Science-Fiction-Story von Uwe Lammers
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Verehrtes Publikum, hochgeschätzte Multiformen, biomorphe Entitäten,
es ist mir eine große Ehre, heute an dieser Stelle einen kleinen historischen Vortrag in diesem Panel des Galaktischen Rates halten zu dürfen. Sehen Sie es mir nach, wenn ich zu einem eher abseitigen Thema Stellung beziehe und eine gern ausgeblendete Begebenheit, die inzwischen gut fünfhundert Jahre zurückliegt, in Erinnerung bringen möchte. Es scheint mir, dass wir dieser Erinnerung heute mehr denn je bedürfen.
Im Nachhinein ist der Historiker geneigt, den letzten Coup der Garranoiden als sträflichen Leichtsinn zu bezeichnen. War doch schließlich die Entwicklung des Planeten Erde in den letzten zweihundert Jahren nur zu gut bekannt.
Aber Verbrecher neigen stets dazu, sich selbst zu überschätzen und nur solche Komplikationen in die Planungen ihrer Coups einzubeziehen, die sie auch schon länger kennen. Der Faktor der Selbstüberschätzung nimmt umso stärker zu, je weniger die allgemeine Demokratie und Polizei fähig sind, ihnen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen.
Der perfekte Plan der Garranoiden unter ihrem Kollektivvorsitzenden Luuyuuon bestand schon seit Jahrzehnten während der 81.993. Kosmopolitischen Sphäre darin, einen vollständigen Schlag gegen die wirtschaftlichen Strukturen von hoch entwickelten Imperien zu führen, und es muss ihnen zugestanden werden, dass sie damit zu dieser Zeit durchschlagende, katastrophale Erfolge erzielten.
Es wäre an dieser Stelle müßig, die zahllosen Erfolge aufzuzählen, die Luuyuuon mit seinem Kollektiv bereits erzielt hatte. Es mag genügen, zu sagen, dass ihretwegen nicht weniger als vierzehn komplette Kleinimperien und weitere achtundzwanzig planetare Demokratien vollständig kollabiert waren, bevor die Galaktische Polizei endlich genügend Kräfte sammeln konnte, um sich an eine gezielte Verfolgung zu machen.
Der uninformierte Hörer, der sich einen Moment lang fragen dürfte, weshalb es so lange dauerte, bis die Fährte aufgenommen werden konnte, muss daran erinnert werden, welcher Art die Garranoiden sind.
Bei den Garranoiden handelt es sich um eine halbenergetische, diffuse Lebensform, die bei Hyperraumexperimenten im Raum um Ahsaa-III freigesetzt wurden und die in planetaren Datensphären von Lebenshabitaten überwinterte, wobei sie eine Art von Intelligenz entwickelte. Lange Zeit führten die Garranoiden ein Schmarotzerdasein, zwar höchst lästig, aber nicht gefährlich. Bis sie eines Tages Kollektivintelligenz entwickelten und einen Drang zur absoluten Gewissenlosigkeit, der ihnen schließlich den Ruf als „Superverbrecher“ einbrachte.
Sie verstanden sehr rasch, worauf sich die planetaren und systemgebundenen Zivilisationen stützten. Auf etwas nämlich, das sie einfach als närrisch empfanden – nämlich auf einen Fetisch, den man allgemein auch Geld nennt. Hauptsächlich wurde es in Form energetischer Gefälleunterschiede in weitläufigen Cyberspace-Netzwerken gebraucht. Die Datennetze großer Imperien spannten sich damals wie heute über ganze Sonnensysteme und Systemcluster, wurden von Transferschiffen und Hyperfunkbaken übertragen und in Relaisketten bis in die entferntesten Winkel der Galaxis transferiert, so dass ein galaxisweiter, vernetzter Handels- und Kreditraum entstanden war.
