpanzerung der venusischen Truppen wenig. Ich schalt mich selber einen Narren, nicht daran gedacht zu haben, und nicht ebenfalls für Körperschutz gesorgt zu haben. Plötzlich schmetterte der ohrenbetäubende Knall eines Schusses mit einer überschweren Projektilwaffe, ein Geschoss drang in die Decke ein, Holzspäne aus der Vertäfelung rieselte zu Boden und ich staunte nicht schlecht. Echtes Holz in solch einer Spelunke? Alles klar, auf der Venus war Holz noch im Überfluss vorhanden und wuchs schnell nach. Auf Arkon fand man nur noch vereinzelt Bäume, in Parks oder biologischen Museen, sorgfältig nach den ästhetischen Vorstellungen des Besitzers zurecht geschnitten und gepflegt. Ich riss mich zusammen, um wieder ins damalige hier und jetzt zu gelangen, und sah, wie sich Soldaten in der Uniform arkonidischer Marineinfanteristen entlang der Wände verteilten und mit angeschlagenen Thermosturmgewehren jegliche Kampfhandlungen unterbanden. Grinsend kam Tarts auf mich zu. „Die große Kunst der kreativen Befehlsverweigerung, Gebieter!“ sagte er so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. Obwohl, so leise kann er nicht gewesen sein, erstens verstand ich ihn trotz meiner durch seinen Schuss beschädigten Ohren und zweitens – es handelte sich immerhin um ‚Ich-überschreie-einen-startenden-Kreuzer’ Tarts domTeslear! Ich stocherte in meinen singenden Ohren und rieb dann meine von den Treffern mit Schockstäben schmerzenden Oberarmmuskeln. „Und niemals war jemand so froh über einen nicht befolgten Befehl!“ gab ich zurück. Die Anführer der Polizisten wollte wegen der Einmischung meiner Truppen aufbegehren und von Zuständigkeiten reden, dass er immerhin der amtshandelnde Kommandant einer hier legal und im Namen des Verwalters operierenden Polizeieinheit war. „Kerl!“ herrschte Tarts ihn an und machte seinem Spitznamen – dem mit dem startenden Raumschiff – wieder einmal alle Ehre. „Erweise dem Kristallprinz von Arkon, Mascaren Atlan daGonozal, gefälligst Deinen Respekt! Auf das Knie, kleiner Orbton!“ Orbton? Oh, Entschuldigung, in etwa ein Leutnant. Ich winkte Tarts beiseite und befahl, auf die Herrenrunde weisend „Diese Männer sollen medizinisch versorgt werden. Dann bring sie zu Thalma dalZarmol. Ich denke, sie werden ihr einiges zu berichten haben.“ Danach wandte ich mich an alle Marines. „Gut gemacht, Leute!“ Und dann, ja dann flüsterte ich Tarts noch zu „Danke, Alter! Vielen Dank!“
Mit den Aussagen und Hinweisen der Hafenarbeiter konnte sich Oberstleutnant dalZarmol immer weiter in der Hierarchie hinauf arbeiten und allmählich der tatsächlich sehr umfassenden Korruption auf die Spur kommen, während ich die Venus besichtigte, mit einer Guide natürlich. In der Nähe der Stadt hatte man den Wald bereits sehr gezähmt, er erinnerte mehr an einen Park als einen natürlichen Wald. Eine Wand mit vielen Reliefs erregte meine Aufmerksamkeit, und ich bat meine Begleiterin, den Gleiter möglichst nahe zu parken und stieg aus der Kabine. „Wer ist der Künstler, und was soll hier dargestellt werden?“ fragte ich meine Führerin, doch die konnte mir auch keine befriedigende Auskunft geben. „Erhabener, diese Mauer haben wir ausgegraben und einfach nur stehen gelassen. Wir schützen sie vor Regen und Sturm, wir haben die Hoffnung, die Bilder und die Schrift einmal verstehen zu können.“ „Wollen Sie sagen, dieses Werk stammt nicht von Arkoniden?“ staunte ich, und Vallaesta schüttelte den Kopf. Sie stützte ihre Arme auf das Dach unseres Gleiter und kniff die Augen zusammen. „Nach allem, was unsere Archäologen herausgefunden haben, ist diese Mauer zwischen zehn Jahrtausenden oder hunderten alt. Oder Millionen!“ sie lachte, ein bezauberndes Geräusch. „Wir sind hier nicht auf der Imperialen Universität auf Arkon I, Gebieter. Wir kommen auch nicht einmal annähernd an das Marvonian Institut auf Zalith heran. Hier sind nur Beinahe-Amateure am Werk. Aber man könnte es als eine Art Comic deuten, zumindest ist Antar daArkuush dieser Meinung, wenn er nüchtern ist, und derzeit ist er einer unserer klügsten Köpfe, aber er ist auch kein Historiker, sondern Biologe.“ Ich ging näher heran und studierte das Fries.
Und schrak zurück! „Bei der Hemutags heißen Lippen! Dieser daArkuush hat wahrscheinlich recht!“ terSoulémé kam zu mir gelaufen. „Erhabener?“ fragte sie, wegen meines kurzen Ausbruches erschrocken. „Ich kenne diese Schiffe und diese Wesen!“ ich wie auf eine Stelle des Reliefs. „Hier! Siehst Du dieses vierarmige Wesen, das gerade jene Arkonoiden dort angreift? Ein solches Wesen hat einmal die Kampfpanzer von drei schweren und fünf leichten Panzerkompanien in Schrott verwandelt.“ Vallaesta zuckte wenig beeindruckt mit den Schultern. „Ein Raumbombardement oder im direkten Anflug mit dem Raumschiff?“ ich bellte ein bitteres Lachen heraus. „Weder noch. Es landete sein Schiff, das wie dieses hier aussah”, ich wies auf ein entsprechendes Bild. „Dann kam es heraus und raste in vollem Lauf durch die Panzerung der Gefährte. Keiner der Schüsse, welche die Tanks abgaben, konnte seine grüne Haut durchdringen.“ Jetzt erblasste Vallaesta terSoulémé sichtlich. „Ohne Waffen? Einfach mit Muskelkraft? Parameshvar bewahre uns, das ist Wahnsinn!“ ich nickte nur und konzentrierte mich wieder auf die Bilder. „Schau nur, hier landet ein Schiff, das Wesen stürzt heraus und attackiert die Planetenbewohner, während im All weiter Angreifer von ovoiden Raumschiffen mit Ringwulst und – bei allen Raumteufeln aus dem kalten Arsch der Herrin der eisigsten Höllen! Das sind typisch arkonidische Baumuster. Vielleicht der Äquatorring weniger schlanker, dafür weiter abstehend! Aber sonst? Was bedeutet das? Vor mindestens zehntausend konnten doch noch gar keine Arkoniden hier sein!“ Es war ein Rätsel, das mich erregte. „Sind noch weitere Artefakte gefunden worden?“ fragte ich nach, Vallaeste griff nach ihrem Pad und gab die Anfrage in das planetare Netz. „Die Suchmaschine findet nur diese Mauer und eine überwachsene Ruine im Dschungel des Äquatorkontinents, Gebieter.“ „Dann soll man beginnen, diese Ruine auszugraben!“ befahl ich, und sie gab den Befehl weiter. Dann setzten wir uns wieder in den Gleiter und fuhren weiter, einem opulenten Abendessen und ein wenig Zerstreuung zu, ich gebe zu, dass es mir Vallaestes ziemlich große Oberweite und nicht viel kleinerer Hintern durchaus angetan hatte, und nach den Mädchen in dieser Spelunke am Hafen stand mir der Sinn nach hübscherer und vor allem freiwilliger Weiblichkeit.
Für dieses Abendessen mit der jungen Dame hatte ich vom Schneidereiroboter der Stadt ein hübsches Kleid anfertigen lassen, die Maße waren vorhanden, es ging leicht. Eine Kreditkarte mit dem Namen GONOZAL wirkt Wunder, wenn man es eilig hatte, und, nun, ich wollte keine Zeit verlieren. Es wurde ein helles karmesinrot, gut ausgeschnitten und betonte ihre Figur auf das vorteilhafteste. Das Gespräch während des Mahls war das übliche, seichte Vortasten, und ich muss zugeben, die Muschelsuppe war exquisit, der Wein hervorragend und der Braten zerging mir auf der Zunge. Der Koch war ein Genie. Dann sah ich Vallaeste tief in die Augen, ich bemerkte kein nonverbales nein, also ging ich daran, sie zu küssen. „Schickt sich das, Erhabener?“ flüsterte sie in mein Ohr. „Oder soll ich besser sagen – Erhobener?“ Dabei griff sie beherzt zu, ich lehnte mich gegen die Tischkante, und ‚heilige Mutter aller Götter!‘ war meine letzte verständliche Lautäußerung für einige Zeit, wobei ich sowieso keine Antwort erwarten durfte, selbst wenn mir der Sinn nach einer Frage gestanden hätte.
Einmal machte das Mädchen mit mir einen Ausflug auf den Äquatorialkontinent, und da sah ich die größten Vögel in meinem Leben. Natürlich flugunfähig, waren die Biester sechs Meter groß und hatten einen Schnabel so groß wie ein menschlicher Kopf. Die vier Meter hohen Laufbeine, ich war schon froh, dass es diese Tiere nur noch auf diesem Kontinent gab, für die Kolonisten wäre eine stete Nachbarschaft mit diesem prächtigen Tier schnell zum Problem geworden. „Ein Jäger?“ fragte ich, und Vallaeste nickte. „Das Tier kann irre schnell laufen und blitzschnell zustoßen!“ sagte sie, ich rief nur „Den muss ich haben!“, während ich schon unterwegs zum Gleiter war, um meine Ausrüstung zu holen. Vallaeste zeigte mir eine Lichtung, welche im Jagdgebiet eines besonders großen Männchens lag, das eine schöne Trophäe abgeben würde. Ich kniete hin, wie Tarts es mich gelehrt hatte, stützte den Ellenbogen auf das vordere – immer hart auf weich, Atlan, nie hart auf hart – und wartete geduldig. Da, eine Bewegung am Waldrand, der große, gelbe Schnabel, jetzt galt es. Ich presste das Auge auf die Plastikmuffe der Optik, verstärkte die Vergrößerung, wartete noch etwas. Der grün befiederte Kopf mit den langen, roten Schmuckfedern schob sich ins Freie. Noch nicht, nicht ungeduldig werden, gleich, gleich! Der Wind musste ihm eine Witterung zugetragen haben, er drehte den Kopf, sah zu mir her, perfekt! Die Luft anhaltend krümmte ich vorsichtig den Zeigefinger, nicht verreißen, ruhig halten, jetzt! TACK-TACK-TACK-TACK imitierte die Nanotronik einen fotografischen Verschluss in Serienaufnahme und bannte das Portrait des schönen Tieres auf den Speicherchip. Ich ließ die Kamera sinken und kontrollierte die Aufnahmen. Perfekt, gestochen scharf, leuchtende Farben! Wenn man gute Fotos machen möchte, ist ein schönes langes Teleobjektiv mit großem Durchmesser viel Wert, Marie Anne. Diese ganzen kleines Hosentaschenkameras sind nicht schlecht, aber ein ordentliches optisches Zoom schlägt jedes elektronische, so gut kann das nie sein. Beides versucht, kein Vergleich. Die Gesetze der Optik lassen sich nicht betrügen, eine gute Vergrößerung braucht Länge, und eine Schulterstütze erleichtert den Umgang schon sehr. Ich werde Ihnen bei Gelegenheit meine Trophäensammlung zeigen.
Dann steuerte Vallaeste nach Westen, und nach einer Stunde Flug erreichten wir das Ufer des einzigen Meeres der Venus, welches sich ringförmig um den Äquator zog. Seicht, kaum einmal tiefer als umgerechnet etwa zehn Meter, lag es zwischen zwei steilen Ufern des Nord- und des Südkontinents und es war tückisch und gemein. Wenn der Wind eine gewisse Stärke erreichte, und das geschah in diesem schluchtartigen Tal häufig, gingen die Wellen hoch und brachen sich oft schon auf dem, was bei diesem Meer als hohe See durchgehen mochte. Da es jeden Fluss auf den Kontinenten empfing, dieses Wasser aber ziemlich schnell verdunstete – es hatte durchschnittlich 50 Grad Wassertemperatur – war das Wasser hochgradig salzig, etwa wie das tote Meer auf der Erde. Das Leben hatte sich mit dieser Badewannentemperatur abgefunden und einiges an Tieren und Pflanzen hervorgebracht, ein Fisch sogar ziemlich wohlschmeckend, eine Art Wels, würde ich sagen. Mit den Scheiben einer süßsauren Frucht – etwa wie eine Limette – und einer Menge Kräutern gegrilltes Filet, das auf der Zunge zerging, oder gebraten mit Sauce und Teigwaren – himmlisch. Wir folgten dem Verlauf des Meeres bis zu dem zweiten schmalen Äquatorialkontinent.
Jenen Kontinent, auf dem die Ruine stehen sollte, von welcher Vallaeste mir bei dem Relikt erzählt hatte, eine Ansammlung gerader Mauern und rechter Winkel. Wir landeten auf einen Hügel etwas außerhalb der Artefakte, von hier hatte man einen guten Überblick. „Wir denken, dass hier einmal eine Stadt stand, sicher sind wir nicht!“ berichtete sie. „Es könnte ja auch ein riesiges Heiligtum oder so gewesen sein. So auf dem Äquator, diese exakt nach den vier primären und den vier sekundären Himmelsrichtungen ausgerichtet, vielleicht ein Sternenheiligtum.“ Ich sah genauer hin, es war wirklich wie ein achtstrahliger Stern mit einem runden Mittelpunkt. Vallaeste legte ihre Wange an meine, gemeinsam sahen wir in das Tal. „Es ist unglaublich, dass diese Halbintelligenzen von Larsa diese Stätte gebaut haben sollen.“ Sagte sie leise, und irgendwie war es für mich plötzlich nicht mehr interessant. Zumindest nicht so interessant wie Vallaestes Lippen. Nach langer Zeit dachte ich wieder daran, wir hätten die vier Strahlen der Nebenrichtungen einmal abfliegen sollen, wer weiß, was wir gefunden hätten. Wenn, ja wenn! Es war zu spät. Die Venus, wie ich sie kenne, gibt es nicht mehr, sie ist eine zu heiße Braut geworden. Selbst für einen Arkoniden wie mich!
Nun, meine Beschäftigung mit den weiblichen Attributen der netten Vallaeste waren ebenso befriedigend wie Thalmas Erfolge bei der Verfolgung von Viestes Hinterziehungen, mehr und mehr kam ans Tageslicht, auch mein spezieller Freund, der Bordellbetreiber war involviert. Da hatte dieser Kerl tatsächlich Millionen Konns auf dem Konto und bezahlte nicht einmal eine Putzfrau. Die Mädchen waren übrigens wirklich auf die Venus regelrecht verkauft worden, zuerst süchtig gemacht, dann windige Arbeitsverträge unterzeichnet, körperlich und seelisch so lange gequält, bis sie zu allem bereit waren und diese Verträge mit den Mädchen an den hiesigen Betreiber weitergegeben. Hier mussten die Mädchen ihre Schulden ‚abarbeiten’, sie waren bereits derart von dem Zuhälter und seinen Drogenlieferungen abhängig, dass sie wirklich alles machten. Wenn sie zu alt wurden, landeten sie auf der Straße und starben ziemlich bald. Die meisten verhungerten, weil sie das wenige, das sie erbetteln konnten, wieder in Rauschgift statt einer Mahlzeit investierten. Aber weiter, endlich fand Thalma genug Beweise, und so wurde der Ex-Administrator und seine Clique in eine Arrestzelle gesteckt, bis der kleine Kreuzer NOF-EAR die Delinquenten nach Arkon brachte. Bei Wasser und Brot, so hatte ich es dem Kommandanten befohlen. Nachdem er seinen Auftrag ausgeführt hatte, sollte er sich im Nebelsektor wieder zum Dienst melden. Das war’s dann auch mit meinem Aufenthalt hier auf Larsaf II. Ich unterzeichnete noch die Bestallungsurkunde für die Administratorin und gab der scheidenden Oberstleutnant dalZarmol den traditionellen Abschiedskuss. Auf die Stirn, Frau Doktor, auf die Stirn. Sie brauchen nicht so wissend grinsen, es handelt sich einfach um den rituellen Abschied von der Flotte! Mein Geschwader startete danach so schnell wie möglich frisch ausgerüstet und verpflegt in den Raum und flog wieder in Richtung Nebelsektor, zu neuen Raumschlachten. Ich war damals noch relativ jung und brannte darauf ‚meiner Heimat zu dienen‘ und meine einzige und teure Haut zu riskieren. Egal, damals dachte ich jedenfalls, dass ich dieses kleine System nicht wiedersähe. Was für ein Irrtum.
Kapitel 2: Atlantis
… und es begab sich, dass die Atlanter des Zorn der Götter erregten, und die Götter sandten Feuer und Wasser, Blitz und Donner, in einem schlimmen Tag und einer schlimmen Nacht versanken das große Reich Atlantis und alle Menschen in den aufgewühlten Wassern des Okeanos …
August 2084, Solares System, An Bord der VIRIBUS UNITIS
Der groß gewachsene Mann mit den weißen, langen Haaren stand auf der Kommandoempore seines Flaggschiffes und beobachtete, wie die Mannschaft wie ein Uhrwerk zusammen arbeitete. Der Kommandant, Colonel Jesse O’Connel, und seine XO, Major Mireille Boullanger, waren sehr kreativ, was immer neue Übungsszenarien anging. Oder sie schickten die jüngeren Leutnants auf ‚Orientierungsläufe’, zur ‚Erkundung‘ des Schiffes. Atlan war zufrieden, die Ausbildung in der arkonidischen Flotte war zwar weit brutaler, aber nicht unbedingt effizienter gewesen. Körperliche Gewalt wurde in der Flotte der VN nicht mehr angewandt, nicht mehr als unbedingt nötig. Eine Ausnahme stellte die Infanterie dar, deren Ausbildung nun einmal auch ohne Züchtigung schmerzhaft war. Sein musste. Die Flotte hatte für fliegendes Personal andere Mittel und Wege, die Spreu vom Weizen zu trennen und die Männer und Frauen vom kleinen Spaceman bis zum kommandieren Offizier nicht nur individuell, sondern auch als Mannschaft zu einer Elite zu schmieden, ohne der Person seine Individualität nehmen zu wollen. Moderne Raumschiffe benötigen keine Frauen und Männer mit reinem Kadavergehorsam, sondern Menschen, die in der Lage und Willens waren, mitzudenken und selbst zur Lösung eines Problems beizutragen. Personen, die sich natürlich einer gewissen Disziplin unterwarfen, die aber auch wussten, wann es an der Zeit war, gegen die Buchstaben einer Regel zu verstoßen, weil jedes Regelwerk irgend wann an seine Grenzen kommt. Andernfalls könnte man ja einfach Roboter einsetzen, die brauchte man nur zu programmieren, die hielten sich Wort für Wort an ihre Anweisungen, ohne Abweichung, ohne großen Handlungsspielraum.
Ein schwarzhaariges, breitschulteriges Muskelpaket mit üppigem Busen und kräftigem Kinn trat von hinten zu Atlan auf die Empore. „Admiral?“ Der Arkonide schrak aus seinen Betrachtungen, Major Boullanger salutierte. „Ja, XO?“ „Sir, ich sollte Sie erinnern! Fünfzehnhundert!“ meldete Mireille Boullanger, der Unsterbliche nickte. „Danke XO! Kompliment an Sie und den CO. Sie haben ihre Mannschaft hervorragend im Griff. Weitermachen!“ Atlan grüßte zurück und verließ die Brücke…
*
„Also, meine liebe Frau Doktor Marie France.“ Atlan stellte eine Tasse Latte Macchiato vor die Psychologin. „Wir treffen uns also heute in meiner Kabine zu einem zweiten Gespräch.“ „Wie abgemacht!“ Marie France trug wieder ihre Uniform, sie bot auch darin einen durchaus angenehmen Anblick für den alten, aber körperlich jung gebliebenen Arkoniden. „Sie wollten mir mehr von Larsafs System und Thalma erzählen, Sir. Sind Sie bereit?“ „Natürlich bin ich bereit, weiter zu erzählen.“ Atlan lehnte sich bequem in seinem Gliedersessel zurück und schloss die Augen. Ein Druck auf die Fernbedienung, im Hintergrund erklang leise und beruhigende Musik eines Streichquartettes. Bach? Eine dieser mathematischen Kompositionen, die so hervorragend zu seiner Entspannung beitrugen. „Gestern kamen wir bis zu dem Zeitpunkt, da ich das Larsaf-System verließ, um wieder zur Methanfront zurückzukehren. Wieder focht ich mehr oder weniger erfolgreiche Schlachten gegen die Methaner, verlor Frauen und Männer, Schiffe und ja, auch einige Planeten. Zum Teil wichtige, aber der Feind war massiv in der Überzahl. Selten, allzu selten konnte ich rettend eingreifen und kleine, unbedeutende Siege erringen. Über diese Zeit ist nicht wirklich etwas für mein Leben einschneidendes zu berichten.
-○-
Etwa siebzehn, nein, eher siebzehneinhalb Jahre nach ihrer Einsetzung erreichte uns ein Hilferuf aus dem Larsaf-System von Thalma. Sie bat nicht, sie brüllte, flehte, bettelte geradezu um Hilfe. Nicht wegen einer Handvoll Methans, sondern einiger völlig unerklärlicher neuer Phänomene, die überraschend aufgetreten waren. Es gab keinen Präzedenzfall, keine wie auch immer gearteten Unterlagen aus der Vergangenheit, wo vielleicht ähnliche Beobachtungen registriert wurden, alle, auch die Wissenschaftler auf Arkon I, waren absolut ratlos. Kurz gesagt, das Flottenkommando befand, dass wieder einmal ich der richtige Mann für diese Aufgabe sei, das wissenschaftliche Team auf der ARK’EMPE war allmählich sowohl quantitativ als auch qualitativ aufgestockt worden, ich hatte es geschafft, einige gute Leute erhaschen und rekrutieren zu können. Es wurde immer wichtiger, direkt und unmittelbar die Wirkung unserer Maßnahmen zu beobachten, die Wirkung unserer Waffen und Schirme zum Beispiel. Damals nahmen sich die Admiräle gegenseitig die besten Kräfte weg, man musste höllisch aufpassen. Wenn sich das für Sie nach Chaos anhört, Marie Anne, dann sind sie eine große Optimistin, es war noch viel schlimmer.
Ich bekam also per Hyperfax schriftlich den Flugbefehl Richtung Larsaf-System, im üblichen Befehlsarkonidisch der höheren Ränge. ‚Der Imperator schreibt und weist seinen getreuen Admiral und Befehlshaber Kristallprinz Mascaren Atlan daGonozal an, schnellstmöglich den Planeten Drei des Systems von Larsafs Stern anzufliegen und dortselbst in eigener Person die Lage zu kontrollieren und alles nur arkonidenmögliche zu unternehmen, um die oben angesprochenen Probleme ehest möglich zu lösen. Ebenso wird angewiesen und befohlen, dass genannter Admiral daGonozal das militärische Kommando und den unerlässlichen Schutz eben jenes Planeten zu übernehmen und seinem Imperator dafür Verantwortung zu legen hat!‘ Das übliche pompöse, schwülstige und unnötige Geschwafel eben. Das erinnert mich an einen anderen Kapitän einer anderen Flotte: ‚Sir, Sie werden hiermit ersucht und angewiesen, Seiner Majestät Schiff, die HMS Sophie und so weiter und so weiter…‘ Nun ja, Lucky Jack hat es allen gezeigt, mit seinem ersten Kommando, einer mickrigen Sloop. Wie gesagt, unnötiges Geschwätz. Ich bin nur neugierig, welche Floskeln in der Raumflotte der Vereinten Nationen einmal üblich werden. Bis jetzt war es eher ein ‚schaff Deinen Arsch auf das Schiff und tu Deine verdammte Pflicht!‘ Wohltuend einfach.
Ich verfrachtete also meinen unbezahlbaren, wertvollen und ungemein attraktiven A… Corpus – nicht lachen, Marie Anne‚ also, meinen edlen Körper ‚schnellstmöglich‘ zuerst einmal auf die Brücke meines Flaggschiffes. Ein Bootsmann schlug auf den Signalknopf, der Rechner imitierte den typischen Signalpfiff und brüllte ohrenbetäubend „Admiral auf der Brücke!“ Alle, die nicht gerade mit wirklich wichtigen Aufgaben beschäftigt waren, nahmen Haltung an, der Kapitän machte Männchen, riss den üblichen Servus herab und erstattete die traditionelle Meldung. Wieder so ein unnötiger Zopf, ich bin froh, dass in dieser Flotte ein solcher Rapport nur kommt, wenn man einen Bericht fordert. Sonst sollen die Leute doch einfach weitermachen, bis etwas anderes befohlen wird. Aber nun gut, Tradition ist Tradition und die für manche heilig, ich erwiderte eben den Gruß und rückte mit dem Grund meines Erscheinens heraus. „Befehl an die Flotte mitsamt Versorgungseinheiten. Kurs Larsaf, Beschleunigung auf mein Kommando!“ Ich wartete die Klarmeldung der einzelnen Geschwaderkommandanten ab, ehe ich das Befehlsmikro schaltete: „Abflug, Los, los, los!“ wiederholte ich den Befehl dreimal, auch so eine Tradition, die – wahrscheinlich über mich – ihren Weg in viele terranische Flotten gefunden hatte. Von dieser Tradition bin ich einfach nicht los gekommen. „Abflug bestätigt, Erhabener, die Flotte ist unterwegs!“ meldete der Kapitän, und ich befahl „Transit, wenn bereit!“ Mit nicht gerade geringer Spannung befahl ich diese Transition und flog das System von Larsafs Stern nun zum zweiten Mal an, meine Neugier wuchs, ich gestehe es ein, ins unermessliche. Warum Larsaf III, eine Nebenwelt? Über Hyperraumfunk wollte ich nicht nach Einzelheiten fragen, denn auch codierte Nachrichten waren nicht immer sicher, und wenn Thalma dem Flottenkommando keine Einzelheiten genannt hatte, so musste ich eben stichhaltige Gründe voraussetzen. Oder hatte sie es dem Fleet-Command mitgeteilt – vielleicht mit einem Kurierkreuzer – und dieses hatte mich im Ungewissen gelassen? Aber aus welchem Grund? Nun, bald würde ich ja hoffentlich ein wenig mehr Informationen erhalten.
Ich verteilte meine Flotte im gesamten System, befahl Patrouillenflüge mit Raumjägern und flog mit meinem Flaggschiff, immer noch der ARK’EMPE, den Raumhafen Terras an. Der nach mir benannte Kontinent – Atlantis – zwischen Gun’Hama – also Afrika und Ygrantha – Amerika – kam in Sicht, und wir staunten, welche Fortschritte hier in wenigen Jahren geschehen waren. Man konnte sich als Arkonide durchaus schon zu Hause fühlen. Hmm? Wie bitte? Nein, nein, Platons Atlantis sah ganz anders aus, natürlich viel griechischer. Er hat halt meine Erzählungen mit seinen Vorstellungen von den Bauten weitergegeben. Dieses Atlantis hier war der typische arkonidische Raumhafen, in diesem Fall hatte man die beiden Seiten mit den Lagerhäusern in den Ozean hinaus gebaut. Die Entfernung zur Stadt war nicht weit, mit einer Brücke auf die Hauptinsel, wo die typischen trichterförmigen Wohn- und Geschäftshäuser standen. Natürlich nicht ringförmig mit Wasser dazwischen, sondern in einem mathematischen Raster angelegt, ordentlich in gleichmäßigen Abständen, die Straßen, alle genau Nord-Süd und Ost-West verlaufend, umrahmten exakte Quadrate, wie es sich für eine arkonidische Stadt gehörte. In der Nähe des Nordufers stand, mit gutem Blick sowohl auf das Meer, als auch auf den nordöstlich gelegenen Raumhafen, das höchste Gebäude der Stadt, gleichzeitig Verwaltungsgebäude und Wohnstatt des Administrators. Genau dort wollte auch ich während meines Aufenthaltes mein Lager aufschlagen.
Thalma erwartete mich mit verkniffenem Lächeln, kein Pomp, keine Kapelle, nur ein Minimum an Ehrengarde. Ich nickte bestätigend, Ehre, wem Ehre gebührt, aber alles in Grenzen, ein Kristallprinz ist eben kein Imperator. Also schritt ich die Ehrengarde ab, salutierte sie ab und stieg mit Thalma in den bereitgestellten Gleiter. „Warum sollte ich auf der Erde und nicht der Venus landen?“ konnte ich endlich die mir auf der Seele brennende Frage stellen. „Gute Frage. Genau das ist der zentrale Punkt.“ Thalma starrte stur geradeaus nach vorn. „Irgend etwas hat die Venus entvölkert. So gut wie jedes höhere Leben entfernt! Alles ist weg, verschwunden! Nur die Werft auf dem Trabanten ist noch besetzt und arbeitet.“ „Aber wie?“ fragte ich völlig verblüfft. „Nun!“ Thalma seufzte tief. „Mehrmals sind seltsame, nur von hocheffizienten Energieortern feststellbare Phänomene über die Oberfläche der Venus gewandert, und hinter diesen Energiewänden waren alle Arkoniden weg. Einfach so. Und auch die arkonoiden Eingeborenen. Ich bin verzweifelt und gebe zu, absolut ratlos zu sein!“
Administratorin dalZarmol hatte den letzten Rest der Siedler mit den wenigen Lekadisken, die sie besaß, nach Terra verfrachtet und hier begonnen, die Verteidigung auszubauen. Ein Lekadiskus, Marie Anne, ist ein interplanetarisches Raumschiff, 2 Zentidran, entschuldigen Sie, also etwa 30 Meter, im Durchmesser und 0,68 Zentidran, in etwa 10 Meter, hoch, für Menschen und kleine Transportaufgaben durchaus geeignet. Ein Dran sind über den Daumen gepeilt etwa 1,47 Kilometer, ein Zentidran also ein Hundertstel, 14,7 Meter. Dann geht es weiter in Zehnerschritten, der Millidran, danach haben wir die alten Namen für Maße übernommen und die Längen angeglichen. Es gibt keinen Arkoniden, dessen Hand von der Wurzel bis zur Spitze des Mittelfingers 14,7 Zentimeter misst, außer vielleicht Tarts, und doch haben wir das Maß Kheri, also Hand, genannt. Dann kam Ghrami, die Linie, Khaïdê, der Strich und Simió, der Punkt, mit 0,147 Millimeter. Immer schön dezimal, damit man leicht rechnen kann, besonders wenn man die Hierarchie der Symbole kennt. Punkt natürlich Punkt, Strich ein kurzer waagrechter Strich, Linie einer von rechts oben nach links unten. Die Hand ein nach oben weisender Winkel, dann Karo, Stern, Ring und der Dran ein Ring mit Punkt in der Mitte. Schnell zu schreiben, einfach zu rechnen, leicht zu lesen.
Die Grafiken und Karten zu ihrem Rapport rief Thalma über den großen Touchscreen in meinem neuen Büro im Verwaltungstrichter auf, sie berichtete über ihre Maßnahmen und zeigte mir auf diesem Schirm ihre Fortschritte. Anders als üblich hatte dieses Büro ein Fenster und einen großen Balkon nach außen, er führte einmal in fast 400 Metern rund um den Trichter, ungewöhnlich für arkonidische Architektur, die sehr nach innen gewandt war, wie ich bereits erwähnte. Das Fenster natürlich mit Ausblick auf das Meer, Thalmas Büro war gleich nebenan, das von Tarts, so er eines benötigte, ebenfalls, die Befehlszentrale gegenüber, eine durchscheinende Brücke führte quer über den Trichter von einer Innenwand zur anderen, von den Büros zur Kommandostelle. Ich verfiel diesem Anblick des Ozeans beinahe auf der Stelle, er faszinierte mich ungemein. Immer das selbe, und doch jedes Mal anders, ständig in Bewegung und doch ewig. Ich entschuldige mich für die philosophische Anwandlung, ich mache schon weiter.
Ich muss die Architektur nicht wenig bestaunt haben, denn Thalma fragte mich. „Der Balkon und die Brücke finden Eure Zustimmung, Erhabener?“ Ich nickte, ganz in die Betrachtung vertieft. „Es ist wirklich eine ebenso praktische wie ästhetische Lösung!“ antwortete ich, während Tarts unsere Trommelfelle strapazierte. „Da werden einige Konservative in der Verwaltung richtig begeistert gewesen sein!“ dröhnte sein tiefer Bass amüsiert. „Wem ist dieses Detail den eingefallen?“ „Mir“, gestand Thalma, „das einfallen lassen war einfach, aber das programmieren der Baumaschinen musste ich auch noch selbst erledigen, die Profis haben sich strikt geweigert, eine ‚sinnlose Extravaganz‘ in ein öffentliches Gebäude zu integrieren, ich solle mir das ‚gefälligst aufheben‘, bis ich ‚einen Palast erheiratet hätte’! Na, ja, selbst gemacht, richtig gemacht, und zur Herrin der Unterwelt mit der Meinung der so genannten Profis.“ Nach dem, was mir Crest vom heutigen Arkon erzählt hat, wäre sie heute in vielen Bereichen ein gefeierter Superstar, damals waren wir in vielen Dingen sehr konservativ.
Auch wenn übliche Energiegeschütze ebenso wenig Wirkung gezeigt hatten wie Mauern, ob aus Materie oder Energie, hatte Thalma doch einige bewaffnete Forts mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln angelegt, denn was nützte es schon, wenn man Energiefronten überlebte, aber von den Methanern vernichtet wurde. Unterseeische Schutzbauten, tief im Fels weit unter dem Meeresspiegel verankert, waren ebenfalls eine der letzten Hoffnungen, auf die wir setzten. Immerhin konnten auf der Venus keine Erfahrungen mit subozeanischen Gebieten gesammelt werden, einfach deshalb, weil es keine großen Ozeane auf der Venus gab, die wenigen Seen waren seicht und flach. Nur um den Äquator zog sich ein Streifen durchgehenden Wassers mit zwei schmalen Kontinenten. Jener der Riesenvögel und jener mit den Ruinen, die immer noch auf die Hand eines kundigen Archäologen warteten, und das wahrscheinlich noch sehr lange, wenn ich den Verlauf des Krieges bedachte. Aber, zurück zu unsrer Hoffnung, vielleicht reichten diese Strahlen, Energieausbrüche oder was auch immer gar nicht bis zum Grund der Ozeane! Auch in den Felsen so mancher Inseln wurden in die Sockel tiefe Löcher geschmolzen, um dort Depots anzulegen, natürlich auch diese immer nach dem gleichen Schema. Wie gesagt, bei jeder Anlage neue Pläne zu zeichnen, neue Konstruktionen zu planen und neue Programme zu schreiben, ist nicht praktisch. Detaillierte Evakuierungspläne waren ausgearbeitet worden, ich grub mich Byte um Byte durch ihre Akten und fand an ihren Maßnahmen nicht viel auszusetzen. Kleinigkeiten, die, wie Sie heute vielleicht sagen würden, das ‚Kraut nicht fett‘ machen konnten. Oder auch Ideen Thalmas, die von Tarts gar als besser als meine Vorschläge bewertet wurden. Nun, nur Tarts konnte sich eine solche eigentlich todwürdige Frechheit erlauben.
Auf dem Mars hatten die Siedler ihre eigene planetaren Verteidigungszentrale in drei Pyramiden untergebracht und – als Dank, dass ich den alten Administrator abgesetzt hatte – mein Antlitz mit Desintegratoren aus dem Fels gearbeitet. Wie überaus schmeichelhaft für mich, mein Konterfei für die Ewigkeit in der Größe eines Hügels. Als die NASA es fotografiert hatte, musste ich über alle lachen, die es als Spinnerei und Unfug abgetan hatten, ich wusste es immerhin besser. Sie haben die Fotos vielleicht auch gesehen, Marie Anne, pockennarbig, zerstört, von Meteortreffern gezeichnet. Das Witzige daran ist, dass ich persönlich besser erhalten bin als mein steinernes Abbild. Aber damals war ich wirklich gut getroffen, wie ich so in den Himmel starre…
„Ich habe Larsaf IV weitestgehend mit eigenen Befehlsstrukturen ausgestattet!“ dalZarmol rief die entsprechenden Dateien auf. „Im Notfall sollen sie schnell reagieren können, ohne auf Anweisungen von der Erde zu warten. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob ich bessere Befehle geben könnte – bei der jetzigen Informationslage!“ Auch dieser Einschätzung konnte ich zu diesem Zeitpunkt nur frustriert zustimmen. ‚Was tun, sprach Zeus, die Welt ist beschissen‘, äh, nein, natürlich ‚hingegeben‘! Schiller! Ich übergab die bereits aufgezeichneten Messungen den Hyperenergetikern meiner Flotte und hoffte auf einen Geistesblitz dieser – wie sie sich selber gerne sahen – Genies. Meine Theorie? Ach, ‚ich habe hier nur ein Amt und keine Meinung‘, wie der schwedische General Wrangel in Wallensteins Tod von Schiller sagte. Aber ich hatte im Laufe meiner Dienstzeit einen guten wissenschaftlichen Stab für meine Flotte besorgt, inklusive einiger Querdenker, deren kontroverse Theorien in akademischen Kreisen nicht eben beliebt waren. Nun, sie waren leicht und billig zu haben. Ich selbst war ja nur in letzter Linie Akademiker, aber ich mochte – und mag heute mehr denn je – kontroverse Ideen und seltsame Ideen. Und ich mag Leute, welche endgültige Antworten aus ihrem Hirn verbannt haben. Jede Antwort wirft neue Fragen auf.
Im Prinzip konnte ich sonst nicht viel machen, nur einige Geschwader um alle drei Planeten stationieren, alle Orter auf maximale Empfindlichkeit schalten und abwarten, bis erneut etwas auf diesen Planeten geschah. Und natürlich darauf hoffen, dass die moderneren Ortungsanlagen eines Großkampfschiffes wie der ARK’EMPE mehr und detailliertere Ergebnisse liefern würden und die Wissenschaftler daraus schlauer wurden, als es die kleinen Geräte der Lekas konnten. Was heißt hier große planetare Ortungsanlagen und Gigarechner? Nie geliefert, aber in Rechnung gestellt, in der kältesten Hölle soll er frieren, dieser…! Ja, schon gut. Zum Glück hatte ich es immer wieder geschafft, der ARK’EMPE die neuesten Geräte und Waffen einbauen zu lassen, sie war wirklich eines der modernsten Schiffe Arkons, wenn man die Zelle nicht rechnete. In der Zwischenzeit bauten wir, also eigentlich Thalma und der Koordinator Larsaf IV, unsere Gebiete auf Terra und Mars mehr und mehr zu Festungen aus. Auf dem Mars, wie er heute genannt wird, wurde ein großes Depot hergestellt und mit Abfangjägern und Vorräten bestückt, tief unter den Pyramiden der Abwehr und der Verwaltung, die heute derart verwittert sind und so oft von Meteoren getroffen wurden, dass sie lange Zeit als Schichtvulkane angesehen wurden.
Wir bauten gewaltige Festungen – wenn man nur die Ausdehnung, Wälle, Schirmgeneratoren und Geschützstellungen bedachte. Die schweren Geschütze für die Stellungen fehlten allerdings zu einem großen Teil, woher nehmen? Der Nachschub blieb aus, und auf dem Trabanten der Venus – ich werde ihn hier nach Amor nennen, den Sohn der Venus – konnten auch nur leichte und mittlere Geschütze hergestellt werden. Falls wir überhaupt genug Rohstoffe aus dem Asteroidengürtel heranschaffen konnten, falls wir genug Kapazitäten freistellen konnten, falls wir ausreichend Arbeitskräfte fanden, falls, falls, falls, viele, viel zu viele unberechenbare Voraussetzungen. Manche Arbeiten mussten sogar von Arkoniden erledigt werden, da es – salopp ausgedrückt – hinten und vorne einfach an Robotern fehlte, die Kolonie sollte mit kompletten Fertigungsstraßen ausgerüstet worden sein, arkoniforme Maschinen waren bisher allerdings nicht geliefert worden. Wahrscheinlich waren unsere Arbeitsrobots gerade in irgendeiner Villa eingesetzt, um den Garten eines Freundes des Ex-Administrators umzugestalten. Oder standen als Ersatz für Kampfdrohnen in den Bereitschaftsräumen einiger Raumschiffe, dann wäre es zumindest halb sinnvoll.
Die meisten Fabriksanlagen und einige große Maschinen waren natürlich auf der Venus geblieben, letztere konnten erst jetzt mit meinen schweren Transportschiffen zum Teil nachgeholt werden, deren Ladung ich in die Lagerhäuser bringen ließ. Zum Beispiel hatte Thalma die großen Landwirtschaftsmaschinen zurücklassen müssen, sie hatte keinen Transportraum dafür gehabt und wollte auch keine Personentransporter umbauen lassen. Wer wusste schon, ob nicht einmal die Leute dankbar für jeden Platz selbst in einem Leka waren. Für einfachste ‚Fließbandarbeiten‘ wurden sogar besonders begabte Eingeborene herangezogen und angelernt.
Habe ich schon die Eingeborenen erwähnt? Es waren diese Leute, die so eng mit den Primitiven der Venus verwandt waren. Die Menschen im heutigen Europa waren damals, ich gestehe es, wahrlich noch keine Schönheiten. Eine fliehende Stirn, praktisch kein Kinn, Knochenwülste um die Augen. Am gesamten Körper behaart, Männer wie Frauen. Wenn ich dagegen die haarlosen Körper der adeligen Arkonidinen betrachtete, welche von Natur her ausschließlich Haupthaar, Augenbrauen und Wimpern besaßen – sie waren ein bei weitem ästhetischerer Anblick. Den arkonidischen Männern, so auch mir, wuchs noch ein dünner Bart und die atavistische Schambehaarung, der Bart wurde außer von wenigen Exzentrikern täglich rasiert, wenn es irgend möglich war, die Schamhaare in den seltensten Fällen. Natürlich wuchsen an beiden Stellen weiße Haare, zumindest bei den Angehörigen der großen Häuser. Was dachten Sie denn, Marie Anne? Übrigens, im antiken Rom versuchten die patrizischen Damen, unterhalb des Halses unter Zuhilfenahme von Rasiermessern, Wachs und Bimsstein jedes Härchen zu entfernen und einen ähnlichen Effekt zu erreichen, wie ich es von den Arkonidinnen kannte, manche durchaus mit Erfolg, und ja, ich habe mehr als eine Arkonidin nackt gesehen, damals, als ich noch jung war. Und auch patrizische Römerinnen, als ich nicht mehr ganz so jung war. Darf ich jetzt weitererzählen? Vielen Dank!
Diese nicht gerade hübschen Menschen erschufen dafür wunderschöne Höhlenmalereien, zum Beispiel in der Nähe des heutigen Lascaux in Frankreich. Sie schnitzten mit ihren Steinmessern kleine Statuetten, manche kaum größer als eine Handfläche, weibliche Figuren mit breiten Hüften und riesiger Oberweite, aber auch seltsame Figürchen mit sowohl männlichen als auch weiblichen Attributen und Geschlechtsorganen. Wahrscheinlich Fruchtbarkeitssymbole, oder Göttinnen und Götter. Oder einfach die Lust am Schönen, denn die Mammutjäger mochten durchaus fruchtbare Frauen mit üppigen Formen und breiten Hüften an ihren Feuern und unter ihren Fellen. Nachts, zum warm halten und kuscheln. Für sie war schlank nicht modern, sondern ein Zeichen von Unfähigkeit, sich richtig zu ernähren. Manche Häuptlinge trugen so genannte Kommandostäbe, manchmal aus Holz, zumeist aber aus Bein, mit ihren Steinmessern waren ihnen erstaunlich komplexe Muster gelungen.
Auf jenem Kontinent, den man heute Afrika nennt, gab es indessen schon eine neue Subspezies, im Aussehen verfeinerter, mit größerem Gehirnschädel, höherer Stirn und so gut wie keinen Brauenhöckern mehr, die gleichen Menschen waren auch schon im Gebiet des heutigen Spanien und Griechenland sowie an der Ostküste des Binnenmeeres, welches damals noch um vieles kleiner war, unterwegs. Diese Eingeborenen sahen schon beinahe wie Arkoniden aus, nur die Behaarung war noch reichlich an Armen und Beinen vorhanden, bei männlichen Exemplaren besonders. Diese hatten auch starken Bartwuchs und waren am ganzen Rumpf behaart, letzteres sollte sich bis in das 21. Jahrhundert nicht ändern, und es gab Frauen, welche diese Körperhaare durchaus anziehend und erotisch fanden. Immer, auch im 21. Jahrhundert noch. Nun, ich fand damals, es könnten in absehbarer Zeit durchaus ansehnliche Wesen aus diesen Terranern entstehen, hässlich war diese Subspezies ganz und gar nicht mehr. Die Siedler hatten einige besonders vielversprechende Exemplare der modernen Afrikaner auf den südlichen Teil des Doppelkontinentes verfrachtet, etwa ins heutige Brasilien, wo ein Major Inkahar doCalê eine Art Schulungscamp eingerichtet und mit überraschendem Erfolg versucht hatte, den arkonoiden Wesen einige Grundlagen beizubringen. Hygiene, Lederflecken mit Riemen als Schutzkleidung für die Füße und auch Lendenschurze zum Schutz gegen Verletzungen der besonders empfindlichen Körperregionen, beziehungsweise auch gegen schlechtes Wetter und ähnliches. Vor allem aber lehrte er sie Kommunikation, die Hominiden auf Larsaf III benutzten zwar schon eine primitive Art von Verständigung, wir aber brachten ihnen eine wirkliche Sprache. Arkonidisch, selbstverständlich, ein wenig vereinfacht – Pidginarkonidisch, wenn Sie so wollen.
Diese Menschen hatten aus ihrer Heimat – sie erinnern sich, Afrika – Pfeil und Bogen mitgebracht und schufen erstaunlich hochwertige Steinwerkzeuge und wunderschöne Felsmalereien, die heute noch zu bewundern sind. Diese Eingeborenen sollten eigentlich erst später den Siedlern unangenehme Arbeiten abnehmen, aber in dieser Situation mussten sie jetzt schon einfache Arbeiten übernehmen, leicht trainierbare Routinetätigkeiten. Andere wurden in Haushalte übernommen, als Reinigungskräfte und ähnliches, zumindest anfangs. Allerdings machte ich mir keine Illusionen, einige Frauen würden in den Betten ihrer Herren landen, einige Arkonidinnen dem Animalischen der Wilden nicht widerstehen wollen, und sicher nicht alles freiwillig von der Seite der Nativen aus. Aber über kurz oder lang würden sie mit den Arkoniden komplett verschmelzen, auch da gab ich mich keiner Illusion hin, das war ein durchaus üblicher Vorgang, der schon immer im Kristallimperium vorkam. ‚Menschlich, allzu menschlich‘ – Friedrich Nietzsche. Deshalb wurde auch so sehr darauf geachtet, dass zumindest der Administrator tatsächlich reiner, adeliger Arkonide aus dem Drei-Planeten-System war. Einige Exemplare der Eingeborenen wurden übrigens auch zu anderen Stellen der Erde gebracht, um die dort ansässigen Wilden zu ‚veredeln‘. Wie? Nicht nett? Natürlich waren wir Arkoniden nicht ‚nett‘. Wir waren Kolonialherren! Die Besseren, Überlegenen, die Krone der Schöpfung! Wir waren nie nette Leute. Wir kamen gar nicht auf die Idee, zu anderen Völkern nett sein zu wollen. Ich möchte das Wort ‚Sklaven‘ hier nicht benutzen, das wäre zu beschönigend. Wir waren zwar nicht explizit Grausam, aber ja, wir Arkoniden, und da nehme ich meine damalige Person gar nicht aus, waren arrogante, rassistische Arschlöcher! Schon der Umstand, dass jemand nicht von Arkon I und einem der Khasurns, also einem der adeligen Häusern kommt, machte eine Person minderwertig. Gar außerhalb des Tiga Ranton, also der Planeten Arkon I, II oder III geboren, machte die Person zum Bugharkon, zum nicht reinen Arkoniden, egal, wie seine Blutlinie aussah, der Ort der Geburt reichte schon aus. Und doch standen diese Bugharkone immer noch hoch über den Mischlingen und den Nativen der jeweiligen Völker. Nett! Pah! Nett und Arkonide war damals sehr weit von einander getrennt. Lichtjahre! Der adelige Arkonide sah auf den Nichtadeligen herab, der auf den Bugharkon und der wiederum auf den Mischling, der sich dem reinen Eingeborenen überlegen dünkte. Wie gesagt, damals dachte ich genau so. Selbst die Zwangsprostitution wie auf der Venus war für mich damals mehr ein finanzielles Vergehen wie Steuerhinterziehung, und mangelnde Hygiene. Sie können es ruhig laut sagen, Marie Anne, ich war damals ein präpotenter, überheblicher Arsch auf zwei Beinen. Vielleicht bin ich es heute noch zum Teil. Sie denken an Thora und Crest? Vergessen Sie es! Diese weichgespülten Kuschelarkoniden haben nichts mit den Soldaten zu meiner Zeit gemein. Noch etwas Wein, Frau Doktor?
Ja, schon gut, ich erzähle ja schon weiter. Wir begannen damit, dezentrale Einrichtungen auch auf der Erde zu bauen, um unsere arkonidischen Kolonisten für den Fall der Fälle über den Planeten verteilen zu können. Natürlich wollte derzeit niemand, oder doch beinahe niemand von den edleren Arkoniden, also den jüngsten Söhnen von adeligen Familien, die zu Hause nichts zu erwarten hatten, Port Atlantis mit seinem Luxus verlassen und ohne jede Bequemlichkeiten in die Wildnis ziehen. Dafür gab es doch die Eingeborenen, sobald die fertig geschult waren, sollten sie die Besitzungen aufbauen und in Gang bringen. Wenn dann alles fertig war und wie am Schnürchen lief, konnten Lord und Lady von und zu Arkon I immer noch einziehen. Nun, im Notfall würden einige Marines dafür sorgen müssen, dass in ihnen die richtige Begeisterung für das Pionierleben erwachte. Zur Not auch einige der Kampfroboter meiner Flotte, von der ich einige in Atlantis stationierte. Thalma, Tarts und ich waren wild entschlossen, die Kolonisten auch gegen ihren Willen zu retten, wenn wir es schafften, wir arbeiteten eng zusammen. Vor allem Thalma und ich blieben oft bis spät in der Nacht in meinem Büro, wälzten Dateien und planten den weiteren Verlauf des Ausbaues. Dabei konnte es nicht Ausbleiben, dass wir uns ab und zu berührten, ich vermied es, so gut es ging, doch manchmal hatte ich so ein Gefühl…
„Erhabener?“ wieder war es spät geworden, Thalma und ich arbeiteten noch und hatten uns einen Imbiss bringen lassen. Koffeinhaltige, eiskalte Getränke und mit allerlei Wurst und Käse belegte Brotteigfladen, die wir zusammengerollt aus der Hand aßen. „Administratorin?“ fragte ich und sah auf, normalerweise war sie schon lange nicht mehr so formell. Sie hatte den Magnetverschluss des Oberteils ihrer Uniform teilweise geöffnet, beugte sich zurück und lehnte sich an den Schreibtisch. „Ich kenne mich mit Euch nicht aus, Gebieter. Einerseits scheine ich Euch zu gefallen, zumindest wenn ich Eure Blicke richtig deute. Dann aber schreckt Ihr bei jedem Anschein einer Berührung zurück, als würdet Ihr Eure Finger verbrennen.“ Ich sah sie lange an, Thalma war wirklich eine schöne Frau, bei der alles von dezenter Größe, aber unübertroffener Form war, eine idealisierte Göttin könnte nicht anders aussehen. „Ich könnte mir tatsächlich die Finger verbrennen, Thalma. Du bist wirklich schön, aber – ich könnte morgen abfliegen und Dich hier allein zurücklassen müssen.“ „Das hat Euch nicht gehindert, Vallaesta zum Essen einzuladen und zu verführen!“ flüsterte sie leise, ich goss mir noch ein Glas Sprudel ein. „Jetzt könnte ich einen Schluck Wein oder stärkeres vertragen.“ gestand ich und trank einen Schluck, während Thalma aus einem Schrank zwei Gläser und die berühmte bauchige Flasche eines guten, wenn auch starken Weibrandes zum Vorschein brachte. Sie goss gut zwei Finger hoch in jedes Glas, gab mir eines und nahm einen tiefen Schluck aus dem zweiten. „Thalma, Vallaesta war eine willige Frau und ich ein williger Mann, es war einfach Sex, nicht mehr. Das geht bei Dir nicht!“ „Weil ich eine dalZarmol bin?“ fuhr sie auf. „Weil Du Administrator bist und ich Admiral” entgegnete ich. „Wer sollte da nicht an Korruption denken?“ „Wenn das alles ist?“ sie zuckte mit den Schultern, ihr Busen bewegte sich anziehend. „Ich denke, das ist genug!“ antwortete ich, und Thalma sagte leise. „Du denkst zu viel! Sei einfach ein Mann, Atlan, denn jetzt wirst Du mir gehören!“ Sie legte ihre Hände um mein Gesicht und küsste mich, endlos wie ich damals glaubte. „Im Raum hast Du das Kommando, hier auf dem Planeten musst Du mir gehorchen!“ flüsterte sie und befreite mich von meiner Uniform, fuhr fort „und ich sage, halt vorerst still!“, entledigte sich dann der ihren. Nackt stand sie vor meinem Blick, und ich genoss es, sie zu betrachten. Dann setzte sie sich auf den Schreibtisch, lächelte mich an, streckte ihre Arme nach mir aus, winkte mich näher und öffnete ihre prachtvollen Schenkel für mich, ich verlor mich für eine lange, lange Zeit, eine Ewigkeit, wollte mir scheinen. „Es ist alles richtig und gut!“ flüsterte Thalma mit heißem Atem in mein Ohr. „Es ist alles gut! Ja, Atlan, Ja!“ Mein Onkel wäre sicher erfreut, hätte ich dem Thron einen weiteren Erben geschenkt, nachdem er Kinderlos war, und es war ein guter, erster Versuch.
