Zyklusrückblick von Roland Triankowski
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Hiermit präsentiere ich die ultimative Liste der fünf besten Romane, Autor:innen, Charaktere, Alienvölker und Raumschiffe des just abgeschlossenen Chaotarchen-Zyklus’.
Am 9. Dezember – für eBook-Leser bereits am 8. und für einige besonders Privilegierte sogar schon am 7. – endete der Perry-Rhodan-Zyklus “Chaotarchen” (der Handlungsabschnitt von Band 3100 bis 3199) in einem fulminanten Finale aus der Feder von Andreas Eschbach. Da ich mit Band 3000 nach langer Pause wieder in die Erstauflage eingestiegen bin, ist es bereits der zweite Zyklus, den ich mitlese. Im Gegensatz zum Vorgänger “Mythos” (Band 3000 bis 3099), bei dem ich mir noch etliche Leselücken erlaubt hatte, habe ich diesen Handlungsabschnitt nahezu komplett gelesen. Meine Bindung an Serie und Fandom haben sich in dieser Zeit wieder enorm gefestigt, ich bin wieder voll dabei.
Auch dies spricht dafür, dass es ein recht gelungener Zyklus gewesen sein muss. Zumindest hat er mir gut gefallen, was vor allem an den hervorragenden Einzelromanen gelegen hat. Ich finde, dass die aktuelle Autor:innenriege durch die Bank herausragend gut schreibt und sich die Serie dadurch auf einem absoluten Höhepunkt bewegt. Ob das auch für die Metahandlung gilt, will ich an dieser Stelle gar nicht groß behandeln. Immerhin hat sie mich besser abgeholt, als die des Vorgängerzyklus, der zwar eine gute Grundidee hatte, deren Ausführung mich dann aber nur mäßig überzeugte – wobei ich auch bei “Mythos” ausdrücklich betonen möchte, wie gut mir die allermeisten Einzelromane gefallen haben. Letztlich blieben die Ereignisse um die immerhin jahrhundertewährende Besatzung durch die Cairaner auffällig folgen- und konsequenzlos. Aber zurück zu den Chaotarchen, deren Metaplot recht schnell erzählt ist. Zur Sicherheit an dieser Stelle eine
WARNUNG VOR DEM SPOILER.
Wir schreiben das Jahr 2071 NGZ, seit dem Ende der Cairanischen Epoche sind 25 Jahre vergangen, in der Milchstraße ist soweit wieder alles eitel Sonnenschein. Da ereilt Reginald Bull auf einmal der “Sternenruf”, der ihn zunächst unverständlich in die Ferne zu locken scheint. Gleichzeitig erscheint eine kleine Gruppe unbekannter Aliens in der Milchstraße, die behaupten, vom Chaoporter FENERIK zu stammen, der in der Kleingalaxis Cassiopeia gestrandet sei und die Milchstraße bedrohe. Zudem treten die Kastellane von ES auf, eine bis dato unbekannte Gruppe unsterblicher und bestens ausgerüsteter Wesen, die im Auftrag der Superintelligenz die Milchstraße schützen sollen. Damit nicht genug bauen die Kosmokraten in der sogenannten Yodor-Sphäre mitten in der Milchstraße irgendein Konstrukt, das den Chaoporter offenbar anzieht.
Während Perry Rhodan mit der RAS TSCHUBAI nach Cassiopeia – einem Begleiter von Andromeda – aufbricht, um sich diesen Chaoporter einmal anzuschauen, versucht man in der Milchstraße mehr oder weniger erfolgreich mit den Kastellanen, den Überläufern von FENERIK und der Yodor-Sphäre klarzukommen. Zu allem Übel gerät Reginald Bull dank des Sternenrufs, der offensichtlich von FENERIK stammt, und seines chaotarchisch geprägten Zellaktivators in Bedrängnis.