In diesen Weiten begannen sich die Kollektive nun zu teilen und in ihnen zu vagabundieren. Partielle Teile erwuchsen schließlich zu synthetischen „Führerpersönlichkeiten“, und eine der am höchsten entwickelten war Luuyuuon. Er eroberte sich ein Kollektiv und scharte es in Form einer Familie um sich, um zu neuen Ufern aufzubrechen.
Während sich nämlich die meisten seiner Art damit begnügten, in den behaglich eingerichteten Datenhorten zu parasitieren, gelüstete es ihn nach Höherem. Er hatte einen abstrakten Wert kennen und schätzen gelernt: Macht und Ruhm. Beides konnte er in Gegenden, die von Seinesgleichen bevölkert waren, nicht verwirklichen, doch in Regionen, die ihn nicht kannten, auch seine Art nicht, die Garranoiden an sich also, hier bot sich die Möglichkeit, neue Abenteuer zu erleben.
Dafür musste er natürlich Aufmerksamkeit auf sich lenken, und dies war am besten dann möglich, wenn er die Gesellschaften an ihrer empfindlichsten Stelle traf: beim Geldtransfer.
Die Garranoiden seines Kollektivs spezialisierten sich also auf die Vernichtung von Geld.
* * *
Luuyuuon und seine Gefährten schlugen erstmals in der Netzwaldkolonie von Xeshay zu und vernichteten hier Werte, die vollständig in Energiekredit-Einheiten gespeichert waren. Das angerichtete Chaos war beispiellos, und das Kollektiv hielt sich mehrere Sonnenumläufe im System auf, um das ausufernde Chaos aus der Ferne zu betrachten.
Dann zogen sie weiter und erreichten im Laufe der nächsten Jahre weitere Systeme, sprangen von einer Kultur zur anderen wie Ghaanoy, und sie amüsierten sich dabei köstlich über die verzweifelten Versuche, das Geld zu retten.
Als erste Analysen ihre Identität enthüllten, begann Luuyuuon sogar damit zu prahlen, er sei unbesiegbar, ja, eine Geißel der Galaxis. Und da die galaktische Polizei chronisch finanzschwach und mit veralteter Technik ausgerüstet war, bewahrheitete sich diese düstere Vorhersage des Garranoiden: die galaktische Völkergemeinschaft vermochte es nicht, ihrer Herr zu werden.
Was sie auch für Fallen stellten, sie versagten. Was es auch für Schutzmechanismen gab, sie halfen nur für kurze Zeit, denn die Hyperraumparasiten, wie sie schnell charakterisiert wurden, entwickelten eine ungemeine Phantasie, auch komplexeste Schutzmechanismen zu umgehen, aufzubrechen oder sich sogar selbst einzuverleiben. Jede neue Sperre hielt weniger lang als die vorherige.
Luuyuuon und die Seinen entwickelten sich zu einer ernsthaften Gefahr, und ihn selbst überkam allmählich der Größenwahn, wie eingangs schon erwähnt. Wo immer er erschien, ja, wo er auch nur mit seinem Kollektiv in die Nähe gelangte, setzte nicht selten eine Massenpanik ein und ein ungeregelter Exodus, der geradezu zu Völkerwanderungen führte und jedwede Ordnung zusammenbrechen ließ.
Die Völkergemeinschaft reagierte darauf, indem sie der galaktischen Polizei ein großzügiges Budget bewilligte, allein, um diese Gefahr ein für allemal unschädlich zu machen. In Entwicklungsprogrammen wurden besondere Kugelfeldgeneratoren geschaffen, die ganze Sonnensysteme kavernieren konnten, so dass es den „Superverbrechern“, wie an Luuyuuons Garranoiden inzwischen nannte, unmöglich sein würde, weiter zu entkommen oder, anders gewendet, ihr Unwesen zu treiben.
Dies galt allerdings nur, wenn keine Datenleitungen existierten, die ihnen ein Entkommen ermöglichten. Solche Verhältnisse waren im Zentrum nicht gegeben. Die Garranoiden mussten also zum Rand getrieben werden, und dies dauerte weitere Jahre, eigentlich mehr als einundzwanzig Jahre. Es sei dem Historiker an dieser stelle erspart, welche Rassen wie stark von diesem Kesseltreiben in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es gab in jedem Fall zu viele Opfer.