Ich möchte Sie nicht mit Details langweilen, mit Bürokratie und endlosen Besprechungen. Auf jeden Fall erschien mir eines Tages ein Depot im nahe gelegenen, nur etwa 27 Lichtjahre entfernten System einer blauen Sonne eine gute Idee zu sein. Ja, genau, ich spreche von der Wega. Also schickte ich einen Nachschubfrachter mit leichter Bedeckung los, der die Bauroboter ausladen sollte, welche dieses Flottendepot anlegen sollten. Großartige Planungen und Programmierungen waren nicht nötig, da sowieso alle Einrichtungen dieser Art nach einem standardisiertem Muster hergestellt wurden. Wie es auf Terra manchmal genannt wird, nach Schema F. Normiert, ohne Abweichungen, ein bewährtes Prinzip. Ich habe mit Lucius Iunius Brutus lange darüber gesprochen, nachdem er Tarquinius Superbus abgesetzt hatte, es hat sich dann auch bei den römischen Legionen hervorragend bewährt. Aber zurück, unser Depot auf einem der Planeten der Wega sollte auf jeden Fall gut getarnt sein, vielleicht für die nächsten Jahrhunderte bereit, aber von Methanern und eventuellen späteren Einheimischen unauffindbar. Wir entschlossen uns für den neunten Planeten, er wird heute Rofus genannt, in einem etwa 10.000 Meter hohen Gebirge sollte die Anlage versteckt warten, ob wir sie eines Tages benötigten. Eine große Anlage, das Maximum der programmierten Modelle. Wenn schon eine Ausweiche, dann eine ordentliche, dachte ich mir damals.
Die von uns vorderhand so genannte Überlappungsfront sollte noch zwei Mal die Venus heimsuchen, wobei allerdings keine Verluste mehr auftraten, nicht mehr auftreten konnten. Kein Wunder, waren doch alle Arkoniden bereits verschwunden oder auf dem dritten Planeten und sonst, nun, es gab nicht mehr viel höhere Fauna auf dem zweiten Planeten von Larsafs Stern. Jetzt – gar keine mehr, nur noch Flora und ein paar Insekten, Würmer und ähnliches. Verschwunden die riesigen Rüsseltiere, einfach weg die gigantischen Vögel, fort die uns so ähnlichen Wesen. Wir, also das wissenschaftliche Team unter meiner fortwährenden, sicher lästigen und überaus ungeduldigen Einmischung, sammelten Informationen in Mengen, und mein wissenschaftlicher Stab brütete Tag und Nacht, die Rechner liefen rund um die Uhr, eine Theorie jagte die andere, wurde verworfen, neu ausgegraben und geändert. These – Antithese – Synthese. Die Nanotroniken berechneten Tag und Nacht Simulationen, die verfeinert oder wieder verworfen wurden, alles musste so schnell wie nur irgend möglich von statten gehen, ohne dass die Qualität litt. Mehr als einmal musste Thalma einige von den jüngeren Wissenschaftlern von Medo-Robots in ihre Betten verfrachteten und ruhig stellen lassen, ehe sie zusammen brachen und ausbrannten. Einmal schalt sie mich wegen des permanenten Druckes, den ich durch meine ständigen Nachfragen verbreitete. Eine Zarmol hielt einem Gonozal eine Standpauke, man stelle es sich vor! „Diese Leute arbeiten schon mehr als sie können, Gebieter!“ schimpfte Thalma. „Wenn sie einmal ausgebrannt sind, werden wir nie etwas erfahren!“ „Unsinn!“ hielt ich entgegen. „Arkoniden regenerieren sich wieder, sie sind keine Batterien! Wir brauchen Ergebnisse!“ „Wir brauchen Wissenschaftler!“ argumentierte sie und strich das kurz geschnittene Haar zurück. „Irgendwann kann auch der Klügste nicht mehr klar denken, wenn er dauernd überfordert ist!“ „Aber es muss schneller gehen“, rief ich. „Wir haben vielleicht nicht mehr viel Zeit!“ „Vielleicht!“ Thalma schlug die Arme unter und musterte mich mit eiskaltem Blick. „Aber wenn die Menschen zusammen brechen, sind wir ganz sicher am A… Äh… Ende, Atlan!“ Nach einigen weiteren harschen Worten von beiden Seiten musste ich grummelnd und knurrend einsehen, dass in diesem Fall ihre Vorwürfe durchaus gerechtfertigt waren, gefallen hat es mir trotzdem nicht. Ein Vorteil des fortgeschrittenen Alters ist, dass man es erkennt, wenn man unrecht hat. Und eine Pause braucht. Oder dass jemand anderer diese Pause braucht. Heute weiß ich so etwas, Thalma damals schon. ‚Oh kluger Doktor, weiser als die Anzahl Deiner Jahre‘. Der Kaufmann von Venedig, Shakespeare.
Eines Tages machte ich mich auf, dem Wega-Depot einen Besuch abzustatten. Es sollte das seltsamste Erlebnis in meinem ganzen Leben bis heute werden, und ich hatte seither einiges an Seltsamkeiten erlebt, glauben Sie mir. Der Sprung zur Wega war noch reine Routine, die ARK’EMPE raste in das System, passierte einen riesigen Planeten, den 14., um genau zu sein, der nicht nur aus Gas zu bestehen, sondern auch einen festen Kern aufzuweisen schien. Sofort schrillten in meinem Geist die Alarmglocken. „Unmöglich!“ ereiferte sich mein Extrasinn. „Dieser Planet ist so physikalisch völlig unmöglich! Da stimmt etwas nicht!“ Manchmal beschränkte der Logiksektor sich darauf, einfach das Offensichtliche zu bemerken, wie auch hier. Ein Planet mit etwa der eintausendfachen der irdischen Schwerkraft! Der Rudergänger zwang die ARC’EMPE auf meinen Befehl in eine beinahe unmöglich scheinende Kursänderung, die Andruckabsorber und Maschinen an die Grenze belastete. Alarmsirenen ließen meine Ohren klingeln. „ORTUNG! ENERGETISCH UND MATERIELL AUF LINKS ZWEIUNDZWANZIG PUNKT DREI UND OBEN FÜNF PUNKT NULL!“ Also leicht links und ein wenig über unserer Flugbahn. „Kurs auf das Objekt!“ ordnete ich an. „Tempo auf zwei Zehntel!“ „Von Ruder – Kurs liegt an, Verzögerung auf zwei Zehntel läuft.“ „Von Ortung – Höhe NULL, links fallend. Entfernung 2 Kilodran! Rasch fallend.“ Ich zog mein Compad aus der Seitentasche meines Sitzes, holte mir das Ortungsbild auf den Schirm und entdecke ein kleines Raumschiff unbekannter Bauweise, das nun begann, im arkonidischen Flottencode eine Einladung an mich ganz persönlich zu funken.
Nun hätten normalerweise bei mir wie auch bei meiner Besatzung gleich nochmals sämtliche Alarmsysteme anschlagen und uns warnen müssen, wir aber hielten es ganz plötzlich für die normalste Sache der Galaxis, von einem Unbekannten im korrekten Code angerufen zu werden. Wenn es ein Kugel- oder Spindelschiff gewesen wäre, ja dann, aber es sah irgendwie – lebendig aus. Es wirkte auf eine seltsame Art organisch, weich, amorph. Auf jeden Fall beruhigten wir alle uns ebenso schnell, wie vorher das Adrenalin durch unsere Adern geschossen war und uns zu höchster Wachsamkeit veranlasst hatte. So machte ich mich, der Einladung folgend, mit der kleinen Gig auf den Weg, als gäbe es keine Methans und keine Energieausbrüche, die Lebewesen verschwinden ließen, in diesem Universum. Mit einer Gig! Umgerechnet vielleicht zehn Meter im Durchmesser, kein richtiges Triebwerk, sondern ähnlich einem Gleiter nur mit Feldantrieb. Vor mir öffnete sich ein Schott genau so weit, dass ich mein kleines Boot wie in einer beinahe intimen Begegnung durch starke Magnetfelder hinein gleitend hindurch manövrieren konnte. Ich landete die Gig seelenruhig in der Schleuse und kontrollierte, nachdem das Schott wieder geschlossen wurde, meine Umgebung. Temperatur – arkon-ähnlich. Gasdruck – entsprechend. Luftzusammensetzung – beinahe, nein wirklich perfekt für Menschen meiner Herkunft, die Temperatur und der Druck erreichten exakt arkonidische Verhältnis im Frühjahr auf dem Landsitz meiner Familie. Also öffnete ich mein Vehiculum, stieg aus und schritt auf den einzig möglichen Ausgang zu. Das Innenschott hob sich und ich trat unaufgeregt hindurch.
Jenseits der Schleusenkammer erwartete mich ein prachtvolles, luxuriöses Gemach mit der schönsten Frau, die ich mir je hätte erträumen lassen, noch perfekter gebaut als Thalma, ohne Ecken und Kanten. Natürlich, heute weiß ich auch, das sie genau nach meinen Träumen und Idealen geformt wurde, damals allerdings – meine Hormone spielten verrückt, ich taumelte vorwärts, ‚halb zog sie mich, halb sank ich hin‘. Der alte Geheimrat Goethe wusste sich auszudrücken, und hatte recht. Also, ich versenkte mich in ihre Arme und auch in andere Regionen, von denen ich hier und jetzt aber nicht so genau sprechen möchte, Marie Anne. Sie sind eine erwachsene Frau und können sich sicher ein Bild von der Situation machen. Sogar mein Extrasinn schwieg und überließ das Denken meinem… genug davon! Als ich viele Stunden später wieder halbwegs klar denken konnte… Lächeln sie nicht so süffisant, Frau Doktor. Ich bin halt auch nur ein Arkonide! Ach, wegen der vielen Stunden? Ich war halt auch nur ein junger viriler Arkonide mit guter Bestückung. Besser ausgedrückt?
Also, kaum war ich wieder, wie ich zumindest annahm, halbwegs Herr meiner Sinne, hallte dröhnendes Gelächter IN meinem Kopf wieder, begleitet von leiserem, femininem Gekicher. Dann, alles in meinem Kopf und nicht über die Ohren wahrgenommen, eine Stimme: „Hallo, Arkonide! Wie ich sehen kann, hat Dich mein kleines Präsent zur Begrüßung sehr erfreut. Du solltest Dir jetzt die Hosen aber wieder anziehen, junger Freund, wegen der Hosentaschen wäre es nicht unwichtig. Du wirst dann als erstes eine Speicherkarte mit den Plänen einer Waffe erhalten, mit der ihr Arkoniden die Methans überwinden können solltet. Nutzt sie weise und…. Aber was rede ich da, es wird genau so sein wie immer. Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut. Und obwohl es noch lange dauern wird, dass die Arkoniden Weisheit erlangen sollten, falls es jemals der Fall sein sollte, riskiere ich es wieder einmal. Ich habe schon Wetten mit mir selber abgeschlossen….“ Wieder dieses unsägliche Gelächter, von dem mein Kopf schier platzen wollte, ich krümmte mich vor Schmerzen und hoffte auf ein baldiges und gnädiges Ende meines arkonidischen Daseins. „Wenn Du jetzt schon denkst, du wüsstest, was Schmerz ist, dann hat die Zukunft noch so manche Überraschung für Dich bereit! Du solltest es Dir gut überlegen, ob Du mein zweites Geschenk, nein eigentlich ja mein drittes, wirklich annehmen möchtest.“ Wieder dieses irrwitzige Gelächter, während die Sirene, deren Nacktheit mich immer noch verwirrte, ein kleines Metallei an einer dünnen Kette über meinen Kopf streifte. „Dieses Ei wird, wenn Du es fast immer um den Hals trägst, Deinen Alterungsprozess stoppen, sodass du potentiell unsterblich wirst. Zumindest, solange nicht eine Verwundung Deinen Tod herbeiführt. Wenn du den, nennen wir ihn vereinfacht Zellaktivator, abnimmst, so hast Du etwa drei Tage Zeit, ehe der Alterungsprozess wieder beginnt. Und in einigen wenigen Stunden alle Jahre nachholt!“ wieder krümmte ich mich, während das unbekannte Wesen meine Synapsen quälte. Aus dem Augenwinkel bemerkte, wie meine Göttin allmählich verblasste, ich sah genauer hin, wie sie immer durchsichtiger wurde, ehe sie ganz verschwand. „Stell dir vor, junger Freund!“ meldete sich die Stimme wieder. „Unter Umständen mehrere hundert Jahre – wenn du geschickt und klug genug bist, aussichtslosen Risiken aus dem Weg zu gehen und alle Fallen zu meistern – innerhalb weniger Stunden. Und nun – hast du die Pläne für die Konverterkanone? Ja, natürlich hast Du sie nicht vergessen. Sorge dafür, dass diese Pläne nach Arkon kommen und beschütze das System von Larsafs Stern. Bis später, junger Freund. Ich bin sicher, wir werden noch einige Male von einander hören! Und – alles Gute zum Geburtstag, Mascaren Atlan, viel Glück!“ ein letztes Gelächter, rasch leiser werdend, nun nicht mehr schmerzhaft.
Was aber blieb, war meine Verwirrung. Denn obwohl ich mich nicht bewusst bewegt hatte, saß ich (wieder?) in der Gig, die im leeren All in der Nähe der ARC’EMPE schwebte, und – nach dem Chronometer hatte ich das Schiff eben erst verlassen. Ja, lachen Sie nur, Madame le Docteur, ich dachte damals das gleiche. Einige Stunden oder doch nur ein seltsamer Traum, Erinnerung oder Einbildung? Rasch tastete ich mich ab. Um den Hals trug ich an der Kette das Ei, welches ES Zellaktivator genannt hatte, in der Tasche eine Speicherkarte – ich hatte wohl doch nicht alles geträumt. Aber was, wie viel davon war echt, wie viel ein Trugbild? Ich weiß es heute noch immer nicht, damals meldete sich mein Extrasinn zu Wort: „Du hast es genossen, und wie ausgiebig Du es genossen hast, du bist im Besitz der ‚Geschenke‘, also ist es Real genug. Lass es doch einfach gut sein und flieg nach Hause!“
Ich befolgte diesen Rat des Logiksektor, kehrte nachdenklich auf die ARC’EMPE zurück und ließ wieder Kurs auf Larsafs System nehmen. Kontrolle des Depots? Natürlich landeten wir auf Rofus, die Arbeiten gingen gut voran, keine Probleme bei dem Aufbau des Depots. Wir alle an Bord und der Baustelle hatten das Gefühl, dass alles in Ordnung war und wir gute Arbeit geleistet hatten. Der Eintrag im Logbuch lautete ‚Routineflug, keine besonderen Vorkommnisse!‘ Und jetzt entschuldigen sie mich kurz, Marie Anne. Sie haben mich an etwas erinnert. PHOEBE, bitte ein Gespräch mit Rico und Perry Rhodan, Konferenzschaltung.
*
Zurück auf der Erde erwarteten mich gute und schlechte Nachrichten. Gut war, dass die Hyperphysiker endlich den Zipfel einer Theorie gefunden hatten. Eine Zacke an der Messung hier, ein Ausschlag da, eine Zahlenübereinstimmung dort. Schlecht: die Überlappungsfront zog jetzt über Larsaf IV, also den Mars, sofort war die Evakuierung befohlen worden. Gut: auf der Erde war noch nichts zu bemerken, warum auch immer. Schlecht war aber, dass sich ein kleines Spähschiff der Methans etwa eine Stunde im System aufgehalten hatte, also hatten wir in absehbarer Zukunft mit einem Besuch unserer ‚Freunde‘ zu rechnen. Außerdem waren in letzter Zeit, von den Besatzungen der Schiffe ‚Phantomschiff‘ genannte, Phänomene aufgetaucht. Aus den Augenwinkeln erkannten einige Personen einen sich langsam bewegenden Fleck auf den Bildschirmen. Doch bei genauerem Hinsehen verschwand das Bild. Auch die Energieortung schlug aus, bei genauerer Ausrichtung und Skalierung – weg! Verschwunden! Nie dagewesen! Die ersten Vorkommnisse wurden einem psychischen Problem, einer Art Raumkoller zugeschrieben. Doch als immer mehr und teilweise gleichzeitige Sichtungen vorkamen, wurde auch dem letzten Skeptiker bewusst, dass mehr dahinter stecken musste.
Wie sagt man auch heute noch? ‚Wir haben viel zu tun, packen wir es an‘, wie es ein Werbespruch für ESSO einmal sagte. ESSO? Oh, früher gab es eine Benzinmarke namens ‚Standard Oil’, die Initialen S O ergab phonetisch eben ESSO. Was Benzin ist? Marie Anne, jetzt fühle ich mich richtig alt! Weiter! Che Guevara hat es einmal so ausdrückt: ‚seien wir realistisch, nehmen wir das Unmögliche in Angriff‘. Zuerst einmal stellte ich einige Kopien des Inhalts der Speicherkarte her und händigte das Original mit den Plänen für die Konverterkanone dem Kommandanten eines leichten Kurierkreuzers aus. Dann schickte ich die MARC‘LO nach Arkon, mit dem Befehl, die Pläne bei der zentralen Entwicklungstelle der Raumflotte raschestmöglich abzuliefern und so schnell wie nur irgend möglich wieder hier zu sein. Nun, ich sollte weder das Schiff noch den Mann je wiedersehen, wahrscheinlich wurden sie einem anderen Frontabschnitt zugeteilt, überall stritt man sich um Schiffe und Besatzungen. Angekommen war er aber ziemlich sicher, immerhin gibt es Arkon ja heute noch, quod erat demonstrandum. Die Eierköpfe von der Hyperphysik waren nicht untätig gewesen und unterbreiteten uns die Idee, dass die Unterlichttriebwerke unserer alten Torpedoboote mit der Überlappungsfront in Reaktion treten könnten und vielleicht, vielleicht auch nicht, möglicherweise, unter Umständen, theoretisch das Problem stoppen könnten. Oder aber auch verstärken. Oder überhaupt nichts verändern. Zumindest gab es grobe Ähnlichkeiten in verschiedenen – nein, ich möchte jetzt lieber keine Hyperquantenenergievorlesung halten, ich verstand damals selber nur die Hälfte von dem, was der Stab von sich gab, und auch heute ist mir die Sache, ganz ehrlich gesagt, viel zu hoch. Sie erinnern sich, Wrangl, Amt, Meinung, Schiller? Aber wie auch immer, jedenfalls konnte die Situation nicht viel schlimmer werden, denn ohne Aktionen würden irgendwann alle Siedler ins Nirgendwo gehen. Längeres Warten hätte wohl auch keine neuen Erkenntnisse gebracht, ein Praxistest war unumgänglich, also waren wir eben Realisten und versuchten das Unmögliche.
Wir verlegten entsprechende Schiffe in den Marsorbit, die Torpedoboote 2012 und 2013, sowie ein selbstgesteuertes Roboot. Alte Schiffe, nicht die gewohnten Kugeln, sondern 60 Meter lange Walzen mit 18 Metern Durchmesser, ein 15 Meter breiter Ringwulst, der an der dicksten Stelle 10 Meter vom Rumpf weg stand und die veralteten Triebwerke enthielt, sowohl für die positive Beschleunigung als auch die negative. Ein Miniatursprungtriebwerk für vielleicht 30 Lichtjahre, nun, die Besatzung konnte im Notfall zumindest heimkehren, wenn auch langsam und mit vielen Sprüngen. Meistens wurden sie allerdings mit einem Mutterschiff ins Kampfgebiet und wieder zurück transportiert, einem dafür speziell gebauten 800 Meter Schiff mit reduzierter Bewaffnung, starken Schirmen und viel Platz. Freiwillige des Marine-Corps bauten verstreut über dem Planeten Messstationen auf, die Daten sollten in Echtzeit sowohl auf dem Flaggschiff als auch in dem Labor auf Atlantis gespeichert und ausgewertet werden. Die Frauen und Männer des Versuchs-Geschwaders waren in höchster Alarmbereitschaft, und auch die ARC’EMPE war in der Nähe. Wie schon gesagt, ich musste meinen aristokratischen Zinken immer selber in alles Mögliche und Unmögliche stecken, immer selber ganz vorne mit dabei sein. Das, meine liebe Marie Anne, bin ich auch bis heute nicht los geworden.
Damit begann etwas, das ich damals und noch lange danach hasste wie Pest und Cholera zusammen genommen. Das Warten auf ein Ereignis, von dem man hoffte, das es nie geschieht und das man trotzdem nicht erwarten kann. Den Beginn einer Schlacht, eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt und ähnliches. Eine Situation, älter als die Arkoniden selber, wahrscheinlich haben so schon unsere Ahnväter gedacht. Sehr lange mussten wir allerding nicht warten, einige Tage nur! „AMP’ECHE! Ortung, Energieecho vereinbar mit Energiesignatur Aufrissfront!“ Hektisches Gerenne setzte ein, es hatten einige Offiziere, ich eingeschlossen, die Brücke kurz oder auch länger verlassen, der allgemeine Schichtbetrieb, die Routine, man kann nicht tagelang im Kommandosessel warten, man muss auch essen, schlafen und – na ja, genau das. Ich war eben im Kasino etwas essen, erreichte aber die Zentrale nach dem Erklingen des Alarms trotzdem als Zweiter der dienstfreien Offiziere. Äh, nein, ich war nicht wirklich der schnellste Läufer. Aber man machte mir an jeder Ecke Platz, Rang vor Fähigkeit! Ich wandte mich sofort zur Funkecke, wo der Kommandant der AMP’ECHE schon vom Bildschirm blickte. „Bericht!“ donnerte ich, noch nicht ganz auf der Brücke angekommen, ich fühlte, wie sich meine Tränendrüsen in der Erregung füllen wollten, dann schüttete mein endokrinologisches System ein Hormon aus, das die Augen bei Gefahr von Tränenflüssigkeit frei hielt. „Zwanzig-Zwölf und Zwanzig-Dreizehn in Position. Stehende Schwebefahrt auf Antigrav-Feldern, Schubaufhebung durch Gegenschub.“ „Bericht Kommandant Zwanzig-Zwölf!“ Ein neues Gesicht, nach den Abzeichen ein Leutnant, wohl der CO, der Commanding Officer, des Torpedobootes. „Vormarsch Energiefront im Bereich Triebwerkseinstrahlung verzögert. TRANSIT! TRANSIT! Ein Phantomschiff kurz in Ortung! Zwölf und Dreizehn müssen sich zurück ziehen, Front kommt verzögert, aber doch näher. Roboot CHA bleibt auf Standort. Front nähert sich weiter, passiert CHA, Energiestoß! Deutlich eine Signatur ähnlich eines Impulsstrahlers der Megaklasse. Das war Overkill. Erhabener, das robotgesteuerte Boot CHA existiert nicht mehr, bemannte Einheiten Zwanzig-Zwölf und Zwanzig-Dreizehn auf dem Rückweg! Aufrissfront verliert sich, Energie geht gegen Null. Fünf Themis, vier Themis, drei, zwo, eins! Front verschwunden, Erhabener!“ CHA, Frau Doktor, ist ein arkonidischer Buchstabe, der wie das terranische X benutzt wird. Roboot ist eine Zusammenziehung von Robot und Boot, etwas ähnliches wie eine Gefechtsdrohne heutzutage, nur größer, und Themis ist eine Maßeinheit für Energiestärke.
Nun ja, einen kleinen Erfolg hatten wir verzeichnen und zumindest einige neue Daten sammeln können. Der Preis eines kleinen Raumbootes mit automatisierter Steuerung, gedacht als Schiff-zu-Schiff-Verbindung für den Transport weniger Personen oder kleinerer Gegenstände, war zu verschmerzen. Was hatten wir festgestellt? Als Waffe waren die Triebwerke nicht gezielt genug einsetzbar, die zu bewegende Masse für eine genaue Zielansprache oder ein unverrückbar Stillstehen zu gewaltig, das System war einfach zu labil. Ein winziger asynchroner Impuls an die Triebwerke brachte das Boot aus seiner Bahn, außerdem zeigten sie zu geringe Wirkung. Ein Phantomschiff hatte den Strahl gekreuzt – und war für Sekunden wirklich sichtbar gewesen, wie schon vermutet, ein Walzenraumschiff, etwa fünf zu eins, ähnlich den Schiffen der Methaner. Heureka, wie Archimedes rief! Einmal rufen würde! Wir hatten zumindest Hoffnungen, die Idee einer Lösung für einige unserer Probleme. Ausgehend von diesem Erfolg verschrotteten wir die zwei ältesten Torpedoboote und verbauten ihre altmodischen Triebwerke wie Kanonen in der Polkuppel einiger schwerer Kreuzer, versuchten die Energieabgabe zu maximieren und die Schubwirkung zu minimieren, also das Gegenteil von dem, das sonst das Ziel einer Triebwerkskonstruktion war. Nun, mit der Masse der Schiffe und den natürlich stärkeren Triebwerken derselben brachten wir ein halbwegs stabiles System zusammen. Die Geschütze der Kreuzer wurden planetar verbaut, die antriebslosen Rümpfe der Boote mit den Torpedorohren wurden in einen geostationären Orbit gebracht, einige chemische Triebsätze zur Ausrichtung eingebaut. Nur nichts verkommen lassen, manchmal können selbst ein paar lausige Marschflugkörper einen Unterschied von Leben und Tod ausmachen, wenn sie überraschend abgefeuert werden können. Und ich hatte doch gerade erst so etwas wie ewiges Leben versprochen bekommen, das wollte ich in vollen Zügen genießen, Narr, der ich damals war, hielt ich es für ein grandioses Geschenk. Warum ich nie auf die Idee kam, den Aktivator abzunehmen? Ein Teil Verantwortungsgefühl, ein Teil Feigheit, ein wenig Neugier, der größte Teil Gewohnheit. Ich habe mich daran gewöhnt, zu leben und – zu lieben. Wieder und immer wieder zu lieben.
Wissen Sie Marie Anne, was das skurrilste an der ganzen Angelegenheit war? Wir hatten hunderte Marschflugkörper, die allesamt natürlich ein hyperatomares Korpuskularwellen-Plasmatriebwerk besaßen, und wir konnten keines von ihnen gegen die Aufrissfronten oder die Phantomschiffe benützen. Allesamt viel zu modern. Billige Massenware, aber falsche Frequenzen in der Hyperstrahlung der ausgestoßenen Pseudoplasmawellen.
Hmm? Warum wir nicht ein Schlachtschiff umrüsteten? Ein Schlachtkreuzer war für die Werft des Venusmondes schon ein harter Brocken, der eben noch in die nötigen Halterungen passte. Ein größeres Schiff wäre einfach unmöglich gewesen und für den Bau einer größeren Werft fehlten uns einfach die Kapazitäten. Tarts schlug während der Umbauten sein Quartier gleich vor Ort auf und überließ nichts, aber schon gar nichts dem Zufall. Jeder Handgriff, jede Schweißnaht, wirklich alles wurde von ihm persönlich überprüft. Sein „Das ist Pfuscharbeit, jeder eingeborene Leiharbeiter könnte das besser machen!“ in voller Lautstärke gebrüllt, im tiefsten Bass, den ich bis heute gehört habe, klingt mir heute noch oft in den Ohren. Er war ein Pedant, und ich glaube, der alte Sklaventreiber hat sich damals bei der Besatzung nicht eben beliebt gemacht, aber er war daran gewöhnt und kümmerte sich nicht wirklich darum. Hauptsache, die Arbeit wurde richtig gemacht. Für mich war Tarts nicht nur eine unersetzliche Hilfe und Stütze, ein unverzichtbarer Ratgeber und Lehrmeister, er war der beste Freund, den ich bis heute hatte. Wenn ich bis jetzt überlebt habe, dann ist es sein Verdienst. Wie oft hatte er mein Leben gerettet, weil ich wieder einmal zu forsch und ohne lange zu überlegen mit beiden Beinen mitten in die größte gequirlte Kacke gesprungen war, jedes Mal hatte er mich herausgezogen, unter die Dusche gestellt und den Mist, den ich fabrizierte, bereinigt.
Thalma und ich saßen nun des Abends noch oft lange zusammen, aßen, tranken und teilten, wie man so sagt, Tisch und Bett. ‚Himmlisch war’s, wenn ich bezwang die sündige Begier. Aber wenn’s mir einmal nicht gelang, so hatt‘ ich groß Plaisir‘, schrieb Heinrich Heine, und er hatte so etwas von recht. Ich versuchte nach jenem Abend erst gar nicht mehr, die ‚sündige Begier’ zu bezwingen, ich konzentrierte mich gleich auf das Plaisier. He, ich war doch kein Mönch der Che’Huan, und die sind nicht immer keusch, warum sollte also gerade ich asketisch und zölibatär leben? ‚Kann denn Liebe Sünde sein, darf es niemand wissen, wenn man einfach alles vergisst, vor Glück?‘ sang Zarah Leander, sehen Sie es mir nach, ich singe nicht sehr gut. Ich habe andere Qualitäten. Wir Arkoniden sind, oder zumindest waren wir, auch nicht so prüde wie ihr Menschen im Allgemeinen, wir gönnten uns ab und zu ein wenig gepflegte Unkeuschheit. ‚Man reiche mir ein willig Weib, damit ich mit ihr Unzucht treib’. Die Schmetterlinge in meinem Bauch flogen wie – nein, nicht am ersten Tag, aber wie an dem ihrer Einladung in dem Büro, hier auf der Erde, wenn ich Thalma sah. Nein ich wollte Sie jetzt nicht…. Entschuldigen Sie! Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Aber auf der Erde gab es selten Epochen, in denen man Sex einfach aus Spaß an der Freud’ betrieb, bedingungslos, einfach, weil es schön ist.
Allmählich wurden verschiedene weitere Schutzbauten fertig gestellt, zuerst jene um Port Atlantis und dem Raumhafen, später sollten auch einige Ausweichdepots rund um die Erde gebaut werden. Komplett ausgestattet, das Komfortpaket mit Klimaanlage, Ortungsgeräten, Funk und Fernsehen, Nanotronik und einer gut bestückten Bibliothek in den Speichern. Selbstverständlich auch mit Kälteschlafkapseln und allen bekannten medizinischen Einrichtungen, für den Notfall selbstverständlich vollautomatisiert. Ich vertraue ja lieber einem echten Arzt statt eines Roboters, aber ein Automat war – und ist – besser als gar nichts. Und immer ist eben ein richtiger, lebender Arzt auch nicht zur Stelle, wenn man dringend Hilfe benötigt. Diese Einrichtungen waren nicht sehr schwer herzustellen, Minigeräte konnten von uns auch leicht produziert werden. Nanotroniken konnten wir ebenfalls im Überfluss herstellen, aus irgendeinem Grund waren zwei Container voll mit Rechnerkernen, einer mit ComPads und noch einer mit hochwertigen Spielekonsolen in den Lagerhäusern von Larsaf III gelandet. Aber Wurmlochtechnologie, das war die Crux, dafür fehlten uns einige essentielle Komponenten. Sagen wir einmal, wir hatten den Schaltplan eines Computers, aber nichts, womit man einen Rechenkern hätte herstellen können. Wir waren auf primitive Verarbeitung angewiesen, und der Nachschub an allem, was wir noch gebraucht hätten, um eine moderne Industrie aus dem Boden zu stampfen, lag in Form von KryptoKonns auf dem Konto des ehemaligen Verwalters. Nun, vielleicht war das Geld auch schon im imperialen Etat aufgegangen, unwichtig. Auch Milliarden Konns bauen keine Werkstätten, dafür braucht man nicht nur Wissen – hätten wir uns aneignen können, sondern auch Werkzeuge – hätten wir immer weiter verfeinern müssen, ein Anfang mit einigen Freiwilligen war schon gemacht, und natürlich Werkstoffe und Arbeiter. Arbeiter zu rekrutieren wäre kein so unüberwindbar großes Problem gewesen, ich bin sicher, dass viele der Eingeborenen aus Afrika, besonders aus dem Nordwesten – ja, dort, wo heute Casablanca liegt, war einer der ältesten Siedlungsgebiete, nur lag die Stelle damals weit von der Küste entfernt. Sie werden es hören, Marie Anne. Ach, so etwa 300.000 Jahre zurück, von jetzigen Tag gerechnet, und schon fast Menschen wie heute. Dagegen die primitiven Europäer nördlich der Gebirgswälle genommen, ein riesiger Unterschied. Aber gut, wir hätten also Arbeitskräfte bekommen können. Doch die Werkstoffe! Hier begann das Problem so richtig, wir hatten zwar beinahe alles! Aber eben nur beinahe! Ein bestimmtes Mineral, ein x – dimensional schwingender Quarzsand, wir nannten ihn Hyphum, war weder auf der Erde, noch auf der Venus oder dem Mars aufzutreiben. Man benötigt davon nur winzige Mengen, wenige Milligramm als Katalysator, aber ganz ohne geht überhaupt und gar nichts. Wie Perry Rhodan dann an Hyphum kam? Ein Abfallprodukt, als Atlantis unterging, blieb genug davon übrig, im ganzen System. Natürliche Vorkommen gibt es nur in Systemen, die um eine Sonne der Klasse F kreisen, ausschließlich. Vorkommen von aufbereitetem Hyphum gibt es wesentlich öfter, damals dachte ich mir nichts dabei, es war einfach ein weiteres Mysterium des Universums. Heute frage ich mich… Ja, Reggys System ist sehr reich an natürlichem Hyphum, und nicht nur Starlights hat mit der Aufbereitung begonnen, auch die GCC. Eine Ware, mit der beide Gesellschaften keinen Handel treiben, sondern ausschließlich Vorräte für den Eigenbedarf anlegen. Die UNO bekommt dafür so schöne Spielzeuge wie die VIRIBUS, fix fertig und bewaffnet.
Nach erfolgtem Umbau der Kreuzer begann wieder das Warten, in modernen Kriegen ist es nicht ungewöhnlich, dass die meiste Zeit mit Warten verbracht wird, dann allerdings erfolgt ein heftiger Ausbruch an Hektik und brutaler Gewalt. Dieses Mal sollte es, wie das letzte Mal schon, nur eine kurze Wartezeit werden, die Ereignisse kamen in immer kürzeren Intervallen und wurden dabei stärker. „Schwerer Kreuzer A’PANTU ruft Larsaf III.“ Wieder wurde es hektisch, ich selbst war eben in meinem Büro in Atlantis bei einer Besprechung, also stellte die Zentrale gleich eine Konferenzschaltung zu dem Kommandanten her. „Larsaf hört!“ meldete ich mich. „Energieausbrüche auf Larsaf IV, Erhabener, wir beginnen mit dem Beschuss!“ kurz und knapp gingen Meldungen hin und her, gleichzeitig konnten sowohl wir in meinem Arbeitsraum als auch die Besatzung in der Kommandozentrale auf dem Bildschirm die Geschehnisse verfolgen. Dieses mal konnten wir dem Vordringen der Energiewand zumindest ein wenig Paroli bieten, nicht viel, aber an einigen Stellen kam es – na ja, zu so etwas wie Löchern. Es flimmerte und waberte, es ist schwer zu beschreiben, es leuchtete an einigen mehreren Kilometer großen, runden, von roten Blitzen in allen Schattierungen umgebenen Stellen purpurrot hindurch. Auf unserer Seite der Energiewand war ein üppiges, grünes Feld zu sehen, das sich im Wind bewegte, dahinter war alles rot in rot, starr, unbeweglich, tot, ein deprimierender Anblick. Einmal konnten wir sogar eines dieser Phantomschiffe einige Zeit im Triebwerksstrahl aus den Waffenkuppeln behalten, und dieses Mal schlugen einige Impulsstrahlen sogar in dem Körper ein, statt wie bisher einfach hindurch zu gehen. Später konnten die Spür- und Analysetrupps tatsächlich Spuren einer unbekannten Legierung auf dem Mars finden, unsere Waffen hatten also durchaus Schäden angerichtet, zum ersten Mal. Auf jeden Fall ein kleiner Fortschritt, und die Hyperphysiker stürzten sich auf die neuen Ergebnisse wie die Geier. Sie wollten diese Gefahr ja ebenso wie wir anderen um jeden Preis eliminieren, und Thalma fand Mittel und Wege, mich von den Wissenschaftlern fern zu halten.
Es ist schon erstaunlich, wie sehr man sich an das Leben unter Gefahr gewöhnte. Ich meine es so, diese Aufrissfronten konnten jederzeit wieder auftreten, diesmal vielleicht auch auf der Erde. Irgendwann einmal sogar ganz sicher auch auf der Erde, das war eine statistisch berechnete Gewissheit. Die Methans würden auch nicht ewig auf sich warten lassen, immerhin waren sie überall auf dem Vormarsch und konnten leicht ein Geschwader für ein kleines Scharmützel in diesem System entbehren. Unser Leben war, soweit ich das beurteilen konnte, nicht mehr viel wert, eigentlich war es nur noch geborgte Zeit. Trotz, oder vielleicht auch wegen all der Gefahren, der Nähe des Todes, mit dem wir beinahe stündlich rechnen mussten, dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, lebten wir – oder zumindest ich – sehr viel intensiver. Die Farben waren leuchtender, die Geräusche klarer, die Gefühle intensiver und Thalmas Parfüm… ‚ist’s denn Unrecht, wenn ich für euch erglühte, und Schmach, wenn ich in eurer Leibes Pracht, die Samt und Seide neidisch überdacht, gedankenvoll mit meinen Wünschen wüte!‘ dichtete etwa Rabelais, und nein, für mich war es kein Unrecht. Niemals! Thalma teilte einen Teil meiner Interessen, manche davon sogar mit der ihr eigenen Leidenschaft, besonders den Teil mit ‚in Eurer Leibes Pracht’.
Ich nutzte die Zeit natürlich auch für ausgedehnte Exkursionen, so besuchte ich die gigantischen Gletscher, die nur allmählich abgeschmolzen und große Teile der Erde in den nördlichen und südlichen gemäßigten Breiten bedeckten. Ich werde übrigens nie verstehen, warum man Eis in Whisky oder andere Schnäpse geben sollte, die Kälte nimmt das ganze Aroma und lässt nur die Schärfe zurück. Na gut, bei Wodka ist es besser, je kälter er serviert wird, aber sonst? Zwei, drei Tropfen Wasser, bei Zimmertemperatur… Schon gut, ich weiß, ich schweife schon wieder ab, verzeihen Sie einem alten Mann. Ich erkundete also die Höhlenmalereien und Inkahar doCalê machte mich mit dem Eingeborenen-Programm vertraut. „Es ist erstaunlich, Erhabener”, erzählte er mir, „diese Primitiven sind, wenn man ihnen einmal Grundlagen eines neuen Wissens vermittelt hat, ganz schnell in der Lage, eine Idee weiter zu entwickeln. Wir haben diesen Menschen gezeigt, wie man einfachste Bastschnüre herstellt und um die Lenden wickelt, um die Geschlechtsorgane zu schützen, wenn man durch dorniges Gestrüpp geht. Seht selbst, es dauerte gar nicht lange, und die Frauen banden sich solche Bänder um die Brüste, um die auch zu schützen. Aus den dicken Schnüren, die wir ihnen zeigten, weil Bastfasern leicht zu verdrehen sind, machten sie von sich aus dünne, aus denen sie immer feinmaschigere Netze knüpften. Etwa nach einem Jahr zeigten wir ihnen, wie man aus Fäden Stoffe weben kann, mit einfachen Rahmen, sie nahmen es begierig auf und erfanden – eine Nähnadel aus einem Stück Knochen. Mit einem Öhr. Dann sahen sie einen Matrosen, der seine Sportschuhe auszog, sie beobachteten ihn und seine Fußbekleidung ganz genau und trugen nur Tage später Bastsandalen, mit denen sie an den Badeseen von Arkon II nicht aufgefallen wären. Gebieter, diese Menschen sind primitiv, dumm sind sie nicht!“ Ich sah mir die Gemeinschaft an, die im See unter einem Wasserfall badete. Sie hielten sich sauber, so viel konnte man sagen, und sie schienen durchaus Spaß im Wasser zu haben, sie lachten, bewarfen einander mit Wasser und machten all die Dinge, die auch arkonidische Familien machten, wenn sie schwimmen gingen. Nun gut, die dichten Haare unter den Armen und im Schambereich waren etwas unästhetisch, aber diese Haare weggedacht, das Haupthaar mit einem ordentlichen Schnitt versehen, vielleicht noch ein wenig grobknochig, mit kräftiger Muskulatur, eher klein und untersetzt, aber durchaus schon ansehnlich. Die Männer hatten etwas mehr Haar, am ganzen Körper und im Gesicht, aber – die Frauen dieses Stammes war optisch wirklich schon ganz hübsch, einsame Arkoniden der unteren Schichten würden wohl bald um eine Eheerlaubnis ansuchen. „Es gibt mehr von diesen Menschen, Erhabener. Hier sind nur einige, wir haben auch auf dem afrikanischen Kontinent einige viel versprechende Talente gefunden. Beinahe ebenso intelligent wie diese Gruppe, aber die hier ist unser Stolz. Wir vom Eingeborenenprogramm sind neugierig, wie sie sich entwickeln.“ Heute könnte ich es ihm sagen, sie entwickelten ohne technische Hilfsmittel ein Reich, das sich über die gesamten Anden erstreckte und dessen Herrscher Inka genannt wurde. Der Sohn der Sonne, wahrscheinlich wegen des schimmernden, diskusförmigen Gleiter, den Inkahar zu fliegen pflegte und der manchmal in der Sonne richtig golden glänzte. Ein Spleen von ihm. Die Schüler Inkahars bauten am Mississippi eine Stadt namens Cahokia, mit tausenden Einwohnern und dutzenden künstlichen Hügeln. Großen Hügeln. Unter einem Lehrer mit Namen Hiawatha gründeten fünf Völker einen Bund, die erste wirkliche Demokratie, eine, die nicht den größten Teil der Bevölkerung auf Grund eines falschen Geburtsortes oder der falschen Genitalien einfach ausschloss, und die erste funktionierende soziale Strukturen lebte. Jeder gab in den Topf, was er hatte, jeder bekam, was er brauchte. War etwas zu essen da, waren alle satt, war nichts da, hungerten alle gleich. Vom Häuptling bis zum einfachen Jäger, eigentlich, wenn man von der Technik absah, waren die Langen Häuser der Irokesen fortschrittlicher als wir Arkoniden. Und sie bauten riesige Stufenpyramiden und opferten tausende Gefangene – der Sonne.
Manchmal begleitete Tarts meine Ausflüge, manchmal flog ich allein, zumeist aber war Thalma an meiner Seite. Nach den Berichten des Marine- und des Kolonial-Geheimdienstes galten wir in Port Atlantis schon beinahe als Ehepartner. Oder zumindest ‚verlobt‘. Allerdings, und das war erfreulich, ohne Ressentiments, die Bewohner sahen darin erstaunlicherweise keine Gefahr einer Befangenheit. Thalma hatte sich in den etwas über siebzehn Jahren ihrer Amtszeit einen überaus guten Ruf aufgebaut, der jetzt auch auf mich übertragen zu werden schien.
Thalma und ich unternahmen ausgedehnte Unternehmungen. Wir liebten uns langsam und zärtlich auf den roten Tafelbergen in Nordamerika bei Morgengrauen, und ich konnte hinter Thalmas Silhouette beobachteten, wie die Sonne über den zerklüfteten Canyons aufging, ihren wundervollen Körper in flüssiges Gold zu tauchen schien, eine eigentümliche Stimmung ergriff uns inmitten dieser kargen und doch so schönen Wüste aus – Eisenoxyd. Rost, Marie Anne. Heute noch gibt es diese Wüste, man nennt sie Monument Valley.
Wir waren stürmisch bei der Sache, dort am großen Katarakt in Afrika, den die Einwohner heute ‚donnender Rauch‘ und die Europäer Victoria Falls nennen. Das Donnern des Wassers war unterhalb der breiten Kaskaden ohrenbetäubend, überall war Gischt, wir wurden von dem Sprühnebel am gesamten Körper nass. Wir warfen einfach unsere Kleider in den Gleiter, flogen nackt, wie wir waren, den Sambesi abwärts und legten uns auf einer Insel zum trocknen auf einer Decke in den heißen Sand.
Wir flüsterten liebevolle Nichtigkeiten und genossen die Wärme des Abends auf dem gigantischen Monolithen des kleinen, südlichen Kontinents und vergasen eng aneinander gekuschelt die Kälte in einer rasch aufgebauten Reiseunterkunft, als wir bei unserem Besuch der höchsten Berge im Osten des nördlichen Riesenkontinents vom Schneesturm überrascht wurden. Im Freien tobte beinahe ein Orkan, der Tonnen von Schnee mit sich riss, wir wussten, dass wir den Morgen vielleicht nicht mehr erleben würden, und doch, ich kann mich noch an die Eiskristalle in ihren Wimpern erinnern, als wir die Gravanker ausgebracht hatten und endlich den Einstieg verschließen konnten, an das Glänzen in ihren rostroten Augen, das feuchte Schimmern ihrer Lippen. Ich küsste ihr den Schnee von den Augen, sie warf die Kapuze ihres Parkas zurück und… Ich bin wohl schon wieder ein wenig zu sehr ins Schwärmen geraten, bitte entschuldigen Sie, Marie Anne.
*
Es konnte wohl nicht lange genug ruhig bleiben, um wirklich eine Lösung zu finden, so viel Glück hat man in den seltensten Fällen im normalen Leben. Nur Drehbuchautoren schaffen es immer wieder, für die abstrusesten Verwicklungen und Zufälle eine halbwegs logische Erklärung zu finden und den Helden mit übermenschlichen Kräften und unschlagbaren Möglichkeiten auszustatten. Ich war kein Held, und auch sicher nicht unbezwinglich, meine Superkräfte werden Sie umsonst suchen. Ich hatte mehr Glück als Verstand, und ich hatte Helfer, zuerst Tarts allein, jetzt kam auch Thalma dazu. Und trotzdem, es war zu bald, viel zu bald, dass die Hyperorter extrem stark ausschlugen, in einem System, etwa doppelt so weit wie die Wega entfernt, so ungefähr die gleiche Richtung, ein ‚wenig links ab, an der Milchstraße rechts vorbei…‘ Und statt bald wieder auf Normalwert zu sinken, blieb die Strahlung auf diesem extrem hohen Niveau. Die angemessenen Energien hatten große Ähnlichkeiten mit denen der Aufrissfronten, also gab ich einem leichten Kreuzer mit starken Triebwerken und Schutzschilden den Befehl zur Aufklärung. Die QUE’IBER hatte 100 Meter Durchmesser, raste mit ihren 32 überdimensionierten Triebwerken aus dem System und ging so bald es möglich war, in den Transit. Ich vertraute dem Kapitän des Aufklärungskreuzers, trotzdem begann jetzt wieder nervenzermürbendes warten, warten auf die Rückkehr des kleinen Kurierschiffchens. Ich erkenne die Notwendigkeit von warten an, Marie Anne, aber gefallen hat es mir nie, bis heute nicht. Aus Sicherheitsgründen verwendeten wir keinen Hyperfunk, wir wollten uns keine Methans hier her holen, nicht früher, als es sowieso geschehen würde. „Transit!“ kam der Ruf aus dem Ortungsraum. „Vereinbar mit dem Muster eines schnellen Kreuzers! Transponder zeichnet! Es ist die QUE’IBER!“ Ein synchrones Seufzen kam aus den Herzen der im Raum Anwesenden.
Die Videos, welche die QUE’IBER zurück brachte, waren allerdings erschreckend. Ein Zwischending von Trichter und Spalt, dunkelrot glühend, unheimlich. „Wir hatten Mühe, nicht in das Gebilde zu driften, Gebieter. Und seht! Seltsam langsame Flugkörper, die Form ähnlich den Phantomschiffen kamen hervor und schwärmten in alle Richtungen aus. Ziel unbekannt, aber sie sind sehr träge. Wir konnten leicht ausweichen!“ Mein Extrasinn meldete sich. „Sie suchen nach euch! Ihr müsst euch bereitmachen!“ warnte er eindringlich. Ja, Perry Rhodans Team hat für diese Flüge eine andere Theorie, es sollen so etwas wie Saatschiffe gewesen sein. Ich gestehe, dass ich damals weit von dieser Idee entfernt war, ich dachte naheliegender. Ich seufzte beim Anblick der Fakten. Also, Flotte in Bereitschaft, ein Teil immer im Orbit. Gleichzeitig wurde mir schmerzhaft bewusst, wie wenig wir über unseren Feind wussten, vielleicht bot sich jetzt aber eine Gelegenheit. Wir hatten zwar überhaupt keine Chance, also nutzten wir sie.
„Leutnant Quintar daZoltral meldet sich wie befohlen zur Stelle!“ Ein hagerer, junger Mann hatte sich vor meinem Schreibtisch aufgestellt und bellte in mustergültiger Kasernenhofhaltung seine Meldung, während ich ihn ansah. Ich erinnerte mich an die Akte, die Tarts mir überspielt hatte. Frisch aus der Akademie, hatte er geheiratet, seine Frau geschwängert, er hatte einen Sohn gezeugt, und sich danach zum Dienst in der Flotte gemeldet. Ein Vorbild für alle Arkoniden, seine Pflicht gegenüber Imperator und Imperium vorbildlich erfüllt! Zack – Zack, jawoll ja! Als aufstrebendem, jungem und vor allem diensteifrigem Offizier hatte die Admiralität ihm das Kommando über die A-14/5/129 gegeben, er war mit knapp vor unserem Aufbruch mit einigen ähnlichen neuen Booten zu uns gestoßen. Also, hinter der Bezeichnung steckt einfach ein Aufklärungsboot der Reihe 14 – das Rumpfmuster bezeichnend, Serie 5, die Ausstattung als Aufklärer, laufende Nummer 129. Eine ganz neue, moderne Technik in altem Design. Die alten Dreizehner waren zu billig gebaut worden, keine ordentlichen Triebwerke und schwache Schilde. Die Vierzehner – und hier besonders die Fünfer – hervorragend. Alle Vierzehner waren zylinderförmig, etwa 59 Meter lang, Durchmesser etwa 17. Ein mittlerer Ringwulst von stand noch einmal 6 Meter ab, mit einer Breite von 12 und beherbergte 10 Triebwerke, bei den Fünfern die Stärksten, das man in diesen Zwergen überhaupt unterbringen konnte, eine Beschleunigung, die nur von leichten Abfangjägern übertroffen wurde. Die Schilde machten beinahe denen eines Kreuzers Konkurrenz, die Sprungaggregate waren für dreihundert Lichtjahre am Stück gut. Ein Kommandant, drei Schichten zu je drei Besatzungsmitgliedern, in Summe zehn Mann. Weniger schön war, dass man stark bei der Bewaffnung eingespart hatte, zwei Thermos- und zwei Desintegratorbatterien mit je drei schweren Geschützen, je eine im Bug und eine im Heck, mussten – dem Konstrukteur und dem Hersteller zufolge – einfach reichen. Soweit man von einem Bug oder Heck sprechen konnte, beide waren absolut ident, und sollten es auch sein. Nun – ja, klar, ein Späher braucht wirklich nicht viel Feuerkraft, schnell rein, noch schneller weg, keine Feindberührung, Informationen nach Hause bringen. Aber ich für meinen Teil habe gerne etwas, das im Ernstfall ein wenig Schaden anrichtet. Leider kann man aber nicht alles haben, und die kleinen Biester konnten schon etwas.
