Das fantastische Fanzine

Die militärische Welt des Perry Rhodan in den letzten vierzehn Jahren

Ein Perry-Rhodan-Hintergrundartikel von Alexander “Tiff” Kaiser

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Um das mal klarzustellen, und das von vorneherein – ich lese Perry Rhodan sehr gerne, auch wenn ich meist ein paar Hefte hinterherhinke. Bis auf eine Lücke zwischen 1150 und 1490 habe ich alle gelesen und bin auch nahe dran an der aktuellen Auflage. Nur um einerseits klarzustellen, dass ich weiß, wovon ich rede.

Und auch um andererseits klarzustellen: Hier geht es um einen Verriss. Einen Groben, mit Gedächtnisprotokoll untermauerten Textpassagen, die ich daher nicht eins zu eins zitiere. Denn es gibt eines, was die aktuellen Perry Rhodan Autoren der letzten zehn Jahre nicht können, und das ist

  • Militär
  • Raumkampftaktiken
  • Waffen
  • Kampftaktik

Eigentlich ärgere ich mich schon sehr lange darüber, dass das Wissen über einen ordentlichen Raumkampf, selbst über ein kleinliches Scharmützel, oder auch nur ein Gefecht zwischen Robotern entweder überhaupt nicht beschrieben wird, oder aber so unsinnig, dass mir die Ohren schlackern.

Begonnen hat es eigentlich folgendermaßen: In Band 2500, Titel „Das Saturn-Projekt“ (gerade frisch in der Wikipedia nachgeschlagen), werden die sogenannten Polyporthöfe entdeckt, genau gesagt einer, und der wird im Orbit um Saturn zwischengelagert. Eine Horde von Wissenschaftlern ist dazu abgestellt, ihm seine Geheimnisse zu entreißen, und eine noch größere Horde Elite-Raumsoldaten dafür, um die Wissenschaftler und den Hof zu beschützen.

In einer Szene lässt Frank Borsch Perry Rhodan tatsächlich zu einem Wissenschaftler sagen, dass die Raumsoldaten entbehrliches Kanonenfutter sind, nur dazu da, die Forscher zu beschützen.

Da saß ich also und war baff. So etwas aus Perry Rhodans Mund? SOLCHE WORTE? Ausgerechnet Perry Rhodan spricht so despektierlich über Soldaten? Okay. Äh, nein, okay ist das nicht, aber ich las weiter.

Dann erfolgte die Attacke der Frequenzmonarchie, die den Bahnhof nach seiner Reaktivierung ortete und sofort mit dem Transfer einer Besatzungsmacht begann. Was sich dabei alles abspielte, kann ich en détail nicht mehr sagen, aber dieses Tohuwabohu eine Schlacht, oder wenigstens nur ein Gefecht oder ein Scharmützel zu nennen, wäre zu schmeichelhaft gewesen. Versteht mich nicht falsch, der Frank kann schreiben, und der Rest des Romans ist ja auch gut, aber da klappten mir halt zweimal die Zehennägel hoch.

Dankenswerterweise beschränkte sich Frank dann auch darauf, den Kampf eher lose zu schildern, anstatt auf Details einzugehen, und begnügte sich dann auch mit dem vermeintlichen Tod des Anführers, damit er reinkarnieren konnte. Die übliche Taktik der Führungskräfte der Frequenzmonarchie.

Nun hat Rhodans Äußerung nicht so viel mit Taktik zu tun. Aber die Formulierung hat mich quasi angespitzt, und seither achte ich auf ähnliche Dinge. Gerade auch, weil Franks Kampf um den Hof danach so lala war. Ich sag’s Euch gleich, jetzt beginnt der Gedächtnis-Teil.

War der Tradom-Zyklus noch ganz gut dabei – legendär die Erfindung und der Einsatz der „Affengift“-Kanone der USO gegen die eigentlich unbezwingbaren Katamaran-Raumer (Aglazare) der Tradomer – so nahm es in die Moderne qualitativ und logisch immer mehr ab.

Es begann damit, dass die Autoren kein Verständnis für die Technologie hatten. Weder für die Raumfahrttechnologie und warum sich das Perry Rhodan-Universum nur teilweise an die Naturgesetze halten muss, noch für die Waffentechnologie. So erinnere ich mich an eine Szene, aber nicht mehr an den Roman, in dem ein Trägerschiff sämtliche Beiboote in einem Raumkampf ausschleuste. Sogar die Shifts … sacken lassen.