Zuletzt aber ging der Plan auf, und Luuyuuon zog am Rande der neu erschlossenen Gemeinschaftssysteme herum. Als er in den Randbereich der Galaxis kam, hörte er erstmals vom solaren System der Terraner, und bald ging er davon aus, dass hier ein galaktisches Zentralsystem existierte, weil es so oft in den Meldungen erwähnt wurde, die die Garranoiden nur nach der Häufigkeit der Erwähnungen von Völkern und Individuen durchsiebten. Von galaktischer Politik verstanden sie nie etwas, und diese oberflächliche Informiertheit war es schließlich, die sie zu Fall brachte.
* * *
Luuyuuons Ankunft im solaren System fiel auf den – nach irdischer Rechnung – 1. April des Jahres 2204. Optisch war die Ankunft nicht wahrzunehmen, denn Garranoiden sind Geschöpfe des Hyperraums und somit energetische Wesenheiten. Luuyuuon begann sofort damit, sein Kollektiv auf den Planeten aufzuteilen und die Datensphären von Banken und Institutionen auf Finanzdaten zu untersuchen und sie umgehend zu löschen.
Mit einer gewissen Verwirrung stellte er bald danach fest, dass die von ihm erwartete Panik ausblieb. Ja, selbst die Information in den elektronischen Medien, er sei der gefürchtete Garranoide Luuyuuon und die Geißel der Galaxis, ein Superverbrecher mit seiner großen Vergangenheit … all das blieb wirkungslos.
Wochenlang versuchten die Garranoiden, reichlich verstört, zu ergründen, woran ihre Erfolglosigkeit lag, und womit die Menschen des Planeten Erde ihre Attacke überwanden.
Schließlich lenkten diverse Erwähnungen in den optisch-elektronischen Medien ihre Kenntnis auf das, was die Erdregierung „Finanzreserven“ nannte. Es waren schon fast archaisch zu nennende Finanzmittel aus Hartgeld und Papiergeld sowie Edelmetallvorräte in Barrenform.
Die Garranoiden hatten derlei Vorräte bereits bei einigen anderen Zivilisationen vorgefunden, und bei dem Rückgriff auf diese altmodischen Zahlungsmittel war damals lediglich das entstehende Chaos vertagt worden. Die Garranoiden hatten sich auch auf diese Widerstandsstrategie längst eingestellt. Diesmal also würde das kein nennenswertes Problem darstellen. Auch die Erdlinge würden nach Luuyuuons Schätzung in wenigen Wochen eine kopflose, panische Horde darstellen … er musste nur die physischen Geldvorräte ebenfalls auslöschen.
Hätte er sich besser mit der irdischen Politik ausgekannt und besser über den Grund Bescheid gewusst, weshalb die Erde so häufig am galaktischen Rand in extrasystemischen Kommunikationsnetzen erwähnt wurde, ja, hätte er vielleicht auch nur die Reden des Erdpräsidenten Norodom Shaareikh angehört, dann wäre er möglicherweise mit seinem Kollektiv noch entkommen. Aber, wie erwähnt: Garranoiden kümmern sich nicht um Politik. Dies ist IHRE schwache Stelle …
* * *
Bevor die „Superverbrecher“ damit beginnen konnten, die physischen Geldvorräte der Erde zu vernichten, ereilte sie der Funkruf der galaktischen Polizei, das solare System sei umstellt, und sie sollten sich ergeben. Widerstand sei zwecklos.
Luuyuuon und seine Begleiter suchten natürlich wie stets in solch einem Fall nach einem raschen Ausfalltor aus dem System. Mit einigem Schrecken mussten sie aber erkennen, dass außer dem Kanal, durch den sie hereingekommen waren – er war inzwischen von der Erdregierung gekappt worden – , kein Fluchtweg existierte. Sie waren gefangen im solaren System.