Nach etlichen Abenteuern ergibt sich zum Ende des Zyklus folgende Situation: der Chaoporter stürzt mehr oder weniger unkontrolliert auf die Milchstraße zu und kollidiert mit der Yodor-Sphäre, was nichts anderes als das Ende allen Lebens in der Sterneninsel zur Folge haben könnte. Die Galaktiker versuchen verzweifelt, die Folgen der Katastrophe zu minimieren – ebenso die Insassen des Chaoporters, bei denen inzwischen einige Terraner mit am Ruder sitzen. Allen voran Reginald Bull.
Tja. Wenn ich das selbst noch einmal so Revue passieren lasse, ist das eigentlich eine ganz coole Geschichte.
Nun aber genug der Vorrede! Sehet meine fünf mal fünf höchst subjektiven, ungerechten und dennoch ultimativen Besten des Perry-Rhodan-Chaotarchen-Zyklus’! Sie basieren auf keinem Wertungssystem, sondern schlicht auf meinem Bauchgefühl, das selbstverständlich unfehlbar ist.
Die Romane
Wie gesagt finde ich das Niveau der Einzelromane in diesem Zyklus insgesamt sehr hoch und ich wüsste keinen zu nennen, der mir absolut gar nicht gefallen hätte. Dennoch ragen diese fünf noch einmal hervor, da sie mich besonders gepackt, berührt und unterhalten haben und mir dadurch besonders in Erinnerung geblieben sind.
- “Ein Kastellan für Apsuhol” von Michelle Stern (Perry Rhodan Band 3112):
Als recht früher Roman des Zyklus sind mir einige seiner Details womöglich nicht mehr ganz so präsent, wie bei den folgenden in dieser Auflistung. Dennoch schwingt bis jetzt die durchweg positive Stimmung nach, die ich bei der Lektüre dieses Bandes empfunden habe und die kein anderer übertreffen konnte. Der Roman spielt etwa 50.000 Jahre in der Vergangenheit des Perryversums, als sich die so genannte Erste Menschheit in der Milchstraße ausgebreitet hatte und nun vor der völligen Vernichtung durch die Invasion der Bestien stand. Es ist Michelle Stern unfassbar gut gelungen, zum einen die Kultur dieser Ersten Menschen erlebbar zu machen und der Lesendenschaft zum anderen ihren Untergang nahezubringen. Die Schilderung der Flüchtlings-Flotten war durchtränkt mit Battlestar-Galactica-Vibes, was aus meinem Munde höchstes Lob darstellt. Ich hatte schlagartig Bock auf wenigstens eine Miniserie, die in diesem Setting spielt. Aber da müssen die Fanautor:innen eventuell mal ran.
- “Alraska” von Marc A. Herren (Perry Rhodan Band 3186):
Da taucht der Herr Herren nach weit über 300 Romanen Abstinenz wieder als Gastautor auf und liefert dann mal eben so ein großartiges Heft ab. Seit über 2500 Bänden hatte es kein Perry-Rhodan-Autor mehr gewagt, das Anti-Universum auch nur in einem Nebensatz zu erwähnen. Doch Marc A. Herren zaubert es einfach aus dem Hut (pun intended!) und verpasst ihm eine komplette Parallelhistorie von Heft 607 bis in die Handlungsgegenwart. Hammer! Und dann gelingt es ihm auch noch, quasi nebenher dem ollen Alaska Saedelaere durch sein negatives Pendant ein gutes Stück charakterliche Tiefe hinzuzufügen. Der Roman ist ein Highlight weit über diesen Zyklus hinaus.