Die SHIFTS! Verdammte Axt, das sind Kampfpanzer! Flugfähige Kampfpanzer mit Ketten! Mit Feldantrieb, und ich glaube, in die höheren Schichten einer Atmosphäre schaffen sie es auch, aber sie wegen ihrer Feuerkraft im Weltall mitten in einem Gefecht auszuschleusen, wo sie wahrlich nichts verloren haben, das ist schon eine starke Nummer. Da fragt man sich schon, wer das letzte Mal drüber liest. Mir wäre das nicht entgangen. Wenn sie sich wenigstens auf der Außenhülle magnetisch verankert hätte, wäre es ja ein genialer Zug geworden. So aber …

In anderen, viel zu vielen Fällen verstehen die Autoren einfach nicht, mit welchen Distanzen gearbeitet wird. Was es bedeutet, wenn eine Waffe eine Kernschussreichweite von sechs Millionen Kilometern hat, und was diese Entfernung überhaupt bedeutet. Oder die schiere Größe eines beliebigen Orbits. Wenn also eine Flotte einen Planeten umkreist und einkesselt, wie viel Platz da zwischen den einzelnen Schiffen noch ist, selbst wenn man fünftausend Exemplare der BASIS da hätte, dazu zehntausend SOLs und die GILGAMESCH noch mal fünfzigtausendfach obendrauf.

Im gleichen Atemzug, in dem die Autoren das nicht verstehen, sehen sie das andere Bild nicht. Nämlich die Schutzschilde, die oftmals in mehreren Schichten in großem Abstand aufgespannt werden müssen. Wenn man mehrere Schilde hat, liegen da schon mal Kilometer zwischen, um Interferenzen zu vermeiden. Die lassen sich sogar noch weiter ausbreiten, sodass dann doch eine planetare Blockade gelingt – durch sich überschneidende Schutzschirme. Das Gleiche gilt natürlich auch für ganze Flotten, wenn sie im Verbund kämpfen. Auch die Schirme sind dann verbundgeschaltet, aber, zur Ehrenrettung einiger Autoren – einige haben das verstanden und verwenden es auch. Ja, der Bereich hier fällt unter Taktik.

Was mir zudem große Bauchschmerzen bereitet, ist der Einsatz der Kampfroboter. Auch hier, eine Ahnung über die Fähigkeiten der Maschinen wäre schon schön, sowie der daraus resultierende taktische Einsatz derselben. Wenn ich von Tara-Inside lese, schön und gut, aber im Grunde ist es Blödsinn, denn jeder Tara, der innen eingesetzt wird, ist inside. Auch die Größe spielt hier keine Rolle, denn wenn der Angreifer durch Wände schießt oder diese einreißt, sollte der Verteidiger das auch können. Speziell auf Korridorkampf in Gebäuden abgestimmte Kampfroboter machen also keinen Sinn. Dagegen konnte der Tara-X-T, also das Ding, das aus mehr Modulen besteht als Madame Ratgeber, sowohl taktisch als auch in der Beschreibung gefallen.

Das bringt mich aber gleich zu einem weiteren Punkt, nämlich diese Doktrin, einen TARA mit einem Raumlandesoldaten in Warrior-SERUN im Zweierteam einzusetzen. Da frage ich: Warum?

Ich will es mal anders formulieren. Würdet Ihr, liebe Autoren, einen Soldaten auf einem Motorrad, bewaffnet mit einer Uzi, im Verbund mit einem Leopard II A8 einsetzen, als Partner, nebeneinander, meinetwegen der Motorradsoldat mit kugelsicherer Körperrüstung? Wenn Ihr „nein“ denkt, dann seid Ihr auf dem richtigen Weg. Denn das ist, was ein Terraner-Roboter-Gespann ist. Der Tara ist eine hochgezüchtete Waffenplattform mit schweren Geschützen und entsprechenden Schilden. Ein Sturmbrecher, ein durch die Wände-Geher, ein Rammbock. Der Raumsoldat ist ein elegant geführter Dolch, flink, wendig, geschmeidig durchs Gefecht fließend.
Warum also zwei so ungleiche Partner aneinanderbinden?