Ich reichte dem Leutnant seine Befehle. „Hier stehen alle Einzelheiten, Leutnant. Ich möchte noch einmal betonen, dass die Informationen, die Sie besorgen sollen, essentiell für den Bestand dieser Kolonie sind! Keine Heldentaten, junger Mann!“ Sie lachen schon wieder, Frau Doktor? Weil ich den Leutnant einen jungen Mann nannte? Im Vergleich zu meinen 47 Jahren war er das, ich war immerhin mehr als doppelt so alt! „Ihr Befehl lautet: hinfliegen, umsehen, zurückkommen. Alles klar?“ „Klar, erhabener Admiral!“ wieder fühlte ich mich, als wäre ich auf einem Kasernenhof. „Dann leisten Sie gute Arbeit im Namen des Imperators!“ „Gebieter! Leutnant daZoltral meldet sich ab!“ ein schneidigen Salut und weg war er. Die QUE’IBER sollte ihm bis in den Sektor des Aufrisses Geleit geben und sein Eintauchen beobachte, aufzeichnen und mit allen Instrumenten vermessen. Als die der schwere Kreuzer zurückkehrte, konnten wir auf der Aufzeichnung seinen Kurs verfolgen, bis er in diese seltsame Raumverformung eintrat, die nur wenig später in sich zusammenbrach. Ich schlug mit der Faust auf den Tisch und fluchte unbeherrscht, nicht zum ersten Mal in meinem Leben, aber zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit. Die Nerven, Sie verstehen?
Ich stürmte aus dem Kommandoraum und ich bedauerte, die Tür nicht laut zuschlagen zu können. Emotional geht den automatischen Türen viel verloren, Frau Doktor, nicht immer ist ein Fortschritt auch wirklich eine Verbesserung. In meiner Frustration suchte ich die Dachebene des öffentlichen Gebäudes von Atlantis auf, um den nahen Ozean zu betrachten. Dieser Anblick, ich weiß nicht warum, hatte schon immer etwas Beruhigendes für mich, obschon auf Arkon I keine wirklich große Wassermasse mehr existiert. Aber in meinen Jahren der Flucht hatte nur zu oft ein Meer oder ein großer See meinen Unterschlupf getarnt. Meine Gedanken überschlugen sich. ‚Keine Idee?‘ wandte ich mich sarkastisch an meinen Logiksektor, doch auch das Extrahirn konnte keine Antwort finden. Wieder eine Möglich verpasst, etwas zu erfahren. Ich kann heute nicht mehr sagen, wie lange ich in Selbstmitleid badete, aber – nun es war früher Abend, als ich die Plattform betrat, und tiefe Nacht, als ich aus meinen Grübeleien geweckt wurde. Ich sah schon lange kein Meer mehr, roch aber die würzige Seeluft, zwei Arme umschlangen mich von hinten. „Du warst lange hier oben, Atlan. Wirst Du nicht müde?“ Thalmas Stimme, sie hatte mir viel Zeit gegeben, mich wieder zu finden. Ich stützte meine Arme auf das Geländer und schüttelte den Kopf, Thalma legte ihre Wange auf meinen Rücken. „Wir finden eine neue Möglichkeit. Irgendwie wird es schon klappen. Weise mich jetzt nicht zurück, bitte!“ Ich drehte mich um, ihr Gesicht lag jetzt an meiner Brust. „Ich weise Dich nicht zurück, Geliebte. Es ist nur…“ mir traten die Tränen aus den Augen, und der Kristallprinz von Arkon heulte wie ein kleines Kind, brüllte zwischendurch wie ein irrer Stier, ich war danach befreit wie schon lange nicht mehr. Alles brach aus mir heraus, was sich lange Jahre aufgestaut hatte, und Thalma verstand mich, hielt mich nur im Arm, flüsterte tröstende Worte. Marie Anne, hier verliebte ich mich auf eine völlig neue Art in Thalma, wie ich es vorher nie gefühlt hatte, eine Liebe, die nichts mit ihrem Körper, aber sehr viel, nein, alles mit ihr als Person zu tun hatte.
„Admiral! Gebieter!“ rief mich ein Adjutant über die Gegensprechanlage meines Zimmers, er musste direkt vor meiner Tür stehen. „Administrator Thalma dalZarmol bittet den Erhabenen so schnell wie möglich zur Zentrale und kann seine Erhabenheit nicht fernmündlich erreichen!“ Ich wandte mich um, immer noch müde und ziemlich hoffnungslos, öffnete die Tür. „Was gibt es denn?“ was fragte ich desinteressiert, aber immerhin war ich immer noch der Chef von den Haufen hier, oder musste zumindest so tun, als ob. „Es ist erneut ein Trichter erschienen, dieses Mal im System der Sonne Wega, wo wir….“ Ich hörte nicht weiter zu und rannte los. „Wo?“ schrie ich, als ich den Kommandoraum endlich, endlich erreichte. Einige endlose Zahlenreihen, die eigentlich nur für einem ausgebildeten Kosmogator verständlich waren, kamen zur Antwort auf den Schirm, aber zum Glück sagten mir die Angaben genug, um den entsprechenden Sektor sofort auszumachen. „Vergrößern und Anzeigen!“ rief ich, und der entsprechende Bereich wurde herangezoomt. Dieses Mal war der Aufrisstrichter nahe genug, um mit den passiven Geräten nicht nur als vorhanden wahrgenommen zu werden, sondern als messbare Form und Größe. Es gab, und gibt diese Passivorter selbstverständlich immer noch, auch für überlichtschnelle Wellen und Partikel. Und dieses Gebilde strahlte massive Hyperwellen aus, allerdings mit relativ geringer Reichweite. „Ortungen?“ bellte ich wenig höflich, die ruhige Stimme der Offizierin am Hyperorter wirkte wie Balsam auf meine Nerven. „Bisher keine Ortungen, Erhabener!“
„Die neue Öffnung ist sehr viel näher als die alte.” Tarts zeigte, wie immer, wenn er stark beunruhigt war, sein Tavlaka-Gesicht. Was Tavlaka ist? Ein Spiel, bei dem es oft um hohe, manchmal sehr hohe Einsätze geht und es wichtig ist… ach was, sagen wir doch einfach Poker. Also, Tarts zeigte ein völlig ausdrucksloses Gesicht, und ich wusste, jetzt macht sich der alte Riese Sorgen. ‚Nicht nur er!‘ flüsterte der Extrasinn. ‚Ihr alle habt doch alle im Moment zumindest das Herz in der Hose!‘ Nun, ja, schon, warum es abstreiten? Wozu gibt es wohl Wäschereien ab Bord. ‚Wer keine Angst hat, kann nicht mutig sein. Nebenbei ist er ein Idiot!‘ Bob Heinlein. Ein sehr viel besserer Erzähler, als ich es je sein könnte. Aber ich erinnere mich noch, wie wir damals über Unsterblichkeit sprachen, und über genug Zeit, um zu lieben. Oder geliebt zu werden, wenn es auch… – nein, ein anderes Mal. „Bedeutet das, sie haben uns gefunden oder suchen sie uns noch?“ stellte Thalma rein rhetorisch die Frage, die uns alle beschäftigte. Und die niemand beantworten konnte, noch nicht einmal unsere Extrasinne.
„ORTUNG!“ Domatas Ruf riss uns abrupt aus unseren Überlegungen, „RUF CHA!“ übertönte die Stimme des Kommunikationsoffiziers die letzte Silbe. Ruf CHA war das Kürzel, der Code, mit dem der dringlichste Anruf über Hyperwelle angekündigt wurde, wehe dem Offizier, der diesen Code leichtfertig benutzte. Ich wusste, das jetzt automatisch alle Speichergeräte zugeschaltet wurden, um jedes noch so kleine empfangene Datenfragment, jedes Wort, jedes Bild zu speichern, zu entzerren, entpacken, defragmentieren, analysierten und was weiß ich noch alles zu unternehmen. ‚Die 5/129!‘ meldete sich aufgeregt der Extrasinn, wohl nicht nur meiner. ‚Vielleicht hat sie ja doch überlebt!‘
Auf einem Großbildschirm im Kommunikationsbereich entstand ein Bild, gleich-zeitig knackte es leise in den Lautsprechern. Nein, sie waren nicht so schlecht, dass es ständig Nebengeräusche gab, das Knacken bedeutete wie das Blitzen der Bildschirme nur ‚Achtung, jetzt beginnt etwas‘. Ein programmiertes Analogon zum menschlichen Räuspern, zur Bequemlichkeit der Benutzer. Quintar daZoltral blickte vom Schirm und meldete kurz: „Datenübertragung jetzt!“ Ein leises Zirpen – auch ein programmierte Signal – bestätigte uns den Empfang eines umfangreichen Datenpaketes. Von der Ortung bis zum Zirpen – wenige Sekunden. Effizienz pur. ‚Ein guter Mann‘ kommentierte der Extrasinn. ‚Ein sehr guter Mann‘ pflichtete ich stumm bei.
Nachdem er die Daten auf den Weg gebracht hatte, salutierte Quintar in seiner Kasernenhofmanier. „Euer Erhabenheit, Leutnant Quintar daZoltral meldet sich vom Einsatz zurück. Befehl ausgeführt!“ Ich trat vor und erwiderte den Gruß ebenso formell. „Gute Arbeit, Leutnant! Fliegen Sie zur Basis Larsaf III, Sie haben sich die Erholung mehr als verdient. Ich erwarte…“ „Erbitte Sprecherlaubnis!“ alle blickten indigniert zum Com-Schirm. Ein Leutnant, der einen Admiral unterbrach? ‚Da ist etwas im Wartungsschacht! Der Mann muss eilig noch etwas los werden!‘ tobte der Extrasinn. Ich winkte Tarts, der eben tief Luft holte – sicher für eine Strafpredigt – hastig ab. „Reden Sie!“ rief ich ihm zu, jetzt konnte ich auch verdächtige Geräusche im Hintergrund der Übertragung wahrnehmen. ‚DER REAKTOR‘ brüllte der Logiksektor. ‚ER IST KNAPP VOR DER EXPLOSION!‘ Quintar lächelte müde. „Kurzrapport. Einflug Trichter, Passage optisch wie durch Tunnel, Planet Klasse C, riesige Maschinenanlagen. Auswurf passiv ortender Sonden, Kurztransition. Ortung, Trichter drüben in anderer Ebene gut feststellbar, weitere Transitionen. Letzter Sprung Richtung Trichtersystem, mit hoher Beschleunigung Kurs auf Trichter genommen, Daten von Sonden abgerufen. Unter schwerem Feuer Rückkehr durch ‚Schlauch‘ und ‚Trichter‘. Einige Treffer erhalten. Feuer auf der Brücke unter Kontrolle, aber der Reaktor ist, mit Verlaub, im Darmausgang.“ Er benutzte ein zotiges, sehr obszönes Wort, gegen das der terranische Begriff ‚Arsch’ noch recht harmlos ist, hätte er den Begriff auf einem Ball in einem der Häuser benutzt, einige der Herren wären in Ohnmacht gefallen, die Damen hätten ihn geohrfeigt. „Erhabener, Leutnant Quintar daZoltral meldet sich vom Dienst am Imperator ab!“ „Eine Bergungseinheit nach Rofus!“ brüllte ich lauthals. „Dalli!“ und wieder zum Schirm gewandt: „Oberleutnant, wir versuchen Sie rechtzeitig zu erreichen. Schalten Sie alle unwichtigen Geräte ab und schonen Sie den Reaktor. Der Tender 18-3 ist unterwegs. Hervorragende Arbeit, Oberleutnant!“ „Danke, Erhab…“ ein einfarbig grüner Schirm glänzte, die Lautsprecher waren still. „Von Ortung“ flüsterte Domatas samtige Stimme. „Energieausbrüche. Vereinbar mit Explosion eines Aufklärers der Dreizehnfünfer Klasse.“ Ich nickte und straffe meine Haltung. „Datenübertragung positiv?“ fragte ich, das Leben musste weitergehen. Wie ein tiefer Atemzug ging es durch den Raum. „Dateneingang positiv!“ bestätigte der Kommunikationsoffizier. Die typischen Geräusche einer auf Hochtouren arbeitenden Menschenmenge, die leisen Geräusche der Rollsessel, Gesprächsfragmente, die einprogrammierten Signale der Neuronik drangen wieder in mein Bewusstsein. Warum ich ihn noch befördert habe, obwohl ich wusste, dass er nicht überlebte? Seine Witwe konnte die bessere Rente brauchen, und das Kind eines Helden hat bessere Chancen. Die Zoltrals waren zwar alt und vornehm, aber damals ziemlich pleite. Nun ja, Ypriggia, die Witwe Quintars legte den Grundstein für ihr Comeback, fragen sie nur einmal Crest. Daher beförderte ich die gesamte Besatzung posthum, in der Hoffnung, Arkon diesen Umstand auch mitteilen zu können.
„Verbindung zu Konteradmiral Fartuulon!“ breitbeinig blieb ich in der Zentrale stehen. „Verbindung aufrecht, Erhabenheit!“ „Schlachtschiff MILL’ACON, Konteradmiral Fartuulon meldet sich wie befohlen!“ Ich nickte dem Veteran zu der einen eher nachlässigen Salut und sein berühmtes Grinsen zeigte. „Konteradmiral, stellen Sie ein Geschwader zusammen und begeben Sie sich in das System des Sternes Wega. Ihr Auftrag ist die Überwachung des eben entstandenen Aufrisstrichters. Führen Sie Messungen durch und überprüfen Sie eventuellen Verkehr.“ Mein Tonfall änderte sich, wurde weniger formell. „Ich möchte Ihnen bei der Auswahl der Schiffe nichts vorschreiben, Fartuulon, würde Ihnen jedoch die schweren Kreuzer BRO’HAAUS und MOLL’KARS empfehlen. Beides sind Einheiten mit den umgebauten Triebwerken in den Geschützständen. Ansonsten denke ich, sind Sie derzeit mit leichten, schnellen Einheiten gut beraten.“ „Selbstverständlich, Erhabenheit!“ wieder dieser lässige Salut, mit dem Fartuulon schon immer höhere Offiziere in Wut versetzt hatte. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum er nie höher als zum Konteradmiral aufgestiegen war. Und natürlich das fehlende ‚da‘ ‚ob’ ‚irgendwas’ im Namen. Ach so, ‚da‘ maskulinum und ‚dal‘ femininum entsprechen ziemlich dem irdischen ‚von‘ bei den allerhöchsten Familien. Ich mochte den Alten, der schon zu Lebzeiten so etwas wie eine Legende geworden war, sehr und vertraute ihm blind. Er hatte sich tatsächlich als Sohn einer nichtadeligen Familie vom kleinen Spaceman zum Offizier hochgearbeitet, für seine Bestallung zuerst zum Kapitän eines Schlachtschiffes und dann zum Admiral zeichnete ich verantwortlich, höher konnte ihn nur die Admiralität befördern. Ich hatte ihn dafür empfohlen, jetzt war ich froh, den Haudegen noch bei mir zu haben. „Dann, Konteradmiral Fartuulon“, verabschiedete ich ihn mit der alten Formel, „leisten Sie gute Arbeit im Namen des Imperators!“ „Melde mich ab, Prinz!“ kam die Bestätigung.
Natürlich ist es für jeden verantwortungsvollen Offizier schrecklich, Untergebene zu verlieren. Es geht einem immer Nahe, es ist eine immense Belastung, obwohl ich den Verlust der 129 schon als Wahrscheinlichkeit einkalkuliert hatte, noch bevor ich daZoltral den Befehl zur Mission gab. Der militärische Beruf birgt immer, IMMER das Risiko eines gewaltsamen Todes in sich, man darf sich nicht von der hübschen Uniform mit den bunten Bändern täuschen lassen. Unser Geschäft, unser Beruf ist der Tod, der eigene oder der eines anderen.
Marie Anne, ich habe in meinem Leben einigen tausend intelligenten Wesen direkt oder indirekt das Leben genommen. Arkoniden, Methans, Insektoiden, Menschen. Indem ich bestimmte Befehle gab oder ganz persönlich eigenhändig. Aus der Entfernung oder Auge in Auge auf Tuchfühlung. Mit so gut wie jeder Waffe, die sie sich vorstellen können oder der bloßen Hand. Sehen sie her, von diesen Fingern wäscht nichts und niemand das Blut ab, das an ihnen klebt. Oh ja, es war immer für den höheren Zweck! Bullenscheiße! Es ging sie oder wir, er oder ich, der eine gewinnt, der andere verliert. Der höhere Zweck des Krieges gegen die Methans war, dass wir uns nicht unterwerfen wollten, und wahrscheinlich erzählte damals der kommandierende Admiral der Methans seinen Leuten den gleichen Mist wie ich den meinen! Für die Heimat und den Imperator! HA!
Sie können mir glauben, es ist mir damals nicht leicht gefallen, ein Himmelfahrtskommando anzuordnen, und seither noch schwerer geworden. Und es darf nie leicht werden, sonst sollte man diesen Offizier aus dem Dienst entfernen. Aber wenn ein Verlust eine größere Anzahl von Leben retten kann, soll, muss man dann nicht bereit sein, solche Befehle zu geben? Das ist der Grund, warum ich damals wie heute immer gefährliche Missionen manchmal selber durchführe. Im Endeffekt kann man immer nur versuchen, den Schaden nach Möglichkeit zu minimieren, auf das Beste hoffen – und mit dem Schlimmsten rechnen.
*
Die Daten der 129 waren mehr Wert als drei Goldminen. Selbstverständlich war mein erster Befehl, diese Informationen auf möglichst viele Speicher zu kopieren und mittels einiger Kurierdrohnen ins Heimatsystem zu senden, mit der Bitte und Auswertung und neuen Befehlen, Verstärkung erhoffte ich keine. Auswertungen bekam ich rasch zurück, bei den Befehlen kam nur ein lapidares ‚bitte warten und das System halten‘. Die Hyper-, Meta- Quanten- und anderen -Physiker waren total geschockt. Einige bisher heilig angesehene Dogmen waren von jetzt auf gleich nicht einmal mehr die Folie, auf der sie gedruckt standen und den Speicherplatz in den B-Readern wert. Makulatur, auf dem Schuttabladeplatz der Geschichte gelandet. Dennoch überwanden die Wissenschaftler der großen Universität auf Arkon ihre Überraschung erstaunlich schnell und übermittelten die Informationen, natürlich wieder per Drohne. Eine Kurierdrohne ist im Prinzip ein KI-Rechner, ein überstarkes Triebwerk und ein Transitionsaggregat, dazu ein winziger Platz für eine Nachrichtenkapsel. Da keine lebenden Zellen durch den Sprung angegriffen werden, können diese Drohnen die Strecke, sagen wir mal Erde – Arkon, in zwei oder drei rasch aufeinanderfolgenden Sprüngen absolvieren. Der Ein- und Austritt aus einem Wurmloch ist mit physischen und psychischen Schmerzen verbunden, zu viele Eintritte und zu lange Strecken können gesundheitliche Schäden hervorrufen. Nach einem Flug über diese Strecke von Arkon zum Larsaf System sind die Antriebe, sowohl Über- als auch Unterlicht, aber ziemlich ausgebrannt. Eine sehr sichere, extrem schnelle und vor allem exorbitant teure Methode zur Informationsübermittlung auf lange Distanzen, wenn es entweder keine Hyperfunkrelaisstationen gibt oder man auf Informationsübermittlung über Hyperwelle aus Sicherheitsgründen verzichten möchte. Heute natürlich veraltet, trotzdem habe ich die Produktion einiger Exemplare in Auftrag gegeben. Die terranische Wirtschaft wird es sich wohl leisten können. Hoffe ich doch.
Kurz gefasst aus den Antworten: ein anderes Universum, in welchem die Zeit anders, langsamer ablief. Eine Maschinerie, dazu geeignet, eine Bresche zwischen unserer Welt und jener anderen, die wir einfach ‚ROTLICHT‘ nannten – nach dem ständigen rötlichen Schein, der dort herrschte – zu schlagen. Oh, nein, nein. Bei uns Arkoniden gilt nicht rotes, sondern gelbes Licht als erotisch stimulierend. Rotlicht wird mit Gefahr und Kampf assoziiert, weil auf den Brücken der arkonidischen Kriegsschiffe im Alarmfall rotes Dämmerlicht herrscht. Daher wäre Gelblichtviertel das richtige Synonym.
Die ersten Überlappungsfronten hätten vielleicht noch natürlichen Ursprungs sein können, jene Trichter aber sicher nicht. Also gingen wir davon aus, dass auch schon die Überlappungsfronten absichtlich und gesteuert waren. Wenn ‚drüben’ die Zeit sehr viel langsamer verging, dann war dort zwischen den Fronten und dem Trichter kaum eine Zeitdifferenz, Sekunden, vielleicht nur Bruchteile vergangen. Begleitende Einschalteffekte? War der Sprung des Trichters eine von diesen Wesen nicht einmal registrierte Energieschwankung? Die Phantomschiffe befanden sich wohl noch zwischen den Welten, zumindest waren sie noch nicht ganz in unserer angekommen, für die Rotlichtbewohner vielleicht ein unmittelbarer Übergang, für uns Monate? Ich wurde verrückt, wenn ich lange darüber nachgrübelte. Alle Berechnungen gaben zur Theorie Anlass, dass auch die grob Arkonoid aussehenden Wesen aus dem anderen Universum ihre Technik noch nicht komplett im Griff hatten. Hofften wir zumindest. ‚Hoffnung ist der Seele Nahrung. Stirbt sie, stirbt der Mensch, mag sein Leib auch weiter atmen‘. Ein alter arkonidischer Philosoph.
Wir waren in einem Alptraum gefangen. Auf der einen Seite die Methans, die sicher über kurz oder lang ihren Weg nach Larsaf finden würden. Auf der anderen Seite eine unbekannte Rasse aus einem völlig anderen Kontinuum. Es war nur eines sicher, wir saßen bis über beide Ohren in der Sch….reibflüssigkeit. Ja, ich glaube, dass Fäkalien sich immer gut für Flüche und bildhafte Ausdrücke einer negativen Situation eignen. Wahrscheinlich fluchten sogar die Methans bei ihren Ausscheidungen – wenn sie Emotionen haben sollten. Anzunehmen bei höheren Lebewesen, aber nicht bewiesen. Die Flotte war in ständiger Alarmbereitschaft, den Besatzungen wurde kein Ausgang über Nacht mehr gewährt, sondern nur noch Stundenweise. Eine Ausnahme bildeten natürlich jene Matrosen, deren Schiffe in der Venuswerft überholt wurden, aber ganz ehrlich, so toll waren die auf dem Venusmond gelegenen Freizeitvergnügungen auch nicht, dass sie glühend beneidet wurden. Jetzt wurden auch die letzten alten Boote mit den veralteten Antrieben ausgeschlachtet, ihre Triebwerke fanden in den Geschützständen unserer Kreuzer einen neuen Verwendungszweck. Einige dieser Anlagen überließ ich auch Thalma, sie wurden in Forts rund um Port Atlantis verbracht und dort eingebaut. Wir genossen es, endlich wieder etwas zumindest halbwegs Sinnvolles unternehmen zu können. Ob es wirklich so viel Sinn machte, wie wir es uns einredeten, konnte nur die Zukunft zeigen, aber wir alle hofften, dass es jetzt doch mehr als blinder Aktionismus sein würde. Hoffen darf man immer, das ist nicht verboten. Ebenso wie irren. Ein Atlanismus, darf gerne benützt werden.
Fartuulon meldete sich über Hyperkom. „Erhabener, ich bitte, frei sprechen zu dürfen!“ Ich nahm hinter meinem Schreibtisch Platz und nickte ihm zu. „Seit wann fragst…. – sprich!“ Noch nie hatte ich den Mann derart ernst gesehen. Verschwunden war das Lächeln, mit dem er die riskantesten Befehle bestätigt hatte, die, wenn auch raue, Herzlichkeit. „Admiral, wir haben schwerwiegende Probleme. Diese Phantomschiffe, sie tauchen auf, jetzt direkt sicht- und ortbar, fliegen durch das System, zwischen den Gruppen des Geschwaders hindurch und verschwinden wieder. Immer knapp außerhalb der Reichweite unserer Schiffe. Jedes Mal jagen einige schnelle Schiffe los, doch ehe sie nahe genug für einen Waffeneinsatz heran sind, verschwinden die Käfer! Sie beschleunigen nicht, sie lösen sich scheinbar auf. Ich habe befohlen, dass bis auf weiteres keine Aktionen mehr gestartet werden, aber die Situation – also unsere Nerven liegen blank.“ „Wie ernst ist die Lage?“ noch während ich redete, holte ich die aktuellen Aufrüstungstabellen auf den Nebenmonitor. Gleichzeitig sandte der Rechner die Daten an die MILL’ACON, Fartuulon konnte gleich mitlesen. „Mehr als kritisch, Atlan. Bei den letzten Ortungen haben bereits einige Geschützmaaten einfach das Feuer eröffnet – und nur knapp ein eigenes Schiff verfehlt. Ich habe die Leute entsprechend vergattert, aber ich fürchte, dass Fehlleistungen wie diese vermehrt auftreten werden – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu ‚Freundlichen Treffern‘ kommt. Wer hat sich diesen bescheuerten Begriff eigentlich einfallen lassen?“ Ich grinste freudlos. „Das Komitee für Flottenfachtermini!“ „Ja, wahrscheinlich gibt es so ein Komitee wirklich, und die Herren Von-und-Zu-Bindestrich-Blaublut verdienen sich auch noch ein fettes Sümmchen mit ihrer Dummheit!“ Er grinste zurück „Anwesende selbstverständlich ausgenommen!“ „Selbstverständlich!“ Ich wurde wieder ernst.
„Na schön, Fartu, ich könnte einige Schiffe zur Ablöse schicken, damit Deine Leute wieder Planetenluft schnuppern und eine Frau anglotzen können. In natura, nicht auf dem Bildschirm. Fürs erste eine Kampfgruppe, schicke die schlimmsten Fälle zurück, ich gebe sofort den Marschbefehl für die Ablösung! Wie steht es eigentlich mit Deinen Nerven?“ Fartuulon wieherte, allerdings war kein Quäntchen Fröhlichkeit in seinem Lachen zu spüren. „Ihr kennt mich, Erhabener. Ich halte durch, ich bin der Mann aus Eisen!“ er trommelte auf seine Brust. „Schicke einfach mit der Kampfgruppe einige Flaschen guten Weines und ein hübsches Mädchen, das meine alten Knochen wärmt, und ich stehe noch Jahre durch!“ „Ich merke es!“ meine Antwort fiel deutlich trockener aus. „Gut, ich schicke also eine Kampfgruppe und ein Fass, der Rest, mal schauen. Vielleicht meldet ja sich ein junges Ding mit Uropa-Komplex freiwillig, damit Dir nicht so kalt wird!“ Damit unterbrach ich die Verbindung, brachte die Kampfgruppe sowie ein Fässchen Wein auf den Weg und trat an die Glaswand meines Büros, um wieder einmal den Ozean mit seinen ewigen Wogen zu betrachten.
Eine Kampfgruppe, Gnädigste, besteht aus einem Schlachtschiff der Tussan-Klasse, also umgerechnet 800 Meter , einem Schlachkreuzer der Fusuf-Klasse von 500 bis 600 Metern oder zwei schweren Kreuzern mit 200 Metern Durchmesser, dazu vier leichte Kreuzer der 100 Meter-Klasse und fünf bis zehn kleinen Einheiten, die dann keine Namen, sondern nur noch Nummern tragen. A für Aufklärer, K für Kanonenboote oder T für Torpedoboote. Diese letzten Klassen waren oft noch in alter Zylinderform mit breitem Triebwerkwulst und zählten nicht als vollwertiges Schiff, warum auch immer. Selbst neue Konstruktionen wurden bei den kleinen Einheiten so gebaut, vielleicht nannte man sie deshalb Boot. Wie auch immer.
Das Leben ging jedenfalls im ständigen Wechsel der Schiffe und Besatzungen weiter, wir versuchten immer noch, eine Waffe mit genügend Reichweite gegen die Phantomschiffe zu finden, leider erfolglos. In der ersten Zeit nach meinem Gespräch mit Fartuulon verließ ich die Zentrale überhaupt nicht mehr, bis eines Tages Tarts wieder einmal gegen meine Obrigkeit rebellierte. Eines Tages kam er zu mir und baute sich neben mir auf. „Ich muss einen Mann melden, der vorsätzliche Schwächung unserer Verteidigung betreibt.“ Ich starrte weiter auf die Schirme. „Damit kommst Du zu mir, Alter?“ grummelte ich desinteressiert. „Löse das Problem doch selber!“ „Es handelt sich um einen sehr hohen Offizier, Erhabener!“ eiskalt und förmlich, dieser Ton machte mich doch aufmerksam. „Wer?“ „Du selbst, Erhabener. Ohne Schlaf bist Du eine Gefahr für uns alle!“ Es riss mich herum. „Das ist Beleidigend! Insubordination!“ tobte ich. „Wie kannst Du es wagen?“ Bei meinem Gebrüll zogen die anwesenden Offiziere den Kopf zwischen die Schultern, doch eiskalt ließ Tarts meine Tirade an sich abgleiten, bis er leise in eine Atempause meinerseits flüsterte: „Du hast vielerlei Verantwortungen, Atlan. Sorge dafür, dass Du Ihnen gerecht wirst. Mann, Du kannst nicht mehr gerade schauen, geschweige denn denken. Du musst ins Bett – JETZT!“ Das letzte Wort ließ meine Ohren klingeln, Sie erinnern sich an die ‚ich überschreie ein startendes Raumschiff‘ – Stimme von Tarts? Jetzt brüllte er, wahrscheinlich vibrierten die Fensterscheiben und blieben nur durch das hervorragende Material des Klarstahls im Ganzen. Meine Ohren dröhnten, und das riss mich glücklicherweise aus meinen ewig kreisenden Gedanken. Schlurfend und schweigend schlich ich aus dem Kommandoraum und ging zu Bett, im Einschlafen fühlte ich noch, wie mich von hinten zwei warme Arme umschlangen, mein Rücken wurde wohlig gewärmt, dann wurde es dunkel um mich, wohltuender Schlummer ergriff mich.
„Erhabener!“ riss mich ein Adjutant aus tiefem Schlummer. Ich verfluchte den Imperator, den Befehlshaber der Flotte, die Flotte selber, alle Offiziere und ganz explizit die Adjutanten. Ganz besonders diesen speziellen. Ja, ich war unbeherrscht. Ich war damals kein perfekter Chef, wenn ich überhaupt heute einer bin. Mein einziger Pluspunkt, wenn es einen gibt, ich wusste, wann ich mich zu bedanken und zu entschuldigen hatte. Und ich war schon immer ein Morgenmuffel, besonders ohne Tasse Cámana oder HonGhi, beides Kaffeegetränke. Kaum hatte ich Tarts nachgegeben und war zu Bett gegangen, musste mich der Mann gerade jetzt wecken? Endlich fand ich den Antwortknopf. „Was zum neunmal geschwänzten..?“ „Meldung von der MILL’ACON, Erhabener!“ schneller war ich nie in eine Hose geschlüpft, ohne Socken, mit wehendem Haar und bloßem Oberkörper raste ich Richtung Zentrale, kam mit quietschenden Sohlen auf glattem Kunststoff zum stehen. „Rapport!“ rief ich. „Ortung! Feindkontakt im Wegasystem. Eine starke Flotte ist aus dem Trichter gekommen, die Flotte liegt unter schwerem Feuer, allerding bisher kaum Treffer, wir sind sehr viel schneller und wendiger. Alarmstart für die gelandeten Einheiten im System Larsaf angeordnet, sie sind im Orbit in Bereitschaft! Feindtreffer auf K – Drei-Fünfundzwanzig Neunzehn. Eigene Treffer zeigen geringe Wirkung, Feindtreffer auf – Feindtreffer – Wirkungstreffer!“ „Gruppen Drei und Acht zur Verstärkung!“ befahl ich. „Gruppen beschleunigen.“ Ich starrte auf den Bildschirm, der in Symbol- und Farbcodierungen die Bewegungen im System der Wega darstellte, komplexe Berechnungen zeigten Wahrscheinlichkeiten in der Kursführung mit bewegten Flächen an. Die Schiffe umkreisten einander in einem komplizierten Ballett, die arkonidischen erzielten Treffer um Treffer, keiner zeigte wirklich viel Wirkung. Der Feind war langsam, sehr langsam und träge, feuerte beinahe ungezielt, selbst die Energiestrahlen waren seltsam langsam, krochen nur durch das All. ‚Auch die Lichtgeschwindigkeit ist in ROTLICHT langsamer‘, erinnerte mich der Extrasinn. ‚Deswegen auch die rote Färbung!‘ Trotzdem, auch wenn die Energiebahnen nur krochen, die simple Physik der Masseträgheit führte immer wieder eines unserer Schiffe in die Waffenwirkung, mit schlimmen Folgen für den Getroffenen. Insgesamt mussten unsere Schiffe bisher mehr einstecken als sie austeilten.
„Achtung, Gruppe Acht geht in Transition – am Schlachtfeld eingetroffen, Gruppe Drei Transition – eingetroffen. Beide Gruppen in Kämpfe verwickelt.“ Die Schlacht ging hin und her, die Meldungen wurden allgemeiner, weniger detailliert. Den Zustand der Schiffe konnte ich ohnehin am großen Panoramaschirm verfolgen, mit der Gnadenlosigkeit einer seelenlosen Maschine wurden Schäden und Verluste dargestellt. Doch langsam konnte das Geschwader, wenn auch mit nicht gerade geringen Schäden und Verlusten, den Feind in den Trichter zurück drängen. Und doch – trotz der Schäden, trotz der hohen Verluste wurde ich den Verdacht nicht los, dass die Sache – wie mein Freund Elija Cohen sagen würde – nicht koscher war.
„Transit!“ Domatas meldete sich vom Orter. „Weitere Verbände brechen aus dem Aufrisstrichter. Beschleunigen Richtung 33 Punkt 25 Punkt 80 zu 280 Punkt 90 Punkt 51 hoch!“ Wo wollten sie hin, wohin sollte der Weg dieser Flotte führen. Weder unser Geschwader, das wachsende Gebiet der Methans noch das schrumpfende Arkonidenreich lagen in dieser Richtung. ‚Zeitangleich!‘ tobte mein Extrasinn. ‚Sie flüchten, um irgendwann mit angeglichenem Zeitablauf anzugreifen. Die erste Welle war eine Ablenkung‘. Ich sog mit nur geringem Vorsprung die Luft scharf ein. Die Gefahr wuchs enorm. Und das enorm rasch.
‚Noch so ein Sieg, und wir sind verloren‘. Pyrrhus, ein antiker griechischer Feldherr. ‚Und – kann ich eine Armee aus dem Boden stampfen, wächst mir ein Kornfeld auf der flachen Hand?‘ Als ich Jahrtausende später Schillers Johanna sah, wurde ich stark an unsere damalige Situation erinnert, zumindest, was den Teil mit der Armee angeht, Verpflegung hatten wir, Hemutag sei Dank, mehr als genug. Terra war in erster Linie als agrarische Kolonie gedacht gewesen, und mit den Maschinen, die ich selbst von der Venus holen ließ, ausgebildeten Farmarbeitern und einigen angelernten einheimischen Hilfskräften, hatten wir keinen Versorgungsengpass. Nein, Marie Anne, ich bin Friedrich Schiller nie begegnet, er war von selbst so genial. Auch Goethe habe ich erst viel später gelesen.
Wir redeten uns immer wieder die Köpfe heiß, eine Besprechung jagte die andere, auf eine Konferenz folgte die nächste. „Wir brauchen Verstärkung!“ Tarts legte eine Speicherkarte in den Rechner und rief die Flottenakten auf den Schirm. „Wir haben noch sieben angeschlagene Kampfgruppen und ein wenig unterstützendes Kleinzeug. Das wird nicht reichen, nicht auf Dauer!“ Thalma lächelte ihm müde zu. „Werter Tarts, Eure Flotte IST die Verstärkung. Mir wurde vom imperialen Oberkommando der Flotte unmissverständlich klar gemacht, dass Ihr die absolut letzte Unterstützung seid. Was uns zu einer heiklen Frage bringt. Wenn Ihr meine Unterstützung seid, wer ist Oberbefehlshaber. Bisher war es einfach. Weltraum – Atlan. Boden – ich. Wir haben nur noch einen Planeten im System, also gab es keine Probleme mit der Kompetenz. Aber wenn es zum äußersten kommt, wer ist berechtigt, einen Evakuierungsbefehl zu geben?“ „Evakuierung?“ schrie Tarts überrascht auf. „Wer spricht von Evakuierung? Wer sagt, dass wir aufgeben?“ „Ich sage das“ forderte Thalma Tarts heraus. „Wenn diese Flotte es nicht schafft, ist die Kolonie verloren! Wollen wir Zivilisten im Stich lassen?“ „Wir können die kleineren Einheiten instand setzen“, argumentierte Commodore Khollin. „Die Energiegeschütze können auch aufgerüstet werden. Aber die Leute, die fehlen uns hinten und vorne! Wir haben starke Verluste im Wegasektor erlitten, die nicht ersetzen erden können.“ „Dann ziehen wir die pensionierten Veteranen unter den Siedlern wieder ein.“ rief Major Karheibe. „Die Kontrollinstrumente haben sich in den letzten Jahren doch nicht verändert!“ Argumente, Reden, Ansichten – und es war noch immer keine keine Lösung in Sicht.
Von meinem Büro aus hatte ich eine wunderbare Fernsicht, heute allerdings konnte ich sie nicht genießen. Ich WUSSTE, das wir ziemlich auf verlorenem Posten standen, aber noch waren wir durch einen Befehl gebunden, und der sagte ‚Stellung halten!‘, ohne wenn und aber. Ich hoffte immer, einer der Kurierkreuzer, die ich nach Arkon gesandt hatte, würde eine Antwort bringen, eine Gute vielleicht. Oder irgendeine Unterstützung. Bis dahin – durchhalten. Sich durchbeißen, oder, wie man es militärisch sagte, die Arschbacken zusammenkneifen. Ja, militärische, nein, soldatische Sprache ist zumeist vulgär und ordinär, Marie Anne, es ist oft die einzige Möglichkeit, seine Emotionen abzuladen, man darf einem Soldaten diese Erleichterung nicht auch noch nehmen. Auf jeden Fall, damals verfolgte ich in dieser Sitzung nur mit halbem Ohr die Debatte der Offiziere, die ohnehin nur immer und immer wieder die gleichen Argumente neu verpackt wiederholten. Da! Moment Mal! „Major Marckas!“ schrie ich auf. „Wiederholen Sie das!“ Der Veteran, Kommandant eines schweren Kreuzers, schaute mich mit großen Augen an. „Euer Erhabenheit, ich habe nur einen sinnlosen Wunsch geäußert! Nichts wird die Bedrohung durch die Fremden verkleinern. Verdammte Maschinen! Verdammte Schlafmützen!“ „Genau, Freunde!“ ich hob den Zeigefinger in die Luft. „Verdammte Schlafmützen!“
Meine Offiziere schauten mich an, als hätte ich illegalen Betäubungsweizen geraucht und wäre jetzt total high. Dann, Tarts lachte kurz und bellend auf. „Wir haben zu Beginn einen Vorteil bei der Geschwindigkeit, unser Zeitablauf ist schneller. Dieser Vorteil schwindet allerdings, darum konnte die 129 zuerst ohne Probleme durchbrechen und wurde erst bei der Rückkehr unter Feuer genommen, wobei sie einige Treffer hinnehmen musste. Die Angleichung der Zeitebenen scheint also recht rasch zu erfolgen, wenn wir hinübergehen, sie wiederum scheinen sich unserer Zeit weniger rasch anzugleichen!“ „Sicher nicht beabsichtigt“ grinste Domatus. „Aber es entspricht unseren Beobachtungen!“ Ich hob die Hand. „Verlassen wir uns nicht zu sehr darauf, dass die Angleichung bei uns langsamer erfolgt! Wir haben die Feindflotte nur kurz gesehen, und bis sie kommen, haben sie sich unserem Zeitablauf ziemlich sicher schon SEHR stark angepasst. Aber – trotzdem. Wir haben zwar keine Chance, aber nutzen wir sie! Wir haben zu defensiv gedacht, bei den ständigen Überfällen kein großes Wunder. Nein, jetzt keine Entschuldigungen oder Vorwürfe, wir denken vorwärts! Tarts, nochmals her mit der Liste der Schiffe! Ich denke, drei Kampfgruppen! Und wir haben zum Glück noch die Werft auf dem Trabanten von Larsaf II. Schicken wir genug Kreuzer mit den ‚Triebwerkanonen‘ hinüber. Vielleicht sind die für unsere Rückkehr von Nutzen!“ „Denke nicht einmal daran“, knurrte Tarts aus tiefster Kehle. Ich blickte ihn erstaunt an. „Dein Platz ist hier, nicht in einem seltsamen Universum. Du wirst Dich also nicht von Deiner Verantwortung hier fortmogeln, um irgendwelche Heldentaten zu begehen, dort zu sterben und hier alles im Stich lassen!“ Ich holte tief Luft für eine geharnischte Antwort – und erkannte die Wahrheit von Tarts Bemerkung, blickte in seine Augen und schlug meine nieder. Wo er recht hatte, schnell schwenkte ich um.
„Oberst Surascha, ich brauche Freiwillige. Jedes Besatzungsmitglied muss aufgeklärt werden, dass es vielleicht keinen Weg zurück in unser Universum gibt. Erst, wenn sich zu wenige melden, werden wir mit Zwangsrekrutierungen beginnen!“ ich klatschte in Hände. „Los, los, an die…, nein zuerst wird geschlafen, sonst bringt uns Tarts noch alle persönlich zu Bett!“ schüttelte ich mich übertrieben. Selbst dieser flaue Scherz wurde mit dröhnendem Lachen und hysterischem Gekicher beantwortet, und Domata rief laut. „Melde mich freiwillig als erste! Ich verschaffe Euch anderen Zeit!“ das Lachen verstärkte sich noch „Wir haben alle zu lange nicht geschlafen“, fuhr ich fort. „Pause für acht – sagen wir neun – Stunden. Doktor dalAcktar wird gerne die entsprechende Mittel ausgeben. Wir sehen uns in zehn Stunden, gewaschen, geschniegelt, geschnäuzt, gekämmt und, soweit möglich, im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte. Dann besprechen wir die Details von Operation Gegenschlag! Gute Ruhe!“
Die JAHU‘FALC, die EMP’SOK, beides Schlachtschiffe der Tussan-Klasse, die ANT’KES, die MO’KOMP, Fusuf-Klasse, 14 Leichte Kreuzer und etwa 50 Boote, für ein eventuell nötiges Truppenlandungsunternehmen oder als letztes Fluchtmittel das Infanterielandungsschiff OKH’NAV, waren zum Abflug bereit. Ach, das Infanetrielandungsschiff ist die seltsamste Konstruktion, die sich ein arkonidisches Gehirn je erdacht hat, ein einfacher, sehr flacher Keil, der vorne mit einem Schnitt so gekürzt wurde, dass die obere Kante etwa 15 Meter weiter vorne lag als die untere. Höhe und Breite in Metern vorne etwa 35 zu 200, hinten 150 zu 200, Länge über alles 450. Links und rechts waren je eine Halbkugel mit einem Nord-Süd-verlaufenden halben Ringwulst, Radius etwa 100 Meter, dazu der Wulst, welche die Triebwerks- und Energieanlagen beinhalteten. Und natürlich die Wurmlochtechnologie, der Keil war ausschließlich den Infanteristen und ihrem Gerät vorbehalten. Ja, halbierter Kreuzer mit Keilrumpf dazwischen trifft es ganz gut, möglich, dass das Ding genau so in einem Kopf entstanden ist. Die Heck- und die Bugplatte konnten auf der gesamten Breite von 200 Metern als Rampe nach unten geklappt werden, der gesamte Boden bestand für eventuelle Absprünge aus einer Vielzahl von Klappen. Die Beschleunigungswerte und Defensivbewaffnung waren hervorragend, die Offensivbewaffnung konnte nur motorisierter Infanterie oder Abfangjägern gefährlich werden. Durchbrechen, absetzen, decken, so lautete die taktische Anweisung! Nun gut, machen wir weiter. Oberst Surascha hatte eine, wie wir alle hofften, gute Mischung aus Tempo und Feuerkraft zusammen gestellt, eine solche Operation wie die geplante wäre unter normalen Umständen mit dieser Ausrüstung zu schaffen. Aber – was war an den derzeitigen Umständen schon normal?
Natürlich waren wir ohne Zwangsrekrutierungen ausgekommen, der Gruppenzwang hatte da schon völlig gereicht. Psychologie ist schon was feines, wenn man sie beherrscht, aber was erzähle ich gerade Ihnen davon, Marie Anne. Letzte Besprechungen, die schriftlichen Befehle wurden aus- und zugestellt, gelesen, vorgelesen und verkündet. Der Starttermin wurde festgelegt und dann erhielten die Besatzungen 20 arkonidische Stunden Ausgang. Einen ganzen Tag, wir rechneten mit dem Zehnersystem, 2 x 10 Stunden, liebe Dottoressa, wir hatten nie ein Duodezimalsystem gekannt. Dutzend, Schock, Gros, ich habe lange gebraucht, bis diese Ideen aus den Köpfen der zivilisierten Völker verschwanden. Ich sprach von zivilisierten Völkern, Marie Anne, nicht von anglo-amerikanischen Yard, Inch und Mile – Benutzern. Wir gaben Gutscheine für Getränke in einer guten Bar und in einem der Bordelle aus. Wenn diese Personen schon alles für uns riskierten, dann hatten sie vorher noch ein Recht auf ihren Spaß 6nd ein wenig Zärtlichkeit. Nicht unüblich bei der Marine, meine Liebe, nicht unüblich. Und dann, zu Mittag des bestimmten Tages, dröhnten die Triebwerke und hoben die Schiffe in die Atmosphäre. Die Gebäude schwankten, Fensterscheiben vibrierten, die Ohren dröhnten, die glühenden Luftmassen wurden durch Energiefelder von der Stadt abgelenkt und tobten sich über dem Meer aus. Eine damals von niemand bedachte ökologische Katastrophe, aber wir Arkoniden behandelten unsere eigene Heimat damals ja auch nicht besser. Ich bin wirklich verwundert, dass es auf der Erde heute anders ist, meine Erfahrung hätte eher dagegen gesprochen. Aber gut, damals war es bei uns Arkoniden üblich, auch die schwersten Pötte zu landen, und was wir erlebten, war das ganz alltägliche und gewohnte Szenario einer synchron startenden Flotte. Dieses Mal jedoch wurde der Abflug von vielen Arkoniden mit größerer Hoffnung als sonst im Herzen beobachtet, und mancher sprach oder dachte zumindest so etwas wie ein Gebet. Auch wenn der durchschnittliche Arkonide nicht sonderlich Gottesgläubig war.
Ach, liebe Frau Kollegin, wir Arkoniden glauben schon an etwas Gottähnliches. Die meisten, wenn schon nicht an 12 Che’Huan, also die Götter, so zumindest an eine ordnende, höhere Kraft oder Energie. Bewusst? Möglich. Intelligent? Keine Ahnung. Von Gebeten der Gläubigen beeinflussbar? Eher nicht, obwohl – vielleicht liegt hier ja das Geheimnis der Fähigkeiten von Mutanten. Möglicherweise funktioniert es wie bei Lukas. ‚Möge die Macht mit Euch sein, ich bin Dein Urgroßonkel, Marie!‘ Oder wir bemerken nach unserem Tod, dass Wakamaname, die große Mutter Erde, schon immer die oberste Chefin des Pantheons war. Aber im Ernst, so ein Stoßgebet hilft dem Betenden, zumindest manchmal, und wer bin ich, das zu verurteilen. Selbst ich spreche manchmal ein Gebet zu Hemutag oder wünsche jemand zur Herrin mit dem Eiskalten, obwohl ich eher der Wissenschaft vertrauen möchte. Oh, das ist die ‚Heilige Mutter Aller Götter!‘ Hat so viele Attribute, dass jeder eines finden und sich Wohlfühlen kann.
Wir verfolgten den Flug zur Wega vom großen Kommandoraum aus mit. Das Leuchten der Korpuskulartriebwerke, mit denen die Flotte in Formation beschleunigte, übertragen von einem Schiff der Nachhut, hatte wie immer etwas majestätisches, erhabenes. Dann, ein Blitzen, ein Flimmern, etwa siebzig Schiffe aller Klassen rasten in das System der Wega und nahmen Kurs auf den Entladungstrichter. Noch einmal erschien Oberst, nein, genau genommen jetzt Kommodore Surascha auf dem Kom-Schirm. Diese Frau mit dem engelsgleichen Gesicht und der samtweichen Stimme, die andererseits härter als eine Reaktorabschirmung sein konnte, sandte uns noch einen letzten Gruß und meldete sich formell ab. „Einsatzgeschwader Gegenschlag meldet sich ab! Surascha aus!“ Ein letztes Flackern und die Meldung von der Ortung: „Flotte in Transit, Verbindung abgebrochen.“ Wieder begann das an den Nerven zerrende Warten. Wir blieben alle im Kommandoraum.
„Ortung! Der Trichter bricht ein, verschwindet … jetzt!“ Einige Offiziere atmeten tief aus. „Sagt noch gar nichts“, grantelte Tarts und Thalma meinte: „Erinnert Euch an die 129!“ „Und selbst wenn“, ergänzt ich, „selbst wenn Kommodore Surascha Erfolg hatte, hat sie es noch nicht zurück geschafft. Und vielleicht dürfte ein pessimistischer Admiral und Kristallprinz seine Subalternen bitten, ihr Augenmerk auf einen Haufen Spähschiffe sowie eine Angriffsflotte der Rotlichter zu richten, deren Verbleib bisher unbekannt ist. Und vielleicht, aber nur vielleicht denkt auch noch jemand an die Methans.“ Unsere Worte wirkten wie eine kalte Dusche, aber für eine euphorische Stimmung war kein Anlass gegeben. Leider.
Wenige Tage später kam auch schon ein Spähschiff der Fremden aus dem roten Universum in das Solsystem. Wieder einmal brach in der Zentrale wilde Hektik aus. Schiffe wurden auf Abfangkurs gebracht, heißes Plasma erhitzte in weitem Umkreis des Spaceports den Alantik, als die gelandeten Einheiten in den Himmel stiegen. „Abschuss! Abschuss! Abschuss!“ wurde der Befehl gegeben. „Knallt die Biester vom Himmel! Kein Risiko, volles Feuer, vernichten, zerstören.“ Seltsamerweise war es gar nicht so leicht, das kleine Boot zu vernichten, es konnte unheimlich viele Treffer einfach wegstecken, beinahe wie ein schwerer Kreuzer. Seine Waffen wirkten allerding stärker, es gelang nur unter Verlusten an Arkoniden und Material, das ziemlich kleine Schiff zu zerstören. Ein Schiff, vielleicht 80 Meter lang, konnte fünf Minuten einer ganzen Flotte standhalten! Wir vernichteten den Feind mit Verlusten, die fatal waren, da wir nicht alles reparieren und keine Mannschaften ersetzen konnten. Die Lage war verfahren wie nie zuvor, wir hielten Rat und waren doch ratlos, wir konnten, wir durften doch nicht einfach eine Entscheidung zum Aufgeben der Kolonie treffen. Nicht ohne Erlaubnis von Arkon I, aus dem Kristallpalast. Zumindest hatte das letzte Kurierboot die Erlaubnis gebracht, die Evakuierung zumindest vorzubereiten. Also durfte ich noch immer nicht, wenn nötig, das gesamte System evakuieren, aber die entsprechenden Vorschläge konnten vorbereitet werden und waren nicht nur intellektuelle Übungen gewesen. Die militärische und zivile Entscheidungsträger tagten wieder einmal praktisch in Permanenz.