Luuyuuon verlegte sich auf die Erpressung: er werde die Geldvorräte der Erde vernichten, wenn sich die Einheiten der galaktischen Polizei näherten, er werde ein vollständiges Chaos anrichten, die Erde werde sich in ein Tollhaus verwandeln, schon jetzt würden die Erdlinge vor panischer Furcht zittern …
Aber beunruhigenderweise zogen die galaktischen Kampfschiffe ihren Kordon mit den Kugelfeldgeneratoren, die ebenso unsichtbar waren wie die Garranoiden auch, immer enger zusammen.
Luuyuuon verlor die „Nerven“ (was eigentlich ein unpassendes Bild ist, in der Literatur aber häufig verwendet wurde, wenn es um diesen Vorfall ging) und ordnete die Zerstörung der physischen Geldvorräte der Erde an.
Was er angedroht hatte, wurde auch realisiert: im Laufe der nächsten Stunden zerfielen unter dem Einfluss von Millionen herumflirrender, teilstofflicher Garranoiden, denen die physischen Merkmale der irdischen Währungen und Edelmetalle aufgeprägt worden waren, alle Goldvorräte der Welt und sämtliche Metall- und Papiergeldmengen, ob sie sich nun in Privathand befanden oder in Banktresoren. Nichts blieb verschont, nicht einmal vergrabene und vergessene Schätze oder Exponate in Museen, so gründlich waren die „Superverbrecher“.
Die galaktische Polizei kümmerte das offensichtlich gar nicht.
Schlimmer aber erschien die Reaktion der Menschen selbst: sie führten intensive Demonstrationen durch, wobei eigentümliche Plakate mit für Garranoiden unleserlichen Schriftzügen und merkwürdigen Bildern getragen wurden. Nach Panik und Chaos sah das wahrlich nicht aus, und die Reaktion unterschied sich von allen bisher gewohnten auf verstörende Weise.
Es dauerte nur wenige Stunden, bis die Kugelfelder sich in die Atmosphäre des blauen Planeten ausdehnten und weite Teile des Kollektivs einfingen.
Da das Kollektiv mit einer Verringerung der Individuenzahl an Intelligenz verlor, brach der geordnete Widerstand der Garranoiden rasch in sich zusammen, und als die letzten abtransportiert und in Sicherheitsgewahrsam genommen wurden, da schien noch immer niemand von ihnen zu begreifen, was ihnen eigentlich zum Verhängnis geworden war.
* * *
Luuyuuon und die Seinen verstanden es von Anfang an nicht, die galaktische Lage so einzuschätzen, wie sie war. Ihre Vernichtungsstrategie hatte kurzfristig – in kosmischen Maßstäben gesehen – Erfolg, musste aber aufgrund von Informationsdefiziten, die für Abwehrstrategien Lücken boten, scheitern.
Dennoch war es das Element Zufall in Gestalt des Erdpräsidenten Norodom Shaareikh, das schließlich vor der Zeit Luuyuuons Karriere beendete. Wenn er sich die Mühe gemacht hätte, zu analysieren, warum der Name des Planeten Erde so häufig erwähnt wurde, hätte er vielleicht die Falle erkannt und Folgendes herausgefunden:
Im frühen 22. Jahrhundert war die restlos überbevölkerte Erde von einer Gruppe Sholker besucht worden, die der Erde einen mächtigen Kulturschock verpassten und zudem eine Reihe exotischer galaktischer Seuchen einschleppten. Unabsichtlich, natürlich, aber bevor die schiffbrüchigen Sholker von der Erde wieder abgeholt werden konnten, vergingen fast zehn Jahre, und das reichte aus, um mehr als drei Milliarden Menschen zu töten.
Die daraufhin grassierende Xenophobie spülte im Laufe der kommenden Jahrzehnte radikalpopulistische Politiker an die Macht, die eine Art von Ultra-Kommunismus predigten und die Welt in eine klassenlose Gesellschaft umzuformen verstanden, geeint durch eben diese massive Xenophobie und die erlittenen Verluste durch Aliens.