Meine Empfehlung, weil ich das Thema gerade aufgebracht habe: Die Operateure wieder einführen. Einen einzelnen Offizier, der eine bestimmte Gruppe von Robotern kommandiert. Die Raumsoldaten in ihren Warrior-SERUNs können durchaus mit ihnen zusammen kämpfen, aber eben wie Raumsoldaten und nicht als Anhängsel der Roboter. Zugleich müssen die Roboter auch nicht übertrieben Rücksicht auf „ihren“ Soldaten nehmen und können ganz anders agieren. Viel offensiver. Zugegeben, das ist meine Version von taktischem Verständnis.

Natürlich ist es schwierig, in einer fiktiven Welt eine Szene zu beschreiben, gerade etwas so Komplexes wie eine Schlacht oder einen Kampf. Aber man kann sich über die Fähigkeiten der Schiffe, der Einheiten und der Waffen bewusst sein. Ich fand es übrigens immer gut geschildert, wie das KorraVir genannte elektronische Virus mal einen Trupp SolAb-Agenten mit Fee Kellind quasi aus ihren syntronikgesteuerten Kampfanzügen geschält hatte, sodass diese in Funktionsunterwäsche weiterkämpfen mussten. Ich meine, die Idee mit einem Virus nach zweitausend Jahren Computertechnologie war Mist, aber immerhin war es gut umgesetzt, und die Konsequenzen für die gesamte Syntron-Technologie gut rübergebracht.

Man kann also, um zurück zum Punkt zu kommen, durchaus über die Fähigkeiten des Materials, der Schiffe und der Waffen informiert sein, um sie wenn schon nicht optimal, so doch zumindest realistisch einzusetzen. Siehe oben die Tara-Kampfroboter.

Das gilt natürlich auch für Schiffe. Ein zweieinhalb Kilometer durchmessender Träger mit Dutzenden Korvetten und Space Jets an Bord ist ein ganz anderes Ding als ein schlichter, hundert Meter durchmessender Städte-, oder Staatenkreuzer. Wo der Ultraträger eine eigene Flotte ist, sind die Kreuzer flinke kleine Halunken mit irrwitzigen Beschleunigungswerten, die schon wieder weg sind, bevor sie überhaupt auf dem Hyperraumradar auftauchen.

Was also tun? Keine Raumschlachten mehr beschreiben? Keine Gefechte, keine Einsätze? Gerade habe ich zwei Romane gelesen, die auf diesem Gebiet nicht unterschiedlicher sein können. Einmal Homer gefangen in den Subebenen von Terrania von Michael Marcus Thurner, das andere Mal Shema Gessow mit ihrer besonderen Hyperraumnischengabe, wobei ich den zweiten Teil von Christian Montillon meine.

Ganz zum Ende des Thurner-Romans lässt einer der Protagonisten, dieser in sich selbst verlorene Schlachtenfan, seine Zinnfiguren, die anderswo durch Massenansammlung gewaltige Roboter bilden, eine Schützenreihe vor Homer bilden im Versuch, ihn zu ermorden, bevor er gerettet werden kann. (Btw, den Vize-Admiral der Flotten betreffend, wie offensichtlich wollt Ihr den aktuellen Kopf der Lichtträger machen, liebe Exposé-Autoren?)
Dabei schießen die Zinnies ihre Gewehre ab und versuchen, Homer mit ihren Bajonetten zu erdolchen.

Leute. Kugeln bedeutet Masse. Masse. Das bedeutet, selbst auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt, was kann da ein Viertelgramm Blei an Masse aufbauen? Egal wie oft die Zinnies einen Volley abfeuern, diese Kugeln sollten in Homers Haut stecken bleiben, ohne Wunden zu verursachen, wenn sie nicht gleich abprallen. Und die Bajonette der napoleonischen Kriege waren lange, dünne Spieße. Die können in die oberen und mittleren Hautschichten eindringen, aber nicht lebenswichtige Organe erreichen, wie es damals gewollt war. Nun, okay, die Zinnies könnten versuchen, Adern zu durchtrennen. Aber das wäre nicht sofort tödlich, das käme auf Verbluten raus. Haben sie aber nicht gemacht.