- “Haus der Maghane” von Wim Vandemaan (Perry Rhodan Band 3168):
Am MdI-Zyklus scheiden sich bekanntlich die Geister. Für die einen ist er der ultimative Maßstab allen Rhodanistentums, für die anderen kaum mehr als ein überschätztes Relikt aus tiefster Vergangenheit. So oder so haben die Bände 200 bis 299 dem Rhodan-Epos wesentliche Elemente hinzugefügt, die auch heute noch untrennbar zur DNA der Serie gehören. In seinen vereinzelten Romanen legt Expokrat Vandemaan schon länger seinen Fokus auf das weitere Schicksal der “Ersten Menschen”, die sich in der Handlungsgegenwart Tefroder nennen. Für mich zumindest ist es sehr naheliegend, eine Kontinuität ihrer Kultur und ihres Reiches auch nach der Niederlage gegen die Terraner vor wenigen tausend Jahren anzunehmen. Schließlich hat das Reich der Meister der Insel zuvor Jahrzehntausende überdauert. Aber ich will mich gar nicht groß rechtfertigen. Dieser Roman ist einfach klasse. Vandemaan holt darin endgültig die Katze aus dem Sack und offenbart, was zuvor schon kein Geheimnis mehr war: Mindestens eine Meisterin der Insel hat bis in die Handlungsgegenwart überlebt und steht nun an der Seite ihrer einstigen Widersacher der Terraner. Auch dieses Heft dominieren Rückblenden, die mehrere zehntausend Jahre in die Vergangenheit reichen und dabei dem Wirken der einstmals eindimensional schurkischen MdI etliche Facetten hinzufügen. Ganz wunderbar!
- “Lloyd und das Chaofaktum” von Michael Marcus Thurner (Perry Rhodan Band 3164):
Auch hier geht es in die Vergangenheit der Serie. Allerdings nicht zu einem so bedeutenden Punkt oder Themenkomplex, sondern schlicht in die klassische Ära des Solaren (beziehungsweise “Vereinten”) Imperiums, in der sich Akonen, Arkoniden und Terraner misstrauisch beäugen – und letztere Dank ihrer Mutanten meist die Oberhand behalten. In dieses Szenario platzen hoffnungslos überlegene chaotarchische Mächte aus der Zukunft. Die Art und Weise, wie es den Helden aus jener Zeit dennoch gelingt, sie zu überwinden, zählt zu den Glanzpunkten dieses Zyklus.
- “Die herrlichste Stadt aller Zeiten” (Perry Rhodan Band 3159) und “Die Zukunft ist eine Falle” (Perry Rhodan Band 3160) von Kai Hirdt:
Platz fünf teilt sich dieser Doppelband. Auch wenn es hier erneut um Zeitreise geht, ist dieses Mal keine PR-Nostalgie enthalten. Wir finden uns nämlich in dem großartigen Szenario einer Stadt wieder, die auf drei Zeitebenen existiert. Damit enthält dieser Doppelroman die beste SF-Idee nebst Umsetzung des ganzen Zyklus – und hervorragend geschrieben ist er obendrein.
Jedem Rhodan-Kenner dürfte sofort auffallen, dass sich fast alle Platzierungen zentral um Handlungselemente aus der fernen Vergangenheit der Serie drehen. Das sei bitte nicht als dumpfe Altlesenden-Nostalgie missverstanden. Die epische Länge, Tiefe und Breite ist für mich schon immer ein elementarer Bestandteil des Perry-Rhodan-Kosmos – und jener, der mich am meisten begeistert. Für mich muss ein Top-PR-Roman dieses Element enthalten.
Die Autorinnen und Autoren
Was für die Einzelromane gilt, trifft zwangsläufig auch auf die Autor:innenschaft zu. Die sind zurzeit allesamt ohne Ausnahme richtig gut. Hier fünf herauszupicken kann nur ungerecht und willkürlich sein. Aber ich mache es trotzdem und stehe dazu.
- Wim Vandemaan: Wenn ein Exposé-Autor selbst zur Feder greift, darf man völlig zu Recht höchste Qualität erwarten. Bei Vandemaan wird diese Erwartung stets erfüllt, auch wenn man viel zu selten das Lesevergnügen hat. Seine Romane sind stets geistreich, oft witzig und immer eine Bereicherung.
- Michelle Stern: Auf die Romane, die ihr Name ziert, freue ich mich stets besonders. Nicht von ungefähr stammt mein Lieblingsroman im Chaotarchenzyklus aus ihrer Feder. Ich mag ihre Figuren, ich mag, wie sie Kulturen und Gesellschaften darstellt und beschreibt, ich mag ihren Einfallsreichtum in SF-Dingen und ihr Gespür für den Rhodan-Epos.
