Heyne 3653 (1980)

288 Seiten, TB

Aus dem Amerikanischen von Ronald M. Hahn

ISBN 3-453-30567-0

Samuel Longhorne Clemens hat einen Traum, als er nach seinem Dahinscheiden im Jahre 1910 mit nicht geringer Verblüffung auf der Flusswelt erwacht, jenem künstlichen Planeten, den die weit überlegene Rasse der „Ethiker“ erschaffen hat, um an den Ufern des Millionen Kilometer langen Flusses gut 36 Milliarden Menschen aus allen Zeitaltern seit Entstehung der menschlichen Spezies wieder ins Leben zurückzurufen. Dieser Traum, den Sam Clemens hat, ist der eines Flussschiffers: er will das größte, prächtigste Schiff bauen, das jemals auf dem längsten Fluss des Universums gefahren ist, den ersten Schaufelraddampfer dieser Welt.

Diesem Traum stellen sich einige reale Probleme entgegen. Zwar findet er Gleichgesinnte, die ihn in ihren Schiffen mitnehmen, angelockt von der Begierde, Metall zu finden, das auf der Flusswelt Mangelware ist. Doch diese Leute sind Wikinger unter dem brutalen Erik Blutaxt, der Sam nur deshalb am Leben lässt, weil er dessen Lüge glaubt, zu wissen, wo es Erz gäbe.

Sam hat aber keine Ahnung. Und IHN wiederum schützt vermutlich nur seine Freundschaft zu „Joe Miller“, dem einzigen bekannten Titanthropen, einem Urmenschen aus der Gegend des Polarturms, den dieser sogar selbst schon gesehen hat – als Pfadfinder einer Expedition von frühen Ägyptern unter dem Kommando von keinem Geringeren als ECHNATON!

Doch das Problem löst sich auf katastrophale Art und Weise: ein gewaltiger Metallmeteor durchdringt die Atmosphäre und schlägt im Flusstal ein, bringt Millionen Menschen um und auch fast Sam Clemens. Diese Kollision bringt einiges durcheinander, und die Ethiker werden zum direkten Eingreifen gezwungen.

Auf die Einschlagstelle, die dadurch spurlos verschwindet, macht Sam ein „geheimnisvoller Fremder“ aufmerksam, der ihm in der Nacht erscheint. Ein ominöser Schemen, der mit jenem identisch zu sein scheint, den Richard Francis Burton im ersten Band „X“ genannt hat. Er sagt Clemens, dass er dessen Plan, ein Flussschiff zu bauen, nachhaltig unterstützt und dass er ihm entsprechende Hilfsmittel – Lagerstätten von Erzen und Feuerstein – in der Nähe „platziert“ habe. Sam kann so ein kleines Staatswesen aufbauen. Er nennt es später Parolando.

Nachdem er sich in einem Zwist militärischer Natur um die Erzlagerstätte seines gefährlichen Verbündeten Blutaxt entledigt hat, dafür aber einen neuen Kompagnon einhandelte, der sich als John Lackland herausstellte, einen Verwandten des britischen Königs Arthur, einen notorischen Intriganten und Lügner, kann er endlich anfangen, das Erz zu fördern und mit Vorarbeiten für den Schiffsbau zu beginnen.

Sie sind langwierig, dauern Jahre, denn inzwischen haben sich andere Staaten ringsum etabliert, und die vom Ethiker versprochenen Rohstoffe sind auf diese Staaten ungleich verteilt. Irgendetwas scheint bei der „Verteilung“ schief gelaufen zu sein, ein weiteres Zeichen dafür, dass die Ethiker keineswegs perfekt sind. Die Folgen sind umfangreiche Verträge, die nach einiger Zeit auf Metallwaffen gegen Bauholz, Bauxit und Feuerstein hinauslaufen.

Und so gerät Parolando mitten in die Wirren heftiger politischer, sozialer und militärischer Konflikte …

Die Stärke dieses zweiten Flusswelt-Romans liegt definitiv in der Darstellung verschiedenster Gesellschaftszustände. Solch schillernde Personen wie Clemens´ verstorbene Frau Livy, wie Cyrano de Bergerac, die aus dem ersten Band bekannte, damals noch kindlich kleine Keltin Gwenafra, Lothar von Richthofen und andere bringen starke psychische und soziale Bewegungsmomente in dieses Buch ein, doch insgesamt kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht an den ersten Teil heranreicht – vermutlich auch wegen der brutalen Zäsur, die der abrupte Wechsel der Hauptperson erforderlich machte.

Burton kommt in diesem Band nur noch in Erwähnungen vor, nicht als Handlungsperson. Dafür erfährt man durch die Figur des schrecklich lispelnden Riesen Joe Miller (was ihn fast zu einer komischen Figur macht) mehr über den Polsee und den Turm der Ethiker. Man erfährt, dass der auserwählten „Gruppe der Zwölf“ neben Burton und Samuel Clemens alias Mark Twain auch Odysseus, ein kanadischer Trapper namens Johnson und ein Ingenieur des späten 20. Jahrhunderts, Firebrass, angehören.

Farmer bringt zwar die Handlung insofern voran, als er die Handlungspersonen-Vielfalt erhöht, aber sonst leistet er wenig Beitrag zur Lösung des großen Geheimnisses um die Ethiker. Details des Plans werden nicht bekannt, nur dass die „Zwölf“ sich dereinst auf den Weg zum Polarsee machen sollen, wo sie erfahren werden, wie sie das Experiment der Ethiker zum Besseren wenden können.

Aber es tauchen auch hier schon Zweifel auf: Mal erscheint der Fremde als Mann, mal als Frau. Versucht ein Ethiker hier, die Menschen und seinen intriganten Artgenossen zu verunsichern und zu verwirren? Verfolgt der geheimnisvolle Fremde tatsächlich das Ziel, die Lage der Menschheit zu verbessern? Oder will er sie vernichten?

Mehr zu diesem Thema erfährt der neugierige Leser erst in Band 3: „Das dunkle Muster“ …

© 1998/2025 by Uwe Lammers

Braunschweig, den 23. Juli 1998

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