Wer konnte denn schon garantieren, dass der Aufrisstrichter wirklich dauerhaft beseitigt war, und das auch blieb. Bereits nach dem Einflug der 129 war der Trichter mit einer gewissen Verzögerung an einen anderen Ort gesprungen. Aber auch ohne die Bedrohung durch den Trichter hatten wir nur etwas Zeit gewonnen. Kämpfen? Mit drei verstärkten Gruppen gegen eine Flotte, die doppelt so viele Schiffe besaß, die auch noch kaum zu zerstören waren. Das Einsatzgeschwader Gegenschlag fehlte schmerzhaft, doch ohne diesen Einsatz wäre noch mehr als nur die Kolonie in Gefahr gewesen. Wenn der Angriff Erfolg gehabt hatte. Die Kolonie aufgeben? Beide Alternativen hätten Nachteile. ‚Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes jedoch die Schuld.‘ Schiller. Wollte ich, wollten wir mit dieser Schuld, dieser Schmach leben? Konnten, durften wir die Schlacht wagen, voraussichtlich große Verluste bei den arkonidischen Kolonisten in Kauf nehmen? Konnten wir zwei Gegnern gleichzeitig stand halten, wo wir doch gegen die Methans schon ‚aus dem letzten Loch pfiffen‘ und der Kampf gegen die Fremden absolut aussichtslos schien? Wir saßen in einem moralischen Dilemma fest, aber wir durften sowieso noch nicht mit der Evakuierung beginnen. Letztendlich beschlossen wir, nicht nur unter uns Offizieren zu reden, sondern auch Vertreter der Siedler hinzuzuziehen, damit die endgültige Abreise, wenn es denn soweit war, zumindest rasch von statten gehen konnte. Falls die Erlaubnis je kommen sollte. War die Zivilbevölkerung erst einmal weg, war ich bereit, mich mit dem Rest der Flotte dem Feind zu stellen und so hart wie nur möglich zu kämpfen, den Feind zu schwächen, damit andere Einheiten den Rest besorgen konnten. Aber ohne ausdrückliche Erlaubnis – ich war noch unsicher, so jung, wie ich damals war. Ich hoffte nur, dass unser Gegenschlag den Feind auf die bereits eingedrungenen Schiffe reduzierte.
Sie fragen tatsächlich und vollen Ernstes, warum wir erst jetzt mit den Zivilisten sprachen? Es war eigentlich unerhört, Zivilisten überhaupt zu fragen. Sie müssen bedenken, dass Arkon eine Mischung aus Militärstaat – ähnlich dem antiken Rom – und einer feudalistischen Monarchie war. Ist. Mit Anklängen, nein eher starken Ausprägungen eines ‚Kastensystems‘ wie in Indien, auch dem japanischen Kaiserreich vor dem Shogunat nicht unähnlich.
Ganz oben thronte natürlich der Imperator, gleich darunter seine Familie, sein Geschlecht, deren Mitglieder selbstverständlich ihren Dienst in der Flotte absolvierten. Danach reine Arkoniden, auf Arkon I geboren, aus vermögenden und einflussreichen Häusern, der Übergang zwischen den Stufen war nicht so rigide. Allerdings nur, wenn sie ebenfalls ihren Militärdienst absolvierten. Als nächstes folgten Arkongeborene aus nicht so gutem Haus, von Arkon II, dann Arkoniden außerhalb des Drei-Planeten-Systems, egal wie reich. Abkömmlinge von Arkoniden und anderen Arkonoiden, diese Arkonoiden selber und ganz zuletzt alle Wesen, die anders aussahen. Veteranen, ehrenhaft entlassen, bekleideten die bürokratischen Ämter. Ehemalige höhere Offiziere konnten Administratoren oder Hafenkommandanten werden, niedere Dienstgrade niedere Beamte. Mit einer Meldung zum Dienst konnte ein unadeliger Arkonide von Arkon II seinen sozialen Stand um einiges verbessern und in eine höhere Kaste aufsteigen, mit ihm seine Familie. Seine einzige Chance, darum waren die unteren Ränge beinahe ausschließlich Männer, schon die Auswahltests waren brutal und schmerzhaft. Ich gestehe, dass ich selber lange Zeit nichts mit ‚Demokratie‘ am Helm hatte. Ich war, wie konnte es schon anders sein, überzeugter Monarchist. Und Militarist. Erst als ich älter wurde, änderten sich einige meiner Anschauungen, trieb mir die Erfahrung einige Flausen aus meinem Hiern. ‚Die Welt ändert sich, und wir uns mit ihr!‘ Keine Quellenangabe, ein Mönch in Deutschland hat dieses Zitat gebraucht, wusste aber auch nicht, von wem es war.
*
‚Achtung, eine wichtige amtliche Verlautbarung! Die Administration gibt den Siedlern von Larsaf III kund und zu wissen‘. Hörfunk, Sichtfunk, E-Medien und sogar Anschlagtafeln an strategischen Stellen, Thalma unternahm wirklich alles, um jeden der Siedler zu erreichen. ‚Das Risiko, dass eine fremde Macht, deren Gefährlichkeit die der Methans noch erheblich übersteigt, diese Siedlung angreifen wird, ist in unkalkulierbare Höhen gestiegen. Die Verwaltung kann selbst minimalste Sicherheit nicht mehr garantieren und erwägt eine Evakuierung, sobald die Erlaubnis von des Imperators Seite eintrifft. Wer fliehen möchte, sollte sich auf der Informationsnetzseite der Administration in entsprechenden Listen eintragen.‘
Kennen Sie das größte aller militärischen Paradoxa? Zuerst muss man auf Kommando laufen, so schnell man nur kann, dann wird man in größter Hektik in Reih und Glied aufgestellt und dann wartet man endlos, bis endlich der Typ mit den goldenen Keksen auf der Schulter oder am Kragen erscheint. Jede militärische Organisation leidet an diesem Dilemma. So auch die Administration der Larsaf-Kolonie. Hektik, und dann endlose Besprechungen, bei denen nichts neues heraus kam. Und dann konnten die Siedler auch noch ihre Sprecher entsenden. Wie nicht anders zu erwarten, waren drei davon alte Veteranen. Eine Sprecherin war eine junge Dame aus adeligen Haus, deren Vater so gerne Siedler, also natürlich Großgrundbesitzer werden wollte, und das damals noch minderjährige Mädchen mitgenommen hatte. Auf Arkon gab es ja seit Jahrhunderten kein freies Fleckchen Land mehr, also trieb es auch viele reiche Arkoniden aus besserem Haus in die Kolonien. Selbst, wenn es sozialen Abstieg bedeutete, die jüngeren Söhne und Töchter konnten auf Arkon I aber plötzlich mit Nichts dastehen, wenn Papi beschloss, den Besitz nur dem Ältesten zu vererben. Und so war die Familie des jüngsten Sprosses der Familie d’Gesto hier gelandet, mit ihr seine Tochter Marba. Und dann gab es die Überraschung. Vallan war ein junger Mann aus einer absolut unbedeutenden Familie, ohne Einfluss und Geschichte, ohne Geld und Adel, geboren auf Arkon II in einer niederen Kaste. In Rom wäre er mit Leichtigkeit Volkstribun geworden, doch in unserem Imperium?
Meine Überraschung muss mir anzusehen gewesen sein, denn seine ersten Worte, als die Sitzung des vergrößerten Rates begann, waren zwar mit Respekt, aber ohne große Demut an mich gerichtet: „Erhabener, ich werde mein Bestes geben, um dem Rat die Arbeit zu erleichtern!“ „Wie erfreulich! Nun, das werden wir wohl sehen.“ Meine Antwort fiel unverbindlich, aber wohl ziemlich hochnäsig aus, wie eben ein Adeliger höchster Herkunft auf ein Wesen von Arkon II zu reagieren pflegte. „Vielleicht können wir diesen, diesen Pleb einfach übergehen und die Befehle des Erhabenen vernehmen.“ nörgelte Marba dalGesto geziert. ‚Oha! Das kann ja heiter werden.‘ monierte mein Extrasinn. ‚Eine verwöhnte Göre und ein junger Revolzzer!‘ Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass zumindest zu dieser Zeit die junge Dame eher meine Sympathie besaß. ‚Wie doch stets dem Gleichen gesellt ein Gott den Gleichen‘. Homer. Ja, klar, ich war aus besserem, nein, ich war sogar aus dem bestem Haus, Geld, Einfluss, Familientradition. Natürlich fühlte ich mich Marba näher als Vallan, einem Niemand aus den Massenquartieren von Atlantis.
Genug davon, wir waren bei der Sitzung. Thalma als Administratorin legte die Situation klar auf den Tisch und Tarts ergänzte die militärischen Aspekte, wir drückten uns ganz klar aus, offen und ehrlich, hielten keine Einzelheiten zurück. Ich gestehe, wir alten Kämpen waren halbwegs ratlos. Als Admiral, geboren und aufgewachsen in ständigen Kämpfen, zuerst gegen Methans, dann gegen einen Usurpator aus der eigenen Familie, danach wieder gegen die Methans, oft auf der Flucht, selten bequem in Sicherheit, war ich die Konfrontation gewöhnt. Ich kannte kaum etwas anderes, die Frage, warum ich kämpfen sollte, stellte sich erst gar nicht. Ich war Soldat, weil mein Vater, mein Großvater und alle Vorfahren Soldaten gewesen waren, ich wurde nicht gefragt, es gab nie den geringsten Zweifel. Jetzt aber, nach vielen Gefechten und noch mehr Besprechungen, Konferenzen und Sitzungen, jetzt erkannte ich, dass andere Standpunkte nicht unbedingt Verrat bedeuten mussten. Dass es mehr als nur eine Wahrheit gab, mehr als eine Sichtweise. Und ich begann, an absoluten Dogmen, meinen anerzogenen Verhaltensmustern zu zweifeln. ‚Leise nur, doch beständig, nagt‘s an meinem Herzen‘. Christopher Marlowe, in einem Gespräch mit Will Shakespeare, nach einigen Humpen Wein und dem einen oder anderen Pfeifchen mit spezieller, sehr spezieller Tabaksmischung. Kit Marlowe? Der erste ‚Doppel-Null-Agent‘ im Geheimdienste Ihrer Majestät, das war damals Elisabeth I, the virgin Queen? Ach, nicht wichtig. Was? Woher soll ich das wissen. Ich habe niemand im Bett der Jungfräulichen gesehen, aus dem einfachen Grund, weil ich nie auch nur in der Nähe desselben war. Ich habe doch nicht so lange überlebt, weil ich lebensmüde war.
Nachdem alle Fakten auf dem Tisch, respektive auf dem Bildschirm lagen, meldete sich Marba eifrig zu Wort. „Wie also lauten Eure Befehle, Euer Erhabenheit?“ Vallan verdrehte seine Augen, er schien schon Übung darin zu haben. „Seine Erhabenheit hat doch leicht verständlich erklärt, dass er vorher unsere Meinung hören möchte, und ich sage, wir halten durch. Falls ich irgendwie von Nutzen sein kann, ich melde mich für jede Art von Arbeit!“ „Wahrscheinlich hast Du gerade keine Beschäftigung, und sonst besitzt Du natürlich auch nichts. Du Niemand hast doch sowieso nichts zu verlieren. Also, wenn der Erhabene Kristallprinz WIRKLICH unsere Einschätzung hören will, was ich doch sehr bezweifeln möchte, ich bin dafür, unsere Sachen zu packen und wo anders abzuwarten, bis die Flotte die Gefahr eliminiert hat!“ plapperte Marba mit gerümpfter Nase. „Ach! Haben Eure prinzessliche Arrogantheit Angst, dass der Nagellack abblättert oder der Lippenstift verläuft?“ spottete der Jüngling. „Wir haben hier einiges aufgebaut. Das Imperium musste sich schon von Larsaf II und IV zurück ziehen. Wir können doch nicht auch noch III einfach so verlassen.“ Kurfa, eine Walküre von Gestalt, sie musste wohl bei den Marines gedient haben, stimmte ihm zu: „Immerhin ist Larsaf strategisch nicht unwichtig, wie man uns sagte!“ „Sachen packen wird auch ein Problem!“ meldete sich ein Anderer der Veteranen. „Wenn ich den verfügbaren Schiffsraum mit der Anzahl der zu evakuierenden Personen vergleiche, werden das viele, sehr viele Flüge. Und dann funktioniert es auch nur, wenn das Gepäck stark eingeschränkt wird.“ „Natürlich werden zuerst wir von den alten Familien abtransportiert, MIT unserer gesamten Habe!“ blasiert hob Marba ihre Braue. „Ich möchte doch sehen, wer uns von unserem Besitz trennen möchte! Die Flotte hat die Pflicht…“ „uns zu beschützen, Gnädigste,“ mischte sich der dritte Veteran ein. „Die Flotte ist doch kein Transport- oder Speditionsunternehmen.“
Als ich mich erhob, verstummte das Gezänk. „Ich möchte tatsächlich Eure Meinungen hören. Von Jedem. Vallan, Dein Angebot ehrt Dich, ich werde darauf unter Umständen zurückkommen. Marba, es WIRD Beschränkungen, das Gepäck betreffend, geben. Geben MÜSSEN! Deine Aussteuertruhe aus Z’Trkh-Holz wird ebenso hier bleiben müssen wie der Schrank aus Hrmanka-Stein.“ Sie prallte mit entsetztem Gesicht zurück, man merkte, sie hätte gerne etwas gesagt. Ich winkte unwirsch ab, ihre Dummheit widerte mich einfach an. „Ansonsten“, setzte ich fort, „möchte ich, dass Ihr Euch einigt. Natürlich werden alle Personen, die das wünschen, sobald und soweit es möglich ist, evakuiert. Personen, welche bleiben wollen, werden selbstverständlich nicht zum Gehen gezwungen. Wie aber sollen wir die Personen auswählen, die zuerst evakuiert werden sollen? Erstellt eine Liste, und lasst Euch einen Modus operandi einfallen, besser gestern als heute. Ich persönlich würde ja junge Arkoniden, die dem Imperium irgendwie noch nützlich sein könnten, bei der Abreise vorziehen, aber ich möchte nicht vorgreifen. Ich habe nur noch einen Befehl: BEEILT EUCH GEFÄLLIGST!“ Es mag sein, dass ich bei meinen letzten Worten etwas laut wurde. Ein wenig. Ein wenig mehr! Gut, beinahe so laut wie Tarts! Aber Idiotie hat mich schon immer abgestoßen, jetzt kam mir Vallan plötzlich weniger Nerv tötend als Marba vor.
Mein größtes Glück dieser Tage waren zwei hervorragende Mitarbeiter und deren Stäbe. Thalma und ihre Mitarbeiter regelten den zivilen Sektor, Tarts und seine Offiziere den militärischen, und beides funktionierte wie eine gut geölte Maschine. Wobei ich auf dem zivilen Sektor genau genommen nicht viel zu sagen hatte, denn diesmal kam ich ja nicht als Inspekteur, sondern als Verstärkung, daher wäre eigentlich Thalma auf dem Gebiet der Kolonie die Ausschlaggebende gewesen. Aber als Kristallprinz – es war kompliziert, ich habe mir damals sicher zu viele Entscheidungen angemaßt und zu selten die Spezialisten arbeiten lassen. Trotzdem hatte ich noch viel Zeit zum Nachdenken, fast schon zu viel, denn ab und zu kam ich richtig ins Grübeln, und das ist nicht wirklich gesund für einen Befehlshaber. Zum Glück sorgte in den Nächten Thalma dafür, dass ich nicht nur Entspannung, sondern auch genügend Schlaf bekam. Sie hatte ihre eigene Art – Marie Anne, das wollen Sie gar nicht wissen, nicht so genau.
Wir hielten regelmäßig, aber zu nicht berechenbaren Zeitpunkten, einige Alarmübungen ab, waren uns aber bewusst, dass wir nicht übertreiben durften. Es gab immer die Gefahr der Abstumpfung, wenn man einmal zu oft rief, gingen die Leistungen zurück. Nicht bei den Profis, aber den Zivilisten konnte man nur begrenzt Katastrophenschutzübungen zumuten. Es war – und ist noch – immer eine gewisse Gratwanderung, allen galaktischen Göttern sei Dank für ein Flottenhandbuch, von Experten geschrieben, das auch Übungen mit Zivilpersonal im Falle einer anstehenden Katastrophe einkalkuliert. Es gab einmal auch einen echten Alarm, doch als wir unter Keuchen und hektischem Gerangel und Gerenne endlich in der Zentrale ankamen, entpuppte sich das einfliegende Schiff als Kurierkreuzer des Imperators mit den neuesten Depeschen. Ein kleines 60 Meter Schiff ohne große Bewaffnung, aber starken Triebwerken und großer Reichweite. Was folgte war eine – richtig, eine Besprechung. Wieder mal. ‚Shit happens!‘ Äh, Forrest Gump natürlich!
„Erhabener, Damen, Herren! Der Imperator sendet durch mich Botschaften und Glückwünsche. Er bedauert sehr, keine Hilfe mehr senden zu können, nicht einmal mehr in Form von Ratschlägen und eindeutigen Befehlen. Die Front gegen die Methans ist zum größten Teil eingebrochen, wenn auch die Einheiten, welche mit Prototypen der neuen ‚Konverterkanone‘ ausgerüstet sind, bereits durchaus achtbare Erfolge erringen konnten. Die Lage ist derart unübersichtlich zu nennen, dass die weitere Vorgangsweise ganz allein dem Gutdünken des Kristallprinzen Mascaren Atlan daGonozal obliegt.“ Da hatte ich ihn, den ‚blauen Crest‘. Oh, pardon, den schwarzen Peter. Lange hatte ich volle Verantwortung ersehnt, nun im Angesicht der Krise wurde sie mir zuteil, spät, aber wie ich hoffte, nicht zu spät. ‚Bedenke wohl, worum Du die Götter bittest, vielleicht gewähren Sie Dir die Erfüllung‘! Eine schamanistische Weisheit, und in diesem Fall vollauf zutreffend. Ich straffte meine Haltung. Na schön. Es war jetzt mein Spiel, meine Regeln. Den Rest des Rapportes hörte ich nur noch mit halbem Ohr, es lag doch alles in schriftlicher Form vor. Als Stille eintrat, dankte ich dem Kurier und händigte ihm eine Kopie der letzten Logbücher und Berichte aus, schon kurze Zeit später bat das Kurierschiff schon wieder um Starterlaubnis, die auch anstandslos gewährt wurde. Mit irrwitzigen Werten beschleunigend raste der Kreuzer wie ein Feuerball durch die Atmosphäre und hinterließ einen mächtigen Knall, als er die Schallgeschwindigkeit überschritt. Es sollte mein letzter Kontakt zum Imperium für Jahrtausende werden…
Ich wandte mich noch am selben Tag an den erweiterten Rat. „Also, gibt es Ergebnisse?“ fragte ich, und wie erwartet kam eine ausweichende Antwort. Natürlich wollte Marba nicht von ihrem Vorschlag lassen, erst die Angehörigen der hohen Häuser zu retten und fand auch durchaus Anhänger, selbst unter Veteranen und Offizieren. Wieder andere wollten meinem Vorschlag folgen und eine Altersgrenze heranziehen, was wiederum die Anhänger der Patrizier als Zumutung betrachteten, die ihre Patriarchen nicht zurück lassen wollten. Ich lehnte in meinem Sessel, meine Finger trommelten ein gängiges Musikstück auf dem Tisch. Irgendetwas mit einer berühmten Rennstrecke – egal. Immer und immer wieder die gleichen Debatten. In mir staute sich eine gewisse Ungeduld, die sich endlich Bahn brach. „Na schön!“ ich schlug mit der flachen Hand ungeduldig auf den Tisch und unterbrach das endlose debattieren im Kreis. „Ich werde jetzt einfach einen Befehl geben und werde ein Machtwort sprechen. Schluss mit der sinnlosen Debatte, wir werden die Plätze des ersten Evakuierungsfluges einfach verlosen. Unsere Rechner sollten wohl aus der Liste jener, die uns verlassen wollen, per Zufallslogarithmus die Glücklichen auswählen können. Möge Hemutag mit uns allen sein. Administrator Thalma dalZarmol, starten Sie ein entsprechendes Programm!“ Thalma drückte einige Tasten, um eine bestimmte Subroutine eines Programmes aufzurufen, acht Sekunden später meldete sie „Ausführung, Gebieter!“ Keine Tändelei im Dienst, Förmlichkeit wurde gepflegt. „In wenigen Minuten wird die Liste über alle Medien bekannt gegeben.“ fuhr sie fort. „Eine Hardcopy wird mit Erlaubnis des Erhabenen am Raumhafen ausgehängt, entsprechende ComPads an die Marines und die Polizei ausgegeben.“ Marie Anne, heute bin ich ein Verfechter demokratischer Strukturen, damals sah ich mich bestätigt, dass es eine dumme Idee war, Amateure aus unterschiedlichen Klassen an die Macht zu lassen. Und auch heute denke ich, das Demokratie nur funktioniert, wenn genug Zeit für endlose Diskussionen vorhanden ist. Zeit, die wir, wie ich fürchtete, nicht mehr ausreichend hatten.
„Ausgezeichnet, Administrator!“ ich nickte die Meldung ab und wandte mich an meinen militärischen Stabschef. „Tarts, die Ordnungskräfte sollen mit schweren Thermostrahlern zusätzlich zu den Schockern ausgerüstet werden. Scharf gemacht, und das soll ebenfalls bekannt gemacht werden. Ich will keinen chaotischen Sturm auf die Schiffe, ich will ein Boarding in Ordnung und Disziplin! Erster Start der Evakuierungsflotte in fünf Tagen. Räumt die Schiffe aus, um Platz zu erhalten. Wozu haben wir Depots gebaut, jetzt füllt sie auch auf! Bringt auch Saatgut und ähnliches darin unter. An die Arbeit!“ Endlich hatte ich mich nicht nur durchgerungen, sondern auch die Möglichkeit, meine Aktion war mit Brief und Siegel sanktioniert. Es ist erschreckend, wie schwer es einem Menschen fällt, einem Befehl zu widersprechen, wenn man in der Hierarchie steckt, denken kann man es ja, aber dann zögert man die Handlung immer weiter hinaus. Aber jetzt, jetzt durfte ich ja, zumindest legte ich meine Machtbefugnis dahingehend aus und setzte meine gesamte Autorität ein. Die Bedrohung durch die Flotte der Fremden war unkalkulierbar, irgendwann würden sie kommen, ebenso die Methans. Bis dahin wollte ich zumindest einige Zivilisten aus dem Weg haben, so viele, wie es mir nur irgendwie möglich war.
Ich fragte mich immer wieder, und ich frage mich auch heute noch, was so wichtig an diesem Larsaf-System war, dass es im Zentrum der Angriffe aus dem Rotlicht-Raum war. Ich weiß, warum es für Arkon wichtig war, aber für Fremde aus einem ganz anderen Universum? Oder war es der erste Einsatz der neuen Technologie und der Ort war mehr oder weniger Zufall? Ich weiß es einfach noch immer nicht. War es der erste Kontakt zwischen den Zeitebenen, und wir wussten nur nichts von vorhergegangenen? Vielleicht spielten da draußen einige gottähnliche Wesen Schach miteinander, und wir waren ihre Spielfiguren, in einem vielleicht schon Jahrmillionen, Milliarden langen Spiel um – ja, was weiß denn ich! Die Macht im Universum? Eine Kupfermünze? Einfach zum Zeitvertreib? Na ja! Arkon mit einem dieser Aufrisstrichter direkt anzugreifen, hätte ich besser verstanden, aber so viel Aufwand für – was? Ein abseits gelegenes System, noch nicht einmal fertig kolonisiert? Sicher, taktisch günstig als Stützpunkt für einen Krieg Arkons gegen die Methans gelegen, auch einigermaßen reich an Rohstoffen außer Hyphum, aber in erster Linie waren es wohl immer noch drei Agrarplaneten gewesen. Ich konnte und kann mir noch immer keinen konkreten Reim darauf machen. Vielleicht versuche ich auch nur, einen Grund zu finden, weil ich einfach bei einem derartig einschneidenden Ereignis nicht an einen Zufall glauben möchte. Vielleicht weil man mich gelehrt hatte, dass es so etwas wie Zufall nicht gibt, aber ist das wirklich so?
*
Lass uns leben, lass uns lieben, scheren wir uns nicht um das Gezänk der Alten, die vor uns dasselbe taten, denn nur zu bald schlafen wir beide einen Schlaf auf ewig. Darum küsse nicht, Geliebte, küsse mich tausende und noch tausende Male. Und noch tausende und abertausende, bis das Schicksal die Zahl nicht kenne und sie uns neidet‘. Leider nicht von mir. Gaius Valerius Catullus. Hat die Schüler über Jahrhunderte hinweg gequält, die ihn übersetzen mussten.
Man soll das Schicksal nicht neidisch machen und zu sehr herausfordern, Marie Anne, es sitzt immer am längeren Hebelarm und ist geduldig. Oder man soll es gleich ordentlich machen, wie Thalma und ich. Es schlägt auf jeden Fall zum dümmsten Zeitpunkt für den Betroffenen völlig überraschend zu. Thalma, ich und wenige Mannschaften waren unterwegs, um ein neugebautes Depot bei der später Sao Miguel genannten Insel im Atlantik zu inspizieren. Dieses war eines der bereits beinahe fertig ausgestatteten in einiger Entfernung von Atlantis, eine vorletzte Abnahmeroutine. Vor einigen Tagen war die Evakuierungsflotte aufgebrochen und wir erwarteten sie demnächst wieder zurück, um die nächsten Flüchtlinge zu holen. Die letzte Zeit war ziemlich ruhig verlaufen, die nächste Welle der Flüchtenden war ausgewählt, im Moment konnten wir nichts tun, nur warten. Tarts hatte Thalma und mir vorgeschlagen, doch einmal ein wenig auszuspannen und die Nerven zu beruhigen, der Besuch dieser Anlage schien uns ein brauchbarer Kompromiss aus Erholung und Pflichterfüllung zu sein. Die Frauen und Männer schwärmten aus, kontrollierten Maschinenanlagen, die Steuerzentrale und ähnliches. Thalma und ich wollten uns um die Quartiere kümmern, ich weiß nicht, warum Sex außerhalb des eigenen Schlafzimmers, der eigenen Wohnung so viel erregender ist.
Ein denkbar ungünstiger Moment für einen Generalalarm, wenn es denn je einen günstigen geben sollte. Als die Sirenen gellten, zog ich fluchend meine Hose hoch und bin heute noch dankbar, dass es längst keine Reißverschlüsse mehr gab, in denen heikle Stellen hängen bleiben können. Oh ja, ich spreche durchaus aus meinem reichen Erfahrungsschatz. Dann sprintete ich zum Antigravlift, Thalma sparte zwar sich das Geschimpfe, folgte aber kaum langsamer. Manchmal frage ich mich schon – da brauchen Frauen endlos, sich zum Ausgehen fertig zu machen, und wenn es darauf ankommt, sind sie schneller in einem Overall, als ein Mann alles verpacken kann. Da ist es ja wieder, Ihr schelmisches Grinsen. Wollen wir es einmal ausprobieren, Marie Anne?
Gut, gut, natürlich, später. Ich habe Zeit, Marie Anne, Zeit genug. Das ist das schöne für mich, ich habe Zeit. Zeit genug zu lieben, und geliebt zu werden. Wir liefen also zum Lift, während eine verzerrte Robotstimme laut ‚Generalalarm! Generalalarm! Verschlusszustand in fünf Minuten!‘ plärrte. Wir erreichten den Kommandostand, wo Major Inkahar bereits an der Ortung schaltete, auf dem Kommunikationsmonitor war Tarts verzerrtes Gesicht zu sehen. „Ortung, Erhabener! Eine Flotte dieser Insekten aus dem Rotlichtraum wurde beim Einflug in das System wahrgenommen. Ich habe Alarmstart für alle Einheiten angeordnet, die Wachflotte formiert sich eben!“ Tatsächlich konnte ich durch die Lautsprecher das laute Toben hochfahrender Energieerzeuger hören. „Schicke mir einen Kurierboot zur Insel, das mich an Bord bringt. Der Gleiter ist zu langsam!“ rief ich, während ich zum Tor lief. Welches sich natürlich nicht öffnen wollte, es herrschte Verschlusszustand! Verdammte Verzögerung, schnell, schnell, den Code eingeben. Warum bei den eiskalten Tiefen der Hölle hörte ich denn keine Bestätigung von Tarts? Ich fuhr herum, ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, langsam holte er tief Luft. „Nein, Erhabener, ich verweigere ein letztes Mal den Befehl. Du bist sicherer, wo Du bist, Atlan. Und kommst Du je wieder nach Arkon, so erzähle, dass Du uns sterben sahst, wie es die Ehre von uns verlangt! Euer Erhabenheit, Geschwaderkommandant Tarts meldet sich zur Schlacht ab!“ Er unterbrach die Verbindung und ließ mich stumm, aber nicht taub zurück.
Leider hatten wir noch nicht geschafft, Hyperfunkgeräte in den Überlebenszylindern zu installieren, sie sollten als letztes während dieser Inspektion eingebaut werden. Für morgen hatten wir es geplant. Marie Anne, morgen, das ist immer so eine Sache. Vielleicht gibt es kein morgen mehr, vielleicht schneidet Klotho gerade jetzt unseren Lebensfaden durch. Nun, ohne Hyperfunk konnte ich zwar den Nahbereichs-Gefechtsfunk mithören und teilweise durch Gefechtskameras sehen, jedoch nur – je nach Entfernung – mit gewisser Verzögerung. Hier konnte ich mir meinen Atem sparen, denn Befehle mussten um Minuten zu spät kommen, mehr Schaden als Nutzen bringen. So erlebte ich die letzte Raumschlacht um Atlantis nur passiv lauschend als Zuseher mit. Dieses zur Passivität verdammt zu sein lähmte meine Gedanken, ich nahm meine Umgebung nur noch durch Watte wahr.
Ich bekam mit, dass die Venusmonde beschossen wurden, knapp über der Atmosphäre explodierten und die Trümmerstücke auf die Venus stürzten. Seit damals ist dieser Planet ein lebloses und heißes Inferno, in dem sich auch kein Leben mehr entwickeln könnte, nicht mit der Menge Schwefel, die auf den Monden gelagert war. Die Rotation würde sich ohne Monde erheblich beschleunigen, das Magnetfeld brach jetzt schon zusammen. Das Aus für einen schönen Planeten, hier müsste mit gewaltigem Aufwand arkoformiert werden, inklusive eines künstlichen Trabanten, der die Umdrehungsgeschwindigkeit wieder bremsen müsste. Die Venus and Asteroids Company ist hier auf einem guten Weg, das zu schaffen, aber es wird noch lange Zeit kosten.
Wenn auch die Hyperfunktgeräte fehlten, die überlichtschnellen Passivorter waren bereits eingebaut. „Ortung!“ brüllte Inkahar. „Unsere Evakuierungsflotte ist zurück gekehrt!“ Ich brüllte auf: „Sie sollen abdrehen! Abdrehen und verschwinden! Diese Kähne taugen doch noch nicht einmal zum Rammen!“ Minuten später dröhnte auch Tarts Stimme aus den Lautsprechern: „An alle Evakuierungseinheiten! Zurück! Verschwindet aus dem System, schnell!“ Gewaltige Triebwerksleistungen verzögerten den Flug der Flotte, beschleunigten danach wieder auf Gegenkurs. Der Vorteil der Bauweise als Kugelraumer. Wenige Augenblicke bevor die Transportschiffe Sprunggeschwindigkeit erreichten, brüllte Inkahar verzweifelt: „Methanerflotte rematerialisiert im System!“ Ich zuckte zusammen, Verzweiflung ergriff von mir Besitz. Konnte es noch schlimmer kommen? „ Methanerflotte nimmt Kurs auf Transportschiffe!“ meine Hände umklammerten die Lehne meines Sessels, hinter dem ich stand, machtlos, zur Untätigkeit verdammt. Marie Anne, Sie haben mich einmal gefragt, ob ich an eine Hölle glaube. Die Antwort ist ja, denn hier habe ich eine erlebt. „Methanschiffe eröffnen Feuer!“ „Transportflotte springt!“ Zumindest die waren also fürs Erste gerettet und konnten vielleicht später als Bergungs- und Rettungsflotte dienen. Wenn es noch etwas zum Retten und Bergen gab.
Die Methans stürzten sich sofort in den Kampf, beschossen beide Parteien und wurden von beiden beschossen. Ein heftiger Kampf Jeder gegen Jeden entbrannte, dis heute kann ich mir die Situation nicht erklären. Man sollte eher annehmen, dass ein Flottenkommandant zuerst ortet, sich für eine Seite entscheidet oder abwartet, um die Überlebenden zu eliminieren. Ich verstand es nicht, ich verstehe es bis heute nicht und wahrscheinlich werde ich es nie verstehen. ‚Ein Schlachten war es zu nennen, keine Schlacht!‘ Schillers Johanna. In der Atmosphäre des Mars detonierten einige im Kampf verbundene Raumschiffe, die Atmosphäre wurde hinweggefegt, das Oberflächenwasser verdampfte, eine dürre Sandwüste mir Resten einer Gashülle war die leicht absehbare Zukunft.
Tarts hatte sich bemüht, die Kampfschauplätze eher in Richtung Venus und Mars zu verlegen, und bisher war es ihm auch gelungen. Dann aber, ein Schwarm Raumtorpedos verfehlte sein Ziel, er war auf Kollisionskurs Terra, kam näher, näher, immer noch näher. Die Batterien von Atlantis eröffneten das Feuer und vernichteten Geschoß auf Geschoß. Eines kam durch. Eines nur, aber das reichte, es war sozusagen der ‚lucky strike’ für die Methaner.
Dieser Marschflugkörper bohrte sich tief in den Grund einer unbewohnten Insel nördlich von Atlantis, explodierte dort und riss eine riesige Magmakammer auf. Darauf hin brachen zuerst an der Naht zwischen europäischer und amerikanischer Kontinentalplatte unzählige Vulkane aus, ein Inferno aus Dampf und Asche, Magma und Feuer, das sich ungebremst immer weiter ausbreitete. Tief unter Atlantis musste es eine gewaltige Caldera gegeben haben, deren Oberfläche jetzt unter der gigantischen Belastung riss, glühende Lava traf auf kaltes Ozeanwasser, eine Dampfexplosion von der Stärke mehrerer Gefechtssprengköpfe war die erste unmittelbare Folge. Ein riesiger Tsunami entstand dadurch, löschte das Leben an den Küsten Terras aus, zerstörte und veränderte die Küstenlinien für ewige Zeiten. Erdbebeben erschütterten den Planeten und allein der hervorragenden Konstruktion des Zylinders verdankten wir unser Leben, obgleich wir ordentlich durchgeschüttelt wurden. Dampf, Asche und Bimsstein wurden hoch in die Atmosphäre geschleudert und vom Jetstream über die gesamte Erde verteilt. Ich sah vor meinem inneren Auge bereits wieder die Gletscher wachsen, die Temperaturen sinken. Ob außer dem Inspektionsteam noch Arkoniden überlebt hatten? Sicher nicht auf Atlantis, aber einige wollten doch ihre Besitzungen noch kontrollieren, andere arbeiteten verteilt über den ganzen Planeten. Eine Frage, ein Problem, für später vorgemerkt.
Und dann, plötzlich und übergangslos, Stille. Keine Meldungen mehr. Inkahar bestätigte die Vermutung meines Logiksektors: „Die Flotte ist vernichtet, Erhabener!“ meldete er aufgewühlt. Still beobachteten wir, wie die Methanerschiffe die letzten Fremden zerstörten und selber in diesen Kämpfen schwerste Verluste erlitt. Nun warteten wir nur noch auf unser Ende, etwas zu unternehmen war uns unmöglich. Doch einige Stunden später, in denen die Methans das System durchflogen und sehr wahrscheinlich orteten, zogen sie wieder ab. Scheinbar war ihnen Venus und Mars zerstört genug, und die halb vernichtete Erde schien ebenfalls den Aufwand einer weiteren Zerstörungsorgie nicht mehr wert.
Kapitel 3: Postatlantischer Winter
O wie ist es kalt geworden – und so traurig, öd’ und leer! – Rauhe Winde weh‘n von Norden, – und die Sonne scheint nicht mehr! (Fallersleben)
August 2084, Solares System, An Bord der Viribus Unitis
Heißes Wasser prasselte auf den Körper des weißhaarigen Mannes, massierte die Verspannungen aus den Muskeln und entspannte seinen Geist. Atlan hielt sein Gesicht mit geschlossenen Augen in den scharfen Strahl, drehte und dehnte seine 187 Zentimeter große Gestalt. Zur Herrin mit dem eisigen, heute war er wieder zu lange in irgendwelchen unbequemen Shuttles gesessen und war entsprechend steif und verkrampft. Das Auffälligste an ihm war nicht sein weißes, aber volles und kräftiges Haar an Kopf und um Schambereich, die Farbe seiner Haut, die dunklen Zimt erinnerte oder seine gut ausgebildete Muskulatur im XXXL – Format, sondern die vielen sich auf der dunklen Haut hell abzeichnenden Narben, die von seinen vielen Kämpfen und Verletzungen zeugten, besonders im Bereich des Magens. Ein Netz von Narben tiefer Schnitte zeichnete ein schreckliches, wirres, weißes Muster auf die gebräunte, haarlose Haut.
Das Wasser versiegte, als er die entsprechende Armatur betätigte, und ein warmer Luftstrom trocknete den Arkoniden und wärmte seine starken, aber müden Glieder, danach schlüpfte er in hellbeige Dehnbundjeans und ein blaues, kurzärmeliges Poloshirt. Barfuß ging er zur Stereoanlage und wählte eine Musikdatei. Aus den Lautsprechern ertönte ein angenehmes, volles Tenorsaxophon, begleitet nur von einem Klavier und einem Bass, reiner, purer Jazz aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Er goss sich ein Glas französischen Rotwein ein, kostete, nickte und stellte ein zweites Glas bereit. Zufrieden setzte er sich auf das Sofa, dimmte das Licht und flog mit den Tönen beinahe davon, nach Wien, ins Jazzland. Zu Inge, die ihn in dieses Lokal geführt hatte. Red Holloway hatte mit Axel Zwingenberger gespielt, ungeplant, aber seine Band konnte nicht kommen, und Zwingenberger hätte selbst einen Auftritt wenige Tage später gehabt. Eine Jazzlandlösung. Man half sich gegenseitig aus der Patsche.
Ein Summen störte die Musikwiedergabe, Atlan stand auf und ging zur Tür, sein erwarteter Gast war eingetroffen. „Kommen Sie herein, Frau Doktor! Nehmen Sie Platz!“ Wie immer, wenn sie ihn besuchte, trug Marie Anne Collard ihre Uniform, unter dem Arm ein ComPad. „Danke, Admiral. Red and blues?“ fragte sie, auf die Anlage deutend. „Ich bin beeindruckt! Beinahe richtig. Aber es ist zwar Red Holloway, aber die Aufnahme ist von früher. Ein privater Mitschnitt aus Wien!“ Marie zog eine Braue hoch und musterte die Arrangements. „Admiral, wir wollen uns doch unterhalten, oder?“ „Natürlich!“ Atlan setzte sich auf das Sofa, legte die Arme auf die Rückenlehne und streckte die Beine lang ausgestreckt an den Knöcheln überkreuzt von sich. „Ich wollte Ihnen doch noch einiges erzählen. Diese Zeit, der Untergang des Larsafsystems gehört zu den schlimmsten Erinnerungen meines Lebens, vielleicht ist es wirklich besser, die Erinnerung ohne Trance noch einmal zu erleben und erzählen. Es war für mich damals frustrierend, nicht, weil es mir misslungen ist, das System zu schützen. Mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln war das einfach unmöglich.
Nein, ich spreche über meine Unentschlossenheit, über mein Zaudern, meine Unfähigkeit, mich sofort für eine Evakuierung zu entscheiden, auch gegen einen Befehl der imperialen Flottenführung. Das macht mir teilweise heute noch Kopfzerbrechen, darüber müssen wir vielleicht später noch einmal ganz ausführlich sprechen. Jetzt aber – folgen Sie mir bitte im Geiste nach Sao Miguel, einer der Inseln der heutigen Azoren, wo sich tief unter Wasser, kunstvoll im Felsen der Insel versteckt, ein arkonidischer Überlebenszylinder befindet. Betreten Sie bitte mit mir den Kontrollraum…
-○-
Den Kontrollraum können Sie sich dem eines Raumschiffes sehr ähnlich vorstellen, nur fehlen natürlicherweise Ruder, Navigation und die wissenschaftliche Station. Dafür ist der Platz, den die Korvettenkontrolle einnimmt, doppelt so groß, wie auch die Kommunikation. Völlig unnötig für uns, die wir über keine ÜL – Kommunikation und keine einzuweisenden Raumschiffe verfügten. Die Empore in der Mitte fehlte, und es führten nur fünf Eingänge in den Raum.
Langsam arbeitete ich mich aus dem Spalt zwischen zwei Geräten, wohin mich die Erschütterungen geworfen hatten. „Ist es vorbei?“ Oberleutnant Sloma domWhit taumelte aus ihrer Ecke, während Major Inkahar doCalê sich in seinem Sessel hatte halten können, Hemutag allein weiß wie, schaltete schon wieder durch die Anzeigen einiger Messgeräte. „Weiß nicht“, brummte er, konzentriert auf seine Skalen und Zahlen blickend. „Bei der Höllenfürstin tiefgekühltem Arsch! Einen solchen Höllenritt möchte ich nicht noch einmal machen!“ Typisch für das Enfant terrible der arkonidischen Streitkräfte in Larsafs System, Howan mit den geschorenen Haaren, der aus einer Wunde am Oberarm blutete. Immer bereit für einen – na, sagen wir mal ‚nicht ganz hoffähigen‘ – Ausdruck. Diese Aussage konnte ich allerdings voll und ganz unterschreiben, das Erlebnis war nicht von der Art, bei der man auf eine Wiederholung hoffte. Ich sah mich immer noch benommen um, langsam fand ich wieder in die Gegenwart, ich erinnerte mich an… „Thalma!“ Ich fürchte, ich brüllte wie ein verwundeter Stier! „Thalma! Wo..?“ „Hier, Gebieter! Vielleicht könnte mir jemand aus meiner besch… – aus dem Spalt helfen, ich kann mich nicht ordentlich bewegen!“ Ich stapfte in die Richtung, aus der ich ihre Stimme hörte und befreite sie Höchst selbst, mit diesen meinen eigenen hochwohlgeborenen, gut manikürten Händen, aus ihrer misslichen Lage. Keine große Sache, unglücklich eingeklemmt, allen Göttern sei’s getrommelt und gepfiffen. In Zeiten wie diesen muss eben auch ein Kristallprinz bereit sein, sich die Hände schmutzig zu machen, außerdem, Marie Anne, hätte ich, ehrlich gesagt, niemand anderen den Retter spielen lassen. Testosteron und Adrenalin, sie verstehen? Natürlich tun Sie das.
Aus einer dritten Ecke kam dumpfes Stöhnen. Leutnant Vhinja onMragno torkelte heran, aus einer Platzwunde an der Stirn floss reichlich Blut, wie es bei solchen harmlosen Blessuren sowohl bei Menschen als auch Arkoniden durchaus üblich war und ist. „Es geschieht ja nicht oft, aber jetzt könnte ich etwa vierzig Prozente in einem hohen Glas vertragen. Klar und scharf, wenn möglich.“ Sloma schüttelte missbilligend den Kopf. „Alkohol im Dienst. Noch dazu…“ Ich brachte ein dünnes Grinsen zusammen. „Schon gut, Oberleutnant. Ich gestehe, selber ein Schlückchen vertragen zu können.“ Auch Thalma nickte. „Wir alle könnten! Moment. Ich denke, den Verschlusszustand können wir beenden?“ „Natürlich! Major Inkahar, sie sitzen schon vor den Tasten, öffnen Sie bitte die Schotten. Howan, bitte einen Rundruf, es sollen sich alle Überlebende melden.“
Wenige Minuten später stand fest, dass insgesamt zwölf Personen in diesem Bunker überlebt hatten:
Administratorin Thalma dal Zarmol
Major Inkahar do Calê
Oberleutnant Sloma dom Whit
Oberleutnant Howan on Roemp
Leutnant Sankha dom Olyr
Leutnant Vhinja on Mragno
Technischer Offizier Suuna
Technischer Offizier Hakmar
Technik-Maat Taiilm
Hilfstechniker Vallan
Hilfstechniker Condish
und – ich darf um einen Trommelwirbel bitten – Seine Erhabenheit Mascaren Atlan daGonozal in seiner Höchst eigenen Person. Ja, dieser Vallan, der seine Hilfe angeboten hatte, er hatte sich als ganz brauchbar erwiesen. Jung, aber eifrig. Fünf Frauen und sieben Männer. Hilfstechniker Mokral war leider sehr unglücklich zu Fall gekommen, er erlitt einen Genickbruch. Es war ohnehin ein Wunder, dass hier nicht mehr geschehen war, bei dem Gedanken an das Draußen krampfte mein Inneres zusammen. Später, später, zuerst im Inneren Ordnung schaffen. Wir brachten die Leiche Mokrals zum letzten Appell in den Gedenkraum, trugen seinen Namen auf der Gedenktafel ein und befestigten ein Mikrofoto seines DNA-Fingerprints daneben. Danach wurde der Körper durch eine spezielle Schleuse in den Reaktor verbracht und dort atomisiert, wie es üblich war. Wasserstoff zu Wasserstoff, Sauerstoff zu Sauerstoff, auf dass die Atome zurück in den ewigen Kreislauf finden und Mokral frei wäre! Der erste Name auf der Liste, die hoffentlich nur kurz werden würde. In ein paar Tagen… Arkon würde uns doch nicht im Stich lassen, die Rettungsflotte bald kommen. In ein paar Tagen….
*
„Also,“ nach dem Appell hatten sich Mannschaften und Offiziere in der Messe versammelt, ich ergriff das Wort. „Zuerst wird jeder der hier Anwesenden ein Mittel gegen Schocktraumata einnehmen, am besten mit etwas Flüssigkeit. Empfohlen werden etwa 40 Prozent in einem hohen Glas, Geschmack und Farbe beliebig. Dann ein Schlafmittel. Morgen wird damit begonnen, nach eventuellen Überlebenden außerhalb des Bunkers zu suchen, zuerst selbstverständlich auf nanotronischem Weg. Der technische Dienst beginnt morgen zudem mit der Überprüfung sämtlicher Installationen, Vorräte und, ganz wichtig, der Expeditionsfahrzeuge. Wo nicht schon vorhanden, muss volle Funktionsfähigkeit hergestellt werden, und wenn ein Panzer dreimal überprüft wurde, macht es ein viertes und fünftes Mal, ich habe keine Lust, irgendwo festzusitzen, weil ein Hebel blockiert. Checken, checken und nochmal gegenchecken.“ Ich klatschte mit dem rechten Handrücken gegen die linke Handfläche. „Major Inkahar hat die Notrufkanäle für die Mobilcoms bereits auf den Zentralrechner des Bunkers umgeleitet, sodass Notrufe hier ankommen werden. Ich werde die Wache für diese Nacht übernehmen, Sie alle anderen gehen jetzt zu Bett. Auch Sie, Leutnant Vhinja! Und jetzt bitte ich Sie, noch einen letzten Salut den Verstorbenen von Atlantis zu widmen. Danke, eine ruhige Nacht Ihnen allen!“
‚Zärtlich ist die Nacht.‘ Ach, das ist von Francis Scott Fitzgerald. ‚Der große Gatsby‘, der große amerikanische Roman – Fitzgerald? Im Kontrollraum herrschte jene Stille, wie sie nur die Einsamkeit hervorbringt, moderne Nanotronik ist eben absolut geräuschlos, falls nicht Signaltöne beabsichtigt waren, und ich hatte sie ausgeschaltet, die Alarmfunktion ausgenommen. Ich dämpfte das Licht und schleuste einige automatische, flugstabilisierte Drohnen aus, um die Entwicklung zu beobachten. In jener Gegend, wo Atlantis gelegen hatte, brodelte und kochte immer noch das Meer, Magma aus dem Erdinneren kämpfte mit dem kalten Wasser des Atlantiks, welche Temperatur sich letztendlich durchsetzen würde. Oh, natürlich würde es das kalte Wasser sein, aber wie lange würde es dauern, was würde geschehen? Dampfwolken verdunkelten den Himmel und verdeckten den Mond, selbst die Sonne hatte die Wolken nicht mehr durchdringen können, es hatte ein ungewisses Dämmerlicht den Tag beherrscht. Und dieses Dämmerung beherrschte die tagwärtige Seite des Planeten immer noch, während die Nachtseite in beinahe absolute Dunkelheit gehüllt war. Stürme in den höchsten Regionen der Atmosphäre vertrugen die wassergeschwängerte Luft, brachten sie überall auf diesem Planeten hin, sintflutartiger Regen ergoss sich in Regionen, wo sonst kaum Wasser zu finden war. Wirbelstürme noch nicht gesehenen Ausmaßes zogen über die Kontinente, Blitze, Hagel, das Toben der Elemente begrub Landstriche unter Schlamm und Eis, wehte andere frei von Sand und Schnee. Immer wieder kam es zu geringeren, aber doch alarmierenden Nachgeben, die in Wellen um den gesamten Globus gingen und weitere Flutwellen auslösten. Nun, sehr viel mehr konnten diese seismischen Störungen ja nicht mehr zerstören, was noch existierte, nahm dadurch auch keinen größeren Schaden mehr, und was nicht mehr stand… Mir graute, wenn ich an die Arkoniden dachte, die noch lebten und irgendwo dort draußen unter der Herrschaft der Herrin der kältesten Hölle ausharren mussten.
Nein, an die Menschheit dachte ich damals nur wenig. Auch an die Bewohner von Port Atlantis – mögen die Götter ihren unsterblichen Geistern gnädig gesonnen sein und sie frei geben – dachte ich nicht viel. Sie waren tot, sie mussten nach der Explosion der Caldera tot sein, und toter konnten sie nicht mehr werden. Aber ich dachte an die Leute meiner Art, die Port Atlantis bereits verlassen hatten, um auf ihren Besitzungen zu leben. Zugegeben, viele würden es nicht sein, welche die Bequemlichkeiten einer arkonidischen Infrastruktur aufgegeben hatten, um das Leben in der Einöde zu führen, weit weg vom nächsten Lokal, Einkaufszentrum oder Bordell. Das I-Net konnte viel ersetzen, aber für so manches war physische Anwesenheit schon noch gefragt. Einige unserer Mitbürger hatten sich aber ihre Besitzungen bereits komfortabel genug eingerichtet und ihren Lebensmittelpunkt auch schon dort aufgeschlagen, mit jeder Menge arkonidischem und einheimischem Personal, ich erwähnte so etwas ja bereits. Nun, mit einem der handelsüblichen Schwebe-Pick-ups war Atlantis ja nicht aus der Welt gewesen, ein paar Stunden Flug mit automatischem Piloten, schon war man inmitten der Zivilisation. Eine Lappalie, selbst für den dekadentesten Idioten zu schaffen, und davon gab es damals noch nicht so viele, wie Crest es von heute berichtet. Dann waren da noch die Farmarbeiter, Prospektoren und Techniker – ja mit einigen tausend konnte man unter Umständen schon rechnen. Wie viele umgekommen waren, als Atlantis unterging – ich konnte, ich wollte es nicht wissen, nicht so genau. Klebte ihr Blut an meinen Händen? War ich verantwortlich? Zum Teil. Ja, ich bekenne meine Mitschuld, damals war ich mit der ganzen Situation ganz sicher überfordert, kein Zweifel. Aber, ich weiß auch heute nicht, was ich – außer früher zu Evakuieren – besser hätte machen können.