- Christian Montillon: Auch vom zweiten Expokraten darf man hochwertige Romane erwarten – und bekommt sie auch. Im Gegensatz zu seinem Compagnon ist er geradezu ein Vielschreiber und bringt die Handlung mit etlichen Schlüsselromanen voran, liefert dabei jedoch auch hervorragende Einzelgeschichten ab. Ihm habe ich nicht nur mit den Navakan meine Lieblings-Aliens aus diesem Zyklus zu verdanken, er hat vor allem meine Lieblingsfigur Anzu in Szene gesetzt und entwickelt. Meisterleistung!
- Michael Marcus Thurner: Vielleicht etwas unfair, aber MMT hat bei mir schon wegen seiner Wega-Miniserie und den Berichten über seine Europa-Motorrad-Tour “Alte Eisen auf Reisen” den ein oder anderen Stein im Brett. Aber der Gedanke, dass jeder seiner letzten Romane irgendwo im Zelt zwischen Nordkap und Andalusien getippt worden sein könnte, ist einfach nicht fortzuwischen. Doch auch davon unabhängig sind seine Hefte immer einfallsreich und kurzweilig und er wird stets seinen Charakteren gerecht.
- Robert Corvus: Dieser junge Mann schließlich hat im Berichtszeitraum den Sprung vom Gast- zum Teamautor vollzogen. Voll und ganz zu Recht! Sein auffälligstes Merkmal, die akkurat erscheinende Schilderung militärischer Vorgänge, gefällt mir sehr, das ist aber nicht das einzige. Es ist mir in mehreren Heften aufgefallen, dass er es vermag, selbst eine große Anzahl von Protagonisten in zahlreichen Handlungssträngen so darzustellen, dass sie alle zu ihrem Recht kommen und ein wenig glänzen können. Und außerdem bin ich ein großer Freund seiner extrem kurzen Kapitel, damit lässt sich die Lektüre wunderbar einteilen. Ich mag das.
Ich möchte noch einmal betonen, dass mir auch die Leistung aller anderen Autorinnen und Autoren sehr gut gefallen hat. Sagen wir einfach, sie teilen sich Platz fünf mit Robert.
Die Charaktere
Mit guten Charakteren steht und fällt jede Geschichte. Es braucht spannende Helden, faszinierende Schurken und einfallsreiche bis skurrile Nebenfiguren als besondere Würze. All dies bietet Perry Rhodan seit je her und hat diesbezüglich auch in diesem Zyklus einiges am Start. Gerade bei den interessanten Nebenfiguren ließen sich Dutzende aufzählen, da viele oft nur in einem oder zwei Heften auftreten. Leider sind mir aus dieser Riege viele allzu leicht wieder aus der Erinnerung entschlüpft.
- Anzu Gotjian: Sagt was ihr wollt, ich habe Anzu von Anfang an gemocht. Ihre rotzfreche Art, mit der sie zunächst ihre Unsicherheit und Angst überspielt hat, ihr Unglauben, mit dem sie in die absurdesten Abenteuer gestolpert ist, die sie zum eigenen Erstaunen auch noch überlebt hat – all das macht sie für mich zu der lebendigsten Figur des ganzen Zyklus. Stellenweise gab sie mir die starken Nikki-Frickel-Vibes einer gelungenen klischeefreien weiblichen Heldin. Sie hat eine echte Entwicklung durchlaufen und verlässt den Zyklus nicht nur farblich verändert. Ich bedaure nur, dass sie und ihre Fähigkeiten vermutlich einen Hauch zu stark auf die Erfordernisse der aktuellen Handlung zugeschnitten sind. Wenn sich die Autor:innen jedoch weiter Mühe mit ihr geben, ist ihr Entwicklungsbogen hoffentlich noch lange nicht auserzählt. Vermutlich ist es ganz klug, sie erst einmal aus dem Spiel zu nehmen, bis man sich überlegt hat, was aus der Truppe um Reginald Bull (siehe dort) noch zu machen ist.