Für mich ist Schreiben da wie Rollenspiel: Was nicht geschildert wird, passiert auch nicht. Punkt. Und Homer sollte angeblich durch die vielen Bajonettstiche gestorben sein. Nö. Geht einfach nicht. Richtige Bajonette sollten nämlich durchaus vital wichtige Organe treffen. Davon sind die Minidinger der Zinnies aber weit entfernt, außer: Schlagadern. Genau. Und dann ist da die Frage, ob die Zinnies überhaupt genug Kraft aufbringen, um diese zu durchtrennen. Tja, nun. Es wurde nicht geschrieben, sorry, Michael.

Was habe ich also am Roman in der Whirlpool-Galaxis von Christian, nicht dem von Susan, zu loben? Den Einsatz der Deflektorschilde und die Erkenntnis, dass dieser im Regen nicht viel nützt. Das Wissen um die ortbaren Emissionen.

Das Verhalten eines SERUNs im Gefecht und auch während einer längeren Flugphase. Lobenswert umgesetzt. Ich kann ja nicht immer nur schelten.

Natürlich ist hier auch das Gefecht zwischen Grabräubern und Weißem Konvoi nicht geschildert, nur erwähnt worden, aber letztendlich ist das Scharmützel nicht so wichtig, also vernachlässigbar. Dafür bleibt eine adäquate Zufriedenheit mit dem Umgang mit dem SERUN-System. Für dieses Mal.

Übrigens, als Shema meinte, sie würde sich als Grabräuberin verwegen fühlen, fürchtete ich schon, sie wolle jetzt desertieren oder würde von einem Suggestor bearbeitet, aber das hat sich glücklicherweise schnell erledigt.

Was nun? Das Fazit.

Meckern kann ja jeder. Aber was meckern von konstruktiver Kritik unterscheidet, das sind Vorschläge. Für meinen Part heißt das, dass ich aus meinem bisherigen Leseschatz einige Beispiele, Autoren und Serien nenne, die durchaus als Lehrstück für die Perry Rhodan-Autorencrew dienen können.

(Meine eigene, im Eigenverlag erschienene vierbändige Für den Kaiser-Reihe möchte ich hier kurz erwähnen. Ich denke, dass ich sowohl die Raumschlachten als auch die Bodeneinsätze gut rüber gebracht habe.)

Zuallererst für die Raumschlachten möchte ich die Honor Harrington-Reihe von David Weber empfehlen. Das ist eine ganz andere Technik als bei Perry Rhodan und daher auch eine ganz andere Taktik. Aber das how you do it ist hier sehr leicht zu verstehen und zu adaptieren.

Das Gleiche gilt für Kämpfe, Infanterie-Gefechte und dergleichen bis hin zur Panzerschlacht. Hierfür empfehle ich Tom Clancy. Auch hier gilt: andere Technik, andere Taktik. Aber das Verständnis für den Technologielevel, und wie er umgesetzt und geschildert werden muss, das hat er sehr gut im Griff.

Mein Fazit: Von beiden Autoren kann man – in dem Fall die Perry Rhodan-Autoren – lernen.

Aber das ist noch nicht das Ende meines Rants. An dieser Stelle möchte ich alle, die diesen Text lesen, dazu auffordern, weitere Autoren/Bücher zu empfehlen, die auf den Gebieten Taktik, Strategie und Raumschlachten helfen können, flüssiger zu werden. Denn ich weiß ja, dass es hier nicht endet, dass es weit mehr erwähnenswerte Autoren gibt, die das, was mir bei den Perry Rhodan-Autoren fehlt, beherrschen. Alleine Heinlein. Oder die Barrayar-Romane von Bujold. Oder die Drachenromane der Termeraire-Saga von Bujold McMaster, die viel über Technologie und Taktik lehren. Ich bin sicher, ich weiß, es gibt noch viel mehr. Nun liegt es an Euch, liebe Leser.
Ich danke im Voraus.

Mein Schlusswort: Abgesehen von diesem Aufreger, der mal raus musste zwölf Jahre nach dem Borsch-Roman, lese ich wirklich, wirklich gerne Perry Rhodan. Echt jetzt. Auf die nächsten zweiundsechzig Jahre. Und für Roland und Robert Corvus: Nein, zu diesem Zeitpunkt habe ich den folgenden Doppelroman aus seiner Feder noch nicht gelesen, aber Roland hat die beiden Bände angesichts meines Verriss hoch gelobt, und deshalb bin ich gespannt.

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