Buchbesprechung von Uwe Lammers

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Eckdaten

  • Dr. Mai Thi Nguyen-Kim
  • Komisch, alles chemisch!
  • Droemer 27767, 256 Seiten, TB, 2019
  • ISBN 978-3-426-27767-6

Chemie in der Schule – für die meisten von uns war das vermutlich damals ein ziemlicher Alptraum. So ging es mir wenigstens in der Realschule … was aber zweifellos auch mit dem Lehrer zu tun hatte, der zugleich unser Sportlehrer war, wo ich auch nicht durch überragende körperliche Leistungen glänzte. Ergo schwankte ich immer so zwischen den Noten 4 und 5 in beiden Fächern, was meine Zuneigung zur Chemie zweifellos nicht gefördert hat. Als ich dann viele Jahre später auf der Fachoberschule Wirtschaft Chemie belegen musste, besserte sich meine Leistung dagegen drastisch, so dass ich zu den Klassenbesten gehörte … das Thema an sich war also nicht der Grund für schlechte Leistungen in meinen Zeugnissen, sondern die Art und Weise der Vermittlung.

Die insbesondere durch ihre Internetpräsenz prominent gewordene, zierliche und aparte promovierte Chemikerin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim („Mailab“, „Maithink X“, Grimme-Preisträgerin) unternimmt mit dem vorliegenden Buch den Versuch, das Fach Chemie auf seine Alltagsverträglichkeit zu testen und nimmt den Leser dabei mit durch ihren Alltag. Der Titel des Buches ist dabei Programm, denn sie demonstriert schlagend an zahllosen Alltagsbeispielen, unterstützt durch niedliche Grafiken von Claire Lenkova, dass in der Tat „alles chemisch“ ist, was uns im Alltag begegnet.

Das fängt schon an, wenn morgens der Wecker läutet und den Körper – chemisch betrachtet – in den akuten Alarmzustand versetzt. Es geht weiter über Aromen im Kaffee, chemische Reaktionen beim Zubereiten von Spiegeleiern, wir erhalten Einblicke, warum auch ein Handy im Wesentlichen chemisch erklärt werden kann, sowohl von der Zusammensetzung her als auch von seiner Funktionsweise.

Zugleich durchleuchtet Mai Thi auf durchaus sehr humorvolle und kurzweilige Weise, warum es notwendig ist, dass Zahnpasta Fluoride enthalten sollte und wie generell chemische Grundelemente im Periodensystem angeordnet sind, was die Grundlagen für chemische Reaktionen sind und weshalb wir selbst dann, wenn wir insgeheim glauben, Chemie habe damit doch überhaupt nichts zu tun – etwa wenn wir uns verlieben, Leute „nicht riechen können“ usw. – , uns damit munter selbst belügen.

Denn in der Tat, auf äußerst unterhaltsame Weise und durchweg nicht mit belehrendem Zeigefinger versucht die Autorin, uns ein wenig dafür zu sensibilisieren, dass Chemie wirklich überall um uns herum tätig ist und dass es nützlich ist, sich darüber ein wenig auch jenseits der Schulchemie, die – wie einleitend gesagt – oftmals abschreckend war, eine gewisse Neugierde anzutrainieren hinsichtlich der chemischen Natur der Welt.

Ob es um Werbung, Werbetricks, Nahrungsergänzungsstoffe, Konservierungsmittel oder die verschiedenen Sparten der Chemie (organische Chemie, anorganische Chemie, …) geht, den Umgang mit hartnäckigen Vorurteilen oder um vielfach vergnügliche Anekdoten aus der Wissenschaftsgeschichte … das Buch macht einfach Laune und lässt sich wunderbar locker lesen.

Natürlich, das letzte Kapitel kann Menschen, die gern mal ein Gläschen trinken, schon etwas die Laune verhageln … mir als eingefleischtem Antialkoholiker machte es hingegen die Autorin noch sympathischer als ohnehin schon. Denn mit ihren teilweise asiatischen genetischen Wurzeln analysierte sie – chemisch – den Grund ihrer eigenen biologischen Alkoholunverträglichkeit, was ich äußerst spannend fand. Und sie scheute sich auch nicht davor zurück, ausführlich einen unschönen Selbstversuch zu schildern, der sie gründlich von jeder Art von Alkoholgenuss kurierte. Sie tat mir daraufhin schon ein wenig leid … alles Weitere sollte man selbst lesen, es ist wirklich sehr unterhaltsam.

Ich habe verschiedentlich schon das etwas despektierliche Urteil über ihre Podcasts gehört (interessanterweise stets von Leuten, die studiert haben; dieses Buch hier wendet sich ausdrücklich primär an alle jene, die es nicht an Universitäten geschafft haben … aber auch ich als Uni-Absolvent fand es gelungen), sie sei „ein bisschen oberlehrerhaft“ oder „besserwisserisch“. Das fand ich in diesem Buch aber nicht wieder. Hier diskutiert sie auf entspannte Weise auf Augenhöhe mit dem Publikum und entwickelt sukzessive mit langsam ansteigendem Schwierigkeitsgrad die chemische Welt rings um uns, verliert dabei aber, meiner Ansicht nach, nie die Bodenhaftung oder den Kontakt zum Publikum. Das kann man von traditionellen wissenschaftlichen Publikationen oftmals nicht behaupten (auch dazu schreibt sie übrigens einiges an kritischen Bemerkungen).

Mich hat die Lektüre also im Gegenteil durchweg neugierig auf ihre Online-Formate gemacht, und da werde ich sicherlich nächstens mal hineinschauen. Wer ihre Videos sowieso schon mag, dem brauche ich dieses Buch vermutlich nicht zu empfehlen. Wer hingegen bislang nur unklare Vorurteile gegenüber ihr oder dem Fach Chemie gehegt hat, sollte hier mal einen Blick hineinwerfen.

Ich finde, es lohnt sich.

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