Ich schaltete mich durch die Frequenzen, suchte nach etwaigen modulierten Sendungen. Ich wollte um keinen Preis einen möglichen Notruf verpassen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit extrem gering war, dass bei diesen Turbulenzen und schwankenden elektromagnetischen Fluktuationen in der Atmosphäre ein ziviles Kommunikationsgerät überhaupt nach mehr als ein paar Meter noch zu empfangen war. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, also suchte ich weiter. Ja, sicher, die Automatik hätte mich sofort auf etwas, das nach Signalfolge klang, aufmerksam gemacht, trotzdem konnte ich in dieser ersten Nacht nicht anders. Ich stand auf und goss mir noch ein Glas Weinbrand ein und nippte daran. Zur Beruhigung meiner Nerven, ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass mein Imperium derzeit aus einer Basis mit ganzen zwölf Personen bestand. Zwischendurch wanderte meine Aufmerksamkeit immer wieder zu den Schirmen, auf denen die Übertragungen der Sonden zu sehen war, es war wie ein innerer Zwang, wie Zunge an einen schmerzempfindlichen Zahn zu führen. Es war richtig masochistisch, ab und zu nippte ich an meinem Glas, um die schlimmsten Gedanken zu vertreiben. Kein besonderer Alkohol, aber stark und scharf. Oh, meine Liebe, ich war zumindest damals keineswegs ein großer Feinschmecker, mein Interesse galt eher dem Nachtisch, wenn alles Geschirr abgeräumt war, ein Glas Wein, ein paar Kerzen, ein Arm- oder Halsband! Auf Landurlaub. Ansonsten war ich es gewohnt, mich von Flottenrationen und Synthobrei zu ernähren, ab und zu ein Bier oder ein Glas Wein, bei dem ich gute von schlechten Jahrgängen oder Sorten nicht stark zu unterscheiden wusste. Tarts – der gute, alte Tarts – war mehr Gourmet als ich! Wenn ich mit Thalma speiste, schmeckte ich nicht viel von dem, das sie so besonders an Gewürzen hervorhob. Sie hätte mir irgendetwas vorsetzen können – ich hätte es gelobt. ‚Wir leben nicht, um zu essen, wir essen, um zu leben!‘ sollte Sokrates einmal sagen – und damals im Bunker und noch lange Zeit später hätte ich ihm durchaus zugestimmt. Ein deutscher Kreuzerkapitän in der nassen Marine soll einmal gesagt haben: ‚das Essen ist eine lästige Unterbrechung des Dienstes!‘ Nun – Panta rei, alles ändert sich. Es war wieder einmal eine Frau, bei der ich das Essen zu genießen lernte. Und noch mehr, viel mehr. Ich hätte einen noch eine Flasche von diesem hervorragenden Merlot hier, genau die richtige Temperatur. Noch ein Gläschen?
Meine Kindheit? Die war auch nicht gerade Wohlschmeckend gewesen. Bei diesem riesigen Palast war das Essen zumeist schon nur noch lauwarm, bis es den Tisch erreichte. Wenn der Imperator sein Mahl beendete, war das auch das Aus für alle anderen. Und als kleines Kind sitzt man ferne dem Herrscher, bis mir serviert wurde, war Papa meistens schon fertig – und ich stand hungrig vom Tische auf. Mein Kindermädchen brachte mir dann eben Haltbarrationen und Nährbrei, was so vorhanden war. ‚Der Prinz muss abgehärtet werden! Er muss die Härten des Lebens so rasch wie möglich erkennen und damit umzugehen lernen!‘ Nun, ich lernte es. Vielleicht rettete mir genau das mein Leben, als Orbanschol – aber ich schweife wieder ab. Sagen wir – meine Kindheit war nicht eben von Wärme erfüllt, und die Einsamkeit öfter einmal mein Begleiter. Trotz Kindermädchen, trotz Dienerschaft. Papa und Mama waren halt sehr beschäftigt, Imperator und Imperatrice zu sein, für Kinderkram hatten sie keine Zeit. Gewiss, gewiss, die Bürde des hohen Amtes! Darauf geschissen! Tut mir leid. Wir waren bei den Freuden der Kindheit in hohen Häusern! Und ich habe festgestellt, dass viele, ja beinahe alle später, als Erwachsene ebenso beschissen mit ihren Kindern umgehen und nichts aus ihrer eigenen Kindheit gelernt haben. Ich sehe es an mir, ohne den Einfluss meiner jeweiligen Frauen – nun ja, ich war eben eine lange Zeit typischer Arkonide. Also, was ich sagen wollte, weder der Homo arkonides noch der sapiens sind als Eltern einer so genannten ‚besseren Schicht’ in der Lage, aus ihrer eigenen Kindheit zu lernen und es besser zu machen! Entschuldigung, das es jetzt so aus mir herausplatzte. Ich fahre besser mit der ersten postatlantischen Nacht fort, ehe ich – nein, später….
*
Wobei, sehr viel gibt es nicht mehr von jener Nacht zu berichten. Morgens löste mich Major Inkahar wieder ab, ich gab ihm noch die Anweisung, einen Dienstplan auszuarbeiten und hoffte auf eine Schale HonGhi, ehe ich mich zur Ruhe begab. Ja, Dienstplan. Ich rechnete mit einer raschen Rettung durch die arkonidische Flotte, da hieß es, die Disziplin aufrecht zu erhalten. Immerhin konnte die Evakuierungsflotte den nächstgelegenen Stützpunkt über die Lage informieren, und – nun, immerhin – ich war der Kristallprinz. Mich würde man doch nicht einfach so hier sitzen und vergammeln lassen, oder? Mich KONNTE man doch nicht einfach im Stich lassen. Mich nicht! Ich war doch der verdammte Erbe des Kristallimperiums! Ein ziemlich versnobtes Kerlchen, das ich damals war, oder?
In den nächsten Tage spielte sich tatsächlich eine gewisse Routine ein. Wir warteten auf das Ende der großen Stürme, auf ein Schiff von Arkon (war ich wirklich so besessen, wie es jetzt klingt?) und die nächste Mahlzeit. Das war ganz wichtig, denn die Mahlzeiten gaben dem Tag so etwas wie eine Struktur, auch wenn es sich vorderhand nur um Flottenrationen und synthetischen Brei handelte. Die eingelagerten Notrationen schmeckten übrigens tatsächlich nach etwas, Kreide wahrscheinlich, aber sie sättigten und enthielten alle nötigen Vitamine und Mineralstoffe. Und als Matrosen waren wir daran gewöhnt, solche Rationen zu erhalten, bedauern Sie uns also nicht, Marie Anne. Die Techniker hatten viel zu überprüfen, aber glücklicherweise wenig zu reparieren, ein Hoch auf arkonidische Ingenieurskunst. Und so floss ein Tag, für mich langsam, in den anderen, es dauerte etwas mehr als eine Woche, bis alles überprüft war.
„Erhabener!“ Die beiden Technikoffiziere Suuna und Hakmar hatten den Kontrollraum betreten. „Erhabener, Meldung. Die interne Technik ist zu hundert Prozent überprüft und Funktionsfähig!“ meldete Suuna, die Erleichterung war ihr, und ganz bestimmt auch mir, deutlich anzumerken. ‚Eine feste Burg ist unser Gott!‘ ist zwar eine hübsche Floskel von Martin Luther, aber wir alle zogen es jederzeit vor, in einer sicheren Wohnstatt mit funktionierender Belüftung, Klimaanlage, Warmwasser und ähnlichem Luxus zu kochen, zu leben und nicht zuletzt – zu lieben. Oh, Marie Anne, kennen Sie mich immer noch nicht? Glauben Sie, Thalma und ich hätten wie Bruder und Schwester zusammen gelebt? Entschuldigung, wenn ich an einige der ganz alten Familien denke, sollte ich einen anderen Vergleich suchen. Wie auch immer, Hakmar ergänzte die Meldung: „Externe Anlagen und Expeditionsfahrzeuge sind einsatzbereit!“ Das war gleich noch einmal eine gute Nachricht, ich stemmte mich aus dem Sessel. „Hervorragend! Gute Arbeit.“ Ich schaltete die Rundrufanlage ein „An alle, kommen Sie bitte sofort in den Kontrollraum!“
„Meine Damen, meine Herren! Ich habe mich entschlossen, mit gepanzerten Expeditionstrimobs die Positionen erstens der Depots rund um Port Atlantis anzusteuern, in Tauchfahrt, versteht sich. Vielleicht können wir noch einiges bergen. Zum Zweiten möchte ich einige Siedlungen anfliegen, wo wir unter Umständen mit Überlebenden rechnen können. Kmbulomo ist so ein Beispiel, der Treffpunkt der Prospektoren. Es gibt auch Besitzungen, welche bereits genügend ausgebaut waren, um eventuell noch bewohnbar zu sein. Ich habe zwar nicht viele Hoffnungen, aber ich möchte auch nichts versäumen. Also, wir brechen mit zwei Trimobs auf. Besatzung Trimob eins: Atlan daGonozal, Leutnant Sankha domOlyr und Korporal Vallan. Trimob zwei: Oberleutnant Howan onRoemp, Leutnant Vhinja dalMrango und Tech-Offizier Harkan. Aufbruch in – sagen wir lieber drei Stunden. Kompletten Schutzanzug einpacken, da draußen ist es, wie uns Howan sicher gerne sagen würde, kalt wie im Arsch der Höllenfürstin! Sozusagen – Arschkalt!“ In Situationen wie dieser können selbst die seichtesten Witze Gelächter hervorrufen, und wer weigert sich denn auch zu lachen, wenn – einmal kurz die Nägel polieren – der Kristallprinz in höchsteigener hochwohlgeborener erhabener Person einen Scherz, wie flau er auch immer sein mochte, zu machen beliebte! „Ein letztes noch. Trimob zwei bleibt immer hinter eins und gibt Deckung. Alle fünf Minuten – Timer einstellen – möchte ich von Trimob zwei ein HÄNDISCHES Signal, dass alles in Ordnung ist, ich werde ebenfalls mit einem manuellen Ping antworten. Zusätzlich zum ständigen Sprechverkehr. Und keine Alleingänge, wenn ich bitten darf, alles wird vorher abgesprochen. Alles klar? Dann los! Administrator dalZarmol übernimmt hier die Führung!“
Oh, Trimobs sind dreifach mobile Fahrzeuge. Die GCC nennt sie Schützenpanzer, Infanterielandungsboote oder manchmal Shifts, und sie sahen damals schon nicht viel anders als heute aus. Ein Kasten mit abgeschrägter Front, Fahrketten auf beiden Seiten und obenauf eine Geschützkanzel. Ein wenig größer als die heutigen, denn jene in der Zuflucht waren für längerfristige Expeditionen ausgelegt, Miniküche, Toilette und eine Dusche. Luft- und Wasseraufbereitung, falls aus der Umgebung keine Versorgung damit möglich war. Mit sparsamem Umgang der Ressourcen waren schon für fünf Personen zwei Monate Einsatz Non-Stopp möglich. Vier Schlafkojen mit Schiebetür, wir arkonidischen Offiziere legten auch einen gewissen Wert darauf, uns einmal irgendwo einschließen zu können. Unsere GTM waren umgerechnet etwa 12 Meter lang und 5 Meter breit, mit Geschützkanzel etwas über drei Meter hoch. Sie konnten schwimmen bzw. tauchen, fahren und fliegen, und natürlich trugen unsere Expeditionsfahrzeuge nicht nur energetische Schilde, sondern auch eine schwere physische Panzerung aus Metall und Kunststoff, die sich auch auf Welten mit extremer Umweltbedingungen und im freien Weltall bewährt hatte. Eine schwere Thermokanone war im schwenkbaren Turm und ein mittelschwerer Desintegrator in einer Bugkanzel untergebracht, um etwaige böse Überraschungen aus dem Weg zu räumen. In unserem Fall dachte ich allerdings in erster Linie an Fels- und Eisbrocken, an Stahltraversen und ähnliches. Ein Feind, der uns etwas anhaben konnte, war auf diesem Planeten kaum mehr vorstellbar. Die Standardausstattung der damaligen Expeditionspanzer, mit Breitbandradio, Liegesitzen und Rückfahrkamera.
„GTM eins meldet fertig zum Ausschleusen.“ sprach ich in das Mikrophon und hörte gleich darauf Howans Stimme „GTM zwei meldet fertig zum Ausschleusen!“ „Schleusenkontrolle, Korporal Condish spricht. Ich flute die Schleuse!“ Schwarzgrün mit weißen Schaumkronen strömte das Wasser des Atlantiks in die Kammer, bis diese vollständig gefüllt war, dann öffnete Condish das Außenschott. Starke Flutlichter zerrissen die Dunkelheit davor, erlaubten einen ersten direkten Blick auf das Draußen. Nach langem wieder optischer Kontakt, wenn auch nur durch die Klarstahlkuppel vor dem Turm. Mit einem leichten Schmetterlingsgefühl im Bauch schob ich Gravschieber nach oben und balancierte das Trimob aus, gab langsam Vortrieb und ließ den Panzer aus der Schleuse treiben.
„Kurs Atlantis, 10 Prozent Fahrt, Tiefe 20!“ kommandierte ich für beide Fahrzeuge, Howans in solchen Situationen ruhige Stimme antwortete knapp. „Bestätigung, Atlantis, 10 Prozent, Tiefe 20! Kurs liegt an“ Langsam fuhren wir in noch ruhigem Fahrwasser grob in Richtung Südwesten, ständig den Tiefenmesser im Auge behaltend. Bald schon bemerkten wir, dass unsere Karten noch nicht einmal den Speicherplatz in der Nanotronik wert waren, nicht dass wir anderes erwartet hätten, aber diese großen Umbrüche überraschten uns schon. Je weiter wir uns in den Atlantik vorwagten, desto extremer wurden die Veränderungen, jenseits des atlantischen Rückens war kein Graben, keine unterseeische Erhebung war mehr so vorhanden, wie in den Karten verzeichnet und das Wasser wurde unruhiger, es wurde immer schwieriger den Kurs zu halten. Wir fuhren schwankend über noch brodelnde vulkanische Brüche hinweg, der gesamte Kontinentalgraben zwischen Europa und Amerika war in Bewegung. Ein vulkanischer Hotspot lag direkt am nächsten, das Wasser tief unter uns kochte noch. Schwefel und Methan stiegen in großen Blasen an die Oberfläche.
Endlich erreichten wir die Koordinaten der Stelle, von der Wassersportler früher Port Atlantis über den Horizont steigen sahen. Im übrigen, Marie Anne, wir Arkoniden hatten natürlich auch ein Gradsystem, nur rechneten wir nicht mit 360 Graden, sondern mit 400 zu je 100 Bogenminuten zu je 100 Bogensekunden. Hier habe ich versagt, als ich versuchte, dieses System den Menschen beizubringen, sie wollten von den 360 Graden, welche bereits von mesopotamischen ‚Zauberern’ benutzt wurde, nicht abweichen. Nein, noch viel früher, in den Anfangszeiten der Tierzucht, von den großen Städten war damals auch im Zwischenstromland noch lange keine Rede. Aber ich zögere schon wieder den Punkt hinaus, ich zaudere, daran zu denken und mich zu erinnern. Also! Ich befahl „Auftauchen, auftauchen, auftauchen.“ „Bestätigung, auftauchen.“ Kurz und knapp, in einer solchen Situationen enthielt sich selbst Howan jeder unpassenden Äußerung. Ich übergab Sankha domOlyr die Steuerung und kletterte in den Turm mit dem Turmluk in Form einer flachen Kuppel aus Klarstahl. Die Leutnant verstärkte langsam den Auftrieb, es wurde kaum heller, als die Turmkuppel durch die Wasseroberfläche brach, das Wasser von dem Stahl rann und ich direkte Sicht hatte. „Position halten“, kommandierte ich, bedrückt von dem Anblick. Es war eine Stunde nach Mittag, doch es lag nur fahles Dämmerlicht über der ewigen Dünung des Ozeans, eine dichte Wolkendecke lag tief über dem Ozean. Der Sturm, der tagelang gewütet hatte, war hier bereits bis auf eine Brise, die nicht gefährlich oder auch nur unangenehm war, eingeschlafen, hier oben war von den Turbulenzen der tieferen See nichts mehr zu sehen. Leichter Nebel versperrte ein wenig die Sicht, wo sich warmes Wasser und kalte Luft trafen, stiegen Schwaden auf, die bald zerfaserten. „Langsam weiter”, mein nächster Befehl. Aufgetaucht fuhren wir auf die Stelle zu, an der Atlantis gelegen hatte.
Natürlich sahen wir – Nichts! Was war schon anderes zu erwarten gewesen? Eine Fehlfunktion aller Sonden? Selbstverständlich hatte ich nicht erwartet, den Zwergkontinent zu sehen, aber irgendwie – manchmal muss man sich mit eigenen Augen überzeugen, auch wenn es schmerzhaft war. „Also gut. Oberleutnant Howan, wir werden jetzt wieder tauchen und über den Resten von Atlantis kreuzen. Energieorter auf volle Leistung. Wenn da unten auch nur noch ein Fernseher, ein Radio läuft, möchte ich es wissen!“ Um es kurz zu machen, wir fanden natürlich absolut und gar nichts. Tief unter Stein, Lava und angespültem Schmutz mochten die Flottendepots liegen, vielleicht weitgehend unbeschädigt, vielleicht völlig zermalmt von den Urkräften des Planeten, aber ohne Energie. Es gab nicht einmal das allerkleinste Zeichen auf dem Meeresgrund, dass hier einmal der Außenposten einer gewaltigen Zivilisation gewesen war, eine technisierte Stadt mit Einkaufszentren, allen möglichen Zerstreungsmöglichkeiten und Belustigungen, einem fortschrittlichen Raumhafen mit einen völlig ebenen Landefeld. Wir alle hatten natürlich damit gerechnet – trotzdem mussten wir mehr als einmal schlucken, wenn wir die Portionen markanter Punkte überfuhren und nichts, aber auch gar nichts fanden. ‚Tand, Tand, ist das Gebild‘ aus Menschenhand!‘ sagt Theodor Fontane. Als wir weiterfuhren, legte sich das Schweigen wie eine Decke über uns. Regelmäßig lösten wir das PING der Echoortung aus, um ‚alles im grünen Bereich‘ zu signalisieren, doch Worte fanden wir noch lange keine.
Wir erhoben uns in die Atmosphäre, um den nächsten Punkt anzusteuern. In den großen Ebenen Afrikas hatten einige Siedler mächtige Plantagen angelegt, einige waren schon recht gut ausgestattet gewesen, manche Siedler waren bereits eingezogen und bewirtschafteten ihre Güter. Auch dieser Kontinent war allerdings, wie wir bald feststellen mussten, nicht verschont geblieben. Die Orter zeichneten ein ganz neues Bild der Küstenlinien, wir aktualisierten die Karten bei jedem Kilometer, den wir zurücklegten, ganze Küstenabschnitte waren weg geschwemmt worden, an anderer Stelle hatte felsiger Untergrund dafür gesorgt, dass Sedimente neue Landstriche bildeten. An der Südküste des nach Westen vorspringenden Teiles, des Golfs von Guinea, wie er heute heißt und im Inneren Afrikas hielt sich die Zerstörung glücklicherweise mehr in Grenzen, hier hatten Flora und Fauna, wenn auch dezimiert, überlebt und die Natur würde sich hier, besonders in der äquatorialen Gegend bis etwa zu den Wendekreisen, bald wieder erneuert haben. Selbst Eingeborene, solche von der fortgeschritteneren Art, hatten hier überlebt, wir konnten sie bei der Jagd auf gazellenartige Tiere beobachten. Wir schöpften also wieder etwas Hoffnung, dass doch ein paar von den Arkoniden überlebt hatten.
*
Gun’Hama. Afrika! Der Kontinent war die Wiege der Menschheit, und das Innere weitgehend verschont geblieben von den Katastrophen nach dem Untergang von Atlantis. Sicher hatte es schwere seismische Erschütterungen gegeben und ebenso selbstverständlich hatte es vulkanische Aktivitäten gegeben, Staub und Wasserdampf schirmten die Sonne stark ab und es herrschte nie mehr als fahles Zwielicht. Natürlich waren auch Stürme und Hagel über das Land gezogen, aber schon nach einer Woche hatte sich in diesem Gebiet wieder eine gewisse Ruhe eingestellt. Die Temperatur war, wie nicht anders zu erwarten, um einige Grade, ich möchte sogar sagen, empfindlich gefallen. Lebensgefährlich war der Temperatursturz hier in Afrika aber nicht, die Wärme pendelte immer noch im zweistelligen Bereich, ganz selten unter 20 Grad. Die arkonidische Temperaturskala ist im Übrigen beinahe identisch mit den Celsiusgraden, es ist eine absolut logische Messung. Auf der einen Seite der Übergang von fest zu flüssig des Elements Wasser – ein wichtiges, überall vorkommendes Element – auf der anderen Seite der Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand, dazwischen hundert Einteilungen. Ja, es hat mich viel Mühe gekostet, dieses metrische Dezimalsystem System den Menschen als praktikabel nahezubringen. Manche Stämme wollen ja auch selbst heute noch nicht auf ihre speziellen Zählweisen verzichten, auch wenn ich diese – sagen wir es einmal höflich – sehr eigenartig finde. Der einige Unterschied ergibt sich aus dem etwas höheren atmosphärischen Druck Arkons auf Eichhöhe. Meeresspiegel gibt es in meiner Heimat nicht, ich habe schon erwähnt, dass keine wirklich großen, freien Wassermassen mehr vorkommen.
Es war also manchmal unangenehm, aber nicht lebensgefährlich kühl in einigen Gegenden – nun etwa dort, wo heute Mali liegt, am nördlichsten Punkt des Flusses Niger. Wirklich warm wurde es weiter südlich, in der Gegend des Äquators. Warm, nicht heiß, wie der Hochsommer eigentlich versprach. Wir fanden einige Ruinen, die Überreste arkonidischer Sektkelcharchitektur, umgebrochen, zerstört. Überlebende fanden wir leider nicht, wir mussten uns begnügen, die Leichen der Familie, nach ihrer Kleidung die des Verwalters, mit einem Schuss der Turmkanone gründlich einzuäschern, wie es sich gehörte. In der Garage fehlte der große Familienschweber, wo immer sie hingeflogen sein mochten, hier her waren sie nicht mehr zurück gekehrt. Ich betrachtete die Gegend, es war eine schöne Farm gewesen, fruchtbares Land, viel Grund zur Viehzucht. Nicht, dass ich damals viel davon verstanden hätte, aber ich hatte die Akten vor mir liegen. Und, nun, es gab jede Menge Pflanzen und Fleischvieh. Mehr kann ich darüber nicht sagen. Wir flogen nach der Einäscherung und einem stillen Gebet weiter, diesmal Richtung Südost, überquerten den Äquator und hielten uns noch stärker südlich.
„Alle haben mich ausgelacht!“ Crest daTsir zeigte und ein freudloses Lächeln. „Alle haben sie gesagt: ‚Sei nicht so exzentrisch, bau doch eine übliche Trichterform. Nimm Leichtformplastik‘. Wenn ich gesagt habe, es ist nicht stabil genug für einen tektonisch so instabilen Planeten wie diesem, haben sie geantwortet: ‚Wozu gibt es Energiefelder. Auf Arkon funktioniert es ja auch schon ewig!‘ Was soll ich sagen, ich habe mit Stahlgerüsten und festem Stein gebaut, ich habe die Wirtschaftsgebäude so um den Wohntrakt gelegt, dass das Haus aus einem Stück ist, mit diesen Terrassen innen und einer glatten Wand – ausgenommen ein paar Bogengängen – außen. Es hat funktioniert. Mein Haus steht noch! Trotz des kompletten Energieausfalls durch die Erschütterungen. Wenn das Haus stabiler ist als ein handelsüblicher Kleinreaktor!“ er schüttelte den Kopf. „Ich habe nie gehört, dass ein solches Ding kaputt wird, aber mein Vater hat immer gesagt ‚rechne mit dem Unmöglichen und denke an das Undenkbare, dann wirst Du nur die halben Fehler machen‘. Ich hätte nie gedacht, dass er recht behalten würde. Nie!“ Wir saßen mit dem jungen Siedler und seiner Frau in deren Wohngemach, ein lustig flackerndes Feuer wärmte Körper und Gemüt, der Gastgeber hatte es sich nicht nehmen lassen, eine Flasche Wein zu öffnen und frischen HonGhi zu brühen. Ich nippte an meiner Schale und bewunderte die geschmackvolle Einrichtung. „Sie haben es gut getroffen, Crest! Sie haben gut und vorausschauend geplant und auch Glück gehabt.“ „Oh ja, Erhabener. Wir haben uns hier ein schönes Stück Land ausgesucht, urbar gemacht und das Haus gebaut. Hat seine Zeit gedauert, es ist auch vielleicht noch ein wenig primitiv, aber wir leben. Und nicht schlecht.“ Ich nickte zustimmend. „Gibt es auf Ihrer Besitzung noch andere Überlebende?“ fragte ich. Una dalTsir schüttelte traurig den Kopf. „Unser Vorarbeiter war mit seiner Familie unterwegs, wir haben alle Verbindungen mit ihnen verloren.“ Crest legte seine Rechte auf die gefalteten Hände seiner Frau. „Sonst hatten wir hier nur eingeborene Helfer aus einem nahen Dorf, das war eine große Hilfe. Wir haben sie gut behandelt, ihnen geholfen, sie medizinisch versorgt und wir haben ihnen Werkzeuge geschenkt, dafür haben die Menschen für uns gearbeitet, wenn wir sie brauchten. Und, Erhabener, wir haben keinen wertlosen Tand bezahlt. Diese Menschen mögen keine Arkoniden sein, aber dumm, dumm sind sie keineswegs.“ „In Ordnung!“ Crest war tatsächlich exzentrisch, mir persönlich war es völlig egal gewesen, womit er die Menschen – wenn überhaupt – bezahlte. Ich habe es Ihnen gesagt, Marie Anne. Ich war nicht immer der nette, sympathische und äußerst charmante Mann, den Sie jetzt vor sich haben. Was mich geändert hat? Einige Frauen, die ich bereits in meinen relativ jungen Jahren kennen lernen durfte, Marie Anne. Und einige ganz wenige Männer. Una und Crest waren zwei davon, ihre Einstellung… warten Sie ab.
Ich beugte mich vor. „Crest, Una, bitte packen Sie jetzt zusammen, was Sie mitnehmen möchten. Wir bringen Sie und Ihre Frau in den Bunker, bis die Rettungsflotte eintrifft und suchen danach weiter, ob wir noch andere Überlebende finden.“ Una goss HonGhi nach, während Crest den Kopf schüttelte. „Erhabener, ich möchte jetzt nicht undankbar erscheinen, aber…“ Una fiel ihm ins Wort. „Wir haben uns bewusst für ein einfacheres Leben entschieden, Gebieter. Genau deswegen haben wir uns zum Siedlerdasein auf einem unerschlossenen Kolonialplaneten entschlossen.“ Crest legte seinen Arm um Unas Schulter. „Wir sind hier zufrieden, des Abends wissen wir, was wir geschaffen haben. Und wenn die Flotte eintrifft, wird auch wieder eine gewisse Zivilisation einkehren. Aber bis dahin – ich glaube, wir sind hier gut aufgehoben. Wir können das Land bestellen, Nahrungsmittel produzieren und neu ankommenden Arkoniden ein wenig helfen. Also, danke! Aber nein, danke. Wir würden gerne bleiben!“ Ich war leicht erstaunt. „Meinen Sie das im Ernst, Crest? Was, wenn Sie beide krank werden?“ Una war mit einem glockenhellen Sopran gesegnet, ihr Lachen war herzerfrischend und machte den Tag ein wenig schöner. Ich verstand, warum Crest diese Frau an sich gebunden hatte. „Dann, Euer Erhabenheit, sterben wir! Irgendwann wird es soweit sein. Hier oder im Bunker. Dann aber lieber hier, umgeben von dieser wunderschönen Landschaft. Kommt, Euer Erhabenheit, kommt mit auf den äußeren Bogengang.“ Sie begleitete mich hinaus, trotz der dichten Wolkendecke gab die untergehende Sonne ein klein wenig Licht. Die Silhouetten der nahen Hügel, das Flusstal, die seltsamen Bäume. In der Ferne war der Ruf einer der großen Katzen zu hören, wahrscheinlich war er auf der Suche nach einem Weibchen, im nahen Gebüsch vernahm ich die Rufe einiger Insekten, es war angenehm warm, und zum ersten Mal atmete ich den Duft der Erde bewusst ein.
„Wir kommen zurecht, Kristallprinz“ sie nahm meine Hände in ihre und sah mir im Licht des aus dem Zimmer scheinenden Kamines tief in die Augen, lächelnd und doch voller Ernst, freundlich, aber ohne Koketterie. „Bitte, macht Euch um uns keine Sorgen, Crest hat für den besten Robodoc gesorgt, der legal zu beschaffen war! Und“ bewundernd sah sie zu ihrem Mann, „bald werden wir auch wieder über Energie verfügen. Hydroelektrizität zwar nur, aber ausreichend.“ Ich verbeugte mich vor ihr wie vor einem höherrangigen Adeligen, das erste Mal seit langem, dass ich diese Geste vollzog. Weil es über mit nur den Imperator gab, sonst war kein Adeliger höher als ich, Marie Anne. „Dame Una, Ihr besitzt meinen Respekt.“ sagte ich zu ihr „Das, möchte ich betonen, ist keinesfalls übertrieben. Meinen größten Respekt. Wenn Ihr erlaubt, werden wir morgen aufbrechen und unsere Suche fortsetzen!“ Una neigte lächelnd das Haupt, während ihr Mann mit unverhohlenem Stolz neben seine Frau trat. „Euer Erhabenheit werden stets willkommen sein, solltet Ihr uns wieder besuchen wollen. Eine Schale HonGhi und – wenn nötig – eine Nächtigungsmöglichkeit für Euch und Eure Begleitung wird stets vorhanden sein!“ „Euer HonGhi wird mich vielleicht tatsächlich wieder zu Euch treiben“, lachte ich. „Die Vorräte im Bunker sind sehr begrenzt! Und Eure Bohnen sind hervorragend.“ Es stellte sich heraus, dass Crest ein beachtliches Feld dieser Steinfrucht angepflanzt hatte, die man heute Kaffee nennt, und das in der besten Qualität. Beste Bohnen jener Sorte, die man heute ‚Arabica’ nennt, weil die Araber angeblich den Kaffee erfunden haben. Na ja, so halb stimmt das auch, immerhin kannten sie die arkonidische Vorgeschichte dieses Heißgetränkes nicht mehr. Seine Frau war so nett, einen ganzen Sack frisch gerösteter Bohnen anzubieten, und ich nahm ihn dankend an. Übrigens nennt man den Fluss, von dem ich vorher gesprochen habe, heute Kongo, und ganz in der Nähe dieser großen Farm liegt die Stadt Kinshasa.
Am nächsten Morgen brachen wir wieder auf, um unsere Suche fortzusetzen. Wir flogen weiter nach Süden, auf die nächste im Navi verzeichnete Siedlung zu. Auch hier war die Sektglasarchitektur kein Erfolg beschieden gewesen. Arkonidische Meiler waren zwar hervorragend konstruiert, aber es gab bei der Vernichtung von Atlantis einige tragische Nebeneffekte, Energieausbrüche, die jeden – oder doch fast jeden – Reaktor zerstört hatten, der nicht tief unter der Erde gut isoliert im Fels aufgestellt war. In Afrika hatten die Siedler keine Keller in den Fels getrieben, der Aufwand schien unnötig zu sein. Nun ja, der Arkonide denkt, der Che’Huan lenkt.
Also nahmen wir Kurs auf die übernächste Siedlung. Sie sollte an einem Fluss liegen, der inmitten des Kontinents ein Delta bildete und dort versiegte. Es kommt auf allen Planeten der Galaxis nicht sehr selten vor, dass Flüsse ein Binnendelta bilden, nur sammeln sich die meisten Arme entweder wieder fließen danach weiter, sie bilden stehende Gewässer, ‚tote’ Arme, deren Hauptarm für Regulation sorgt, oder sie münden in Seen oder Meeren. Wir fanden diese Siedlung auch am Flussufer, es war nicht weiter schwer.
Afrika schien ein Paradies für Exzentriker gewesen zu sein. Datham tiGůjmes hatte, wie Crest, auf den üblichen Baustil verzichtet. Seine Frau Muyghe und er hatten ihr Kuppelhaus auf einem Lager von Schotter gebaut, „Eigentlich wegen der Hochwasser!“ hatte er gegrinst. „Da läuft das Wasser besser ab als von Plastbeton. Aber es hat sich jetzt bei diesen Erdbeben auch gut bewährt. Genauso wie das halbe Miniaturraumschiff, das wir uns hier gebaut haben. Was im All funktioniert, kann auch auf dem Planeten nicht falsch sein.“ Datham war auch so ein seltsamer individualistischer Exzentriker, der anders war als alle Arkoniden, inklusive meiner Person. Ach, ich war damals ziemlich typisch für meine Landsleute. „Es ist zwar von der Einrichtung einiges zu Bruch gegangen”, ergänzte Muyghe. „Aber nichts von den unersetzbaren Dingen. Wir werden das schon schaffen!“ „Na schön“, atmete ich durch, die Gegend war warm und fruchtbar, trotzdem „Ich mache auch Euch das Angebot, in den verbliebenen Überlebenszylinder zu übersiedeln und dort in Sicherheit auf die Entsatzflotte zu warten, um in das Kristallimperium evakuiert zu werden.“ Muyghe lachte trotz der Situation, und Datham erklärte mir voll stolz „Erhabener, wenn unsere Ahnen so leicht aufgegeben hätten, gäbe es kein arkonidisches Imperium. Hätte es nie eines gegeben! Was sind wir denn? Verweichlichte Schwächlinge? Sollen wir gedemütigt den Schwanz einziehen? Oder sind wir Arkoniden? Wir beweisen, wenn es nötig ist, dem ganzen Universum, dass wir nicht so leicht aufgeben, was wir aufgebaut haben!“ „Das ist gut.“ Ich staunte nicht schlecht, als ich diese Rede hörte. „Wären alle Arkoniden so wie ihr, könnten die Methaner nicht so leicht siegen!“ „Danke!“ sagte Muyghe schlicht, und ich stellte noch eine Frage. „Gibt es noch andere überlebende Arkoniden?“ „Wir haben noch eine junge Miridanerin hier”, bekam ich von Datham zur Antwort, und Muyghe ergänzte. „Ein armes Kind, das wir auf Larsa gefunden haben. Wir waren eben eingetroffen und warteten auf den Transfer auf Larsaf III, sie hat uns auf dem Raumhafen dort um Essen gebeten. Wir wollten ihr ein wenig Geld geben, aber das arme Ding hat betont, dass sie nur zu essen möchte, weil Geld sie nur wieder zu den Drogenverkäufern brächte. Wir haben sie mitgenommen, und nachdem sie die Entzugserscheinungen hinter sich hatte, war sie eine fleißige Kraft. Wir haben es nie bereut!“ „Wo ist sie denn?“ wollte ich wissen, Datham erklärte „Ton Khar müsste bald zurück kommen, sie wollte unseren Helfern aus dem Eingeborenenprogramm noch einige Medikamente bringen. Sie nennen die schon Hannanininhimba, die ‚gute Frau, die hilft‘. Ah, da ist sie!“
Ich sah zur Tür, und dort stand sie, und ich erkannte sie, nicht weiter schwer, mit einem eidetischen Gedächtnis. Als ich sie das letzte Mal sah, saß ich mit ihr an einem Tisch in einem Etablissement mit mehr als zweifelhaftem Ruf, kurz ehe eine Schlägerei entbrannte. „Erhabener?“ sie beugte das Knie und senkte den Kopf, und ich ging hin und bot ihr meine Hand als Aufstehhilfe an. „Eine große Ehre für mich, Erhabener!“ murmelte sie, „eine zu große Ehre!“ und doch nahm sie die Hand an. Sie staunen, Marie Anne? Nun, dieses Mädchen verdiente Respekt dafür, dass sie ihr Drogenproblem erkannt und, so gut es ohne teure Klinik ging, versucht hatte, es zu lösen. Sogar mit Erfolg zu lösen. Dazu gehört Mut und Willen, und den erkannte ich jetzt an, diese Kolonialarkonidin hatte mir gerade eine wichtige Lektion in Erinnerung gerufen, und ich nahm sie ebenso an wie Ton Khar meine Hand. Die Lektion, dass nicht nur Arkoniden von Arkon I – wie soll ich mich ausdrücken? Ach was, ich sah sie, für mich überraschend, plötzlich als Arkonidin, nicht als Miridanerin. Sie, Crest, Una, Muyghe und Datham, selbst Vallan waren mir plötzlich näher als mein imperialer Onkel oder meine sonstige Verwandtschaft. Verstehen Sie das? Okay, dann also weiter im Text.
Die meisten Besitzungen lagen auf dem afrikanischen Kontinent weit verstreut. Vor einem Besuch des europäischen Erdteils graute mir ziemlich, ich wollte Rettungsexpeditionen in diese Gegend noch etwas hinauszögern. Aber die südliche Küste des Mittelmeeres, das heutige Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten, wollte ich durchaus in Augenschein nehmen, auch wenn dort wahrscheinlich auch nicht gerade sommerliche Verhältnisse herrschten. Also nahmen wir wieder Kurs nach Norden, ich wollte im Endeffekt den ganzen Kontinent besuchen, also steuerten wir nicht gerade, sondern in ost-westlichen Serpentinen. Mittlerweile hatte ich die Bestimmungen etwas gelockert, mir reichte, wenn Panzer Zwei optisch überprüfbar in der Nähe blieb und die automatischen Transponder Aufschluss über den Zustand von Zwei gaben, ebenso konnte Oberleutnant onRoemp selbstverständlich unsere Lage überprüfen. Die Landschaft änderte sich, aus Steppe wurde immer wieder fruchtbares, bearbeitetes Land, doch außer Ruinen und Toten fanden nicht viel. Bisher waren die Überlebenden selten, und wenn, dann hatten sie in unüblichen Behausungen gelebt. Einige Familien, eher mit kleineren Farmen, jene der daTsirs war die größte, gefolgt von der Besitzung der diGůjmes, alle anderen noch existierenden und bewohnbaren Güter waren sehr viel kleiner. Aus dem fruchtbaren, bestellten Land wurde langsam Urwald, aus dem Urwald mit gelegentlichen Lichtungen, in denen ab und zu auch ein umgestürzter Trichterbau lag, wurde lichter Wald, von Grasebenen oder Farmland, in denen wir wieder Ruinen fanden, unterbrochen. Flüsse strömten zuerst nach Süden und Westen, dann nach Norden. Nicht weit von der Meeresküste des heutigen Libyschen Golfes fanden wir wieder eine Besitzung. Oder besser gesagt, ihre Überreste.
Ein ganzer Hang war dort abgerutscht und hatte das in typisch arkonidischem Stil gebaute Haus – sie erinnern sich vielleicht, trichterförmig – mitgerissen, nur noch wenige flache Betonbauten, wohl als Lager oder Unterstellmöglichkeit für Geräte gedacht, duckten sich noch ans Flussufer. Im Eingangsbereich eines dieser Gebäude war Bewegung zu sehen, sofort verstärkte sich meine Wachsamkeit. „Landen Sie so, dass der Eingang im Bereich der Bordwaffen ist”, befahl ich Sankha dalOlyr, „Vallan, in den Geschützturm. Howan, landen sie ebenfalls, aber bleiben Sie in Startbereitschaft. Und geben Sie mir Deckung!“ Jetzt trat ein Mann in starker Arbeitskleidung heraus und winkte, in der anderen Hand trug er ein schweres Jagdgewehr, das noch auf chemischen Weg Projektile verschoss, alt, aber ebenso tödlich wie ein Strahler. Es erinnerte mich an Tarts, nur mühsam drängte ich die Tränen der Erregung zurück. Ich zwängte mich also aus dem Luk und näherte mich, die Hand in der Nähe der Gürtelwaffe, dem Wirtschaftsgebäude. Der Mann betrachtete mich lange mit verschlossener Miene, doch plötzlich veränderte sich der Ausdruck. ‚Ob er Dich erst jetzt erkannt hat?‘ neckte der Extrasinn. Nun ja, es war schon möglich, ich war ja auf diesem Planeten noch nicht omnipräsent gewesen, meistens, ach was, fast immer hatte Thalma mit dem Kolonisten zu tun gehabt, und die offiziellen Bilder meiner Person – sagen wir mal, nach einigen Tagen ohne Dusche ist die Föhnwelle ziemlich hinüber. Und einen Coiffeur hatte ich nun mal auch nicht dabei, der näheste funktionierende Roboter zur Haarpflege stand in einem Bunker auf den Azoren. Auf jeden Fall, er wandte sich um und winkte, rief etwas, das ich nicht verstehen konnte und lehnte die Flinte an die Wand, spreizte seine Hände vom Körper weg, mir dabei seine leeren Hände zeigend. Aus dem Gebäude kamen noch fünf Arkoniden, ebenso gekleidet wie der Erste, sowie eine Anzahl Eingeborener, männliche wie weibliche, in Decken gehüllt.
„Farmarbeiter Mokkro, Dellkor, Burmes, Kukkul, Baalri und Tajal“, stellte der Anführer seine Begleiter und sich vor. „Dieses sind Eingeborene aus dem Farmgehilfenprogramm. Wir sind auf dem Weg nach Osten, auf der Suche nach einer intakten Besitzung, und diese Hilfsarbeiter – nun, irgendwie gehören wir zusammen. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, wir helfen uns gegenseitig. Und gerade hier ist die Hilfe dieser – ah, Menschen nicht zu verachten. Hier sind wir vor einigen Stunden eingetroffen und wollten Rast machen.“ Ich sah mich um. Irgendwann – ‚vor wenigen Tagen nur, und doch in einer andern Welt‘ war dieses Land eine gepflegte Farm gewesen. Und nun Zerstörung, Chaos. „Hier habt Ihr wohl niemand mehr angetroffen?!“ halb Frage, halb Feststellung. „Keinen lebenden Arkoniden, Erhabener. Doch dort drüben, es war wohl ein Maschinendepot, ich nehme an, es ist der Besitzer. Unter einer Saatmaschine – es ist wirklich kein schöner Anblick. Es gibt auch noch die Überreste einer Arkonidin, noch schlimmer zugerichtet. Es müssen Raubtiere hier gewesen sein.“ Ich schluckte sauren Speichel und bittere Galle hinunter, konnte mir gut genug vorstellen, welcher Anblick sich mir bieten würde. Natürlich mir, denn es war meine Verantwortung als – na ja, einfach meine verdammte Verantwortung, ich war nun mal der ranghöchste Arkonide auf diesem verfluchten Planeten. Manchmal ist ein Privileg auch schon mal eine ganz beschissene Sache.
Ja, genau so hatte ich mir das Bild im Inneren des Gebäudes vorgestellt. Der Gestank nach Fäulnis war überwältigend, es war verständlich, dass Farmarbeiter und Eingeborene lieber nicht in diesem Bau geblieben waren. „Wir konnten den Mann nicht befreien“, entschuldigte sich Dellkor. „Also haben wir das, was wir von der Frau finden konnten, zu dem Mann gelegt. Wir wollten heute Abend eine Gedenkzeremonie abhalten und die Leichen zeremoniell verbrennen, als Geste des Respektes. Falls wir genug Brennstoff hätten finden können.“ Ich schob den breitschultrigen Hünen wieder ins Freie. „Ich kümmere mich darum.“ Die atomare Gewalt des schweren Thermostrahlers im Geschützturm garantierte eine komplette Einäscherung, selbst die Asche würde noch einmal zu Nichts verbrennen.
Wir schritten wieder zu den Anderen, ich wies auf das Gewehr. „Woher ist die Waffe?“ Dellkor wurde verlegen, Kukkul antwortete zaudernd: „Herr, Erhabener Gebieter,“ er unterbrach sich, zögerte, kratzte sich hier, kratzte sich dort. „Eines reicht, Kukkul. Heraus mit der Sprache. Ihr habt es von der Farm mitgenommen, wo ihr vorher gearbeitet habt.“ „Ja, Gebieter!“ gemurmelt, mehr oder weniger im Chor, wie skrupellose Verbrecher wirkte diese Horde nicht auf mich, eher wie ertappte Schuljungen. „Nun?“ „Gebieter“, begann Tajal, „die Farm, von der wir kommen, ist noch zerstörter als diese hier, sie liegt viele Tagesmärsche im Westen und Süden. Es muss dort irgendetwas explodiert sein, wir wussten aber alle von der Jagdhütte des Herrn, die war noch so halbwegs unversehrt, und dort lagerten auch die drei Gewehre mit den Patronen. Eigentlich, also genau genommen, haben wir die Waffen gestohlen. Aber der Herr brauchte sie dort, wo er jetzt ist, sowieso nicht mehr, und wir konnten damit leichter überleben. Mit Pfeil und Bogen können ja nur die Nativen umgehen, wir noch nicht. Aber wir werden’s wohl lernen müssen!“ „Also gut” winkte ich ab. „Es stimmt, er wird sie nicht mehr brauchen, behaltet sie in Hemutags Namen. Falls nach dem Eintreffen der Flotte von etwaigen Erben irgendwelche Ansprüche angemeldet werden, können wir ja immer noch darüber sprechen. Die Verantwortung werde ich übernehmen.“ Dankbarkeit, Marie Anne, hat viele Gesichter. Ich konnte sehen, dass diese Männer, sollte ich je in die Verlegenheit kommen, für mich in die Hölle gehen würden. Ohne wärmende Kleidung, wenn ich es verlangte. Für eine Gabe, die mich nichts kostete. So eine Erfahrung macht schon nachdenklich, man kann, ja man soll auch von sogenannten einfachen Gemütern eine Menge lernen. Den Krater, den diese Besitzung hinterlassen hat, ist übrigens heute noch auf Satellitenfotos zu sehen. Das ‚Auge Afrikas‘ oder das ‚Auge der Sahara’.
Oh, Marie Anne, doch, ich habe ihnen den Weg zu Crest erklärt, ihnen aber auch gesagt, dass ein breiter Fluss zu überqueren und ein riesiger Dschungel zu durqueren war. Verdammt, ein halber Kontinent lag zwischen dieser Ruine und Tsir. Schwierige Angelegenheit, so ganz ohne Boot und nur zu Fuß. Aber sie hatten Werkzeuge, sie wollten es sich überlegen und darüber beraten, mein Ratschlag wäre gewesen, für das Erste in dieser Gegend zu bleiben. Es war hier erträglich von den Temperaturen her, ein Fluss war vorhanden, nicht all zu weit lag das Meer, also war eine Chance zu überleben durchaus gegeben, ein wenig Unterstützung konnte ich schon geben, nachdem auch sie lieber hier ausharren wollten, statt in der Sicherheit unserer Zuflucht Schutz zu suchen. Was war das nur, dass niemand bereit war, uns zu begleiten? Ich überließ den Arbeitern auch ein Expeditionscom, eines von denen, deren Akku per Bewegung und über Lichtzellen geladen werden konnte. Ausgestattet mit den ID-Codes Crests und des Bunkers konnten sie mit Beiden in Verbindung treten, wir würden die Leute also nicht so schnell aus den Augen verlieren. Ich möchte es gleich vorweg nehmen, sie blieben, die arkonidischen Farmarbeiter ‚fanden Gefallen an den Töchtern der Menschen und legten sich zu ihnen’, so steht es in der Bibel, und ihre Nachkommen sollte ich unter ganz anderen Auspizien Jahrtausende später wieder treffen. Ein anderes Kapitel aus meinem bewegten Leben.
*
Wir waren nun schon einige Tage unterwegs, immer dorthin, wo auf den Karten eine Besitzung sein sollte. Bei vielen waren noch nicht einmal Fundamente gegossen worden, manchen fehlte sogar noch der Aushub. Howan fasste es eines Abends bei einem Lager auf seine eigene Art in Worte: „Warum, bei Hemutags Riesendingern, geht jemand in die Kolonien, wenn er dann doch nur in seinen eigenen Wänden sitzt und auf Kleinarkon macht!“ Auf diese Frage konnte ich auch keine Antwort geben, denn ich verstand es ebenso wenig. „Aber, Oberleutnant Howan, welche Riesendinger soll Hemutag denn haben?“ Vallan blickte uns mit großen Augen an. Howan stutzte, wusste nicht, was er auf diese naive Frage antworteten sollte. „Na, diese!“ er deutete schließlich mit beiden Händen einen Riesenbusen vor seinem Brustkorb an. „Ach so“, murmelte Vallan, versonnen lächelnd. „Die Brotlaibe, mit denen sie die Armen speist.“ Wir quittierten diese Aussage mit hysterischem Gelächter, Sie werden derartige Übersprungshandlungen auch schon kennen gelernt haben. Bei Oberleutnant Sloma domWhit hätte er sich diesen Scherz allerdings nicht erlauben dürfen, aber die Vorstellung, dass Sloma selber anders als zu hundert Prozent korrekt sein könnte… manchmal ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass diese Frau ein steifes Korsett unter der Uniform trug – und es vielleicht nicht einmal im Bett abnahm. Böser Atlan, ganz böser Atlan, mit schlimmen Gedanken!
Aber Howan hatte ja recht, es war wirklich erstaunlich. Lichtjahre von Arkon entfernt, und nach Jahren noch nicht einmal mit dem Bau begonnen? Hierfür konnte auch der alte Administrator nicht verantwortlich gemacht werden. Ja, natürlich war die Venus das bevorzugte Ziel der Siedler, aber in einem sehr breiten Gürtel um den Äquator der Erde waren die Verhältnisse durchaus angenehmen für Arkongeborene zu nennen. Warum waren sie bekommen, wenn sie nicht siedeln wollten? Wir Arkoniden waren wohl damals schon ein ganz schön kranker Haufen. Gespaltene Persönlichkeiten. Dissoziativ Gestörte, wie man sie heute nennen würde.
Am Morgen zwängten wir wieder einmal in unsere Trimobs und folgten dem Verlauf eines großen Flusses nach Süden. Es war DER große Fluss im Nordosten Afrikas, der tief im Herzen des Kontinents entsprang – ja, leicht übertrieben, ich weiß – und zuerst in weiten Schleifen, dann aber beinahe gerade dem Mittelmeer zustrebt. Jäger, Sammler, nichts aufregendes, bis… „Halt, was ist das?“ Sankhas Stimme klang aufgeregt wie selten. „Wo?“ Ich hob den Vortrieb auf und bemerkte aus dem Augenwinkel, dass auch onRoemp sein Trimob anhielt. „Links voraus, Erhabener. Diese Formationen – auch wenn sie die gleiche Farbe wie der Boden aufweisen, die rechteckige Form ist nicht zu übersehen!“ Es stimmte. Kubische Formen neben- über- und auch teilweise ineinander. Es wirkte tatsächlich nicht natürlich. Näherkommend waren auch so etwas wie Fenster- und Türöffnungen zu erkennen. Was lag näher, als einfach zu landen und nachzusehen, mit aller gebotenen Vorsicht, selbstverständlich.
Ich ging in Begleitung von Sankha – immerhin hatte sie die Strukturen als erste bemerkt -, Vhinja und Hakmar durch die Ansammlung von Quadern, die Augen offen, in dem Händen jeder einen zweihändigen Thermostrahler. ‚Fußspuren‘, meldete der Extrasinn, ‚hier ist jemand gegangen‘. ‚Hab’s bemerkt. Schwer zu übersehen‘ knurrte ich innerlich zurück. ‚Auch die Stiefelspur?‘. Ich blieb stehen, als wäre ich gegen eine Wand gelaufen und bückte mich. Tatsächlich – die Spur eines beschuhten Fußes. „Bitte um Ruhe!“ Leutnant domOlyr bewegte den Kopf von links nach rechts, wie eine Orterkuppel. „Bitte, kein Geräusch! Dorthin!“ sie wies nach rechts. Na schön, eine Richtung war so gut wie die anderen, und wenn sie etwas gehört hatte…
Sie hatte. Schon bald hörten auch wir anderen das leise, monotone Gemurmel, fast wie ein Sprechgesang, atonal, aber rhythmisch. Es kam – aus einem der Kubi, einem der ganz großen. Also, nachdem wir schon einmal da waren, konnten wir genau so gut hineingehen um nachzusehen, vorsichtig lugten wir, die Waffen stets bereit, um die Ecken, fanden das richtige Loch zum Eintritt. Hinter der Tür standen dicht an dicht einige Eingeborene, vor ihnen war ein Haufen Frauen bei einer nicht zu erkennenden Tätigkeit, ein gellender, lauter, schmerzerfüllter Schrei zerriss das Gemurmel. „Was zum..“ entfuhr es dem Tech-Offizier Hakmar. Alle Köpfe fuhren herum, eine helle Stimme rief „Behaltet Ruhe! Ich kümmer‘ mich gleich darum!“ in reinstem Dialekt der Oberschicht Arkons. Ja, natürlich, nicht alle Arkoniden sprachen gleich. Es gab regionale Dialekte, aber auch Betonungen, wie sie nur von den großen Häusern benutzt wurden. Nein, ich bin ein schlechtes Beispiel dafür, ich habe so viele Sprachen und Dialekte gelernt und gesprochen, ich wurde nicht nur, aber auch zum linguistischen Chamäleon. Aber suchen Sie sich bei Gelegenheit eine Tonaufnahme des so genannten ‚Schönbrunner Deutsch‘ heraus und vergleichen Sie es mit dem Deutsch am Hofe des Preußenkönigs. Friedrich der Große und Maria Theresia, da hören Sie einen massiven Unterschied. Nicht bei Friedrich selber, der sprach mehr französisch als deutsch, aber sein Hof. Ach, Maria Theresia war zwar eine schöne und nette Frau, aber Friedrich hatte eben mehr Hirn und große Ideale. ‚In meinem Reich kann jeder nach seiner Facon glücklich werden’ war damals eine Sensation, für die sie ihn alle hassten. Nein, Marie Anne, er war auch ein griesgrämiger Widerling, wie alle Männer, die ihre große Liebe nicht bekommen. Wie auch immer, wir waren am großen Fluss stehengeblieben, in den Lehmbauten der Eingeborenen.