- Farbaud, der im Glanz: Gute Bösewichte sind das A und O einer Geschichte. Und Farbaud war einer der besten Bösewichte seit langem. Durch seine buchstäbliche Unnahbarkeit und Unangreifbarkeit ist er ein wahrer pain-in-the-ass, trotzdem ist er alles andere als ein eindimensionaler Schurke. Kompromisslos und brutal auf der einen Seite, zeigt er sich andererseits auch Argumenten zugänglich und gibt sich sogar freundlich und hilfreich. Er will seine Widersacher nicht um jeden Preis überwinden, denn er ist auch sehr neugierig auf sie. Seine eigenen Ziele hat er dabei stets im Blick und lässt sich bei ihrer Verfolgung nicht beirren. Von der Intrige über Manipulation bis hin zur blanken Gewalt beherrscht er alle Mittel, um sich durchzusetzen und setzt sie zur Erbauung der Lesendenschaft auch allesamt ein. Cooler Typ! Ein bisschen schade, dass er am Zyklusfinale keinen Anteil hatte. Wie bei Anzu gilt jedoch, dass er uns eventuell bald wieder über den Weg laufen wird.
- Reginald Bull: Von den Big Five war er in diesem Zyklus sicherlich die wichtigste Figur. Es galt – wieder einmal – der vermeintlich ewigen Nummer zwei mehr eigenes Profil zu verschaffen und sie in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Das ist zunächst ziemlich gut gelungen, zumal man auf seine reichhaltige Vorgeschichte hat zurückgreifen können. Bullys Regierungsamt, der chaotarchische Zellaktivator, seine verlorene Familie – all dies ist eine hervorragende Basis, um ihn für den Sternenruf empfänglich zu machen. Seine Odyssee durch die Milchstraße bis hin zu seiner Rekrutierung für den Chaoporter ist sehr packend und hat die Lesendenschaft dem guten alten Bully wieder ein gutes Stück nähergebracht. Umso bedauerlicher, dass sein Schlussakt bei dieser Heldenreise kaum mehr als eine Statistenrolle im Zyklusfinale war. Er hätte in Band 3199 wenigstens an Perrys Seite wandeln müssen. Der Ausblick auf seine künftigen Auftritte ist allerdings sehr vielversprechend. Ein OXTORNE-Kreuzer als Quintarchenschiff ist schon ziemlich cool, wenn wir die STERNENRUF beim nächsten Mal in voller Chaotarchenausstattung sehen, werden sie und ihr Kommandant sicherlich die Hütte rocken.
- Alaska Saedelaere: Mit dem Knaben habe ich oft meine Probleme. Einerseits ist er in die faszinierendsten kosmischen Zusammenhänge verstrickt, andererseits nehme ich einem mehrtausendjährigen Menschen das introvertierte Schuljungenverhalten nur bedingt ab. Er sollte wenigstens gelernt haben, sozialverträglicheres Verhalten zu simulieren. Eigentlich hat mich an der Figur aber immer gestört, dass ihre Entwicklung so plump zurückgedreht worden ist. Ich fand Testares ersten Auftritt damals richtig cool und konnte der Trennung von Alaska und dem Cappin eine Menge abgewinnen. Wie ihm dann schließlich aus heiterem Himmel und unsäglich konstruiert das Fragment wieder ins Gesicht gepappt worden war, hatte mich richtiggehend geärgert. Hunderte Hefte Charakterentwicklung wurden einfach ungeschehen gemacht und auch heute wird stets von “dem” Cappinfragment gesprochen, obwohl es nur eine parareale Variante davon ist. Das vorangestellt hat mir Alaska in diesem Zyklus jedoch streckenweise sehr gut gefallen. Seine Unbeholfenheit wurde gerade durch sein langes einsames Leben begründet und die zarten Bande zu Gry O’Shannon haben sich sehr nachvollziehbar entwickelt. Der Höhepunkt war natürlich die Konfrontation mit seinem Spiegel-Pendant Alraska. Ein Höhepunkt der Serie.
