Gedanken zu den Perry-Rhodan-Heften 3199 und 3200 von Roland Triankowski

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Diese Zeilen dienen als Ergänzung zu meinem Zyklusrückblick und entstanden unter dem Eindruck der Lektüre des aktuellen Jubiläumsbandes Nr. 3200 “Mission MAGELLAN” von Robert Corvus. Man verzeihe mir die kryptische Überschrift. Was ich damit sagen will ist: mir haben die Hefte 3199 und 3200 sehr gut gefallen, der eine hatte jedoch nichts mit dem vorangegangenen Chaotarchenzyklus zu tun, der andere hatte mir keinen Hinweis darauf gegeben, worauf ich mich im kommenden Fragmentezyklus freuen kann. Ich versuche, das im Folgenden etwas genauer und weniger polemisch auszuführen.

Was zuvor geschah

Der Chaotarchenzyklus hat ungefähr in den letzten zehn Heften einen Endspurt hingelegt, um seinen Hauptkonflikt aufzulösen. Das hat man den Romanen deutlich angemerkt, es sind keine Nebenhandlungspfade mehr beschritten und die Metahandlung ist stramm vorangetrieben worden, um die Heldinnen und Helden in Position zu bringen und die Bedrohung für die Milchstraße wie üblich in letzter Sekunde abzuwenden.

Das war erwartbar und hat sich einerseits auch sehr kurzweilig und spannend gelesen, gerade diese letzten paar Hefte habe ich ziemlich flott weggeatmet. Andererseits ist die Handlung der einzelnen Romane dadurch einen Hauch zu gradlinig geraten. Denn wie ich schon in meinem Zyklusrückblick ausgeführt habe, waren es meist die alleinstehenden von der Metahandlung losgelösten Hefte, die mich besonders begeistert haben. Ich hatte dann sehr auf den finalen Band aus der Feder von Andreas Eschbach gehofft, diesen Endspurt mit einem fulminanten Zieleinlauf zu krönen. Fulminant war er durchaus, aber (um in dem schiefen Bild zu bleiben) irgendwie hat er die Ziellinie umlaufen und den Bereich für die Siegerehrung aus einer anderen Richtung erreicht.

Perry Rhodan Band 3199

© Pabel-Moewig Verlag KG

Ich musste nach der Lektüre tatsächlich einmal drüber schlafen, ehe ich mein zwiespältiges Urteil bei Twitter, Goodreads und schließlich für diesen WoC-Artikel in Worte fassen konnte.

Um es gleich zu Beginn noch einmal zu betonen: der Roman ist für sich genommen fantastisch und hätte Höchstwertung verdient. Andreas Eschbach kann mit der Figur des Perry Rhodan einfach wunderbar umgehen und macht den oft so unnahbaren Helden zu einem echten Charakter. Der Sprung durch die drei Etappen des Rhodanschen Wirkens ist weit mehr als purer Altlesendenservice – auch wenn man erneut den Eindruck gewinnt, dass die Vergangenheit der Helden nur bis Heft 300 reicht, aber ich will nicht kleinlich sein. Allein die Lindbergh-Nummer ist grandios.

Zum Punktabzug hat geführt, dass ich den Zyklusabschluss als solchen etwas enttäuschend fand. Hatte der überhaupt etwas mit den Ereignissen der vorangegangenen 100 Hefte zu tun? In Band 3198 wurde mit dem Schatten des anderen Chaotarchen auf einmal ein weiterer Hintermann aus dem Hut gezaubert. Gleiches gilt für die überraschende Abschlussaufgabe für den Titelhelden – Rhodans Zeitreise an wichtige Orte seines Wirkens -, die nicht den geringsten Bezug zur bisherigen Zyklushandlung zu haben scheint.

Und fast am traurigsten: die drei eigentlichen Hauptfiguren dieses Zyklus, Reginald Bull, Farbaud und Anzu Gotjian, waren in den letzten Heften kaum mehr als Statisten. Das gilt ausdrücklich über Eschbachs Roman hinaus, schon in den Heften davor habe ich mich immer gefragt, wann Bully denn endlich auftaucht, um seinen Part im großen Finale zu übernehmen – ob nun mit oder ohne Anzu an seiner Seite. Ähnliches gilt für Farbaud, den interessantesten Schurken seit langem, der in den letzten Romanen sogar mühsam in den Chaoporter zurückgeschafft wurde, um dann schlagartig überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Ich verstehe und begrüße ausdrücklich, dass es am Ende dem Titelhelden zukommen soll, die entscheidenden Heldentaten zu vollbringen. Aber man hätte doch erwartet, dass Bully, nachdem er zu Beginn des Zyklus als absolute Schlüsselfigur aufgebaut worden war, am Schluss an Perrys Seite steht, um den Tag zu retten.

Um wieder eine versöhnliche Kurve zu kriegen, verweise ich nochmals auf meinen Zyklusrückblick und meine dortige Einschätzung, dass mir der Chaotarchenzyklus alles in allem ganz wunderbar gefallen hat, auch und vor allem, weil die Einzelromane durch die Bank und ohne Ausnahme hervorragend waren. Die Autor:innen sind großartig und haben beste Arbeit geleistet. Für Band 3199 und Andreas Eschbach gilt dies ganz besonders.