Lautes Kreischen erfüllte nun die Luft, und eine Frau in blutbeflecktem Overall erhob sich, ein laut brüllender Bündel in den Armen. „Was ist, Tech-Offizier? Noch nie eine Geburt miterlebt?“ Ich grinste breit. „Und Sie sind?“ Ich klappte immer noch grinsend das Visier meines Schutzhelms hoch. „Wie viele Admiräle gibt es auf Larsaf III wohl?“ Sie grinste zurück. „Ich kenn‘ keinen! Übrigens, ich bin Marba dalArkuush, Erhabener. Mir gehört das alles hier. Also, ich hab’s von meinem Verstorbenen, Hemutag sei ihm gnädig, geerbt!“ Eine geborene Aristokratin, die bei eingeborenen Primitiven Hebamme spielte? Ich kannte viele Arkonidinnen der hohen Familien, – und alle waren sie großgewachsen und schlank, fast schon nach standardisiertem Bauplan mit winzigen Abweichungen. Marba war etwa einen Kopf kleiner, eher etwas füllig. Ich war, warum soll ich’s nicht zugeben, verwirrt. Mehr als nur ein wenig verwirrt.
„Ich war schon als Kind anders als alle anderen Prinzchen und Prinzesschen in meiner Umgebung.“ DalArkuush hatte uns in einen anderen Kubus geführt, der einfach, aber gemütlich als Wohnraum eingerichtet war. „HonGhi? Wein? Obst? Plätzchen?“ Dankend nahmen wir einen kleinen Imbiss an. „Ich wurd‘, wie alle Kinder meines Standes im imperialen Internat ‚Windhöhe’ erzogen und ausgebildet. In den Wissenschaften, die man so von reichen Arkoniden erwartet. Ich hab’s gehasst, es war langweilig bis zum Abwinken. Trotz der Unfähigkeit meiner Lehrer, irgend etwas spannend vorzutragen, habe ich mein Interesse an Medizin, an Anatomie und Genetik entdeckt. Aber, Erhabenheit wissen ja selber, eine Aristokratin, die als Anatomin, als Genetikerin, eine, die überhaupt arbeiten will…? Richtig arbeiten, nicht nur so künstlerisch herumstümpern. Nicht, dass man es von einer aristokratischen Person, und besonders von einer Frau, erwartet hätte, das Arbeiten meine ich. Künstlerin, deren Werke man frenetisch bejubelt hätte, und wäre es der letzte Dreck gewesen. Wahrscheinlich wäre es das auch, mir fehlt die Begabung für Plastik, zeichnen geht so, wenn es um Genauigkeit und Details geht und ich alle Größen und Winkel ausmessen kann. Sangram-Spieler, na ja, sie wissen, wie spannend dieses Spiel zumeist ist, die meiste Zeit verbringt man damit, sich zu produzieren und zu präsentieren. Dafüf bin ich irgendwie nicht gebaut, zu klein, zu pummelig, zu wenig Standard! Vielleicht noch ein paar Schweberrennen, wäre ich ein Mann gewesen, Militär oder Flotte wären noch mögliche Alternativen. Da ich aber noch nie wirklich gut in Kadavergehorsam war, fand ich es als keine so angenehme Idee. Ich hatte wirklich Probleme, was ich mit mir anfangen sollte.“
„Meinen Mann hab’ ich damals in der Windhöhe kennengelernt. Zwei Klassen weiter, Biologie. Und ihm hat’s gefallen, dass ich neugierig war, in einem praktischen Fach, ein Mädchen, mit dem er über seine Leidenschaft, die Medizin, sprechen konnte. Nicht nur schwärmen, sondern ernsthaft diskutieren. In der Mensa war’s, wo wir einander zuerst begegneten, dann kamen wir uns näher, Besuche bei den Eltern, die Hochzeit. Meine Eltern waren froh, dass ich einen Mann gefunden hatte, der mich wollte, ich hätte einen Einbeinigen anschleppen können. Meine Brüder waren zufrieden, ich war bei unserem Erbe nicht mehr ganz vorne mit dabei, sondern nur noch im Notfall ein Unterstützungsfall. Nun ja, wir waren ganz glücklich, ich hab’ halt weiterstudiert, wenn auch nicht mehr offiziell an der Uni. Dazu war ich dann auf einmal zu alt, nur Monate nach meiner Hochzeit, ich war ja jetzt eine Frau und kein Mädchen mehr. Bis dann mein Mann krank geworden ist. Alkoholkrank. Er war ein lausiger Spieler, die Rennen hat er gehasst, als Künstler war er eine völlige Niete, ein Versager, schlimmer noch als ich. Aber ein hervorragender Biologe war er, ein kleines Genie auf diesem Gebiet! Er hat sich mit allen und jedem angelegt, überall ist er angeeckt. Erhabenheit waren wohl schon lange nicht mehr auf Arkon in der ‚feinen‘ Gesellschaft? Sonst hätten’s wohl davon gehört. Antar daArkuush? Nun, jedenfalls, eines Tages kommt er, wie meistens sternhagelvoll, nach Hause und eröffnet mir, dass wir auswandern nach Larsaf, er habe das Ticket schon in der Tasche und die ganze Packelrass’ könnte ihn mal am Arsche lecken. So sind wir hier gelandet. Irgendwie wollte er neu anfangen, also hat er hier sein Haus gebaut. Weil er alles selber machen wollte, hat er Ziegel gebrannt und die Wände mit eigenen Händen auf gemauert. Irgendwann sind dann ein paar von den Einheimischen gekommen und haben mitgemacht. Denen hat er dann gesagt, wie sie ihre eigenen Häuser bauen können, als Schutz gegen alle Witterungen. Der Boden war fruchtbar, da wollt‘ er auch ohne großartige Automatisation den Boden bestellen. Er hat wirklich mit dem Saufen aufgehört, mit Medikamenten und allem einen Entzug durchgemacht. Ich hab’ mich ein wenig um die Primitiven gekümmert, hab’ sie medizinisch versorgt, ihnen arkonidisch sprechen beigebracht und so einiges andere. Haben ganz kluge Köpfe auf ihren Schultern. Glücklich waren wir. Todmüde jeden Tag, aber glücklich.“ „Aber diese Primitiven sind so…“ Sankha suchte nach einer Beschreibung. „Hässlich? Zerrbilder eines Arkoniden? Damit kenne ich mich aus. Hab’s oft genug selber über mich gehört!“ Verlegen blickte die Leutnant zu Boden. Nun, eigentlich fand ich die Dame gar nicht hässlich. Ich schätzte sie auf etwa fünfzig, was etwa einem Drittel der durchschnittlichen arkonidischen Lebenserwartung entsprach. Eine reife, voll erblühte Frau, kein junges Mädchen, ein wenig älter als ich selbst. Sie war zwar wohl ein wenig klein geraten, hatte ein wenig breitere Hüften, hier und da ein paar Pölsterchen, aber im ganzen gesehen war sie – eigentlich ganz hübsch!
„Diese Erdenmenschen sind genetisch zu 99,94 Prozent mit Arkoniden identisch”, fuhr Marba fort. „Wie übrigens alle arkonoiden Spezies, die wir bisher gefunden haben. Habt Ihr Euch schon einmal Gedanken gemacht, dass, wohin wir auch gekommen sind, viele uns sehr verwandte Arten leben? So verwandt, dass sie kompatibel sind und fruchtbare Nachkommen bekommen können?“ „Na und?“ Hakmar zuckte mit den Schultern. „Analoge Entwicklungen auf mehreren Planeten?“ Perlendes Lachen erfüllte den Raum, Marba hatte einen wunderschönen dunklen Alt. „Wie wahrscheinlich ist das? Nun, alte arkonidische Aufzeichnungen sprechen von einer raumfahrenden Rasse, von der wir abstammen. Vielleicht sind alle Arkonoiden degenerierte Abkömmlinge dieser Art. Vielleicht gab es einmal ein großes Sternenreich, und wir sammeln jetzt nur noch die Reste auf!“
Ich umklammerte meine Schale HonGhi, die wundervoll meine Finger wärmte. Meine Gedanken wirbelten durcheinander, ich suchte einen Punkt, auf den ich mich konzentrieren konnte. „Und wie ist ihr Gatte gestorben?“ Marba ging zum Herd und stellte eine Kanne Wasser auf. „Eine blöde G’schicht. Er hat es geschafft, selber Schnaps zu brennen und hat wieder angefangen zu Saufen. Dann ist es ihm gelungen, sämtliche Sicherheitssysteme in seinem Schwebe-Pickup auszuschalten und ist mit seinem Truck gegen einen Baum gefahren. Multiple Brustplattenbrüche und zerschmetterte Schädelknochen. Nichts mehr zu machen. Man kann also mit Fug und Recht sagen, er hat sich zu Tode gesoffen.“ Tränen flossen still über ihre Wangen, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Unbeholfen legte ich ihr die Hand auf die Schulter. „Schon gut, Erhabener. Es geht gleich wieder. Entschuldigung!“
Von Draußen drängten aufgeregte Stimmen zu uns und durchbrachen die bedrückte Stimmung, ein dunkelhäutiger Kopf mit breiter Nase und ungebändigten schwarzen Kraushaar wurde durch die Tür gesteckt. Die Zähne, die das breite Lächeln dieser Frau sichtbar machte, glänzten in einem makellosen weiß, sie mussten sorgfältig gereinigt sein. „Schnell, Dame, schau. Die Sonne scheint wieder. Alles wird wieder gut!“ Und tatsächlich, gegen Süden riss die Mischung aus Dunst und Staub auf, erste Sonnenstrahlen kamen hervor.
*
„Diese Marba muss Dich ziemlich beeindruckt haben!“ Thalmas Gesicht leuchtete vom Com-Schirm. „Was! Wie, wie kommst Du auf diese Idee?“ Thalma lachte laut. „Soll ich Dir unser Gespräch vorspielen? Atlan, Du weißt doch noch, dass Kommunikation mit den Expeditionstrimobs aufgezeichnet wird? Ich glaube, ich möchte diese Frau kennenlernen.“ „Oh. Warum nicht. Im übrigen – ja, sie beeindruckt mich tatsächlich. Ich weiß nicht, was es ist. Ihre Gedanken, die ziemlich revolutionär sind, obwohl – eigentlich absolut logisch. Wieso hat sich das vorher niemand gefragt?“ Wieder eine Lachsalve. „Mein lieber, lieber Kristallprinz. Du hast einen scharfen Verstand und ich liebe Dich, aber Du, ich, wir alle haben wohl vergessen, Dinge zu hinterfragen. Ich frage mich, ob wir nicht unsere Besten in den Kolonien – wie soll ich sagen? Wir sind so auf reines Blut fixiert, das wir das Gehirn vernachlässigen. Vielleicht finden wir die wahren Genies außerhalb des Arkon-Systems!“
„Ja“, brummelte ich. „Und dann sitzen diese Genies in Port Atlantis und warten auf den gestrigen Tag.“ Thalma beugte sich vor, immer noch lächelnd. „Mein Lieber, bedenke doch bitte, dass der größte Teil der Siedler von II kam und dort ihren Besitz hatte. Hier auf III war sozusagen nur die Vorhut, einige Vorbereitungen. Einige Besitzer von eingetragenen Gütern waren noch nicht einmal im Larsaf-System eingetroffen. Die Siedler, denen Du jetzt begegnest, sind wahre Pioniere!“ Ich konnte und wollte ihr nicht widersprechen, also lenkte ich ab. Nach einiger unwichtigen, verliebten Turtelei schalteten wir ab. Ein sehr, sehr nachdenklicher Atlan ging zu Bett.
Natürlich wurde mit den ersten Sonnenstrahlen nicht alles gut, wie Schwarzauge, die junge Barbarin mit den prächtigen Zähnen, gesagt hatte. Im Norden und Süden waren die Gletscher auf dem Vormarsch, wie die Nanotroniken berechneten. Einige Meter pro Jahr nur, aber es würde noch lange andauern. Sehr lange. Aber diese Wiederkehr der Sonne und ihrer Wärme sagten mir, das Afrika wohl noch eine Zukunft hatte. Was eine weitere Frage aufwarf. Wir hatten noch zwei Station auf unserer Karte. Dann – direkt nach Norden, nach Europa? Oder zuerst in die Basis? Ich beschloss, dass wir alle eine kleine Pause verdient hatten. Also, noch diese zwei Besitzungen, dann – nach Hause. So seltsam es auch klingen mag, aber es musste für die nächste Zeit unsere Heimat sein. Bis die Arkonflotte eintreffen würde. Die Arkonflotte, nur noch kurze Zeit, dann käme eine wirkliche Rettungsmission zu den Arkoniden auf Larsaf III.
Also kletterten wir in unsere Trimobs und flogen los, weiter den Nil stromauf, wenige Zeit später kreisten wir über der Villa unserer nächsten Station auf der Liste. Rauchgeschwärzte Stellen zeugten von schweren Feuern, doch der Trichterbau stand noch, der Eingang im ‚Stiel’ stand weit offen. Warum? Nun, aus der Luft war das nicht festzustellen. Also zogen wir unsere Kampfanzüge mit Mini-Antigraveinheiten über und schwebten nach unten, ins Zentrum der innen liegenden Galerien, gedeckt von dem zweiten Trimob.
Der Gestank nach Blut, nach Fäulnis, nach Rauch und Tod erwartete uns. Wir kamen in völliges Chaos, in Zerstörung und Vernichtung. Wir fanden den Besitzer und seine Familie, hier sahen wir auch den Beweis, dass die Barbaren nicht immer friedfertig waren. Pfeilspitzen aus Stein und tiefe Wunden durch Steinäxte sprachen eine allzu deutliche Sprache, auch der Umstand, dass wir nur männliche Leichen fanden. Ersparen sie sich und mir bitte eine detaillierte Schilderung. Wir zogen uns etwas zurück, ehe ich den schweren Thermoimpulsstrahler auslöste und die Villa mitsamt Bewohnern atomisierte. Den nachglühenden Krater als Zentrum flogen wir eine Suchspirale, in der leisen Hoffnung, vielleicht doch eine der Frauen finden zu können, die, für einen längeren Marsch zu schwach, zurück gelassen wurde. Eventuell verletzt, aber noch am Leben. Abwechselnd sahen wir bei jeder Wärmeortung mit einem Anzugsaggregat nach, wir fanden sogar eine Spur, verlorene Dinge, die zuerst gestohlen und dann doch weggeworfen wurden. Ein Kleid, ein großer Spiegel, der zerbrochen war. Wir folgten dieser Spur eine Zeitlang und fanden wirklich eine der entführten Arkonidinnen. Keine junge Frau mehr, hatte sie den Marsch wohl nicht mehr durchgehalten, hatte man ihr den Kopf eingeschlagen, dann bis auf die Haut ausgezogen und einfach liegen gelassen. Wir standen um die Tote und hielten ein kurzes Gedenken, hob ich den Thermostrahler und verbrannte sie. Wasserstoff zu Wasserstoff, Atome zu Atomen. Dann zogen wir weiter, aber die Spur teilte sich, verlief und wurde für uns nicht mehr sichtbar. Wir stiegen wieder in die Trimobs und versuchten es mit einem Suchmuster nach Wärmeechos.
Wir fanden nachts auch wirklich eine Sippe Menschen um ihr Feuer, und, Marie Anne, am liebsten hätte ich sie sofort atomisiert. Aber ich wollte auch die verschwundenen Frauen finden, also standen unsere Trimobs mit plötzlich aufblendenden Scheinwerfern über dem Lager, während Sankha, Vhinja, Hakmar und ich von allen Seiten aus dem Himmel schwebten, Schutzschilde an und Waffen schussbereit. „Wo sind die Frauen!“ schrie ich, noch nicht gelandet, und aus einigen der Zelte krabbelten einige heraus. Einige Frauen, kaum bekleidet, wie die Männer auch, keine sah auch nur annähernd arkonidisch aus, bis auf ein vielleicht fünfjähriges Mädchen, das sich hinter einer der Frauen versteckte. „Sehen Sie nach, Hakmar!“ und der bullige Techoffizier ging von Zelt zu Zelt, um sie zu inspizieren. Und er war gründlich. „Ihr uns wollen zurück bringen zu Herren und Herrinnen vom Tal?“ einer, wohl der Anführer, deutete in die Richtung, in der das Haus gestanden hatte. „Was weißt Du?“ herrschte ihn Sankha an, er zuckte mit den breiten Schultern. „Wir arbeiten dort. Harte Arbeit, wenig essen. Dürfen nicht weg. Dann, schlimme Nacht, finstere Tage, wir gehen. Du zwingen uns zurück?“ „Wer ist das?“ deutete ich auf das arkonidisch aussehende Kind. „Meine Tochter!“ die Stimme der Frau brach. „Nicht wegnehmen!“ „Deine Tochter?“ konnte Sankha es nicht glauben, das Mädchen sah zu Boden. „Bitte, ich nicht schuld. Jung Herr kommen auf Feld, sagen, bin hübsch, oft sagen, oft tun, dann bekommen Kind, nicht mehr kommen. Mein Familie wissen, ich nicht Mut, nein sagen, helfen mir. Finden dann Mann. Guten Mann, mag sogar Kind von Herr.“ „Schon gut!“ ich glaubte ihr, das Kind sah wirklich wie ein halber Mensch aus. „Wer hat dann die Herrinnen und Herren getötet?“ „Herren tot? Omjahamungana sagen, schlecht Wetter, weil Herren schlecht. Müssen Herren töten und Herrinnen mitnehmen für viel Kind. Ist gerecht, Omjahamungana sagen. Erst Herren machen viel Kind mit sein Frauen, jetzt Omjahamungana machen viel Kind mit Herrinnen. Wir einfach gehen, nehmen unser Frauen und Kind und gehen fort, aber Omjahamungana bestehen mit sein Familie auf Rache. Omjahamungana arbeiten Haus.“ Er klopfte sich einmal an die Brust. „Amk’klomkla und Familie”, er deutete auf die anderen. „Arbeiten Feld. Nicht gehen Haus, gehen weg! Schlecht Herr, schlecht Herrin, aber wir nicht machen tot schlecht Herr.“
Was sollte ich tun, Marie Anne. Ich glaubte ihnen. Es war keine Seltenheit, ich habe es schon erwähnt, Arkoniden vergingen sich an Nativen, überall im Imperium. Ich glaubte auch, dass dieser Stamm einfach davongelaufen war, und das Gegenteil beweisen konnte ich nicht. Sie besaßen nichts aus dem Haus, noch nicht einmal ein Küchenmesser. Ich konnte sie doch nicht bestrafen, nur weil ich sie zur Hand hatte, auch die anderen hatten ihre Waffen bereits sinken lassen. „Wo ist Omjahamungana jetzt?“ wollte ich wissen, und ein anderer Mann sagte. „Wollen gehen Mittag. Alle wollen gehen Mittag!“ Ich nickte unwillkürlich. Natürlich, alle wollten nach Süden. Selbstverständlich, ich hätte es nicht anders gemacht. Wir erweiterten das Suchmuster, aber leider fanden wir auch nach neun Tagen und Nächten nichts und niemand mehr, keine Spur von den Arkonidinnen. Sie mussten wohl ihr Leben als Dienerinnen und Nebenfrauen dieses Omjahamungana verbringen, oder er verheiratete sie in seinem Stamm mit anderen Männern. Ich musste einsehen, dass ich verloren hatte, dass ich keine Anhaltspunkte mehr besaß und aufgeben musste, etwas, das mir immer schon schwer gefallen war. Trotzdem sah ich keine Möglichkeiten zum Eingreifen mehr, darum nahmen wir Kurs auf die letzte eingetragene Stelle, sie lag am Fuß des größten Vulkans Afrikas, der erstaunlicherweise ruhig geblieben war. Dieses Mal zumindest.
Wir fanden die Siedlung ganz leicht, es waren einige Häuser aus Naturmaterialien wie Holz und gebrannten Ziegeln, dazu Glas und ein wenig Metall. Ein Verteidigungswall umgab die Ansammlung einiger Gebäude, die in quadratischem Raster angeordnet waren. Umfriedete Viehgatter, Felder und Weiden umgaben diese burgähnliche Ansiedlung, sogar ein hoher Wachturm war vorhanden. Männer und Frauen kamen mit Gewehren aus den Hütten gelaufen, zum Teil alten, ausgemusterten Sturmgewehren aus Armeebeständen, zum Teil aber auch Projektilwaffen, aber bewaffnet waren sie alle, Männer, Frauen und Halbwüchsige. Also hatte Trimob zwei wieder einmal die schwere Aufgabe, den Rücken des Höchsten der hohen Offiziere zu decken, nämlich den meinen. Sicher wollte ich es ganz genau wissen.
Ich landete also Trimob eins und stieg aus, mit offenem Helm, aber mit eingeschaltetem Prallschirm. Ein Raunen ging durch die Menge, als man meine Rangabzeichen und mein Wappen sah, und bis auf drei, die stramm standen und militärisch grüßten, fielen sie auf das Knie. Nun ja, hier wurde ich wieder an meine Stellung erinnert, und plötzlich störte mich der Kniefall. „Steht auf!“ rief ich ihnen zu. „Einfaches Grüßen reicht aus!“, dann erwiderte ich den militärischen Salut. „Ihr habt bei den Marines gedient?“ fragte ich, und einer der Männer nickte. „Ich bin Kophor, früher Offizierstellvertreter bei der achten Kompanie, Regiment 534, drittes Bataillon. Die Groß – und Arkonritter, Erhabener! Mein Schwager Armhat dort war Wachtmeister in der gleichen Kompanie, und unser Freund Omghon hat es bis zum Oberstabswachtmeister in der siebten gebracht. Wir haben unsere Abfindungen zusammen gelegt, einige aus unseren Familien haben sich auch beteiligt, und wir haben hier Land gekauft und eine Wirtschaft begonnen. Hat auch ganz gut funktioniert, als der Aufruf an die Veteranen ging, haben wir uns gemeldet. Man hat unsere Kontaktdaten aufgenommen, uns aber mitgeteilt, dass man vorerst nur Kosmonauten braucht. Keine Infanterie. Aber, man hat uns aus der Waffenkammer ein paar von den alten 64ern mitgegeben, die hatten noch ein Kaliber mit ordentlich Energie im Impulsstrahl. Heute, die 88er, haben kein Gewicht und keine Power! Die Thermosstrahler sind zwar verdammt heiß, aber Durchschlagskraft haben sie keine. Brennen einfach ein kleines Loch, das hier”, er hob das Gewehr und reichte es mir vorschriftsmäßig, „das hier zertrümmert den Schädel von so einem Riesenrüsseltier. Das gibt einen ordentlichen Bumms!“ „Und die Gürtelwaffen?“ fragte ich, und der Mann gab bereitwillig Antwort, währen er mich durch das Dorf führte. „Dort wohnt Yggtain, die Schwester von Omghon, mit ihrem Mann. Der war technischer Zeichner auf Arkon III, wollte aber partout nicht zurückbleiben. Ja, also, die Gürtelwaffen. Die leichten Desintegratoren haben wir vor unserem Abflug auf Arkon III gekauft, als Siedler und Kolonist braucht man so etwas ab und zu, wir haben uns vorher schlau gemacht. Die schweren Hitzestrahler stammen wie die 64er aus dem Flottendepot von Atlantis. Der Rüstbulle war derart angetan, dass wir uns verteidigen wollten, dass er uns die letzten alten Modelle gab, die noch herumlagen und noch nicht vernichtet wurden, als Ihr die neuen mitgebracht hattet. Mehr als Eure Marines gab es sowieso nicht in Atlantis, außer ein paar Bullen. So haben wir einiges zusammen bekommen, sollen wir Euch etwas davon wieder abgeben?“
Ich konnte nicht anders, ich musste auflachen. Dieser alte Veteran hielt es tatsächlich für seine Pflicht, überlassene Energiewaffen bei Aufforderung wieder abzugeben, falls die ‚offizielle Ordnungsmacht’, die außer mir noch aus elf ziemlich machtlosen Personen bestand, ihrer bedürfe. Und solche Leute wurden gering geachtet. Ich musste erkennen, dass es genau diese Leute waren, die das Imperium am Leben hielten. Sicher, wir von der Flotte hatten unseren Job, und der war wichtig, aber wir konnten doch nichts anderes machen, als diesen Arkoniden die Möglichkeit zu geben, das Imperium zu erhalten. Ich begann mich zu fragen… nehmen wir an, das Arkonsystem mit seinen Planeten wäre von heute auf morgen verschwunden – es würde nur das Militär am fehlenden Nachschub merken. Es würde das meiste einfach weiter gehen, dank Frauen und Männern wie jenen in dieser Siedlung. Ich bot dem alten Unteroffizier meine Hand, und er ergriff sie. „Behaltet die Gewehre und Pistolen!“ sagte ich einfach. „Wenn ihr Munition für die ballistischen Waffen braucht, ich glaube, ich kann noch ein paar auftreiben. Aber warum habt ihr Euch überhaupt zur Auswanderung entschlossen? Ihr hättet auf Arkon I doch ein gutes und bequemes Leben führen können?“ fragte ich, keine Ahnung, wo ich derartige Naivität her genommen habe. „Mehr oder weniger in einem Ghetto eingesperrt, Gebieter, damit die Adeligen nicht durch uns gestört werden. Vielleicht hätten wir diesen Umstand nicht bemerkt, aber er wäre uns immer bewusst gewesen. Mit zwanzig Jahren hätten dann unsere Kinder entweder nach Arkon II übersiedeln müssen, wo sie ohne alles da gestanden wären, oder in unsere Fußstapfen treten. Letzteres hätten sie immer noch gekonnt, ersteres wollten wir Ihnen ersparen. Hier können wir in Freiheit leben, und unser Nachbar hat vielleicht mehr Geld auf einem Bankkonto, aber was hat er davon? Ich meine nicht einmal unbedingt jetzt, sondern überhaupt. Wenn man viel hat, möchte man mehr, wenn man zu essen und eine Behausung hat, dazu eine gute Familie, dann braucht man nicht jedes Jahr das neueste Pad oder die modernste Modekollektion, damit versucht man doch nur die Leere im Herzen zu füllen und schafft es nicht einmal.“ Ich konnte ihm nicht einmal widersprechen, Marie Anne. Hatte er nicht recht? Entschuldigen Sie, wenn unser Gespräch ernster geworden ist, aber diese Fahrt über den Afrikanischen Kontinent hat mich mehr als ein wenig nachdenklich gemacht. Heute weiß ich, dass hier in mir ein Umdenken begann, das sich später in Europa durchsetzen sollte.
Die Bilanz unserer Expedition: wir hatten acht, nein neun bewohnte Besitzungen gefunden, bis auf eine mit lauter Querdenkern besiedelt, die von der üblichen Architektur aus dem einen oder anderen Grund abgewichen waren. Wir hatten bisher rund zweihundert Arkoniden gefunden, die meisten waren Arbeiter, die das Glück hatten, nicht in den Villen, aber gut geschützt gewesen zu sein. Irgendwie, irgendwo. Teils hatten sie sich auf den Weg gemacht, intakte Besitzungen zu finden, andere hatten um Erlaubnis gebeten, bis zum Eintreffen der Rettung stationär bei den Ruinen der Besitzung zu warten und die noch vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Warum nicht, sollten sie doch, wem schadete es denn? Alle Gruppen hatten wir mit Kommunikationsgeräten ausgestattet, um sie zu finden, sobald, ja, schon gut, ich war fixiert, die Flotte einträfe. Schon gut, schon gut, heute weiß ich auch, dass ich mich an einen sehr dünnen Strohhalm klammerte. KEINER von den Überlebenden wollte in den Zylinder, alle wollten lieber hier warten, sie fühlten sich sicher genug. Das war ebenso überraschend wie erfreulich, es zeigte, aus welchem Metall und in welchem Feuer wir Arkoniden damals noch geschmiedet waren, ich war stolz auf viele meiner Mitarkoniden.
Natürlich waren Ihre Vorfahren in überhaupt keiner Weise friedfertig und gutartig oder so, Marie Anne. In diesem Fall hätten sie sich nicht in relativ kurzer Zeit, in wenigen Jahrhunderten und Jahrtausenden zu einer raumfahrenden Spezies entwickelt. Ziemlich starke Aggressionen sind allen Hominiden angeboren. Deshalb ist es eine gar nicht hoch genug einzuschätzende Leistung, dass eine derart gewaltbereite Rasse, ob arkonidisch, terranisch, zalitisch oder eine andere hominide in der Galaxis,eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit gefunden haben. Einige haben es nicht geschafft und sich selbst ausgelöscht. Die Menschen waren aber auch immer schon ein wenig opportunistisch. Sie hielten Frieden, wenn es Vorteile brachte, und in der Nähe der Siedlungen zu bleiben und den Arkoniden zu helfen, die sie gut behandelten und auch umgekehrt Hilfe gaben, war auf lange Zeit gesehen vorteilhafter, als einfach zu plündern. Das haben Ihre Vorfahren auch schon erkannt.
Ich möchte das Handeln Omjahamunganas nicht entschuldigen, ich finde, was er getan hat, war Unrecht. Man darf keinen Menschen zwingen, an einem Ort zu sein, wo er nicht sein will und vor allem darf man ihm keinen Sex aufzwingen, man darf ihn nicht schlagen und nicht fesseln – außer natürlich, er will es so. Sehen sie mich nicht so entsetzt an, Marie Anne. Es gibt Menschen, die daraus ihre Befriedigung ziehen. Einmal, Marie Anne, nach zehn Minuten hatte ich meine Hose wieder an und bin gerannt, als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Zart in der Sauna mit Birkenreisig, an dem noch jede Menge Blätter sind, den Kreislauf anregen, nun gut, da war ich noch bereit. Aber als die Fürstin Minskaraya mir eine Reitgerte in die Hand drückte und mit ihrer von dutzenden Zigarren rauen Stimme „jetzt orrrdeentlich!“ rief, ohne mich. Ich lief in mein Zimmer, zog meinen Fluganzug an und war aus dem Fenster, bevor mich die Kosaken holen kamen. Oh ja, jetzt bin ich weit weg vom Thema. Also, man darf einen Menschen nicht entführen, nicht quälen, nicht vergewaltigen und nicht töten. Daher sehe ich Omjahamunganas Handeln für extrem falsch an. Aber auch die Arkoniden der Siedlungen haben sich nicht besser benommen, und wären sie ein besseres Beispiel gewesen – wer weiß. Auf Tsir, auf Arkuush oder Gůjmes war kein Eingeborener auf die Idee gekommen, die Familie zu überfallen.
*
Wir waren wieder nach unserer kleinen Insel geflogen und hatten uns, nachdem wir lange Zeit unter der Dusche waren und einige Zeit ohne die anderen verbracht hatten, in der Messe zusammengekommen, und ich berichtete, nur selten von den anderen korrigiert oder ergänzt, den Zurückgebliebenen unsere Erfolge und Misserfolge, gleichzeitig überspielte ich das Expeditionslog in den Hauptspeicher. Dann zogen wir uns wieder zurück, nach einiger Zeit auf engstem Raum, wo man gerade einmal auf dem Crapper allein ist – manchmal möchte man einfach niemand um sich haben. Sich in einem breiten, gemütlichen Bett umdrehen und allein schlafen. Auch ich schätze ab und zu durchaus die Einsamkeit. Aber, natürlich nicht zu lange. Ich ging hinüber zu Thalma und schlüpfte unter ihre Decke. „Hmm!?“ sie erwachte nur halb, legte ihren Kopf auf meine Brust und schlief weiter, und auch ich entschlummerte sanft mit meiner Geliebten im Arm. Nun, ich möchte über den Morgen nicht viel sagen, aber wir kamen als Letzte zum Frühstück… Oh ja, Marie Anne, ich war treu auf während der Fahrt gewesen! Ich beschloss, noch eine Pause einzulegen, ehe wir uns Roshaan, also Europa vorknöpfen wollten, ich schauderte am ganzen Körper, selbst jetzt, wenn ich daran denke. Machen Sie sich bereit, es wird nicht eben lustig.
*
‚Money for nothing and the chicks for free…‘, so stellt man sich das Leben als Kristallprinz gerne vor, und ich gestehe, dass in Friedenszeiten diese Ansicht nicht wirklich falsch ist. Ach was, der zweite Teil stimmt eigentlich immer, aber ich habe auch in der Zeit, als ich auf der Erde wanderte, eigentlich keine Probleme gehabt, schöne Frauen kennenzulernen und sie zu lieben. Nun, ja, ich trat auch nie als armer Schlucker auf, oder wenn, dann nur für sehr kurze Zeit. Jetzt aber hätte ich gerne auch Rang und Titel verzichtet, aber es ist nutzlos, davon zu träumen, die Verantwortung lastete nun einmal auf meinen Schultern. Also sagte ich Thalma ‚auf Wiedersehen‘ und zwängte meinen widerstrebenden Körper lustlos ins Trimob.
Moment, sie fragen, ob es keine arkonidische Lyrik gibt, weil ich immer…? Marie Anne, es gibt so viel arkonidische Lyrik, dass eine mittlere Nanotronik überfordert wäre – und die haben eine Menge Speicherplatz. Jeder Aristokrat bringt in seiner Jugend mindestens einen Gedichtband heraus, ‚das gehört einfach dazu‘, und nachdem es wirklich viele Aristokraten gibt, hat man zwei große Extraspeicher für Lyrik angelegt, obwohl das meiste besser auf Nimmerwiedersehen in den Ewigkeiten des Alls verloren gegangen wäre. Ein Team von Bibliothekaren und Studenten arbeitete fünf Jahre nur an den Querverweisen. Entsprechend ist natürlich die Qualität der Gedichte, überladen, kitschig, langweilig und verlogen. Nein, ich will nicht! Na schön, einmal musste ich während einer Feier ein Gedicht der ‚Göttlichen Thora‘, wie sie sich selber gerne schmeichelte, mitanhören.
‚Wenn überbordende Begier nach bloßer Fleischeslust
zu keusch‘ und ehrlich Lieben sich erst wandelt
wenn Du nimmermehr stets Balzen musst,
wenn um seelisch‘ Reife es sich handelt
dann tritt vor meines Vaters ehern Tor
dann sag ich ja, doch nicht zuvor!‘
Die ‚göttliche Thora‘ hatte damals, als sie diese Zeilen schrieb, bereits drei Ehemänner und etwa zwölf Liebhaber verbraucht, von denen man gehört hat, Dunkelziffern gab es immer schon. Das ist gar nicht schlecht im zarten Alter von vierunddreißig Jahren, oder?
*
„Alle bereit?“ Oberleutnant Howan onRoemp übernahm wieder Trimob Zwei, mit Tech-Offizier Hakmar und Korporal Condish. Ich nahm die Korporale Vallan und Taiilm mit an Bord von Eins. Dieses Mal würden mich aus naheliegenden Gründen nur Männer begleiten. Sie werden es bald verstehen, Marie Anne, ich jedenfalls hatte trotzdem noch ein flaues Gefühl in der Magengegend.
„Kammer fluten!“ Wieder flammten die Scheinwerfer auf, dieses Mal jedoch stiegen wir sofort nach dem Schleusenschott nach oben und traten unsere Reise fliegend an. Der Unterschied zwischen dem Anblick nach Süden und dem nach Norden war beängstigend. Während der Süden bereits hier und da blauen Himmel erahnen ließ, lag der Norden unter dichten Wolken, schwarz, dunkel dräuend, voll Staub, der nicht nur von Vulkanen bis in die Stratosphäre geschleudert worden war. Die Blitze, welche die obersten Luftschichten ionisierten, waren bis zu uns zu sehen und tauchten die Szenerie in unstetes Flackern. Die Sonden zeigten nahe des Polarkreises Schneestürme ungeahnten Ausmaßes, und in dieses Inferno sollten wir fliegen? Später vielleicht, zuerst natürlich die südlicheren Teile des Kontinents. Die Blicke meiner Begleitung ruhten wartend auf mir, also wies ich, meine eigene Unsicherheit verbergend, nach Norden. „Also los, fliegen wir! Kurs Port Roshaan.“
Port Roshaan war ein Hafen an der Westküste des heutigen Portugals, wo auch dieser Tage noch einer der größten Flüsse des Landes in den Atlantik mündet. Jetzt liegt in dieser Gegend am Ufer des Tejo die Millionenstadt Lissabon, aber seit damals hat sich die Küste natürlich noch dutzende Male verändert, Erd- und Seebeben mit ihren Tsunamis hatten Küstenteile zerschmettert und umgestaltet, Sie würden die Gegend nicht wiedererkennen. Vor allen, weil der Wasserspiegel damals etwas unter den heutigen Niveau lag. Aber – im Großen und Ganzen war der Kontinent nun schon ziemlich fertig gestaltet, mit Ausnahme der Küstenlinie, die mit dem Steigen des Atlantik auch das Mittelmeer enorm vergrößerte, und damit dann auch das schwarze Meer. Damals noch in ferner Zukunft, als wir unterwegs waren, sank der Meeresspiegel eher, dafür wuchsen die Polkappen enorm und banden auf den Landteilen enorme Mengen an Wasser.
Der arkonidische Hafen Port Roshaan war der Umschlaghafen für die Güter des Kontinentes und natürlich nach dem Kontinent benannt worden, auf dem er lag. Nach einer der Hu… – Konkubinen des Usurpators Orbanaschol. Eigentlich hätte sie ja ganz gerne einen Planeten nach sich benannt gesehen, ihre Ti.. – ah, die Zuneigung des Kurzzeitimperators hat dann aber doch nur für einen Kontinent auf einem kleinen Kolonialplaneten gereicht. Jetzt trug der unschuldige Kontinent eben diesen Namen, und würde es, wie ich damals dachte, in alle Wwigkeiten tun müssen. Nun, Roshaan ist auf Arkon kein ganz ungewöhnlicher Name, man würde hoffentlich irgendwann vergessen, dass der Kontinent nach dieser billigen Hexe benannt wurde! Nein, ich mochte sie nicht, ich habe sie nie gemocht und werde sie nie mögen.
Jedenfalls war, wie ich eben erwähnte, dieser Hafen die Schnittstelle zwischen dem Kontinent und Atlantis. Auch wenn überlichtschnelle Raumschiffe Waren und Personen rasend schnell von Sternsystem zu Sternsystem befördern, ist im planetaren Güterverkehr das Schiff immer noch die rationellste Methode, besonders wenn es um Erze, Kohle und ähnliches Schüttgut ging, zumindest, wenn Zeit keine Rolle spielt.
Auf dem eurasischen Kontinent waren keine Farmen eingetragen, die arkonidischen Pflanzenzüchtung gediehen nicht besonders gut in diesem rauen Klima. Später sollte sich allerdings Weizen als durchaus anpassungsfähig erweisen, obwohl der einheimische Roggen, der Hafer in Europa oder in einer ganz anderen Gegend der Welt der Mais lange sehr viel besser gediehen. Statt großer Landwirtschaftsbetriebe waren Minen auf den Karten verzeichnet, und selbstverständlich waren Prospektoren unterwegs, neue Vorkommen zu erschließen. Besonders die Gebirgsregionen der heutigen Pyrenäen und Alpen waren interessant und voller Rohstoffe, in diesen Regionen waren auch überall Stationen aufgebaut, die jene Pioniere mit den nötigen Ausrüstungen versahen. Nahrungsmittel, Waffen nebst Energiemagazinen, Kleidung und nicht zuletzt Alkohol und Frauen. Letztere waren unter den Erzsuchern selber selten zu finden, es war eine brutale und raue Arbeit, die von rauen und brutalen Männern getan wurde. Es galt in der Wildnis eher das Recht des Stärkeren – oder des besser Bewaffneten, des Schnelleren und des Rücksichtsloseren. Stellen Sie es sich aber nicht so romantisch vor, wie etwa eine Mainstreet im wilden Westen von Hollywood, zwei Pistoleros, die sich gegenüberstehen und dann der eine sagt: „Die Stadt ist nicht groß genug für und Beide, Django! Wenn die Glocke das erste Mal schlägt!“ Das wäre viel zu ritterlich.
Zumeist lagen diese Depots an Flussläufen, um die Erze leichter per Boot transportieren zu können, große Minen unterhielten oft eine Magnetschwebebahn zum nächsten Fluss. Was geschürft wurde? Eisenerz, Kupfer, Blei. Natürlich Gold, Silber, Platin. Es gab sogar einen Salzsee, nein, genauer zwei, an welchem sich die Gewinnung von Lithium und Selen lohnte. Das, was man heute ‚seltene Erden‘ nennt. Beide Seen gibt es schon lange nicht mehr, die Elemente sind wohl gerade irgendwo in der Galaxis unterwegs.
Die Planetologen warteten in diesen ‚Siedlungen‘ auf die Bodenproben und kauften Edelmetallfunde auf, und fand ein Prospektor eine abbauwürdige Ader, erhielt er eine größere Belohnung, je nach den zu erwartenden Fördermengen. Meistens vertrank oder verspielte er seinen Lohn bald wieder, oder er besuchte ein Haus ‚von zweifelhaftem Ruf‘. Dabei – eigentlich war dieser Ruf unzweifelhaft. Genau genommen waren die Raumhafenbordelle Luxushotels im Vergleich mit diesen Grenzdörfern der Zivilisation, und so manche Prostituierte, die für den Raumhafen nicht mehr jung und unverbraucht war, landete hier. Auch ein ‚natürlicher’ Vorgang, Marie Anne, aber natürlich bedeutet nicht immer etwas gutes. Weiter nördlich und östlich waren ebenfalls vielversprechende Gebirge, diese hatte man aber auf später verschoben. Das Eis war auf dem Rückzug, als die Siedler kamen, also gedachten sie die leicht zu erreichenden Lager zuerst auszubeuten, der Rest konnte auf besseres Wetter warten.
Wie Sie sich sicher denken können, erwarteten wir keine kultivierten, zivilisierten Arkoniden, wie es selbst die Erntearbeiter in Afrika innerhalb gewisser Grenzen gewesen waren. In Roshaan war ein härterer, rauerer, wesentlich primitiverer Arkonidenschlag zu erwarten. Auch einige Kolonialarkoniden, wie Zaliter oder Ekhoniden. Hart gegen sich, hart gegen die Welt. ‚Gottes Freund und jedermanns Feind‘. Klaus Störtebeker. Wenn Sie jetzt meinen, ich könne nur mit Mühe die Worte ‚Abschaum‘ und ‚vertiert’ vermeiden, liegen sie leider richtig. Unseren Informationen nach befanden sich einige auf Arkon verurteilte Soziopathen unter ihnen, die dieses Leben einem langjährigen Aufenthalt in einer betreuten Einrichtung zu Hause vorgezogen hatten. DAS waren die naheliegenden Gründe, nur Männer mit zu nehmen. Weibliche Formen würden hier extrem provozierend wirken und die Leute waren gewohnt, sich einfach zu nehmen, was sie wollten. Wir wollten Probleme vermeiden und nicht heraufbeschwören und verstärken. Es mochte Ausnahmen geben, meine Hoffnung hielt sich allerdings in engen, in sehr engen Grenzen. Ich schäme mich, dass ich mir damals dachte, wenn es einige von ihnen weniger gäbe, wäre es auch kein Schaden. Aber, wie ich Eingangs schon erwähnte, das Leben als Verantwortungsträger ist nicht immer leicht.
Der Ort von Port Roshaan war einfach zu finden. Zwei Koordinatensätze, wenn die angezeigten Werte mit den gespeicherten übereinstimmen, hatte man den Ort gefunden. Wir sahen auch jede Menge Frachtschiffe, die Meisten weit, weit im Landesinneren liegend. Abwracken und einschmelzen, mehr war wohl nicht mehr zu machen. Weniger einfach war es, die Gebäude unter Tonnen von Sediment und ehemaligen ozeanischem Schlick zu finden. Nur hier und da ragte noch ein Dach, eine Kuppel hervor, scheinbar hatten die Kraftfelder viele Trichterbauten der Wohngebäude so lange aufrecht erhalten, bis der Schlamm gehärtet genug war, um ihre Rolle zu übernehmen. An einer Stelle war auf einem Hügel der Schlick um einen hohen Bau herumgeflossen, er stand noch, einige Etagen und die Galerien im Inneren waren frei. Ich befahl Tank Zwei in Feuerschutzposition und ließ Eins vorsichtig absinken.
„Hier war der ‚Gelbe Vogel‘ im obersten Stockwerk“ Korporal Taiilms Stimme klang irgendwie verträumt. „Warst Du öfter hier?“ Vallan blickte misstrauisch in die Runde, seine Stimme zeigte ein wenig Bewunderung für den viel älteren Veteranen. Der prustete los. „Wie denn? Der Schuppen liegt einiges über dem, was ich mir leisten könnte. Hier soll es angeblich echte, reinblütige Arkonidinnen gegeben haben. Mein Geldbeutel reichte gerade für den zalitischen Puff in der dritten Etage!“
„Das hier könnte eine Einaufspassage gewesen sein, ich sehe zerbrochene Schaufenster, aber nichts ausgestellt. Dort, Erhabener!“ Vallan hatte weiter Ausschau gehalten, trotz des Gesprächs mit Taiilm. „Was siehst Du?“ mir war nichts aufgefallen, doch gleichzeitig mit der Antwort Vallans brüllte der Extrasinn, beide mit dem Gleichen Wortlaut: „Nackte Schaufensterpuppen!“ Die Scheiben konnten während der Unwetter zerbrochen sein, wahrscheinlich waren sie das auch. Die Puppen konnten aber nur eines bedeuten, nach den Stürmen war jemand hier gewesen und hatte die Puppen entkleidet. Plünderer? Leicht möglich. Kurz überlegte ich, ob der Schutzschirm nötig wäre, entschied mich aber dagegen. Die physische Panzerung der Trimobs war für eine Handwaffe mehr als ausreichend, und eine Kanone war hier im Inneren nicht sehr wahrscheinlich. Meine Nackenhaare begannen sich aufzurichten, ich konnte förmlich fühlen, wie uns dutzende Augenpaare beobachteten, vielleicht sogar über die Läufe von Waffen, aber im Schutze der Mobile waren wir noch sicher. Ja, noch! Irgendwann musste aber wohl oder übel einer die Sicherheit verlassen, und derjenige würde ich sein. Es war undenkbar, jemand anderen vor zu schicken und selbst in Sicherheit zu bleiben, als Offizier hat man auch seine Verpflichtungen. Endlich erreichten wir die unterste Ebene und landeten auf Schnee, in welchem es verdächtig glitzerte. Das waren keine Schneekristalle, obwohl ich mit Schnee nicht viel Erfahrung hatte, dass die Kristalle nicht handtellergroß wurden, wusste sogar ich.
„Vallan, an die schwere Strahlkanone im Turm. Einen Schuss senkrecht nach oben, damit jeder merkt, dass wir das Ding auch einsetzen können. Aber versuchen Sie, das GTM 2 nicht zu treffen! Condish, an den Desintegrator. Oberleutnant Howan, melden Sie mir ihre Feuerbereitschaft?“ „Hergestellt Erhabener. Seit sie Feuerschutzposition befohlen haben!“ „Sehr gut. Behalten sie das Luk von Eins im Auge, damit sich Niemand von hinten anschleichen kann. Gutes Glück uns allen!“ Ich öffnete eine Verblendung und aktivierte die beiden Gefechtsdrohnen, die jedes militärische Fahrzeug an Bord hatte. Ein trapezförmiger Corpus mit abgerundeten Kanten, an den Schultern zwei Arme mit Händen, darunter je ein Waffenarm als Impulsstrahler und einer als Desintegrator. Obenauf ein Ortungskopf, unten 5 Teleskopstützen. Also, ein Kampfroboter ohne physische Fortbewegungsmittel. Der Produzent hatte versichert, dass das Flugaggregat ausreichend wäre, und bei Energieausfall sowieso auch kein gehen mehr möglich wäre, eine platzsparende Konstruktion also. Nun, für eine reine Kampfmaschine durchaus richtig, aber wenn man sie für Arbeiten einsetzen wollte – angeblich sollte das Feld auch in diesem Fall besser als Beine funktionieren. Ich weiß nicht, bei Arbeitsbots bin ich der Meinung, dass Beine durchaus ihren Sinn haben. Allerdings hatte das Fehlen der unteren Rumpfhälfte den Vorteil, dass man zwei dieser Drohnen im Mobil unterbringen konnte.
Okay, also, ich machte mich bereit. „Schirm an!“ kommandierte ich, ein Treffer, während ich durch das Luk stieg, konnte fatal werden. ‚Tief durchatmen, Gonozal. Ganz tief! Ein – aus – ein – aus..‘ Die klassische Dagor-Übung zur Erreichung der Ruhe und Gelassenheit, ich konnte in mir die Stimme von Meister Scha Unsh hören, tief, dunkel, hypnotisch. ‚Lass die Kraft durch Dich fließen, fühle Deine Umgebung, werde eins mit ihr. Du bist der Bogen, der Pfeil und das Ziel!‘ Fast von selbst passte sich meine Atmung dem uralten Rhythmus an, beruhigte den Geist, schärfte die Sinne, erweckte – ja, wie soll ich es bloß nennen? Ein unbewusstes Gefühl der Gefahr, ein im-Voraus-wissen, welcher Angriff woher kommt. Dieser Sekundenbruchteil, der ausreicht, sich zu Boden zu werfen, als erster einen Treffer zu landen oder irgendwie sonst richtig zu reagieren.
Woher diese Ahnung kommt? Ich weiß es ganz ehrlich nicht. Glauben Sie an Magie, Marie Anne? An Esoterik? Schamanismus? Nein? Schade. Ich für meinen Teil bin nicht sicher, ob nicht doch irgendwie Alles mit Allem verbunden ist, wie ein Magnetfeld, eine Energie, die wir – noch – nicht messen können. Vielleicht reagiert man nur besonders sensitiv auf Veränderungen im Luftdruck, spürt die Bewegung der Moleküle der Luft oder was weiß denn ich. ‚Es gibt mehr Ding zwischen Himmel und Erd, als sich Eure Schulweisheit träumen lässt‘ sagte Shakespeares Hamlet, und auch gleich hinterher aus dem gleichen Stück: ‚Und ist es auch Wahnsinn, so ist doch Methode darin.‘ Ich persönlich behalte mir vor, mein Unwissen zuzugeben und nichts auszuschließen. Ich weiß nur, dass es funktioniert. Bei mir, bei den Samurai und den Ninjas und teilweise bei manchem Ritterorden, und auch die Assassinen des ‚Alten vom Berge’ hatten ein wenig davon. Ich habe mit einem George Lucas in einer Bar einmal darüber gesprochen, ganz allgemein, und dass das Ganze Ähnlichkeit mit Zen aufweise. Er hat dann daraus so einen Mantel- und Degen-Eastern im Weltraum gemacht, und er hat seine Jedi-Ritter mit bei weitem stärkeren Kräften ausgestattet. Telekinese stand damals nicht auf der Liste meiner Fähigkeiten. Aber, ich erzähle jetzt einmal weiter von Port Roshaan.