- Soynte Abil: Ich bin der Meinung, dass die Perry-Rhodan-Serie in ihrer Frühzeit mindestens an zwei Stellen die Chance vertan hat, starke weibliche Charaktere bis in die aktuelle Handlungsgegenwart zu behalten. Die eine ist natürlich Thora da Zoltral, die andere Mirona Thetin. Ja, ich weiß, in PR NEO haben sie diesen Fehler vermieden, das ist auch gut so, hier aber nicht Thema. Gerade letztere hätte eine hervorragende Antiheldin abgegeben, die als eine Art Anti-Atlan das weitere Schicksal der Menschheit begleitet. Einen ähnlichen Gedanken hatten die aktuellen Expokraten vermutlich auch. Den Dreh, dass Faktor I nun doch noch lebt, hätte man heute aber nicht mehr bringen können. Bei Faktor VII sieht die Sache hingegen anders aus. Ich begrüße die Idee ausdrücklich, dass eine mit allen Wassern gewaschene mehrzehntausendjährige Unsterbliche auf das galaktische Spielbrett zurückkehrt. Ihre gnadenlosen Auftritte mit eigener Schattenmaahk-Armee fand ich knackig. Sie als nennenswerten Player und Machtfaktor (pun again) im Spiel zu behalten, würde sicher auch die Suche nach den ES-Fragmenten interessanter gestalten.
Und was ist mit dem Titelhelden? Ja, ich weiß auch nicht. Dabei möchte ich betonen, dass mir Perrys Darstellung schon lange wieder sehr gut gefällt. Sie bekommen unseren unsterblichen Leitstern aktuell richtig gut hin. Er hat in diesem Zyklus erneut sein Ding und dabei eine gute Figur gemacht. Allerdings war er trotz seiner durchaus zentralen Rolle – vor allem am Ende – irgendwie keine Kernfigur, um deren Schicksal man mitfiebern musste.
Die Aliens
Die Darstellung interessanter Außerirdischer ist so eine Sache. Um eine unterhaltsame Handlung voranzutreiben, sollten sie nicht allzu fremdartig daherkommen, auch wenn das eigentlich den Reiz ausmacht. Bei Perry Rhodan findet man dennoch immer beides: mehr oder weniger menschenähnliche Wesen, die höchstens durch einige kulturelle Besonderheiten auffallen und absolut fremdartiges Leben und Bewusstsein, bei dem die ganze Herausforderung daraus besteht, überhaupt eine Kommunikation herstellen zu können. Beide Darstellungs-Ansätze können gelingen oder schiefgehen. Wenn man nicht allzu tief in die Klischeekiste greift (Kriegervolk, “edle Wilde”, Weltraum-Wikinger, ein ganzes Volk, das nur einem Berufszweig nachgeht), können die menschenähnlichen Völker sehr interessant sein. Genauso kann zu absurd fremdartiges Leben schnell langweilig werden. Das Optimum liegt wie so oft irgendwo in der Mitte.
- Navakan: Auch wenn sie nur einen recht kurzen Auftritt hatten, sind mir diese Wurmwesen mit dem etwas anderen Zeitempfinden in sehr positiver Erinnerung geblieben. In ihnen ist das oben beschriebene nahezu perfekt umgesetzt. Wir bekommen Wesen präsentiert, die zwar in der Lage sind, sich mit den menschlichen Protagonisten auszutauschen, deren Fremdartigkeit aber stets ein Thema ist, das über spitze Ohren oder rote Augen und verschrobene Sitten und Gebräuche hinausgeht. Zum einen ist das Zeitempfinden der Navakan deutlich langsamer als das der Menschen, was sie beinahe in ein komplett anderes Bezugssystem versetzt und schließlich verläuft ihr Leben in gewisser Weise rückwärts, da sie den genauen Zeitpunkt ihres Todes wissen. Zudem wurden die Kommunikationsversuche mit den Navakan auch sehr gut beschrieben, was sie zu einem hervorragenden SF-Erlebnis machte.
- Audh: Diese eislaufenden Jungs sind fast einen Hauch zu weit drüber. Sie sind so fremdartig und unnahbar, dass sie stets nur von außen beschrieben werden können. Man sieht sie geheimnisvoll über ihre Eisflächen gleiten und selbst die Vhasyre, deren Aufgabe die Kommunikation mit den Audh ist, können nur unzureichend vermitteln, was diese Wesen eigentlich wollen. So etwas funktioniert eigentlich nur, wenn die zum Scheitern verurteilten Versuche, zu solchen Wesen vorzudringen, in Solaris-Manier anschaulich geschildert werden. Ob dafür in einer Unterhaltungsserie wie Perry Rhodan Raum ist, will ich einmal offenlassen. Der Ansatz hat mir jedenfalls gefallen.