Es gab zwar in Bombay, der Welthauptstadt, eine Relaisstation zum galaktischen Bund, aber keinerlei Botschaften. Schrittweise wurden die Kontakte zur restlichen Galaxis immer weiter abgebaut, und die Erde galt bald als ein Musterbeispiel für erschreckende Rückständigkeit. Dies führte dazu, dass sie ständig in Sendungen als Negativbeispiel erwähnt wurde, und diese Sendungen empfing schließlich das Garranoiden-Kollektiv, das sie völlig falsch interpretierte.
Zu Beginn des 23. Jahrhunderts predigte Norodom Shaareikh, dass die Erde, um die „galaktische Geißel“ (die Völkergemeinschaft!) völlig abzuschütteln, in den Zustand des „heiligen Ur-Kommunismus“ zurückfallen müsse, und dass man dazu „jenen rudimentären Rest der kapitalistischen Strukturen der Vorzeit“ abwerfen solle: das Geld.
Es war lediglich noch kein geeigneter Anlass gefunden worden, um zur planetaren Naturalwirtschaft zurückzufinden. Auf groteske Weise lieferte Luuyuuon den rückschrittlich orientierten armen Menschlingen jenes Motiv für die Rückkehr in die währungspolitische Steinzeit.
Nach der Vernichtung des Geldes – das mit den „feindlichen imperialistischen Raumschiffen dieser menschenfressenden galaktischen Bestien“ (Shaareikh) der galaktischen Polizei in Verbindung gebracht wurde – brachen die Menschen den Kontakt mit uns ab und versanken in der durch den galaktischen Bund geschützten Isolation. Das Sonnensystem unterliegt nach wie vor auch nach fünf Jahrhunderten genauester Beobachtung, aber bislang gab es keinerlei Versuche von dort, wieder Kontakt aufzunehmen oder auch nur erneut mit der Raumfahrt zu beginnen.
So führte auf paradoxe Weise Rückschrittlichkeit dazu, die größte galaktische Gefahr der modernen, multiethnischen kosmischen Zivilisationen, jene durch die Garranoiden nämlich, wirkungsvoll für immer auszuschalten.
Vielleicht sollten wir Historiker von heute also endlich beginnen, darüber nachzudenken, ob unsere Vorgängergenerationen nicht Unrecht hatten, als sie einerseits den Lobgesang auf das Geld und die Segnungen der kosmischen Kultur, andererseits aber den Hohngesang auf die archaische, ja, rückständige Erde anstimmten. Das Gestern, so sehe ich es wenigstens, und mit dieser Bemerkung möchte ich schließen, mag uns möglicherweise noch viele nützliche Erkenntnisse für die Zukunft zu zeigen.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
ENDE
Rosalinda Kilian
7. November 2023 — 7:51
Hallo Uwe,
mir hat diese Geschichte abseits vom Mainstream gut gefallen, thematisiert sie doch etwas, das in Sci-fi-Universen aller Art gerne vernachlässigt wird: Finanzen & Wirtschaft.
Außerdem fand ich die Spezies der Garranoiden sehr originell.
Auch die Lösung des Problems passt gut: man verzichtet auf das, was die Garranoiden sowieso vernichten … 🙂
Liebe Grüße
Rosalinda Kilian
Uwe Lammers
8. November 2023 — 12:26
Liebe Rosalinda,
vielen Dank für deine Kommentare zu meiner Story. Ja, in der Tat ist es eine etwas andere Geschichte, als sie Mainstream in der SF ist. Ist dir das Datum aufgefallen, an dem die Garranoiden die Erde erreichten? Das wurde nicht ohne Grund so gewählt. Ohne Frage hat das die Glaubwürdigkeit der galaktischen Behörden bei der irdischen Regierung zusätzlich untergraben (wer glaubt schon an Aprilscherze?).
Weitere Geschichten werden den Weg ins WoC finden, dasselbe gilt für Rezensionen zu interessanten neuen und älteren Werken aus dem Buchmarkt und Filmsektor.