Wir landeten also und ich begann die Dagorübung, betätigte den Öffnungsschalter und kletterte durch das Turmluk, blieb daneben stehen und sah mich um. Es war gespenstisch ruhig, die Finsternis wurde ab und zu durch einen Megablitz hoch über den Wolken erhellt. Unter den Arkaden verbreitete das chemische Notlicht ein wenig Helligkeit, und das würde noch ein paar hundert Jahre so bleiben. Ein Druck auf den Gürtelschalter, der Schutzschirm meines Anzuges baute sich auf und umhüllte mich schützend, Vorsicht ist allemal besser als eine Verwundung. Ich für meinen Teil war und bin lieber Vernünftig statt Cool, als Leiche hat man nichts davon, dass man von Idioten bewundert wird. Besser ein toter Löwe als ein lebendiger Feigling? Unfug! Am besten hat man es als lebender Löwe, dafür muss man nur ein wenig seinen Grips benutzen. Also, gleich nach mir verließen die Drohnen das Fahrzeug und verharrten schwebend mit rotierendem Ortungskopf hinter mir und sorgten für noch mehr Sicherheit meiner Person. „Hey, Duda, mita Soldatenwindl, wea bistn Du?“ Die Aussprache war eine Vergewaltigung der arkonidischen Sprache, die Lautstärke hallte dumpf, Echos brachen sich an den Wänden des Trichters. Es war mir unmöglich, ihren Ursprung nur anhand des Gehörs festzustellen, doch aus dem Lautsprecher meines Kampfhelms hörte ich Howan Stimme. „Ortung. Links von Euch, Erhabener, fünfte Etage, etwa sieben Individuen, bewaffnet mit Impulsstrahlern!“ „Verstanden“, flüsterte ich zurück, dann brüllte ich über die Außenlautsprecher zurück. „Hier spricht Admiral Atlan im Namen des Imperators! Wer dort?“ Von oben dröhnte es zurück „Dar Kenig vom ‚Gelben Vogel’, Windelträger! Was willstn da?“ „Nur reden, König!“ lautes Lachen. „Bistn Vogel! Mitn goldenen Löffel in der Pappen aufgewachsn.“ Ich krümmte mich innerlich, doch äußerlich blieb ich ungerührt. „Wäre ich sonst Admiral?“ „Gfallst ma, Kleiner. Hast nur an kleinen Steckn im Arsch, net den großen. Bleib stehn, isch komm‘ runter!“
Nur wenig später stapften einige vierschrötige Kerle, Feuerwaffen in den Händen, durch den einsetzenden Schneeregen aus dem Bogengang auf uns zu. Hm, Stammlicher Modell 5, Zivilausführung, ausreichend für ein Leben in der Wildnis. Kaliber 4,4 Khaïdê, also 6,38 Milimeter. Nicht eben ein riesiges Kaliber, verglichen mit den militärischen Sturmgewehren, aber natürlich durchaus tödlich. Ich dankte Hemutag für die Gnade meiner Gefechtsuniform, genau genommen einen mittleren Raumanzug mit Schutzschirm, Mikroantigrav und relativ großem Luftvorrat. Dazu – und zumindest für den Moment die Hauptsache – voll klimatisiert, also in diesem Fall beheizt. Ein, mit Glück sogar zwei Treffer aus den zivilen Fünfern konnte der Anzug wohl aushalten, sogar ohne Energieschirm, den auszuschalten ich dennoch nicht vorhatte. Sieben Treffer in kurzer Zeit wären meiner körperlichen Gesundheit nicht eben zuträglich. „Also, Admiral! Da bin isch. Red schon.“ „Wie ist hier die Lage, und gibt es weitere Überlebende!“ ich bemühte mich, weiterhin ruhig zu sprechen. „Weitere Überlebende!“ äffte mich der Mann nach. „Na sicher gibst noch a paar Gestalten, so etwa hundert. Ein paar davon ham eingesehn, dass unter meim Schutz am besten fahren. Ein paar müssen noch überzeugt werden, so aus die obern Stockwerk. Halten sich für was Bessers. Und dann sind noch die Nutten vom Zaliter. Aber die machen nimmer lang. Total im Eis!“ Oh, kalter Entzug, schrecklich. Vor Jahren hatte ich jemand gekannt, der zu viele Drogen genommen hatte und einen Entzug in einer Klinik durchmachte, ohne Medikamente musste es noch viel schlimmer sein. Oh, er wurde gesund, kommandierte einen leichten Kreuzer und blieb dann als Unterstützung bei Thalma, er saß jetzt im Bunker. Major Inkahar. „Vielleicht hast ja was für die Baner dabei. Ox, H2, Tempo? Ich könnt auch an klein‘n Keks brauchen!“ Ich funkelte den Kerl wütend an. „Sehe ich aus wie ein Drogenhändler?“ „Jep! Sicher, genau so! Der Kerl, der wo geliefert hat, hat den gleichen Anzug g‘habt und genau so g‘redt wie Du jetzt. Nur ein bisschen weniger Lametta auf der Brust, aber auf die Schultern – voll die Keks!“ ‚Ein hoher Offizier als Dealer‘ schockierte mich der Extrasinn. „Wo sind die Mädchen“, forderte ich zu wissen. „Die Mädchen! Also, wenn‘st die Baner sehen willst, dann kostet des, Admiral. Umsonst siehst Du kein nacktes Fleisch.“ Mein Mund verzog sich zu einem freudlosen Lächeln. „Nein? Nun, ich könnte es befehlen, im Namen des…“ „Jetzt machst Dich lächerlich, Jungspund. Gerade, wo ich glaubt habe, dass Du gescheit bist. Der Imperator zählt hier genau zwöfe, also weniger als nichts. Nämlich gar nichts. Und Du Männchen mit Deiner geklauten Admiralsuniform bist nur zum Lachen! Wir wissen, dass Atlantis abg‘soffen ist, also gibt’s keine Militärmacht mehr!“
„So?“ innerlich kochend bewahrte ich nach außen immer noch Ruhe und deutete auf Tank Zwei und Eins. „Und das?“ Der abgerissene Kerl kicherte, kleine Speichelbläschen versprühend. „Zwei Trimobs! Wow! Ich meine, wirklich steil. Zwei Panzer gegen eine Stadt! Da schlottern mir die Knie! Wie weit kommst’n da rein, in de Hütt‘n!“ er wies hinter sich. „Da müssten Deine Buckeln scho aus dera Kraxn aussteig’n, und dann? Wia vüll seid’s denn? Da drinn”, er winkte mit dem Daumen hinter sich in die Arkaden „hast Du ausgschissen, Du klaner Goldfasan! Klar?“ Meine Geduld näherte sich rapid dem Ende. Ich hob meinen behandschuhten linken Zeigefinger und deutete mit dem rechten darauf. „Erstens, sowohl dem Imperium, dem Imperator als auch meiner Person, die in einer echten für sie angefertigten Uniform steckt, ist es so etwas von egal, ob ein paar dreckige Renegaten leben oder nicht. Eher wären sie noch für nicht. Ich kann zum Zweiten“, ich streckte den linken Mittelfinger ebenfalls aus, „Dich und Deine Kumpane schneller zur Herrin mit dem tiefgekühlten Arsch befördern, als Du oder irgendeiner Deiner Spießgesellen bis zwei zählen könntet. Dafür müsstet ihr Abschaum alle schon zu lange überlegen, welche Zahl nach eins überhaupt kommt.“ Der Ringfinger. „Drittens werde ich jetzt meine Hand heben, und wenn ich Sie sinken lasse, wird mein standrechtliches Urteil auf der Stelle vollstreckt. Die Zaliterinnen finde ich so oder so!“ Meine Ausbildner wären stolz auf die Kälte in meiner Stimme gewesen.
Warum ich die Zaliterinnen sehen wollte? Ein hoher Offizier Arkons war für ihren Zustand mitverantwortlich, also stand es in meiner Verantwortung, wenn möglich Hilfe zu leisten. Das ist etwas kompliziert, es hat etwas mit Offiziersehre, Ehrenkodex und Verantwortung zu tun, ich konnte nicht einfach wegsehen. Außerdem waren Zaliter immer noch treue Untertanen Arkons, und, ja, verdammt, sie weckten meinen Beschützerinstinkt. Außerdem hatte dieser verdammte Kerl meine Wut und damit meine Sturheit geweckt. Und ich kann verdammt stur werden, wenn mich jemand herausforderte, außerdem konnte ich nicht zurück. Ich hatte einen Befehl gegeben, und den musste ich durchsetzen. Auch so ein Offiziersding. Also – mein Arm hob sich, und der Renegat lenkte ein. „Schon gut, schon gut! Wennst wirklich die Hax’n sehn willst!“ Ich nickte. „Condish, kommen Sie in Kampfmontur und den beiden Drohnen zu mir. Rückendeckung! Gehen wir, König!“
Und dann sah ich die Mädchen. Sie lagen in ihren eigen Fäkalien, schmutzig, abgemagert und zitternd. Nicht nur von der Kälte, obwohl es in diesem Raum alles andere als warm war. Überall verkrustete und frische Wunden, ein bejammernswerter Anblick. Nun, ich jammere selten, aber meine Wut wurde frisch angefacht, ich entfernte mich innerlich irgendwie immer mehr von Meinesgleichen. „Major Inkahar!“ rief ich über HelmCom den Bunker. „Nehmen sie einen schweren Transportschweber mit festem Dach, beheizbar, eine Kolonne Kampfroboter, zwanzig sollten reichen, und kommen Sie zum Gebäude ‚Gelber Vogel‘, unterste Etage. Bringen Sie auch medizinische Ausrüstung, vor allem zur Bekämpfung von Entzugserscheinungen mit.“ Soeben war aus einer reinen Rettungs- und Aufklärungsfahrt auch eine Strafexpedition geworden.
Nachdenklich blickte ich noch kurz auf dieses Bild des Grauens. In Arkuush bei Marba hatte ich intellektuell umzudenken begonnen. Nun fand in mir zudem eine emotionale Veränderung statt. Ich sah keine zalitischen Mädchen mehr, ich sah gequälte Menschen. Menschen, für deren Zustand auch ein arkonidischer hoher Offizier mitverantwortlich war. In mir kochte heiße Wut, ich machte ihr mit einen deftigen Raumfahrerfluch Luft. Dann zog ich meine Waffe und richtete sie auf die Plünderer. „Die Waffen auf den Boden. SOFORT!“ Korporal Condish Waffe ruckte ebenfalls nach oben und die Aufrührer fanden sich auch noch im Visier von vier Kampfdrohnen wieder, die noch schneller als Condish ihre Waffen erhoben hatten. Nanotronische Schaltkreise reagieren nun einmals um vieles schneller als arkonidische Gehirne und hielten sich auch nicht mit Gedanken über richtig und falsch auf. Der ranghöchste Anwesende hielt es für nötig, seine Waffe auf Zivilisten zu richten, also hatte das seine Richtigkeit. Nun ja, Arkon war eine Monarchie mit starken Anklängen an einen Militärstaat. „Was hier geschieht, ist gegen das Gesetz Arkons. In diesen Raum dort!“ Sorgfältig verschloss ich die Tür und legte einen neuen Öffnungscode fest. Dann rief ich Thalma und schilderte die Lage. „Bereite bitte neun Klinikplätze für Entgiftungen vor, wir können vor Ort doch nur erste Hilfe leisten. Ich hoffe, die Medoeinrichtungen sind auf solche Fälle vorbereitet.“ Thalma machte ein erstauntes Gesicht, reagierte aber sofort. „Natürlich, neun Plätze. Physisch werden wir sie sicher heilen können. Und dann wieder zurück mit ihnen? Denkst Du, Inkahar und seine Roboter werden wieder für Ordnung sorgen können?“ Ich grinste sie an. „Ja, der Major wird hier zumindest vorrübergehend für Ordnung sorgen. Und diese armen Zwangsprostituierten werden nie wieder in einem Etablissement wie diesem arbeiten! Nie wieder! Das ist absolut menschenunwürdig!“ Mir wurde ein warmes Lächeln zuteil, das meine Stimmung sofort hob. „Einverstanden.“ „Allerdings wäre es zu riskant, die evakuierten unbescholtenen Bürger, wenn wir hier solche noch finden, im Bunker zu behalten, wir könnten ihnen doch nicht zu hundert Prozent vertrauen. Wie brauchen eine Insel, wo wir sie im Auge behalten und sie trotzdem in Freiheit leben können. Such doch bitte ein passendes Eiland nahe des Äquators heraus. Danke, meine Liebe. Die Zaliterinnen könnten wir nach Arkuush senden, wenn Marba sie brauchen kann. Oder zu Crest, da geht es ihnen auch besser. Oder Daltham, dort wohnt Ton Khar von Miridan, die hat Erfahrungen aus erster Hand. Verdammt, wenn Du einmal angefangen hast, Dich um etwas zu kümmern, geht’s vom Hundertsten zum Tausendsten! Aber hier lassen kann ich die Mädchen doch unmöglich.“
*
Bis Condish die Zaliterinnen mit dem großen Transporter zum Entzug in den Bunker verbracht hatte und wieder zurück gekehrt war, wies Inkahar die Kampfdrohnen schon einmal ein und begann mit der Befriedung des Gebäudes. Er und seine Zwanzigschaft Roboter schafften tatsächlich sehr schnell so etwas wie Ruhe und Ordnung, indem die Maschinen unten begannen und sich, von uns Arkoniden gefolgt, nach oben durcharbeiteten. Die Roboter registrierten jeden atmenden und warmen Körper, jedes Leben und – wenn nötig – entwaffneten sie den Bertreffenden und brachten ihn in Gewahrsam. Bezeichnenderweise waren kaum Frauen unter den Bewaffneten, was ein durchaus stimmiges Bild auf die arkonidische Psyche wirft. Kaum fallen die Schranken der Konvention, kommt der patriarchalische, unterdrückende Primat zum Vorschein, der möglichst viele Weibchen bespringen will, um seine eigenen Gene weiterzugeben. Das will er zwar immer, aber in der modernen Zivilisation kommt er mit Gewalt zumindest ab und zu mit einem Gesetz in Konflikt.
Na, gut! Sie können mir glauben, nanotronischen Ortungsgeräten entgeht nicht so leicht ein noch lebendiger, atmender Körper, auch nicht, wenn es sich um ein Haustier handelte. Viele, sehr viele brauchten wir nicht zu entwaffnen, wir wurden öfter mit großem Jubel als Befreier begrüßt – auch wenn einige Personen misstrauisch waren und zuerst die Echtheit unserer Uniformen anzweifelten, nun, es war nur gerecht. Auch uns fehlte so manches Mal das Vertrauen und der Glauben an die Unschuld, aber wir hielten uns so gut wie möglich an den Grundsatz ‚im Zweifel für den Angeklagten‘, so fortschrittlich war die arkonidische Rechtsprechung schon. Ich habe auf der Erde lange Zeit benötigt, zumindest die Folter abzuschaffen, aber – nun, in vielen Staaten der Erde gilt dieser Grundsatz heute. Gut, in einigen, hoffen wir, dass es viele werden.
Was soll ich lang und breit erzählen, ein wenig Blut haben wir schon vergießen müssen, aber die meisten würden es überleben, ich hatte kein Schwierigkeiten damit. Wenn jemand eine Schar Roboter angreift, begeht er Selbstmord, und das ist im Kristallimperium nicht gegen das Gesetz. Im achten Stock etwa hatten sich eine weitere Bande verschanzt, diesmal nicht unter einem König, sondern unter einem Propheten, der die Arkoniden dazu aufrief, den Teufel zuerst aus dem Gebäude zu verjagen und dann aus der Stadt, vom Planeten. Und der Teufel war jeder, der nicht nach seiner seltsamen Philosophie lebte. Einer, der patriarchale Polygamie und Erlösung der Sünden predigte, weiter habe ich gar nicht zugehört, es war der übliche Schwachsinn, der immer wieder an die Oberfläche gespült wird. Er und seine Freunde begannen, das Feuer auf uns zu eröffnen und etwas von der Läuterung der Dämonen durch Feuer und Schwert zu rufen.
Ich überlegte kurz, dann gab ich den Befehl zum rücksichtslosen Angriff, die Drohnen sollten das lästige Problem mit diesen Spinnern erledigen und sie, ihrem Wunsch gemäß, zumindest mit Feuer läutern, Schwerter hatte ich leider eingepackt. Nein, Marie Anne, ich habe nichts gegen Religion, gegen religiöse Menschen und nicht einmal gegen religiöse Spinner, nur, wenn sie Waffen haben und anderen ihre Spinnerei aufzwingen wollen. Ich habe auf meinen Wanderungen in beinahe allen Religionen ehrlich glaubende Menschen gekannt, manche haben mich durchaus beeindruckt. Jan Hus, zum Beispiel. Giordano Bruno. Eine Handvoll Leute, die ehrlich an ihren Gott geglaubt haben, die aber nie versucht haben, mit Gewalt ihre Ideen durch zu setzen. Das versuchten dann immer andere, manche erst nach hunderten Jahren, aus unterschiedlichen Gründen.
Aber zurück zu den Robotern, die mir die Sektierer bringen sollten. Das taten sie auch, die Feuerwaffen der ‚Heiligen Heerscharen der himmlischen Vergeltung’ waren den Schirmen der Maschinen bei weitem unterlegen. Aufgrund meines Befehls gab es schon einige doch gravierend Verwundete und gebrochene Gliedmaßen, nun ja, ihre himmlischen Helfer würden sie schon von ihren Schmerzen befreien, dafür war ich doch nicht mehr zuständig. Ich war eher für die weltlichen und nicht die spirituellen Gesetze und Belange da, die so aussahen, dass wir alle, die sich nicht zu der Sekte bekannten und lieber gehen wollten, in einen Raum brachten und einzeln befragten. Eine langwierige Prozedur aber – Marie Anne, sie glauben nicht, wie viele Frauen freiwillig einer Frauen unterdrückenden Gesellschaft angehören und sogar noch die Unterdrücker unterstützen und verteidigen. Ich verstand es nicht und verstehe es noch immer nicht, aber ich habe gelernt, es zu akzeptieren. Wir brachten die unfreiwilligen Gläubigen zur Evakuierungsstelle zwischen den Trimobs und sperrten den Rest vorübergehend weg, um mit unserer Befriedungsaktion weiter zu machen.
Zuletzt erreichten wir den ‚Gelben Vogel‘ in der obersten Etagen, der von einer besonders harten Bande verteidigt wurde, die militärische Taktik und Ausrüstung verwendeten und auch nicht ohne entsprechende Ausbildung waren. Der Kleidung nach waren es wohlhabende Arkoniden, aber ihr Verhalten war verbrecherisch und menschenverachtend, und Zuhälter, Marie Anne, sind überall die gleiche Art, immer und überall in der Galaxis, kannte man einen, kennt man sie alle, Haut- und Haarfarbe sind ebenso egal wie die Abstammung. Er kann noch so sehr versuchen, kultiviert zu erscheinen, er wird sich verraten als der primitive Abschaum, der er war und ist. Hier oben waren nicht ‚Buckln‘, also Rücken, einfache Soldaten, am Werk, die den Leuten ‚Baner’ und ‚Hax’n‘, also Huren, vermittelten, es waren gut ausgebildete Söldner angestellt, die ihren Job machten und das Leben und die Freiheit ihrer Chefs verteidigten. Wir kämpften uns Raum für Raum vor, und die Zerstörung, die unsere und auch ihre Waffen anrichteten, würden wohl nicht so schnell ausgebessert werden können. Ich nehme an, der MV-Stahl würde man nicht so schnell wieder mit Holz verkleiden, denn Holz, nun, es würde einen längeren Ausflug in die steigende Kälte bedeuten. Letztendlich – es wurden immer weniger, die unser Feuer erwiderten, die Roboter konzentrierten sich immer auf eine Person, dessen Individualschirm zusammenbrach. Wieder Selbstmord, man stellt sich doch nicht zehn Kampfrobotern, der Rest war zur Bewachung des Gebäudes verteilt, in den Weg, das ist viel mehr als nur dumm. Aber vielleicht verstand ich auch die Söldnerehre nicht so richtig. Ein letzte Raum noch, der zu stürmen war, die Tür ging auf und eine derangierte, nur mit Unterwäsche bekleidete Arkonidin trat mit erhobenen Händen in den Flur. „Es ist vorbei!“ rief sie uns zu. „Es ist vorbei! Sie können hineingehen.“ Nun, Marie Anne, bei den letzten beiden Besitzern des Gelben Vogels konnten wir uns Arbeit und Gericht ersparen, es blieb nicht mehr genug übrig. Sie wollten sich ganz zuletzt hinter ihren Mädchen verschanzen, sie hatten ihre Prallschirme noch nicht eingeschaltet – und die Frauen ergriffen ihre letzte Chance, sich zu wehren. ‚Da werden Weiber zu Hyänen – und treiben mit Entsetzen Scherz – noch zuckend zerreißen sie mit Panterzähnen – ihrer Feinde hartes Herz‘ dichtete Schiller in seinem Lied von der Glocke. Ich machte, und ich mache ihnen heute noch keine Vorwürfe. Ein Mann trug die Uniform eines Commodore der Marine, aber er war nicht mehr zu identifizieren, sie hatten sein Gesicht zu sehr zerstört. Ich fragte mich, wie kam er bloß hier her? Warum war er nicht an der Schlacht beteiligt gewesen? Nun, das war ich ja auch nicht. Er war hergefahren und hatte es nicht mehr auf sein Schiff geschafft, aber wer war er gewesen? Ich nahm eine Gewebeprobe für eine DNS – Untersuchung, und tatsächlich fand sich eine Übereinstimmung. Die einzige ungeklärte Frage war jetzt noch, wie hatte er Rauschgift an Bord seines Schiffes bringen können. Und wie er die letzte Zeit an Nachschub kommen konnte, außer – einheimische Drogen vielleicht?
Taiilm stieß Vallan den Ellenbogen in die Seite. „Siehst Du, Junge? Waschechte Arkonidinnen, mit dem weißen Haar der Oberschicht!“ Der Junge staunte. „Aber warum arbeiten adelige Arkonidinnen in einem solchen… einer solchen…“ hilf- und ratlos verstumme Vallan. Der Alte Korporal legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wenn Du das fragen musst, hast Du eine beneidenswerte Kindheit gehabt. Aber leider“ ein tiefer, seufzender Atemzug, „leider gibt es auch arkonidische Eltern, sogar große Adelsfamilien, die ihren Kindern viel Böses antun. Verdammt viel Böses. Manche verkaufen ihre Töchter, besonders die unehelichen, direkt an die Betreiber solcher Etablissements, manche werfen sie mit ihren Müttern nur hinaus, wo sie mit falschen Versprechungen an Orte wie diesem gebracht werden. Andere werden aus Schulen entführt, mit Drogen gefügig gemacht.“ „Aber“ Vallan blickte Taiilm direkt ins Gesicht. „Wenn Du das alles wusstest, warum…“ „Ach, ich war… Nein, keine Ausreden!“ Der Veteran erwiderte den Blick, fest und ohne auszuweichen. „Als ich ein junger Mann war, etwas jünger als Du jetzt, unterschrieb mein Vater einen Arbeitsvertrag für mich. Hilfsarbeiter bei einem Minenkonzern. Nach einigen Stationen landete ich hier, auf Larsaf III, ich hatte Talent für Maschinen und Technik, arbeitete mich hoch und – die einzigen Frauen, die für mich erreichbar waren, arbeiteten hier. Also unten, bei den Zaliterinnen, nicht in diesem ‚Edelschuppen‘ im obersten Stockwerk für leitende Angestellte der diversen Firmen und ihren Geschäftsfreunden auf Besuch, die sich auch einmal gehen lassen wollten. Also, richtig die Sau rauslassen, tun, was sie auf zivilisierten Planeten nicht zu tun wagen und wonach hier kein Hahn kräht. Dekadente Armleuchter allesamt. Du hast ja gesehen, ein paar Tippsen und Verkäuferinnen, die es irgendwie hierher verschlagen hat, sind immer noch die einzigen Frauen freien Frauen, und um das Bild zu wahren, gelten die als sakrosankt, außer für ihresgleichen in der Hierarchie, die mit ihnen ausgehen durften. Wie ich sagte, unerreichbar für unsereinen. Aber, ich war jung, meine Hormone spielten verrückt, da habe ich nicht gerade groß nachgedacht und habe die einzigen Frauen besucht, die für mich möglich waren. Dann habe ich mich in einem Anfall von Größenwahn während einer Fahrt nach Atlantis bei der Flotte beworben – und die haben mich wirklich genommen, ich konnt’s fast nicht glauben. Hilfstechniker war ein tolles Leben, es war wie ein Wunder, viel besser als mein Leben vorher. Die militärische Grundausbildung war nicht ganz so lustig, aber das Essen war himmlisch für mich, dazu die Frauen, im gleichen Rang und im gleichen oder in ähnlichen Berufen, die ich nicht bezahlen musste, sondern die genau so wie ich einfach Spaß wollten. Ich glaubte mich im Paradies, und da bekam ich dann Zeit und Gelegenheit, mich zu informieren und begann nachzudenken. Zu spät, leider. Tut mir leid, Kleiner, Dein Held ist auch nicht makellos!“
Ich stand derweil vor einem Problem. Ordnung zu schaffen war einfach gewesen, sie zu halten, dürfte schwieriger werden. Es war mir zwar im Prinzip egal, ob sich einige Dutzend Renegaten gegenseitig den Schädel einschlugen, aber wie konnte ich verhindern, dass gesetzestreue Arkoniden zu Schaden kamen? Ich hielt eine Rede, bot ihnen an, jeden, der es wollte, zu evakuieren. Im Atlantik gab es eine fruchtbare Insel, dorthin wollte ich sie gerne bringen und eine Grundausstattung zur Besiedelung spenden. Es war ein hoch aus dem Atlantik ragender Felsen, heute nennt man die Insel Madeira.
Diesem Trichterbau hier wollte ich dann meinetwegen so etwas wie Selbständigkeit gewähren, zumindest, bis die Arkonflotte eintreffen würde. Dann sollten die Rechenkünstler sagen, zurück erobern und den Rest ausgraben oder das Haus atomisieren, ob mit oder ohne jene, die dann noch leben sollten, und den ganzen Hafen irgendwo anders neu bauen. Mir war es letztlich ziemlich egal, was mit diesen Leuten geschah, sie hatten sich nicht nur außerhalb der Gesetze gestellt, sie hatten schlimmeres gemacht! Sie hatten sich außerhalb der Menschlichkeit gestellt. Nun ja, meine Liebe, so war das damals mit meiner ersten Begegnung mit Europa. Rau, unwirtlich und brutal. Aber auch ein neues, ein wichtiges Kapitel in meiner eigenen Geschichte, ich begann, meine Einstellung anderen Menschen gegenüber zu ändern. Es war ein erster Schritt auf die Menschheit zu, wenn auch einstweilen nur in Gestalt von neun Zaliterinnen. Nun, wir verließen diesen Ort und wollten lieber in der Wildnis übernachten, in unseren geheizten Trimobs, die Tiere, die jetzt durch den Schnee liefen, um ihr Futter zu jagen, waren uns liebere Nachbarn als die Personen in diesem Trichterbau in Port Roshaan, die sich in totaler Selbstüberschätzung Arkoniden nannten.
Während wir einen Lagerplatz suchten, sahen wir aus einer zerbrochenen Kuppel am verschütteten Stadtrand jetzt am Abend den leichten Schein von Licht, eine dunstige Wolke waberte darüber, ehe sie verweht wurde und sich neu bildete. Nach meinen letzten Erfahrungen wäre ich gerne weiter geflogen, aber letztendlich siegte aber doch mein Pflichtgefühl über meinen inneren Schweinehund. Also sorgte ich für Rückendeckung und drang mit Taiilm durch einen Riss in der Kuppel in den Bau ein. Es war ein Wohnhaus gewesen, aber es konnten zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht viele Menschen zu Hause gewesen sein. Eine Frau von vielleicht hundert, maximal hundertzwanzig Jahren saß mit zwei jüngeren, einem Mann mittleren Alters, der einen Arm in einer Schlinge trug, und vielen Kindern zusammen um ein Feuer, das aus Resten von Holzvertäfelungen genährt wurde. Sie aßen Konserven, die sie an ihrem Feuer gewärmt hatten, und besprachen sich leise, ihre Hoffnungslosigkeit vor den Kindern verbergend. „Wir müssen noch mehr von den Wohnungen aufbekommen”, sagte eine der jungen Frauen. „Wir brauchen Holz, und hoffentlich gibt es auch noch mehr Dosen.“ „Es wäre besser, wir kämen hier hinaus und gingen nach Süden, dort muss das Wetter doch besser sein.“ bemerkte die ältere Frau, und der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich habe es versucht, aber nicht geschafft. Der Rand der Kuppel ist zu stark, dieses kleine Ding“, er zeigte einen handlichen Thermostrahler „das der Wachposten am Gürtel hatte, reicht dafür nicht aus. Ich sag es nur ungern, aber wir können nur noch auf unser Ende warten. Oder auf Rettung, aber so, wie es aussieht, könnte die zu spät kommen. Wir wissen nicht einmal, ob außer uns noch jemand lebt.“
Ein Kind sah zur Kuppel hinauf und bemerkte uns. „Da!“ rief das Mädchen. „Da kommen fliegende Arkoniden.“ Ich sank weiter hinab und landete. „Kinder, kniet nieder“, sagte die ältere Frau „Das hier ist ein Mitglied der Familie des Imperators!“ „Nein, nicht hinknien!“ wehrte ich schnell ab. „Wer seid Ihr?“ „Ich bin hier Angestellt, um auf die Kinder achtzugeben, wenn die Eltern arbeiten sind. Das sind die Kinder, diese beiden Frauen sind meine Kolleginnen, der junge Mann ist der Hausmeister und war zufällig im Gebäude, weil er etwas zu reparieren hatte, Erhabener. Einige Menschen waren hier unten, als die Kuppel brach, wir haben die Leichen dort nach hinten gebracht, weil wir nicht hinaus kommen.“ Ich musste seufzen. „Es gibt keine weiteren Überlebenden in diesem Haus?“ „Nicht in den Wohnungen, die wir aufbrechen konnten, Gebieter!“ sagte der Mann. „Ich hab versucht, was ich konnte, und zu den meisten Wohnungen hatte ich die Schlüsselcodes. Aber im obersten Stock sind zwei Wohnungen nach einwärts, die wir nicht aufbekommen.“ „Na schön!“ ich griff nach meinem Kommunikator. „Inkahar, wenn Sie die Leute auf die Insel gebracht haben, kommen Sie wieder her, ich gebe die Landeposition durch. Morgen muss ich Marba fragen, ob sie die Kinder aufnehmen kann. Condish, kommen Sie herein, wir sehen uns die Luxuswohnungen an.“ Ich schwebte mit Taliim und Condish mit den Anzugsaggregaten den Liftschacht hinauf, dort brachen wir mit roher Waffengewalt die Türen auf und drangen ein. Es waren teure Quartiere, wahrscheinlich Direktoren, bestimmt aber gehobenes Management. Eine dieser Wohnungen fanden wir leer vor, niemand war anwesend. In der anderen fanden wir sechs Personen, alle in Abendroben und Cocktailkleidern, alle tot. Condish setzte das Diagnosemodul an, die Todesursache war ein schnell wirkendes Gift und der Todeszeitpunkt der Abend nach der Katastrophe. Die Wohnung war bereits völlig ausgekühlt, wir konnten nach rascher Untersuchung der Wohnung ziemlich genau rekonstruieren, was hier geschehen sein musste. Diese Leute unterschiedlichen Alters waren wohl zu Hause gewesen, als Atlantis unterging, hatten ihre Kühlschränke geplündert und die teuersten Leckerbissen aufgetischt, dazu ausgezeichnete Weine und Schaumweine. Zum Schluss, ein letzter Cocktail mit Schlaf- und Schmerzmitteln, mit Blutgerinnungshemmern und starken Blutdrucksenkern. Dann ging es zu Ende mit ihnen, sie schliefen ein, das Kaminfeuer brannte aus. Die Kälte breitete sich aus, die Personen zu betäubt, zu viel Alkohol – und sie dafür gesorgt, um ganz sicher nicht wieder aufzuwachen. Marie Anne, ich bin niemand, der zu Selbstmord neigte, aber sie bewahrten zumindest sie ihre Würde und starben, wie sie gelebt hatten, und das war ihr Recht, jeder hat dieses Recht, zu gehen, wenn es ihm beliebt. Vielleicht war es Feigheit, ja, aber wenn sie in einer Welt der Entbehrungen und des sicher verlorenen Kampfes nun mal nicht Leben wollten …
Am nächsten Morgen fragte ich Marba, ob ihr die Kinder und die Betreuerinnen willkommen wären und legte den Hausmeister noch oben drauf. Er konnte ja eine hydroelektrische Anlage bauen und warten, damit wäre Arkuusch geholfen, und dem Mann auch. Inkahar nahm sie alle an Bord, und ich löschte dieses gesamte Gebäude mit einem Schuss aus der Thermowaffe aus. Jetzt nahm ich mich noch jedes Gebäude, dass eine Öffnung zur Außenwelt aufwies, vor und untersuchte es. Marie Anne, ‚Vielfältig sind die Gesichter des Todes, und geblickt habe ich in all seine Augen‘. Admiral doGraantoër. Es lebte niemand mehr in Port Roshaan, außer den Rebellen im Turm des gelben Vogels, und ich fragte mich, wie lange sie bräuchten, um sich gegenseitig zu eliminieren, in einer Zeit, wo es nötig war zu kooperieren, waren sie auf Macht und Konfrontation aus. Allerdings war diese Frage eine rein akademische, ich hatte nicht vor, auch nur eine Minute meiner Zeit der Klärung dieser Frage zu opfern.
*
Ich verfluchte diesen nach einer imperialen Hure benannten Kontinent aus vollstem Herzen! Ich verwünschte den Spätsommer dieser Zeit, der über der Hochebene im Süden Roshaans Schneestürme und eisiges Wetter brachte. Wir waren über die Meseta-Hochebene im Norden des heutigen Spaniens geflogen und hatten nach Auffälligkeiten Ausschau gehalten, ich hatte die Rettung vieler Arkoniden auf jenem Kontinent schon ziemlich abgeschrieben. Es mochten einige wenige sein, aber eine große Anzahl von Personen wohl nicht. ‚Es fehlen noch Kolonialarkoniden in Deiner Sammlung!‘ flüsterte der Extrasinn. ‚Du hast bisher nur Zaliterinnen gerettet. Da gibt es sicher mehr!‘ Ich musste beipflichten, eine der bedauernswerten Frauen war mehr wert als der Abschaum im gelben Vogel, auch wenn sie keine ‚richtigen’ Arkonidinnen waren. Vielleicht aber gerade darum. Nach den Erlebnissen in Port Roshaan war ich mehr denn je der Überzeugung, in erster Linie nur noch arkonidischen Abschaum oder Leichen vorzufinden, denn ins Hinterland waren Kinder und Betreuerinnen wohl nicht gekommen. Trotzdem, mein Verantwortungsgefühl zwang mich, noch etwas weiter zu machen und zu suchen. Ich hätte den Job lieber der Flotte überlassen, Sie können dessen ganz gewiss sein, aber – die war eben noch immer nicht eingetroffen.
Dieses Mal hatte Tech-Offizier Leutnant Hakmar die Augen am rechten Ort gehabt und eine Landung veranlasst, um nachzusehen, was geschehen war. Und so standen wir nun mit schweren Impulsstrahlern in den Händen vor den erkalteten Überresten eines Lagerfeuers, rundum lagen von Aasfressern übel zugerichtete Leichname von Erdgeborenen. Seltsamerweise fanden sich jedoch nur die Relikte sehr alter Menschen oder Kindern, teilweise noch Säuglingen, trotz des beheizten Raumanzuges fror ich. Habe ich schon erwähnt, dass ich diesen Kontinent hasste und verfluchte?
Condish stocherte mit dem Lauf seiner Waffe in einem Haufen Felle, die auf Bearbeitung zu warten schienen. „Wieso sind hier nur Kinder und Alte? Wo sind die Erwachsenen geblieben, das kann doch keine Stammesstruktur sein. Postatlantischer Winter hin oder her! Was ist hier bei den heiligen Hüften Hemutags eigentlich geschehen?“ „Das kann ich Euch erzählen, falls es Euch wirklich interessiert!“ Ertönte hinter uns eine tiefe Stimme, um uns flimmerte die ionisierte Luft, als sich unsere Energieschilde aufbauten und wir auseinander sprangen. ‚Unvorsichtiger Idiot!‘ zeterte der Logiksektor. Dröhnendes Gelächter marterte unser Gehör, ein weißhaariger Riese stand am Rand der Lichtung, zwischen dürren, kahlen Bäumen und Unterholz, gehüllt in einen zottigen Pelzmantel, in der Hand einen gigantisch zu nennenden Compoundbogen. Der Bogen musste beinahe fünfzig Kilogramm Zuggewicht aufweisen, ich hatte mit kleineren bereits geschossen, mit etwa 30 kg. Am Gürtel hängend trug er eine Sternlicht Nova thermo. ‚Die Nova ist die stärkste Faustfeuerwaffe des Universums. Die bläst Dir glatt den Kopf von den Schultern. Glaubst Du, dass Du Glück hast, Punk?‘ Frei nach Clint Eastwood in Dirty Harry.
„Keine Sorge, Kinder”, unterbrach der Hüne sein Gelächter. „Hätt‘ ich Euch erledigen wollen, wärt’ ihr schon hinüber!“ ‚Zumindest einer, und wahrscheinlich der mit dem meisten Glitzer auf der Schulter. Also DU!‘ gnadenlos kritisierte mich der Extrasinn, zu Recht, wie ich mir eingestehen musste. Also erhob ich mich wieder und senkte die Mündung meines Strahlers. „Oh! Da werde ich meinen Enkeln etwas zu erzählen haben. Ein Mitglied des imperialen Hauses Arkons hat vor ihrem Opa einen Kniefall gemacht!“ Mein Lächeln wird wohl etwas säuerlich ausgefallen sein, ich machte jedoch gute Miene zum sehr peinlichen Spiel. „Sie sind im Vorteil, sie scheinen zu wissen, wer ich bin. Ich meinerseits habe keine Ahnung, mit wem ich spreche.“ „Die Rangabzeichen haben Sie verraten. Nennt mich Bär! So sagen die Menschen hier alle.“ Er deutete auf seinen Mantel. „Selbst erlegt! Damit“ deutete er auf seinen Bogen. „Nun gut, Bär. Du hast angedeutet, dass wir vielleicht gar nicht wissen wollen, was passiert ist!?“ Der zottige Riese mit dem dünnen, dafür um so längeren Bart – na ja, für einen Arkoniden war er schon ziemlich dicht, weit dichter als die paar Haare in meinem Gesicht, muss ich zugeben – nickte. „Immerhin haben Arkoniden dieses Massaker veranstaltet. Junge Männer für die Minen, junge Frauen nicht nur für die Arbeit, sondern auch – nun, wir wissen es wohl alle!“
Vallan war verwirrt. „Ihr wollt sagen, dass Arkoniden – aber das ist, das wäre Sklaverei und, und außerdem…“ Bär hieb dem Jungen auf die Schulter, der ächzend in die Knie ging. „Sie wollen das Gold, das in der Mine ist. Ihre Maschinen sind im Arsch, selber graben wollen sie nicht, Mädchen sind weite Fußmärsche entfernt, rechne doch einmal selber nach. Kommt mit, ich wohne nicht weit.“ Wir zogen es aber doch vor, die Strecke mit den Trimobs zurück zu legen. Wozu hin und dann wieder zurück gehen, bei diesem Sauwetter, ja, es war ein Sauwetter, da hilft der beste Anzug nichts. Habe ich schon erwähnt, dass…? Ja? Gut. Und ja, ich war grummelig und schlecht Gelaunt.
„Kommt rein!“ Bär öffnete die Tür der gut verborgenen Erdhütte. „Komm her, altes Schlachtschiff” brüllte er hinein, von drinnen gab eine dunkle Frauenstimme kontra. „Hast schon wieder das falsche Zeug g‘fressn! Weißt, was p’siert, wennst frech bist!“ wieder lachte Bär. „Na komm schon, Alte. Ich hab Besuch mitgebracht!“ Wir vom Bunker wechselten erstaunte Blicke. Eine Frau in dieser Wildnis? Eine Seltenheit. Mehr als das, ein mittelgroßes Wunder. Und diese Aussprache? Wir betraten voller Neugier die Hütte und verstanden. Na ja, so halbwegs zumindest. Breite Schultern, ausladende Hüften, an Armen und Beinen, die mit ziemlich dunklen, feinen Härchen bewachsen waren, zeichneten sich deutlich beachtliche Muskelstränge ab. Unter der dünnen Ledertunika bewegten sich, deutlich zu erkennen, beachtliche volle Brüste, das schwarze Haar, am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden, fiel beinahe bis zum Po hinab, das Gesicht etwas derb, aber nicht hässlich, wir sahen – eine Erdenfrau!
„Meine Alte!“ stellte Bär vor. „Eigentlich heißt sie ja ‚Gerbt das Leder weicher als die Haut am Po eines Babys ist’, war mir aber zu lang.“ „Aber, aber, das ist…“ der arme Vallan verstand die Welt überhaupt nicht mehr. Immer hatte man dem Jungen – und nicht nur ihm, uns allen – erzählt: Arkoniden gut, wertvoll, der ganze Zinnober eben, alle anderen wertlos. Ein Zusammenleben, vielleicht noch eine wirklich ernsthafte Verbindung eines Adeligen mit einer Eingeborenen? Undenkbar! Obszön! Widerlich! Trotzdem hatte er ein weiches und gutes Herz, ihn hatte die Grausamkeit den Primitiven gegenüber entsetzt. Ich? Bei mir war eben ein Umbruch sowohl intellektueller als auch emotionaler Wahrnehmungen in vollem Gange, zynisch ausgedrückt: ich war auf dem besten Wege, ein Mensch zu werden. ‚Wenig ist, was es scheint, weniger scheint, was es ist‘. Sprüche VI, Gesang 364. Aus ‚Dem Buch Der Acht Zyklen‘. Dem arkonidische Buch der Bücher, also, DIE heilige Schrift der offiziellen Staatsreligion Arkons. Zum ersten Mal ergab diese Stelle so etwas wie einen Sinn für mich.
„Ja“, lachte Bär schon wieder. „Ja, sie ist eine Erdenfrau, und ich bin ein Arkonidenmann. Frau – Mann, kein Problem. Ich kann mit diesen arkonidischen Dämchen und Herrchen aus der Gesellschaft nichts anfangen, die in Ohnmacht fallen, wenn man das Wort Arsch benützt, denselben aber jedem hinhalten, der Geld, Einfluss und/oder Macht besitzt. Da bin ich lieber hier draußen, mit meiner ‚Gerbt das Leder‘. Hat zwar keine Bildung wie diese ‚Damen’ aus besserem Haus, aber das Tausendfache an Wärme und Ehrlichkeit. Das dort aus der Ecke krabbelt, ist übrigens mein Sohnemann! Komm, Bärchen, gib Papa einen Kuss!“
Marie Anne, ich musste mich abwenden, mir stiegen die Tränen, und nicht jene der Erregung, sondern echte, in die Augen, der Hals schnürte sich mir zu, ich musste an einem dicken Kloss schlucken. Hier, bei diesem rauen Mann, der einfachen Barbarin und ihrem gemeinsamen Kind sah ich mehr Liebe und Wärme als in jedem Palast zuvor. Nicht einmal Ansatzweise widersprechen konnte ich seinen Aussagen, er hatte nur die Wahrheit ausgesprochen. Ich habe mehr als eine Arkonidin getroffen, mit der ich alles Mögliche hätte anstellen können, wenn ich sie nur bei Hof eingeführt hätte. Und wenn ich alles Mögliche sage…, Sie sind Psychologin Marie Anne, Sie kennen die Abgründe der menschlichen Seele. Die Arkonidische ist kein Stück besser.
„Bitte erzähle, Bär“, irgendwie hatten wir zum freundlichen ‚Du‘ gefunden, auch wenn meine Untergebenen ein wenig – sagen wir, seltsam berührt waren. Pikiert! Sie wissen schon – Kristallprinz, Abstand, Etikette und so, das gesamte Programm, das mich irgendwie mehr und mehr anwiderte. „Da gibt’s nicht viel zu erzählen“, der Mann lachte schon wieder. Es schien bei ihm fast so, als wäre es eine Ersatzhandlung, eine Übersprungsreaktion, eine emotionale Explosion, um Wut und Entsetzen nicht zu zeigen. Wer war ich, darüber urteilen zu dürfen, wahrscheinlich gesünder als die Ausdrucklosigkeit, derer ich mich oft bediente. „Ich bin in einer gar nicht so armen und einflusslosen Familie aufgewachsen, daCokmod, vom Handelshaus Cokmod und Atzmar. Der Bruder meines Vaters, alle nannten meinen Onkel nur mehr ‚den Cokatze’, war nur noch irgendwo auf einem der Firmenschiffe unterwegs und verdiente scheffelweise Geld, das mein Herr Papa noch gewinnbringender anlegte. Meine ‚Urstrumpftante’ war irgendwann einmal sogar Imperatrice gewesen, also natürlich angeheiratet. Ein alter Mann, ein junges Mädchen, geopfert für den Status der Familie und die magischen zwei Buchstaben ‚da’. Kein Einzelfall. Ich habe dann studiert, natürlich, habe gute Noten kassiert, selbstverständlich, habe mich mit Mädchen getroffen, ohne Frage. Jede habe ich haben können, war ja aus toller Familie, Geld und Ansehen machen sexy und begehrt. Na ja, ich machte dies, das, was man so als junger Aristokrat eben zu machen hat. War zudem auch ein mächtig guter Sportler und Sonntagsjäger, Geld gab ich aus, als gäbe es kein Morgen. Eigentlich hätte man es gerne geschehen, wenn ich, wenn ich schon nicht Offizier bei der Flotte werden wollte, so doch an Bord der Firmenflotte gearbeitet hätte. Aber ganz ehrlich, eine gekaufte gute Mathematiknote berechnet weder einen richtigen Kurs noch eine gute Anlage, mit Disziplin hatte ich es auch nicht so, wollte mir nichts befehlen lassen. Und so habe ich dann begonnen, mich irgendwann fürchterlich zu langweilen. Alles war öde, nichts gab’s, worauf ich mich noch freuen konnte. Also habe ich mir gedacht, ich könnte ebenso gut das Schwebeaggregat weg lassen, wenn ich vom Dach des elterlichen Palastes springe. Jemand hat es gesehen und ein paar Diener hinauf geschickt, die sollten mich aufhalten. Der erste ist dann statt meiner Person unten gelegen, die anderen haben es dann geschafft, mich aufzuhalten. Na, der Papa hat es – natürlich – erfolgreich unter den Boden gefegt, nur von Arkon musste ich halt weg. Was ich sehr, sehr gerne befolgte. Um’s richtig zu machen, gleich auf den damals unerforschtesten, unzivilisiertesten Planeten des Imperiums. Larsaf III, die Erde. Hier ging ich in die Wildnis, nur mit meinem Bogen, der Nova und einem Messer im Gepäck. Nun, ich habe mit der Zeit meine Zufriedenheit gefunden, mit dem damals noch jungen Schlachtschiff! Sogar ein wenig Glück, wenn einem verkorksten Arkoniden wie mir so etwas beschieden sein kann.“ Er wischte ein Tränchen aus dem Auge und zog seine Frau an sich, die ihn bereitwillig in die Arme nahm.
Ich räusperte mir die belegte Kehle frei. „Und was ist mit…“ „Natürlich“, schüttelte Bär seine Rührung ab. „Wie gesagt, seit dem Untergang von Atlantis haben die Mineure der großen Gesellschaft – äh, Moment! ‚Bisska mining‘ heißt die Firma – also, sie haben keine Maschinen mehr. Verschüttet, Beschädigt, Zerstört, hat ja auch ganz schön gewackelt, und Unfälle geschehen eben. Genauso ist die Verbindung zur nächsten Siedlung gestört, kein Nachschub mehr, keine Fahrten zur Zerstreuung ins nächste Kaff, das wahrscheinlich genauso kaputt sein dürfte. Also haben sich ein paar von diesen ‚Helden‘ einen Pickup-Schweber aus dem Fuhrpark der Mine geschnappt, einige Stunner und Fesseln eingepackt, dann haben sie sich bei den Eingeborenenlagern ‚bedient’. Die ‚nutzlosen‘ Kinder und Alten haben sie in der Betäubung zurück gelassen, und Raubtiere kommen verdammt schnell diesen Sommer. Das war das zweite, aber auch das letzte Mal, bei allen unsterblichen Göttern der Galaxis!“ seine Faust donnerte auf den Tisch. Spontan sprang ich auf. „Ich helfe Dir!“
„Erhabener!“ – „Gebieter!“ meine Mannschaft rief, schrie, brüllte chaotisch durcheinander. „Ruhe“ Howan onRoemps Stimme setzte sich durch. „Ich kann Euer Erhabenheit rasch gefassten Entschluss durchaus nachvollziehen“, begann er in der förmlichsten Wortwahl, deren die arkonidische Sprache mächtig war, in der zeremoniellen Hofsprache. Also extrem förmlich, vorsichtig und gewunden. „Allerdings wäre ich Euer Erhabenheit sehr verbunden, könnte..“ Es war genug! Ich hatte die Nase voll von Gebieter da, Erhabenheit dort, diesem herumeiern, diesem um-den-heißen-Brei reden. Ich hob die Hand! „Erhabenster Befehl des erhabensten Erhabenen! Ab sofort gilt bis auf dezidiert ausgesprochenen Widerruf folgender Befehl! Bitte auch an den Bunker weiterleiten und aufzeichnen. Ich, Admiral Mascaren Atlan daGonozal möchte mit sofortiger Wirkung nicht mehr wie ein rohes Ei behandelt werden! Kapiert? Kein Erhabener, kein Gebieter! Admiral, Atlan, meinetwegen Chef! Und klare Worte, kein dürfte ich aufmerksam machen, darf ich wagen, möchte nicht beleidigen. Noch nicht einmal ein ‚bei allem Respekt‘. Erlaubnis, frei sprechen zu dürfen. Immer, überall, ohne vorher zu fragen! Alles Klar? Weiter, Howan!“
„Gut, Ge… Admiral. Mit welcher rechtlichen Grundlage kannst Du Bär helfen?“ „Na bitte“, brummte ich, „geht doch. Auf Grund menschlicher Erwägungen!“ „Halten vor dem Gesetz leider nicht stand. Recht ungleich Gerechtigkeit!“ „Was!“ ich fuhr herum. „Was soll…“ „Wenn ich schon frei sprechen darf, Admiral, es war noch selten anders. Eigentlich… noch nie! Schon allein das private Recht, das Privileg der Aristokratie, zu der ich selber gehöre, beweist diese Aussage. Außerdem – auch Richter sind nur Menschen, Kleinigkeiten können selbst den Gerechtesten beeinflussen, ein dickes Bankkonto gar nicht gezählt. Wir müssen froh sein, wenn das Recht durchgesetzt wird und uns ein halbwegs ruhiges und relativ angstfreies Miteinander beschert. Aber Gerechtigkeit, Menschlichkeit? Wo sind diese in den Armenvierteln. Bei Hemutags Riesenbrüsten, nicht jeder hat das Glück, eine gute Arbeitsstelle zu erhalten. Manchmal auch ganz ohne eigene Schuld! Ich habe sogar gehört, dass Administratoren des Imperiums auch nicht immer ehrlich bleiben. Da hat irgendwer irgendwann irgendwo einen korrupten Beamten in der Zelle nach Arkon geschickt. Wer und Wo war das doch gleich? Jemand, den wir alle kennen, den ich aber nicht namentlich nennen möchte, teilt sogar das Bett seiner Nachfolgerin! Ohne die Chronologie zu beachten könnte man daraus – nein, wir alle wissen, dass es nicht so ist!“ Ich war aufgefahren, die rechte Hand verkrampfte sich zur Faust. Es machte mir nichts aus, wenn man von mir so etwas dachte, aber Thalmas Ehre und Integrität durfte niemand in Zweifel ziehen. Howan beschwichtigte mich auch sogleich. „Die Administratorin ist nicht die einzige ziemlich ehrliche Beamtin, aber eine von verdammt wenigen.“ Dass der Oberleutnant, doch eigentlich aus einem hohen Haus stammend, ein Sozialgerechtler war, hätte ich nicht gedacht. Man kennt eben die Leute viel zu wenig.