- Ylanten: Künstliche Intelligenzen sind schon länger mein liebstes Science-Fiction-Thema und ich freue mich immer, wenn es die Perry-Rhodan-Serie angeht, ohne das Klischee vom Killerroboter oder vom servilen Diener oder vom lustigen mechanischen Tölpel zu bedienen. Mich stört oft, dass die Serie der Frage meist aus dem Weg geht, ob künstliches Leben biologischem Leben gleichwertig ist. Vielleicht ist das Perryversum dafür auch einen Hauch zu esoterisch angelegt. In einem Universum, in dem es “Vitalenergie” und mit der “ÜBSEF-Konstante” so etwas wie eine Seele gibt, ist für künstliches wahres Leben vermutlich schlicht kein Platz. Roboter müssen hier, wenn sie als Lebewesen anerkannt sein wollen, eine biologische Komponente haben, sonst wird das nichts. Fehlt diese, wird in der Serie immer wieder klipp und klar festgestellt, dass es sich “nur” um eine Maschine handelt. Und doch gibt es die Ylanten, eine Kultur reiner Roboter, die als “Kinder NATHANS” (immerhin eine Biopositronik) dank des “Positronischen Konkordats” (was für eine großartige Idee!) gewisse Rechte und Freiheiten genießen. Aber das ist das wunderbare an der Serie, dass sie so komplex und vielschichtig ist, dass irgendwo dann doch Platz für solche Themen ist.
- Ash’sharal: Die Fremdartigkeit dieser Schneckenwesen beschränkt sich nahezu auf ihr Äußeres, da die Hürden für Anzu, Mieke und Co. sich mit ihnen auszutauschen ziemlich gering ausfallen. Dennoch sind sie mit ihren eigentümlichen Moralvorstellungen recht interessant geraten.
- Gharsen: Diese Schurken aus der Menagerie des Chaoporters sind schließlich der Kategorie der extrem menschlichen Aliens zuzuordnen. Was sie interessant macht ist ihre einfallsreiche Jägerkultur, die sogar mit einer Tötungshemmung einhergeht. Das macht sie vor allem zu erfrischend anderen Antagonisten als die üblichen marodierenden und mordenden Horden vergangener Zyklen.
Das Völkergemisch, das diesmal aufgefahren wurde, hat mich ansonsten nur bedingt überzeugt. Auch wenn beispielsweise die Munuam zumindest ein wenig differenzierter und einfallsreicher als sonst daherkommen, sind sie letztlich doch nur das generische Kriegervolk dieses Zyklus.
Die Raumschiffe
Was wäre eine Raketenheftchenserie schließlich ohne Raumschiffe? Tatsächlich hat Perry Rhodan hier schon immer eine seiner Kernkompetenzen. Die größten, schnellsten, kampfstärksten und einfallsreichsten Raumschiffe sind garantiert. Und wenn es dann auch noch gelingt, diese Schiffe anschaulich zu schildern und das Leben und Reisen in ihnen erlebbar zu machen, haben wir unsere Kandidaten für die folgende Liste.
- BJO BREISKOLL: Jede Epoche hat ihr klassisches Kugelraumschiffdesign, für mich spiegelt es sich aktuell in den Kreuzern der OXTORNE-Klasse wider. Normalerweise finde ich zu dicke Ringwülste hässlich, bei den 500-Meter-OXTORNE-Kugeln trägt er aber wunderbar zum kompakten Gesamteindruck bei. Gefallen mir sehr gut, die Dinger. Am Beispiel der BJO wurde diese Raumschiffklasse in den ersten Heften des Zyklus zudem großartig erlebbar gemacht.