Perry Rhodan Band 3200

© Pabel-Moewig Verlag KG

Den Start des neuen Zyklus habe ich aus mehreren Gründen mit großer Spannung erwartet. Zunächst war ich gespannt, was Robert Corvus aus dieser großen Gelegenheit macht, den Auftakt eines neuen Handlungsabschnitts zu definieren. Nicht umsonst zählt er zu meinen Top-Fünf-Autoren des vergangenen Zyklus. Zum anderen war ich neugierig, worauf ich mich im Fragmentezyklus alles freuen kann. Mit der MAGELLAN wurde bereits ein sehr interessantes neues Schiff angekündigt, die titelgebenden Fragmente sind jene der Superintelligenz ES, die offenbar gefunden und wieder zusammengesetzt werden müssen, und es geht als erstes wieder einmal nach Gruelfin, der Galaxis der Cappins, die ältere Lesende (so wie ich) zum ersten Mal in den 400er-Heften kennengelernt haben.

So weit so gut, neue Raumschiffe fliegen gut. Ansonsten steht aber eine Schnitzeljagd an ohne allzu großen Zeit- und Bedrohungsdruck sowie ein nostalgischer Handlungsort, den ich nicht als überragend interessant in Erinnerung habe. Ich war voll der Hoffnung, dass der Auftaktband diese neue Metahandlung noch etwas anfüttert.

Nun ja. Auch die Lektüre dieses Heftes ließ mich zwiegespalten zurück. Und das auf ganz ähnliche Weise, denn den Roman für sich genommen fand ich ganz wunderbar. Er ist spannend geschrieben, Corvus spielt mit den beschriebenen Gefechten all seine Stärken aus und das neue Raumschiff, der gigantische Ultratender MAGELLAN, wird als Handlungsort sehr schön in Szene gesetzt. Aber sonderlich gespannt auf den Zyklus hat er mich nicht gemacht. Zu den drei oben genannten Dingen hat sich nichts Wesentliches hinzugesellt. Ja, ich freue mich darauf, mehr von der MAGELLAN zu lesen, aber damit hat es sich eigentlich auch schon.

Warum die Schnitzeljagd nach den ES-Fragmenten so dringend sein soll, hat sich mir als Leser noch nicht so recht erschlossen. Viel mehr als “wir müssen unserem alten Kumpel ES helfen” kam da bislang nicht, was ich für eine anständige Dramaturgie und Charakter-Motivation etwas wenig finde. Weder stehen andere Superintelligenzen Schlange, um die verwaiste Mächtigkeitsballung zu übernehmen, noch muss irgendein Totmannschalter an einem Doomsdaydevice von ES höchstpersönlich gedrückt werden. Aus meiner Sicht haben Jubiläumsbände die Aufgabe, das Hauptproblem der Metahandlung vorzustellen und deutlich zu machen, warum das angegangen werden muss.

  • Beispiel eins: Perry kommt 500 Jahre zu spät nach Hause und die Galaxis ist von den Cairanern übernommen. Da besteht Handlungsbedarf, leuchtet ein.
  • Beispiel zwei: Nebenan im Vorhof der Nachbargalaxis ist ein Gefährt der Chaotarchen gestrandet. Eindeutig, das klingt gefährlich, da müssen wir was machen.
  • Beispiel drei: Irgendwie ist Palpatine … äh … sorry … irgendwie ist ES in Fragmente zerfallen, die wir mal suchen sollten. Okayyy … Naja, wenn es denn sein muss.

Genug Sarkasmus! Ihr versteht, was ich meine. Ich hatte eigentlich schon damit gerechnet, dass man das erste Fragment oder seine Auswirkungen bereits zu sehen bekommt, stattdessen wird gleich das erste Hindernis eingeführt, das das Voranschreiten der Metahandlung verzögern soll. Jedenfalls hoffe ich inständig, dass die Panjasen nur ein kurzes Intermezzo für maximal vier bis acht Hefte darstellen und nicht dauerhaft Zyklusrelevant bleiben.

Denn allzu einfallsreich finde ich die Schönheitswahn-Diktatur, die sich in der Heimat der Cappins – also zumindest in der Kleingalaxis Morschaztas – breitgemacht hat, ehrlich gesagt nicht. Gut, das ist nun wirklich ein sehr subjektives Geschmacksurteil von mir. Ich zumindest kann darin weder einen wesentlichen Beitrag zur Perryversums-Kosmologie noch ein einfallsreiches Science-Fiction-Element erkennen. Absolut menschengleiche Aliens mit einem kulturellen Spleen – willkommen in der TOS-Ära! Da hat diese Ecke des Weltraums hoffentlich bald mehr zu bieten.

Dennoch – und hiermit schwenke ich wieder auf die versöhnliche Schlusskurve ein – war das alles sehr unterhaltsam und kurzweilig geschrieben. Sagen wir einmal so: Als Band 3201 wäre ich komplett begeistert von dem Roman gewesen. So bin ich es immer noch ein wenig – bleibe aber dabei, dass er mich nicht vom beginnenden Zyklus überzeugen konnte.

Womöglich befinden wir uns einfach in einer Ära, in der uns hervorragende Einzelromane geboten werden, die vor dem Hintergrund einer eher mäßigen – oder schlicht nicht ganz so wichtigen – Metahandlung spielen. Damit kann ich hervorragend leben.

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