„Na dann! Rechtliche Grundlagen. Sie haben den Imperator und mich oder aber den Eigner des Landes bestohlen. Alles Land und was sich darauf, darunter oder darüber befindet, bewegt oder wächst, gehört dem Imperator. Daher hat dieser auch das volle Nutz- und Fruchtgenussrecht, bis er diese Ansprüche durch seine Bevollmächtigen in einem bestimmten Gebiet einem Untertanen überlässt, mit Brief und Siegel. Hat dieses Stück Land einen Besitzer, Bär?“ „Nun, ich habe dieses Land besiedelt und die Gebühr entrichtet. Von jenem Hügel bis zum Fluss bin ich eingetragener Eigentümer!“ „Alles klar, wir unterstützen einen freien Arkoniden bei der Wiederbeschaffung seines Eigentums!“ Mit dieser Auslegung der Gesetze war Howan, der schon immer eine rebellische und, wie ich eben erfahren hatte, soziale Ader hatte, zufrieden. Den Anderen merkte ich allerdings an, dass ihnen das Schicksal des entführten Stammes ziemlich egal war, ein Umstand, der wiederum mich komplett kalt ließ, denn immerhin – Admiral, Kristallprinz, Boss! Der Oberhoncho mit den dicksten Ei… – ach, sie würden einfach gehorchen. Von Oberleutnant Sloma domWhit allerdings erwartete ich nach unserer Heimkehr noch zumindest eisig schweigenden Tadel. ‚Es gibt kein Gesetz, das Irrtum verbietet‘. Imperator Gannaon III. Warten Sie es nur ab, Verehrteste!
*
Manchmal ist ein hitziges Gemüt ein wahrer Fluch. Wir hatten Bär, Bärchen und Gerbt das Leder an Bord von Trimob Eins genommen, Platz war genug für sechs Personen Besatzung, nach Handbuch waren acht vorgesehen, zehn das Maximum für kurze Zeit. Die Terranerin hatte sich in eine dicke, schmucklose Pelzjacke gehüllt, um die Mitte trug sie einen Webkoppel mit Ösen, das drei-Planeten-Wappen war in die Metallschnalle geprägt, übliche Militärausrüstung und -ausführung, aber vom Militär verkaufte Teile wie diese Gürtel waren auch bei Sportschützen und Sonntagsjägern durchaus beliebt. Lederne Leggins und Fellstiefel, einfach, aber sorgfältig genäht, vervollständigten ihre Kleidung. Mit ihren beiden Messern aus hochvergütetem Stahl wirkte sie in dieser Kleidung beinahe modern, ihr Bogen war nicht wesentlich kleiner als der Bärs. Auch ein Compoundbogen. Ach, ein Compoundbogen ist mit einigen Rollen flaschenzugartig vorgespannt. Ich kann nicht genau erklären, wie es funktioniert, aber man braucht viel weniger Kraft bei größerer Durchschlagskraft. Bitte, schlagen Sie genaue Informationen nach, wenn es Ihnen wichtig ist. Auf jeden Fall hatte dieser Bogen seine 40 Kilogramm Zuggewicht, kaum weniger, eine kräftige Frau.
Der Alte konnte uns ziemlich genau den Weg bis zur ehemaligen Bahn zeigen, ab da folgten wir vorsichtig den Magnetschienen. Also, natürlich war jetzt kein Magnetfeld vorhanden, Beschädigungen und Unterbrechungen verhinderten den Energiefluss. Das heißt, falls es überhaupt noch eine Quelle gab, die so viel Energie aufzubringen vermochte, was eher unwahrscheinlich war. Während die Ortungsgeräte ständig die Umgebung scannten, musterten wir die Landschaft zusätzlich mit starken Ferngläsern, ich dachte, die Technik konnte man austricksen, wie auch die Menschen, aber wenn beide aufpassten, wären die Chancen, rechtzeitig etwas zu entdecken, größer. Das andauernde Starren auf die endlos scheinende schneebedeckte Fläche der Hochebene setzte Augen und Geist jedoch enorm zu, sodass wir immer wieder Pausen einlegen mussten, um und zu regenerieren und auszuruhen. Man sah nichts anderes als Schnee, Eis und wieder Schnee. Und wieder Eis. Weiß in weiß, bläulich schimmernd hier, blendendes reinweiß dort, es flimmerte und flirrte, blendete, ließ die Augen tränen wie in sexueller Extase. Habe ich schon erzählt, dass ich diesen Kontinent ebenso sehr verabscheute wie seine Namensgeberin? Zeitgleich steuerte Vallan eine Miniaturdrohne entlang des Schienenstranges, eine Vorhut, wenn Sie es so nennen wollen. Ich möchte jetzt aber nicht beginnen, sie mit einer Reisebeschreibung zu langweilen, denn wie Kormol sagte: ‚das einzige, das langweiliger als ein ereignisloser Flug sein könnte, wäre die Erzählung darüber zu hören‘. Ach, ein arkonidischer Dichter, etwa hundert Jahre vor meiner Zeit. Also, meiner Jugendzeit.
Ersparen Sie mir und sich selber auch die Details des Lagers. Es war die Hölle, eiskalt und schmerzhaft. Die versklavten Terraner wurden mit bestialischer Härte und brutalen Strafen zur Arbeit gezwungen, die vor allem aus der Förderung von Gestein aus einem eingestürzten Stollen bestand, dieser Abraum musste dann auch aus der Schlucht geschleppt werden. Nachts wurden die Männer in den Schacht mit unzureichenden Nahrungsrationen gesperrt, einige Frauen in die Häuser der Aufseher gebracht, Männer und Frauen waren mit blutenden, eitrigen Wunden bedeckt und abgemagert, nur die neuer angekommenen Sklaven wirkten noch halbwegs kräftig. Die Kleidung war für der Witterung völlig unzureichend, der ziemlich baldige Tod eines jeden Einzelnen war absehbar. Vallan steuerte die Drohne umher, jedes Detail des Lager vorsichtig ausspähend, dabei musste er immer wieder schlucken und manchmal schien es, als müsse er sich übergeben. Besonders, als wir sehen mussten, dass sich unter den erdgeborenen Sklaven auch Arkoniden befanden, scheinbar waren wohl nicht alle in der Mine arbeitenden mit den Plänen einverstanden gewesen. Oder hatte man auch nahe arkonidische Siedlungen überfallen? Wie viele von denen nun wohl schon der Schnee bedeckte? Natürlich erging es nicht nur ihm so, doch wir ‚alten Hasen‘ waren geübter im Verstecken solcher Regungen, als Soldat braucht man eine dicke Haut gegen das Leid anderer, und auch dem eigenen gegenüber. Wir werteten die Daten aus und machten unsere Pläne. ‚Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt‘ sagte Moltke nicht ganz zu unrecht, aber ‚der siegreiche General machte sich viele Gedanken, der dumme stürmte einfach vor! Ich wurde Imperator, also blieb ich siegreich‘. Gonozal I.
Im Grunde handelte es sich in erster Linie um eine Polizeiaktion. Das bedeutete, dass wir nicht einfach aus allen Rohren und Läufen feuern durften, sondern den Mineuren die Gelegenheit lassen mussten, sich zu ergeben. So verlangte es das Gesetz, und wir wollten uns soweit möglich daran halten – auch wenn es einen taktischen Nachteil bedeuten sollte. Also, an den Schluchtwänden links und rechts postierten wir je ein Trimob in die Flanke, frontal drei Mann und vier Gefechtsdrohnen. Wir hatten unsere Schutzschilde eingeschaltet, nur Bär und seine Frau vertrauten lieber auf ihre Fähigkeiten – und ihre Bögen. Ich persönlich hätte eher der Nova vertraut, aber lautlose Waffen wie Bögen hatten durchaus Vorteile, denn unsere größte Sorge galt jenen Frauen, die Abends dem Vergnügen der Mineure dienen mussten. Es stand eine Geiselsituation zu befürchten, es hatte sich immer wieder gezeigt, dass verkommene Subjekte – und solche waren hier ja wohl durchaus zu erwarten – hinter Wehrlosen Deckung suchten. Leider konnten wir das nicht ändern, so gut im Anschleichen, um die Sklavinnen vorher zu befreien, war nicht einmal Bär. ‚Da musst Du durch. Es liegt an Dir, ob Du lächelnd oder jammernd gehst‘. Ein namenloser Dagor-Meister. Also beschlossen wir, wohl oder übel dieses Risiko einzugehen und im Notfall verletzte und sogar tote Frauen in Kauf zu nehmen. Eine solche Entscheidung ist nie leicht, aber ‚das Wohl vieler wiegt schwerer als das Wohl weniger‘. Gene Roddenberry lässt es Spock sagen, und es stimmt. Wenn man solch einem gewissenlosen Abschaum nicht sofort in den Arm fällt, werden es nur immer mehr und noch mehr Opfer. Bär streckte seine Arme nach Gerbt das Leder aus. „Komm her, altes Schlachtschiff. Wenn’s mich erwischt, kümmere Dich gut um Bärchen. Frag‘ den da“ er deutete auf mich, „ich glaube, ihm kann man trauen.“ Er küsste sie rasch und rau auf den Mund. Sie strubbelte seine Haare. „Wennst wegbleibst, versohl ich Dein‘ alten und faltigen Arsch, wirst drei Leben nich sitzn könn.“ Reinkarnationsglauben? Nun, es schien so, die Menschen waren weiter, als ich gedacht hatte, sie waren zu abstraktem Denken fähig.
Die Scheinwerfer unserer Expeditionsfahrzeuge fluteten den Platz vor dem Höhleneingang, ein Lautsprecher dröhnte: „Arkon Marineinfanterie! Niemand bewegt sich! Wer hat hier das Sagen!“ Die Minenarbeiter fuhren herum, Türen öffneten sich, teilweise in Unterhosen stürmten Männer hervor. Keiner war unbewaffnet, teilweise trugen sie alte und auch einige neuere Militärgewehre. „FUCK ARKON“ brüllte einer. „Atlantis ist abgesoffen, das Imperium hat keine Gewalt mehr! Wir sagen uns los von Arkon!“ Dummerweise eröffnete er das Feuer. Dummerweise für ihn, denn – nun, es ist einfach dumm, mit Gewehren gegen gepanzerte Fahrzeuge kämpfen zu wollen. Wenn man mit der bloßen Hand angreift, kann man vielleicht mit einem Hemmreflex rechnen, aber wenn man unbedingt schießen will? Wieder einmal indirekter Selbstmord, wenn man es genau nimmt, das kam wohl auf Roshaan in Mode. Da muss ich jetzt an Musashi, einen berühmten Schwertkämpfer denken, er hat den japanischen Bushido, den ‚Weg des Kriegers‘ aus einer grundsätzlich friedfertigen Philosophie entwickelt. Aus dem Buddhismus. Er hätte ein Arkonide sein können. Ach, Musashi hat damals gesagt, wenn jemand einen gut ausgebildeten Samurai angreift, dann begeht er Selbstmord und der Samurai bliebe Unschuldig. Ich sage ja, er hätte gut zu uns Arkoniden gepasst.
Nun, auf jeden Fall, als der Schreihals seinen ersten Schuss abgab, nagelte ihn ein Pfeil von Bärs Bogen an die Tür, vor der er stand, ein Pfeil, von einem 50-Kilogrammbogen abgeschossen durchschlägt einen arkonidischen Körper unterhalb der Brustplatten ganz leicht. Er starb keinen leichten Tod, Marie Anne, denn wir kämpften zuerst die anderen nieder, ehe wir uns um ihn kümmerten, eiskalt und effizient. Wir verzichteten auf die eingebauten schweren Waffen in den Fahrzeugen, schossen gezieltes Einzelfeuer mit den Gewehren, schalteten ein Ziel nach dem anderen aus. Immerhin galt es, übermäßige Hitzeentwicklung in der Schlucht zu vermeiden, Entführer tot aufzufinden hätte mein Gewissen nur mäßig belastet, tote Entführte wären allerdings ein zweifelhafter Erfolg gewesen. Nach dem Anblick der Übertragungen der Drohnen hatten wir kein Mitleid mit diesen Mineuren, die zum Glück zu überrascht waren, in die Häuser zurück zu kehren und sich hinter den Geiseln zu verschanzen, der einzige, dem das einfiel, kam gerade bis zur Tür zurück, doch ein langer Pfeil vom schweren Bogen Bärs schnitt von hinten durch seine Halswirbelsäule.
Nicht einmal Tiere sollte man derart grausam wie jene Terraner behandeln, welche diese Bestien entführt hatten, geschweige denn Menschen. Scham war das Gefühl, das mich, das die meisten von uns befiel, diese Mineure waren Arkoniden wie wir, und nach dem Wegfall der Ordnungsmacht waren sie auf ein tiefes, ein verdammt tiefes Niveau gefallen. Jedes Machtvakuum wurde sofort mit brutalsten Mitteln gefüllt, aber wenn sie so tief sinken konnten, wie weit waren sie, wie weit wir alle vom Tier im Arkoniden entfernt? Verschieben wir diese Grübelei, aber es gab mir schon zu denken.
Ich bot Bär die Waffen und Beförderungsmittel der Mine an, wissen Sie, was er sagte: „Ich nehme einen Lastenschweber und die Atomschmiede mit. Wenn ich sparsam bin, kann ich damit noch einige Jahrzehnte Pfeilspitzen und Ersatzteile für den Bogen schmieden. Mein Sohn wird dann lernen, mit weniger auszukommen, und seine Kinder werden mit noch mehr natürlichen Stoffen arbeiten müssen. Ob eine Rettungsflotte kommt oder nicht, für meine Kinder wird es keine andere Zukunft geben, als die der anderen Planetarier. Leb‘ wohl, Prinzchen, lass es Dir wohl ergehen.“ Bär hatte sein Lachen wieder gefunden. „Und sei vorsichtig, nicht jeder begnügt sich mit einem Kniefall des Kristallprinzen! Mach Dir keine Sorgen um mich, meine Gerbt das Leder, mein Bärchen und ich kommen zurecht, jetzt noch leichter!“
Wir halfen Bär noch bei dem Rückweg mit dem Stamm seiner Frau und verabschiedeten uns einigermaßen herzlich. Dann ‚take on you’r Engines’, ein Lied von Space, einer relativ unbekannten Musikgruppe. Der Kurs lag an, Richtung Ost, zur Südseite der Alpen.
‚Vom Flusse her klingen die Lieder
Am Ufer regt sich schon der Tag
Am Abend komm ich glücklich wieder
Wie jeden Abend, den ich bei Dir lag.‘
Echter, unverfälschter Atlan. Natürlich habe ich auch einen Band mit Lyrik geschrieben. Aber ich möchte nicht behaupten, dass es gute Poesie ist.
*
Wir hatten Bär und sein ‚Schlachtschiff‘ sowie ihren Sohn und den ganzen Stamm mit deren besten Wünschen verlassen, mit Kurs Ost, ein wenig nach Süd abweichend. Nördlich der Pyrenäen und der Alpen – Ich muss wieder betonen, dass beide Gebirgszüge damals andere Namen trugen – tobten schreckliche Stürme, wie ich sie noch nie zuvor auf einem Planeten der AA – Klasse gesehen hatte. Schnee und Eis waren auf diesem Kontinent nördlich der großen Gebirgszüge dabei, eine sehr lange Herrschaft anzutreten. Ich glaube nicht, dass dort sehr viel Leben möglich war, doch dort waren bislang sowieso noch keine Pionierstationen eingerichtet, zumindest den Karten zufolge nicht. Und Abenteurer, die auf eigene Faust unterwegs waren? Ich hätte sie nie gefunden, außer ich wühlte jeden Kubikmeter Schnee der letzten Woche weg, eine Aufgabe, welche meine Fähigkeiten und Ressourcen bei weitem überstiegen hätte. Ich sah also keinen Grund, dorthin zu fliegen. Ich habe doch schon erwähnt… ja, gut, ich scheine es schon kommuniziert zu haben. Schei** Kontinent. Lieber, wenn auch ohne große Begeisterung, flog ich die Apennin – Halbinsel ab, wir überquerten einen riesigen Lavasee in der Gegend, in der heute die Stadt Neapel liegt, die Campi flegrei, wie sie die Neapolitaner heute nennen. So weit südlich fanden wir ab und zu Überlebende, denen wir einen Umzug in wärmere Gefilde ermöglichten, teilweise nach Afrika oder auf Inseln im Atlantik. Nicht ohne Hilfe zur Selbsthilfe natürlich. Die meisten Männer, die wir fanden, waren ziemlich mürbe in der weißen Hölle geworden und stellten keine Gefahr dar, und eine Zeit lang würden eben Prospektoren und Metallsucher als Bauern arbeiten müssen. Zum Glück hatten wir noch Saatgut, das für den Mars gedacht war, im Bunker auf Lager, aus mir unerfindlichen Gründen hatte es seinen Weg dorthin gefunden. Nun, heute waren wir unendlich froh darüber, in kaltem Klima frische Nahrungsmittel erhalten zu können, dauernd synthetische Nahrung mag das Überleben sichern, aber die wenigsten waren glücklich damit.
Eine Sorge bei der Sache war natürlich auch das der Frauen. Es gab insgesamt nicht genug davon, und Arkoniden haben ein großes Bedürfnis nach Sex. Ja, Menschen auch, aber was ich sagen will, wir mussten Vorkehrungen treffen, dass die wenigen arkonidischen Frauen auch beschützt waren. Die Farmarbeiter in Afrika hatten sich mit menschlichen Frauen zusammengetan, das war von beiden Seiten als gute Alternative angesehen worden, ein gegenseitiges Helfen, immer eine gute Grundlage. Wenn ein Siedler eine Eingeborene heiraten wollte, meinen Segen hatte er. Aber Vergewaltigung? Nicht einmal bei den Frauen der Menschen wollte ich das tolerieren. Also verteilten wir die Geretteten auf ein großes Gebiet, damit sie nicht in einer Gegend zu stark würden, und die Menschen die kleinen Grüppchen in Schach halten konnten. Wenn sie jetzt eine Menschenfrau nahmen, mussten sie es sich mit der menschlichen Konkurrenz ausmachen. In der Gegend des heutigen Ravenna fanden wir eine dieser Nachschubstädte, in denen die Metallsucher ihre Vorräte ergänzen und sich mit Alkohol und Frauen amüsieren konnten. Niedrige Barracken, keine luxuriösen Trichterbauten, sie hatten stand gehalten. Hier hatte eine resolute, ältere Frau, die früher selbst in einem Bordell arbeitete und später nur noch das finanzielle zu regeln hatte, ein kleines Arsenal an Waffen und eine Menge Nahrungsmittel in das Etablissement, das sie für die große Mining Companie führte, gebracht und hatte sich mit den Mädchen dort verschanzt. Männer durften sich nur noch einzeln dem Haus nähern, das Geschäft war das gleiche geblieben, die Währung, in der die Männer zahlten, hatte sich geändert. Ein ordentlicher Braten oder ein Stapel Feuerholz war jetzt wesentlich mehr wert als ein großer Nugget.
Es schien zu funktionieren, so halbwegs, aber trotzdem nahmen die Damen das Angebot einer Übersiedelung gerne an, sie wollten nur ihre Waffen behalten, sie wollten selbst bestimmen, wer sie besuchen durfte. Ein durchaus verständlicher Wunsch, in Afrika war uns ein schönes, großes Höhlensystem aufgefallen, das leicht zu verteidigen war. In der Nähe liegt heute ein kleines Dorf mit Namen Hargeysa, die Höhlen gibt es immer noch. Das System hat übrigens nicht ewig gehalten, kurze Zeit später spielte sich wieder ein übliches Paarsystem ein, allerdings nicht sehr oft mit Arkonidin und Arkonide. Auch Sôomaleë, jene Frau, welche die Waffen und Nahrungsmittel besorgt hatte und über die jungen Frauen während ihres Drogenentzuges wachte, fand noch einen Mann, Sewebat, mit dem sie, wie ich bei späteren Besuchen mit Freude feststellen konnte, noch ihr Glück fand und von ihm sogar noch zwei Söhne und eine Tochter bekam.
Mit diesen ganzen Übersiedelungsaktionen benötigten wir natürlich eine ganz schöne Zeit, bis wir wieder mit unserer Tour weitermachen konnten, wir versuchten ja wirklich, eine Rettungsexpedition zu sein. Bei diesem Goldgräberdorf hatten wir Glück gehabt und wirklich etwas retten können, das nächste, weiter nördlich, in etwa der Gegend des heutigen Udine erlebten wir eine der schlimmsten Seiten an Arkoniden. Auch hier waren Vorräte ohne den regelmäßigen Nachschub knapp geworden, die hohe Schneedecke, wenig Unterkunft, wahrscheinlich zwei rivalisierende Banden und – nun, wir fanden keinen Überlebenden mehr, der letzte war schon steifgefroren. Aber wir fanden abgenagte Knochen und Brustplatten, Marie Anne. Es gibt kein irdisches Lebewesen mit Brustplatten, bei Nachkommen setzen sich eher menschliche Rippen durch.
Unterwegs legten wir selbstverständlich immer wieder Marschpausen ein, andauernd wachsam zu sein, strengte doch sehr an, und mit schmerzenden, tränenden Augen sieht man nicht sehr gut. Manchmal müssen die Augen ausspannen, man muss etwas essen oder trinken, und ich musste erfahren, dass eine Alarmsirene im Laufe eines amourösen Abenteuers NICHT im unpassendsten Augenblick losgeht. Es gibt unpassendere. Ich war für kleine Kristallprinzen und hatte eben die Hose um die Knöchel hängen und entspannte mich, da gellten die Alarmsirenen los. Alarm, DefCon 5, die höchste Stufe! Sobald und schnell wie möglich ordnete ich meine Kleider und stürzte durch die Tür hinaus. Leider dauerte es etwas länger – wobei die Hose noch das kleinste Problem war. Hakmar hatte das Außenschott geöffnet und war ohne Raumkombi ins Freie gegangen, und leider war es nicht mehr möglich, ihn zu fragen, warum er unbedingt das Fahrzeug verlassen musste. Was ihn auch antrieb, auf den Schutzanzug zu verzichten, wenn ein Blasterstrahl einen Kopf trifft, Marie Anne, kann man ohne Seance keine Antworten mehr erhalten. Die Frage, ob mit einer spiritistischen Sitzung, wage ich nicht zu endgültig beantworten. Ich erinnere mich an Paris, wo Giacommo und ich auf Alessandro Cagliostro trafen. Das meiste von dem, was er von sich gab, war natürlich Schwachsinn, aber – woher wusste der Betrüger, dass ich älter war, als ich vorgab und von den Sternen kam. Wie konnte der Mann eine Strahlwaffe kennen und beschreiben? Nun, es gibt immer mehr Dinge zwischen Himmel und Erd. Ja, schon wieder Shakespeare. Auf jeden Fall kam damals scheinbar aus dem Nichts ein Energiestrahl, der den Leutnant auf der Stelle tötete. Condish wollte ihn zurück ziehen und wurde ebenfalls getroffen. Schwer, tödlich getroffen.
Howan reagierte besser. Der Schirm seines Trimobs baute sich schon auf, ehe er das einzig richtige machte. Er warf den im Luk steckenden Körper ins Freie und warf das Schott zu. Der Thermostrahler im Turm von Tank Eins röhrte dumpf auf, Taiilm nahm den vermeintlichen Ursprung des feindlichen Strahls unter Feuer, Eis und Schnee verdampften, der Boden wurde atomisiert, verglast. Nichts konnte im Zielgebiet übrig bleiben. Vallan hatte in der Zwischenzeit den Schild hochgefahren, und ihr sehr Ergebener stürmte jetzt erst aus dem Kämmerchen. Schnell wurde ich informiert, in der Zwischenzeit liefen die Orter bereits auf höchsten Touren. Wie konnte es geschehen, dass wir vorher nichts bemerkt hatten. Und was bei allen Göttern hatte sich Hakmar gedacht, praktisch nackt aus dem Trimob steigen zu wollen.
Ach, die normale Dienstuniform der arkonidischen Marine, gedacht für den Einsatz im Inneren von Raumschiffen und Basen, war eine dünne Hose mit elastischem Bund, eine weite Bluse und Slipper. Die Offiziersuniformen aus einem seidenartigen Naturstoff – hergestellt aus Kokonfäden einer Art Raupe, der Vergleich zu Seide ist mehr als gerechtfertigt, die der unteren Rängen aus Synthetik, aber auch atmungsaktiv. Für den Dienst außerhalb der klimatisierten Räume war ein als Raumanzug zu gebrauchender Overall, hauteng anliegend. Selbstverständlich voll klimatisiert, mit Luftversorgung und allem drum und dran. Eigentlich war es gedacht, in diesen Außenanzug nackt zu steigen, zur Not ließ sich die normale Diensthose auch darunter tragen. Wenn es schnell gehen musste, war es nicht bequem, aber möglich. Ach, vor seinen Kameraden aus der Uniform in den Anzug zu wechseln und dabei nackte Haut zu zeigen, das regte keinen Arkoniden und keine Arkonidin auf oder an. Man war sowieso vollauf mit dem eigenen Anzug beschäftigt, da hatte niemand Zeit zum Gucken. Nach dem Einsatz, vielleicht, aber – es war nicht interessant. Es war wie in der Dusche oder im Schwimmbad. Oder noch mehr, wie in der Sauna. Was allerdings die sanitären Anlagen des Raumanzuges angeht – ich war froh, wenn ich nicht darauf angewiesen war. Oh, es gab nur eine Größe. Wir Arkoniden aus dem Heimatsystem hatten nicht diese Bandbreite an unterschiedlichem Wuchs wie die Terraner. Personen wie Marba waren eine extreme Ausnahme – und hatten keinerlei Chance für einen Dienst bei der Marine. Der Unterschied zwischen dem größten und dem kleinsten Besatzungsmitglied betrug umgerechnet etwa sechs Zentimeter, damit wurde das Gewebe leicht fertig. Auch die Schulterbreite variierte nur wenig. Jahrtausende währende Zuchtauslese. Ja, Inzucht, wenn sie so wollen. Arkoniden wie Marba waren ein genetischer Rückfall um Generationen. Eine Peinlichkeit für viele Familien. Heute gibt es natürlich XL und sogar XXL Anzüge, es gibt Mehandor, Aras, viele unterschiedliche Völker und daher auch Größen.
Es schien einfach unmöglich, noch etwas zu finden. Vielleicht hätte ein forensisches Team mit großer Ausrüstung noch das wie und wer herausgefunden, mir war das ziemlich egal. Der Überfall hatte zwei guten Männer das Leben gekostet, zwei Männern unter meinem Kommando, und Oberleutnant Howan onRoemp konnte mir leider auch keine Erklärung geben. Er hatte die Orter im Auge gehabt, ihm war ebenso wie Condish nichts aufgefallen, bis ein Summen und eine rote Lampe die Öffnung des Luks anzeigten. „Schließen” hatte er nach eigener Aussage noch gebrüllt, dann habe der Strahl schon eingeschlagen. Condish reagierte wie ein junger Rekrut vor der Ausbildung, er wollte den Kameraden retten und starb ebenfalls, bei ihm war es schlicht die fehlende Kampferfahrung. Es gab keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln, der Oberleutnant hatte nicht nur eine untadelige Akte, ich hatte ihn als zuverlässig und überaus fähigen Offizier und Arkoniden kennengelernt. Auch von irgendwelchen Problemen zwischen den Männern war nichts besonderes bekannt, auch wenn Howan ein Enfant terrible und Sozialgerechtler und Hakmar eher als Konservativ bekannt war. Also, zwei unlösbare Rätsel – wenn wir nicht die Handlungsweise von Hakmar als eine Art Lagerkoller, verursacht durch zu langes eingesperrt sein, erklärten. Man kann, wie Sie als Psychogin sicher wissen, ja durchaus auch von einer Situation eingeschlossen, überfordert sein, vielleicht war es schon zu viel, dieser winterlichen Temperaturen nicht schnell genug entkommen zu können. Oder aus diesem System. Auch die arkonidische Seele ist ein weites und unbekanntes Land, Marie Anne. Frei nach Arthur Schnitzler.
Endgültig zu keinem Ergebnis kamen wir, wieso der Angreifer nicht auf dem Ortungsschirm zu sehen gewesen war. Nur gegen optische Sensoren getarnt zu sein, war einfach. Alle unsere Raum-Kampfanzüge hatten eine ganz beachtliche Mimikry – Fähigkeit. Wie kam aber eine – oder mehrere – Person/en an diese Technik. In den Marineshops wurden zwar jede Menge ausgemustertes Material verkauft, Tarntechnik dürfte aber eigentlich nicht darunter sein. Das war nicht nur einfach verboten, bei Verstößen konnte es richtig teuer werden. Wie viel ein Kopf wohl wert sein könnte?
Eigentlich rechneten wir nicht mehr mit Gesellschaft, unsere Turmkanone hatte ganze Arbeit geleistet. Wirklich? ‚Es irrt der Mensch so lang er lebt, solange er nach wissen strebt‘. Goethes Faust, der Tragödie erster Teil. Nun, damals kannte ich Goethe noch nicht, aber die Aussage – nun, wir waren uns vorher auch sicher gewesen, jede Auffälligkeit, jeden Gegner im Voraus erkennen zu können. Wir hatten die unmittelbare Umgebung mit allen Mitteln abgesucht, auch weiterhin im Auge behalten. Es konnten ja auch noch andere Angreifer lauern, wie unwahrscheinlich das auch immer wäre. Also – wir hatten versagt. Nein, ich glaubte – und glaube es bis heute – nicht, dass meine Anwesenheit etwas verändert hätte. Auch ich hätte Hakmar nicht aufhalten können, ich hätte es ebenso wenig bemerkt, bis es zu spät war. Und ich vertraute Howan auch weiterhin, ihm war keinerlei Vorwurf zu machen.
Taiilm, der alte Veteran ohne nennenswerte formelle Kampfausbildung, zeigte löbliche Initiative, indem er aus eigenem Antrieb den Abtastradius erweiterte und entdeckte doch tatsächlich etwas. Einen schwachen, kaum erkennbaren Impuls auf dem IR – Orter, weit ab, aber mit direkter Sichtlinie. Direkt hinter einem kleinen Hügel, in einer kleinen Kuhle. Ein Mensch? Mit wärmereflektierendem Tuch konnte das Echo hinkommen, weiß gefärbt wäre es hier und heute eine perfekte Tarnung. Aber die Entfernung!
Da blitzte etwas durch meine Gedanken, da war doch etwas. Mein Extrasinn lief auf Hochtouren. ‚Du hast diese Infanteriemajorin besucht, auf der ARC’EMPE! Sie hatte gerade eine Meldung von einer neuen Scharfschützenwaffe auf dem Bildschirm.‘ Jetzt ratterte mein eidetisches Gedächtnis los. Kommner & Hanghar, ein sehr berühmter Rüstungshersteller wollte ein neues Scharfschützengewehr hergestellt haben. Effektive Reichweite über fünf Kilometer! Es war eigentlich kein Problem, den Energiestrahl über sehr viel größere Distanzen mit hohem Wirkungsgrad zu bündeln, das Problem lag darin, diese Waffenwirkung ins Ziel zu bringen und trotzdem ein leicht transportables Gerät zu haben. Wissen sie, was ein winziges Zucken eines Muskels auf vier, fünf Kilometer anrichten kann, wenn es ein Präzisionsschuss sein soll? Ohne Lafette zum Fixieren der Waffe? Nun, ganz neue, leichte und extrem kleine nanotronische Stabilisatoren und ein stufenlos verstellbares Visier sollten die Lösung sein, und eine völlig neuartige Ortungs-Abschirmung der Annihilationskammer, ganz wichtig für versteckte Scharfschützen, war verbaut. Die Entfernung war passend, Ortungsbild ebenfalls passend, aber – verdammt nochmal – wie kam eine verflucht neue Militärwaffe, die noch nicht einmal im Magazin eines der Larsaf – Planeten zu finden war, hier in diese beschissene Schnee- und Eiswüste? ‚Da war wohl etwas ganz massiv faul im Staate Dänemark‘. Shakespeares Hamlet.
„Nicht!“ brüllte ich, im Augenwinkel Taiilm sehend, der das Geschütz neu ausrichten wollte. „Warten wir noch etwas, lassen wir den S’hmock in der Meinung, er wäre noch unentdeckt.“ Ich wollte ihn lebend. ‚Wenn ihr mich kitzelt, lache ich nicht wie ihr? Wenn ihr mich steht, blute ich nicht wie ihr? Wenn ich also in allem gleich bin wie ihr, soll ich mich nicht auch rächen wie ihr?‘ Ach, Shakespeare, der Kaufmann. Na, der von Venedig, natürlich. Stark gekürzt, aber sonst korrekt zitiert. Jedenfalls, der S’hmock sollte nicht einfach so atomisiert werden, ich wollte jedes Quäntchen Information aus ihm heraus quetschen, drehen und prügeln. Mein Gesicht muss erschreckend verzerrt gewesen sein. „Herr!?“ Taiilm zog den Kopf zwischen die Schultern. Der alte Taiilm, der in seiner Jugend in den Docks von Roshaan schon einiges erlebt haben musste, der Mann, der mehr als wir anderen gesehen und erlebt hatte und noch nie Angst gezeigt hatte, der wich vor mir zurück? Seine Reaktion brachte mich wieder auf das Deck der Tatsachen, der rote Schleier vor meinen Augen verschwand, ich konnte wieder klar denken. „Entschuldige, Taiilm. Aber der Mörder muss eine noch nicht ausgelieferte Militärwaffe besitzen. Wir müssen erfahren, woher er sie hat. Er soll sich also noch unentdeckt fühlen, damit wir ihn festnehmen können. Ich weiß nur noch nicht, wie!“ Taiilm salutierte, dann flog ein Lächeln über sein Gesicht. „Jawohl, Admiral! Ich verstehe! Dann sollten wir Oberleutnant Howan…“ Ich unterbrach in. „Sie haben absolut recht, Sergeant. Schicken Sie Zwei das Codesignal ‚abwarten‘, er auch nicht dumm und könnte auf die gleiche Idee wie sie kommen. Verdammt, wenn wir nur wüssten, die dieser S’hmock sonst noch ausgerüstet ist. Mit etwas Pech kann er jetzt schon mithören!“ „Glaub’ nich”, murmelte Taiilm. Ich fixierte ihn, forderte ihn mit einer Handbewegung zum sprechen auf. Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe da mal – Entschuldigung, einmal auf der Werft Larsaf II – Mond gearbeitet, damals, als ich noch ein grüner Spund war. Der Hauptmann hat sich gedacht, er diskutiert einige Probleme nicht nur mit den ganzen Ingenieuren von der TechAk, sondern auch mit den Technikern mit den dreck…, Pardon, schmutzigen Fingern. Hat nicht allen gefallen, aber wir vom ‚Fußvolk‘ haben mächtig davon profitiert. Die Erfolge haben ihm recht gegeben. Ja, ich komme schon zur Sache!“ Taiilm kratzte sich den Haaransatz. Eine gängige Geste bei Arkoniden, besonders wenn sie überlegen. „Da gab’s Probleme bei einer Reparatur eines großen Trimobs, ein paar von uns waren eingeschlossen. Da hat der Hauptmann versucht, mit ‘nem Dings, einem Stethoskop zu lauschen, damit er einen Überblick bekommt. Jedenfalls hat ein Ingenieur gesagt, es ist hoffnungslos, da gibt es eine Dämmschicht, da kommt nur undefinierbares Rauschen durch. Und da hat der Hauptmann gesagt, das Ei soll nicht klüger als die Oouvvi sein, irgendwelche Lebenszeichen würden ihm schon reichen. Und die Panzerung von den Dingern ist doch Standard, also, abgesehen von der Stärke. Wir haben hier ja die doppelte Ausführung im Vergleich zum Transporter. Ich glaub‘, dass DER auch nicht mehr mitkriegt, als vielleicht, das wir reden.“
Nicht von der Hand zu weisen, zumindest logisch. Mein Logiksektor hatte auch keinen Widerspruch anzumelden, also sprachen wir über unsere Maßnahmen. Wieder war es Taiilm, der Praktiker, der auf eine Idee kam. Ich hatte ihm gesagt, unter uns müsse er nicht so exakt auf seine Sprache achten, Hauptsache, er wäre verständlich. Das beherzigte er, aber ‚kann denn den Kindern keiner sagen, wie man spricht? Die Sprache macht’s, die Herkunft macht es nicht!‘ My fair Lady.
„Unsere Trimobs haben doch im Kiel ‚ne Wartungsluke!“ „Da passe doch nicht einmal ich durch, und ich bin der schmächtigste!“ Weise Selbsterkenntnis des jungen Vallan. „Da kommt doch höchstens ein RoboTec hinein.“ „Oder eine Drohne hinaus. Also keine bewaffnete Gefechtsdrohne, aber ein Sensorträger!“ „Könnte durchaus passen”, überlegte ich. „Aber wie kriegen wie die Sonde in den Kielraum?“ Taiilm grinste. „Gar nich! Brauchen wir nich.“ Mein Gesicht muss eine Studie an Ratlosigkeit gewesen sein. „Etwas, das ein Hilfstechniker einer Erhabenheit voraus hat”, entwickelte Taiilm eine erfrischende Mischung aus Respekt und Despektierlichkeit. „Ach, es ist wohl schon eine Einheit da unten.“ Kräftiges nicken, begleitet von einem breiten Grinsen. „Ne Diagnosedrohne. Nur begrenzte Reichweite, sollte aber in dem Fall ausreichen. Wenn ich kurz mal an die Nanotronik dürfte, lad‘ ich das Bedienprotokoll hoch. Muss irgendwo da drauf sein.“
Um es mit den Worten Jean Luc Picards zu sagen: ‚Machen Sie es so!‘ Sie sind amüsiert, Marie Anne? Weil ein alter Arkonidenadmiral eine uralt SF-Serie kennt und mag? Die uralte Serie von Gene Roddenberry mit seiner Frau als Krankenschwester war einfach bezaubernd. Nicht überzeugend, dieser komische Teller mit den seltsamen Auswüchsen, kein halbwegs intelligentes Volk würde ohne Not so bauen. Aber ich war trotzdem hingerissen. Noch amüsanter fand ich aber diese andere Serie. ‚Raumpatrouille Orion‘. ‚Wissen Sie, was sie uns dürfen? – Nein, Hasso! Der – nicht!‘
Aber wir sind hier nicht auf einem SF-Con. Wir öffneten also das Wartungsluk und Taiilm versenkte die Diagnosedrohne im Schnee. Dann gab ich uncodiert über Sprechverbindung den Befehl an Howan: „Zurück zum Bunker, Oberleutnant. Hier gibt es wohl nichts mehr zu tun. Fliegen Sie vor, wir folgen.“ Trimob Zwei hob also ab flog nach Westen, auch wir starteten, atomisierten noch mit einem gezielten Feuerstoß die sterblichen Überreste unserer Freunde und nahmen Kurs auf die Basis. Um in einer langgestreckten Kurve möglichst in den Rücken des Unbekannten zu kommen. Nicht weit entfernt von dessen Stellung sichtete Vallan eine schneebedeckte, aber eindeutig kantige Form, in der Größe etwa übereinstimmend mit einem großen Transportschweber. Lange konnte er noch nicht hier liegen, vielleicht einige Tage. Alle noch sichtbaren Spuren deuteten auf einen Unfall hin, vielleicht ein Triebwerkschaden, jedenfalls lag das Ding einfach da. Taiilm entlockte der Drohne wahre Wunder an Informationen, es war auch kein Pech für uns, dass der Schütze bald nach unserem Abflug sein Versteck verließ und vorsichtig an unseren alten Lagerplatz pirschte. Alles an diesem Mann schrie ‚Söldner‘, und zwar erfahrener Söldner. Moderner Kampfanzug, Ortungshelm, die schwere Waffe, die jetzt auf den Rücken geschnallt war, genau dieses Gewehr hatte ich auf dem Bildschirm der Majorin gesehen. In den Händen trug er nun einen leichten, kurzläufigen Kombistrahler. Wir näherten uns vorsichtig, plötzlich erstarrte der Mann, seine Waffe spuckte grünes Licht und unsere Drohne schwieg. Ich sagte es schon, ein verdammt erfahrener Söldner. Jetzt musste wir uns beeilen, bevor er ein neues Versteck getarnt hatte, zweimal denselben Fehler würde er nicht machen.
Wir fanden ihn. Er hatte es uns die Auffindung leicht gemacht, die Beantwortung unserer Fragen jedoch unmöglich. Im Bewusstsein, dass eine Flucht nicht mehr möglich war, als wir den Hügelrücken überflogen, hatte er seine Gürtelwaffe gezogen, spöttisch salutiert und in seinen Kopf geschossen. Ich fluchte, konnte jetzt aber leider auch nichts mehr ändern ich konnte nur noch fluchen. Natürlich untersuchten wir die Leiche. Er war groß, einiges größer als ich, und überaus hager, das Haar entgegen der üblichen Mode kurzgeschoren, ich vermutete einen Kolonialarkoniden. Anschließend machten wir uns auf, sein Fahrzeug zu untersuchen.
Marie Anne, ich habe schon angedeutet, dass wir Arkoniden einige Pflanzen mit zur Erde gebracht haben. Weizen etwa, oder Kaffee. Weintrauben haben sich ohne Pflege wieder zurück zur Wildform entwickelt und wurden erst wieder später veredelt. Eine Pflanze jedoch hat den umgekehrten Weg genommen. Wilder Hanf. Es gab in der gesamten Galaxis damals keine derart potente Rauschgiftpflanze, und Sie glauben gar nicht, was dieses Kraut mit dem Gehirn von Arkoniden und anderen Arkonoiden anstellt. Im Vergleich dazu sind viele Eurer Designerdrogen für uns eine Lappalie. Der Imperator hatte den Handel streng verboten, der Erfolg war eine massive Verteuerung und der Aufstieg zur Modedroge der Oberklasse. Irgend Jemand verdiente sich daran eine goldene Nase, und dieser Jemand hatte sogar Zugang zu modernster Militärtechnologie. Der Lastenschweber war randvoll mit dem Zeug, fertig verpackt für den Abtransport. Wir überlegten, welche Route der Söldner wohl geflogen sein könnte, aber ohne Anhaltspunkte? Wo war er auf diesen Kurs gegangen? Sicher hatte er nicht den geraden Weg genommen. So war sowohl der Ausgangs- als auch der Zielpunkt seiner Fahrt reine Spekulation, und der ewig wehende Wind und der stetig fallende Schnee machten unsere Such endgültig aussichtslos. Wir flogen zwar ein sich vergrößerndes Suchmuster ab, mussten uns aber mit einem totalen Misserfolg abfinden.
Damit Oberleutnant Howan nicht allein fliegen musste, kommandierte ich Taiilm zu ihm ab. Allein mit einem Trimob zu fliegen ist kein Problem, wenn alles in Ordnung ist und man keine Probleme zu befürchten hat, aber man etwas sucht oder in feindlichem Gebiet ist es nicht angenehm. So aber waren es zwei Personen in jedem Fahrzeug, und ich beschloss, Roshaan endgültig den Rücken zu kehren. Natürlich nur vorläufig, denn sobald die Flotte ankäme, könnte man verschiedene Gebiete des Kontinents genauer durchsuchen. Besonders der Landeplatz der Rauschgiftschmuggler hatte es mir angetan, ich hätte sie nur zu gerne hoch genommen. Was die Felder anging, war meine Hoffnung gleich null. Bei diesen Temperaturen war die Saat schon längst eingegangen.
Wir atmeten auf, als wir den kalten Kontinent hinter uns gelassen hatten, es wurde zwar nicht unbedingt viel sonniger, oder zumindest doch nur selten. Aber der vulkanisch erwärmte Ozean bescherte auch den Inseln angenehmere Temperaturen als dem Kontinent Roshaan, zumindest im östlichen Teil. Im Westen, die heutige Karibik, wurde von Wirbelstürmen heimgesucht, neben denen Katrina, der Hurrikane von New Orleans, eine mittlere Windhose war, ein übler Nebeneffekt des warmen Meerwassers und der globalen Windsysteme. Wieder kramte ich in den Wirtschaftskarten und den Wirtschaftskarten eingetragenen Besitzungen. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent gab es nur die ‚Eingeborenen-Akademie‘, der Rest war für Abbauunternehmen des Imperators vorgemerkt, dort sollte sich also niemand aufhalten. Ebenso auf dem großen Kontinent im Osten, sie würden Asien sagen, sollte noch niemand sein, die Erforschung und Freigabe wäre erst Jahrzehnte später zur Diskussion gestanden. Also war unsere Erste-Hilfe-Expedition damit eigentlich abgeschlossen. Wir hatten einige Atlantikinseln – auf den Azoren, den Kanaren, Madeira und Porto Santo, aber auch die Kapverdischen Inseln – mit Arkoniden und Arkonidenabkömmlingen besiedelt, die dort einigermaßen über die Runden kommen konnten. Die Zalitischen Frauen hatte Marba nach ihrem Entzug aufgenommen. Sie waren intelligent und gerne bereit, ihr Wissen mit dem ansässigen Stamm zu teilen. Zwei heirateten sogar in diese Sippe ein, die anderen ließen jedoch keinen Mann mehr Nähe an sich heran. ‚No, is a Wunder?‘ Rabbi Chaim Podlowsky.
Warum ich niemand im Bunker unterbrachte? Marie Anne, ich war misstrauisch. Nach den Erlebnissen in Port Roshaan wollte ich keinen Fremden in meinem Heim, ich wollte nicht andauernd auf der Hut sein, ob nicht dieser oder jener eine Revolution mit sich als Herrscher anzetteln wollte. Ich hatte keine Lust, von Polizeirobotern umgeben zu sein, die meine Sicherheit und die meiner Freunde gewährleisteten. Ich wollte frei atmen können, wie bisher!
Also richteten wir einen regelmäßigen Besuchsdienst ein. Wir flogen in unterschiedlichen Besatzungen die Siedlungen an, sahen nach dem Rechten, brachten Werkzeuge und Saatgut. Nachdem das Wetter im Norden statt besser immer übler wurde, überredeten wir Bär, mitsamt seiner Frau und deren Familie nach Sao Tome zu übersiedeln, ich war sicher, der Stamm würde in der äquatorialen Wärme gut überleben. Außerdem war das Eiland für Arkoniden zu uninteressant, also hätte er selbst bei der Landung der Rettungsmission von Arkon nicht zu befürchten, dass seine Söhne und Enkel irgendwie von einem Konzern um ihr Land gebracht wurden. Im 20. Jahrhundert hat man übrigens auf der Insel das Skelett eines Riesen ausgegraben, mit fünf Knochenplatten statt Rippen. Oh, es liegt im Smithsonian, direkt neben der Bundeslade, die ein Professor Jones gefunden hat. Indiana Jones, sie haben von ihm gehört?
Allmählich gewöhnten wir uns an dieses Dasein. Wir trafen uns morgens in der Messe um den Tag zu besprechen, und abends, um den Tag mit einem guten Glas und dem Toast „Auf die Flotte – möge sie baldigst eintreffen“ zu beenden.
*
Das war also die große Expedition vom Jahre Null, Marie Anne. Ja, ich bedauerte den Tod von Hakmar und Condish zutiefst. Beide waren gute, treue und ehrliche Leute gewesen, und Sie hätten, glaube ich, im Laufe der Zeit mehr werden können, wie wir alle anderen.
Fortsetzung folgt …
Tiff
10. Dezember 2023 — 14:09
Hallo, Senex.
Wie schreibt man Atlan besser als Scheer? Du weißt die Antwort, denn genau das tust Du mit der Atlaniade.
Ich kenne den Text natürlich schon länger und habe ihn damals bei der Erstveröffentlichung schon gerne gelesen. Daher hast Du auch schon einen ausführlichen Review von mir zum ersten Kapitel. Deshalb möchte ich hier nur noch mal extra etwas zur Ausführung sagen, nicht zum Inhalt.
1) Ich bin froh, dass Du die Atlaniade auch hier bei uns im WoC veröffentlichst. Das wertet nicht nur das World of Cosmos auf, sondern wird auch Deiner Geschichte gut tun.
Na, es könnten mehr Reviews sein, aber aller Anfang ist schwer.
2) Wenn ich schreibe, dass Du den Atlan besser als Scheer schreibst, dann ist das eine Tatsache. Es ist ein Spaß, eine Freude, geradezu ein Erlebnis, Deine Version des ollen Atlan zu lesen. Und ich kenne alle bisher erschienenen Kapitel.
Es liest sich bei Dir einfach viel logischer, viel konsequenter. Dass er eben nicht alle Gefährten auf einen Schlag verliert, und den Allerletzten an einen Höhlenmenschen mit Steinkeil kommt so viel besser rüber. Ups, ich glaube, das ist ein Spoiler.
Jedenfalls Jung-Atlan in Action zu erleben ist bereits ein Spaß in sich zu lesen. Ich habe gelacht, ich habe geschluckt, ich habe Atlan die Daumen gedrückt, und was ganz wichtig ist, ich hatte Spaß dabei, es wieder und wieder zu lesen.
In dem Sinne, vergiss über Deine Tiffiade bei Rhodans Tochter den ollen Atlan nicht ganz. Der hat es auch verdient, ab und an ein wenig angefüttert zu werden.
3) Du schreibst, bis auf ein, zwei Macken, wirklich großartig und kannst prima erzählen.
Ich spoilere wohl nicht, wenn ich erwähne, dass Don Redhorse aka Christian Welter Dich im Discord Channel ausdrücklich gelobt hat. Ich habe ihm gesagt, er soll Dir das schreiben, aber der arme Christian ist schreiberisch bis zum Anschlag blockiert und scheitert schon an einem Leserbrief. Also trage ich das Lob weiter.
Viele Grüße,
Tiff
Senex
10. Dezember 2023 — 18:14
Nun – Scheer und Kneiffel sind bessere Autoren als ich, ich habe eben das Glück, auf runde 50 Jahre Forschung in Planetologie, Technik und Geschichte zurück greifen zu können. Und auf ein verändertes Welt- und Rollenbild. Wer weiß schon, was bei den beiden im 21. Jahrhundert eingefallen wäre.
Der Spoiler ist nicht weiter schlimm.
Die Macken – ja, einige davon werde ich auch nicht mehr ablegen. Dass Du etc. einmal mit Majuskel und einmal mit Minuskel am Anfang schreibe, damit müssen meine Leser leben.
Nach dem Ende der Krone. Vorschlag – Du schreibst Maerz und ich Atlan!
Ich bin über jedes Lob dankbar, auch wenn ich keine Ahnung habe, was der Discord-Channel ist. Egal.
Auf jeden Fall, liebe Grüße zurück.
Tiff
10. Dezember 2023 — 22:48
Discord ist eine Seite, in der wir uns als WoC-Autoren austauschen. Möchtest Du Zugang? Das hätte ich Dir ohnehin angeboten. Auf der Seite sind sogar Direktnachrichten möglich und verfeinern die Kommunikation unter uns.
senex
12. Dezember 2023 — 12:31
Nicht unbedingt nötig, aber danke.
Ich hoffe trotzdem, dass Atlan in Zukunft keine Ritterrüstung mehr tragen muss. Es sei denn natürlich, ich schaffe es bis zum Mittelalter…
LG.
Tiff
12. Dezember 2023 — 23:04
Woran ich persönlich keinen Zweifel habe.
Du bist uns auf unserem Discord-Channel übrigens immer willkommen. ^^V
senex
13. Dezember 2023 — 9:48
Fein, danke.
Ich hoffe allerdings, dass – im Falle hier mehr meiner Storys landen sollten – die KI besser wird. Ich meine – Sorry, das Bild sieht aus wie John Travolta als Lanzelot, der gerade erfährt, dass Gwynnifair von ihm schwanger ist. Da würde ich ja eher noch Russel Crowe in Master and Commander auswählen.
Malakai
21. Dezember 2023 — 15:16
Da mich keine Tibi-Wünsche erreicht hatten, habe ich etwas nach meiner Vorstellung erschaffen lassen. 😉
Aber nahezu jeder hat gerade bei Atlan eine andere Vorstellung und man wird eine breite Masse nie überzeugen können. Meiner Meinung nach, fand ich ihn nach meiner Vorstellung recht gut getroffen. 😉
Also, wenn Wünsche da sind, dann immer her damit. Gerne an redaktion@world-of-cosmos.de
senex
21. Dezember 2023 — 17:49
Nun, das Gesicht ist sicher Geschmackssache.
Allerdings – wozu denn die Blechwäsche?
Ich dachte immer, die Arkoniden hätten den Individualschirm bereits erfunden gehabt, und ein Energieschirm ist wohl stärker als eine Ritterrüstung. Da wäre ein hautenger Anzug doch passender.