Herzliche Grüße,
dein Uwe.
Tiff
10. Dezember 2023 — 14:44
Hallo, Uwe.
Das nächste World of Cosmos steht an, also allerhöchste Zeit, auch hier endlich einen Kommentar dazulassen.
Vorweg: Ja, die Geschichte hat mir gefallen. Nummer zwei: Ich bin mit Deinem Fazit nicht einverstanden. Das ändert natürlich weder etwas daran, dass Du die Geschichte konsequent stilistisch gleich erzählst, noch die grandiose Idee, welche dahinter steht. Sie hat Spaß gemacht zu lesen, und die Süffisanz des Forschers bei seiner Erklärung tut ihren Teil dazu bei, das “Negativbeispiel” neu zu bewerten.
Da Du ein gestandener Autor mit riesiger Erfahrung bist, äußere ich meine Kritkpunkte gleich hier, und nicht in einem separaten Brief.
1) Die Goldvorräte vernichten? Da haben wir schon den ersten Haken, enthält doch sogar der menschliche Körper Gold als Spurenelement. Alles Gold als vernichtet zu bezeichnen ist also ein klares technisches Problem. Tatsächlich weiß ich gerade nicht, ob das Gold für den Menschen unverzichtbar ist, oder nur ein Zufall.
2) Man ist gewillt, hier eine Wandlung zu sehen wie bei Star Trek. Die klassenlose, geldlose Gesellschaft, in der jedem alles gehört, und niemandem nichts. Aber Du schreibst ja selbst, dass die Erde nur zur Tauschgesellschaft zurückkehrt, für die Geld ja das Medium des sicheren Transfers ist.
3) Was uns zum letzten Punkt bringt. Wenn es sich nicht um eine besitzlose Star Trek-Zivilisation handelt, dann vernichtest Du mit Geld, Gold und Silber (und Kupfer) nur das Surrogat, nicht aber den Handel selbst. Bereits heutzutage kommt es durchaus vor, dass Güter gegeneinander getauscht werden, und nicht etwa Geld als Surrogat eingesetzt wird. Das ist alles eine Frage der Verhandlungen, und es ist keinen Schwankungen des Währungswertes ausgesetzt.
Tatsächlich ist Geld als Medium, wie wir es gerade nutzen, extrem anfällig für Manipulationen. Aber Kommunismus ist nur dann eine Lösung, wenn es Star Trek-Kommunismus ist. Ich weiß, dort machen Replikatoren, die jedem jederzeit alles herstellen können, Geld und Besitz überflüssig. Aber bereits in der Classic-Serie war es mit den Möglichkeiten des Raumschiffs Enterprise unter Kirk absolut problemlos, synthetisch un unbegrenzter Zahl Edelsteine und Halbedelsteine zu produzieren, gerne auch mit kleinen Schäden und Luftblasen, um sie “echter” ausschauen zu lassen.
Der Weggang vom Geld zum Tauschhandel verbessert also nicht wirklich etwas, und ein neues Surrogat muss gefunden werden, wenn man nicht mit frisch beschlagenen Schuhen seine Morgenbrötchen bezahlen will. Kommunismus hat versucht, eine Regulanz zu finden, und hat trotzdem Geld benutzt. Ultrakommunismus und Planwirtschaft erscheint mir ebenso zum Scheitern verurteilt.
Alles in allem eine schöne Geschichte mit einem gut umgesetzten Thema und einer vorab schon erahnbaren Pointe. Also, dass die Garranoiden gefangen werden, nicht, wie die Menschen das angestellt haben. Das war dann doch eine Überraschung.
Gerne mehr davon.