- RAS TSCHUBAI: Einige Designelemente des aktuellen großen Heldenschiffs gefallen mir nicht so sehr, allem voran die angeflanschten Großbeiboote (auch wenn die eigentlich ziemlich sinnvoll sind). Enorm gut hat mir allerdings gefallen, wie schön das Schiff als Handlungs- und alltäglicher Wohnort der Protagonisten beschrieben worden ist. Das Prinzip “show don’t tell” haben die Autor:innen sehr gut verinnerlicht und bei der RAS vorbildlich angewandt. Hat Spaß gemacht, mit dem Pott auf Reisen gewesen zu sein.
- Sextadimkapseln: Klein aber nahezu unbezwingbar, die individuellen Raumschiffe der Kastellane von ES haben mir als Produkte einer weit überlegenen Technologie sehr gut gefallen – besser noch als die LEUCHTKRAFT und der gesamte chaotarchische Fuhrpark. Zumal auch sie von den Autor:innen sehr anschaulich beschrieben worden sind.
- VAJRA: Das Spezialraumschiff der Siganesin Farkunda Washington stellt ein wenig den Gegenentwurf zu den Sextadimkapseln mit “nachvollziehbarer Gegenwartstechnologie” dar. (Gegenwart im Sinne der Handlungsgegenwart, versteht sich.) Auch dieses Schiff ist stark auf ihre Pilotin zugeschnitten, die es allein bedienen und steuern kann. Bei der Beschreibung der VAJRA hat sich Verena Themsen einen Roman lang komplett austoben können, sodass dieser eine Auftritt für eine Platzierung vollauf genügt. Das Abenteuer mit diesem Raumschiff hat die Herausforderungen “echter” Raumfahrt – nämlich die Überwindung der unfassbaren lebensfeindlichen Leere – erlebbar gemacht, wie kein anderes in diesem Zyklus.
- Dolans: Ich geb’s zu, hier schummele ich ein wenig. Aber auch wenn sie in der Perry-Rhodan-Handlung eigentlich seit weit über 2500 Heften keine Rolle mehr spielen, bleiben die biologisch gezüchteten Raumschiffe mit das coolste, was die Serie diesbezüglich zu bieten hat. Und immerhin kommen sie in diesem Zyklus dann doch zweimal am Rande vor. So findet sie JASON Erwähnung und Mieke Meideina war auf ihrer Odyssee ebenfalls in einem unterwegs.
Darüber hinaus hatte der Fuhrpark, der uns präsentiert wurde, nur wenige Highlights. Der Chaoporter hat zwar vieles aufgefahren, die Trikuben der Munuam und vor allem die Ornamentraumschiffe der Gharsen wurden auch schön in Szene gesetzt, besonders einfallsreich und einzigartig fand ich sie aber nicht. Die Scherben- und Atomraumschiffe waren für mich kaum mehr als bloße Begriffe. Die Kobraraumschiffe der Yodoren liegen für mich sogar nur knapp diesseits des Absurden. Deren Inneneinrichtung ist zwar sehr einfallsreich und durchdacht – beim Äußeren haben die Expokraten es diesmal aber mit den Form-Allegorien übertrieben.
Fazit
Im Ganzen war der Chaotarchen-Zyklus sehr solide. Mit der Kleingalaxis Cassiopeia und dem Chaoporter wurden wir an durchaus interessante neue Handlungsorte geführt, die Metahandlung war recht gradlinig und ohne allzu große Überraschungen. Mit Reginald Bull und Alaska Saedelaere haben wenigstens zwei Langzeitfiguren spannende Charakterentwicklungsbögen und somit wieder etwas mehr Kontur verpasst bekommen. Doch, kann man machen. Am wichtigsten aber: Die Einzelromane waren wieder von hervorragender Qualität. Wir haben unzählige großartige kleine Geschichten präsentiert bekommen, in denen interessante Figuren in einfallsreichen Settings unterwegs waren, oft gespickt mit hervorragenden Science-Fiction-Ideen. Meist waren es diese Einzelgeschichten, die dem gewaltigen Perry-Rhodan-Epos wesentliche und bleibende Elemente hinzugefügt haben. Mehr noch als die Methandlung des Zyklus. Ich bin ungebrochen begeistert und freue mich auf den Fragmente-Zyklus ab Band 3200.