Viele Grüße,
Tiff
Uwe Lammers
10. Dezember 2023 — 19:51
Lieber Tiff,
danke für deinen ausführlichen Kommentar zur Story “Die Superverbrecher” (wie sie ja korrekt heißt, da die Garranoiden in toto gemeint sind). Ich freue mich über die kritischen Anmerkungen und gehe sie am besten mal der Reihenfolge nach durch:
1) Dein Einwand ist stichhaltig. Gemeint war in der Geschichte im Wesentlichen jenes Gold, das schon als Währungsmittel Verwendung findet oder im Rahmen ökonomischer Möglichkeiten (Vorkommensgröße usw.) diesem Zweck dienen kann. Gold als Spurenelement in lebenden Organismen war hierin nicht inbegriffen, da hätte ich vielleicht präziser werden können. Aber wenn man umgekehrt bedenkt, vor welchem Forum der Referent seine Geschichte erzählt, hätte dir auch klar sein können, dass derartige Gold”mengen” nicht gemeint waren und du hier ein wenig päpstlicher als der Papst wertest.
2 und 3) Ja, die Erde kehrt unter dem ideologischen Verdikt der ursozialistischen Regierung zu einer Art Tauschwirtschaft zurück. Ich denke, der Referent machte deutlich, dass dies eine eher absurde Form von Isolationismus ist, und ich glaube, es wurde auch deutlich, dass diese “neue” Gesellschaftsform nicht wirklich etwas Erstrebenswertes oder Zukunftsgerichtetes ist. Dass sie, wie du richtig sagst, im Grunde genommen keine Abkehr vom Kapitalismus ist, sondern nur zu einer Form von Natural-Urkapitalismus zurückkehrt, der in der Umsetzung doch langfristig nicht zielführend ist, kam, denke ich, auch recht deutlich zum Ausdruck. Die Star Trek-Variante einer geldlosen Gesellschaft ist da doch etwas gänzlich Anderes.
Da sind wir also beide durchaus nahe beieinander. Ich würde auch prognostizieren, dass die isolationistische irdische Gesellschaft spätestens nach 1-2 Generationen erkennt, auf welchem ökonomischen Holzweg sie ist und zu praktikableren Methoden des Handelns (z. B. über Papiergeld, Wechsel- und Darlehenswirtschaft usw.) zurückkehrt. Aber das war nicht mehr Teil des Referates. Es steht dir natürlich frei, darüber zu berichten. Ich selbst habe das nicht vor.
Hm, ob es mehr Geschichten dieser Art geben wird? Schauen wir mal, was ich noch so nächstens an Beiträgen für WoC finde.
Oki Stanwers Gruß,
dein Uwe.
Tiff
12. Dezember 2023 — 23:40
Hi, Uwe.
Zu 1): Auch die größeren natürliche Vorkommen zu vernichten wäre möglich, aber der Aufwand, der Aufwand… Ich habe gerade recherchiert, dass im Goldabbau fünf Gramm auf eine Tonne “taubes” Gestein wirtschaftlich ist, teilweise sogar nur ein Gramm. Bedeutet, die weit größeren Vorkommen sind noch dünner gesät.
Ignorieren wir also diesen Punkt einfach als “Teil des Vortrags”, obwohl ich beim Schreiben ein Verfechter des Rollenspielgedanken bin. Nur was gesagt wird, ist auch passiert. Aber ja, hast Recht, da werde ich definitiv zu kleinteilig. ^^b
2)+3) Das Problem des Superkommunismus ist halt die Planung, und dass es nicht wirklich eine Abkehr vom Geld ist.
Die Star Trek-Utopie funktioniert dann auch nur, weil sie sich nicht vollkommen vom Gold und Geld abwenden, sondern in der Lage sind, ohne große Kosten jedermanns und jederfraus Bedürfnisse zu befriedigen. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Genug Nahrung, genug Wohnraum, genug Technologie … Privatshuttles, da wird es schon schwieriger, aber hey, hier beginnt die klassenlose und Geldlose Gesellschaft.
Nein, ich werde es nicht fortsetzen. Du weißt doch, was ich selbst schon für einen Riesenhaufen an Stories habe, die ich mal beenden sollte. Und da stehen auch schon weitere Großprojekte in der Pipeline. Nun. Nun ja.
Viele Grüße,
Tiff