Projektaufruf zur Erhaltung von Autorennachlässen von Uwe Lammers
Zum Inhaltsverzeichnis von World of Cosmos 115
Einleitung
Phantasten beschäftigen sich traditionell mit der Zukunft, das ist unser Metier in vielfacher, verschiedener Form. Sei es im Rahmen von offiziellen Veröffentlichungen in Verlagen, sei es in Form von selbst verlegten analogen oder digitalen Werken auf der Basis des Selfpublishings im Internet. Interessanterweise – in meinen Augen eher bestürzenderweise – gibt es aber einen Horizont, der bei allem phantastischen Weitblick so gut wie nie ins Visier gerät. Ich habe ihn den „Zukunftshorizont“ genannt. Er ist gewissermaßen ein blinder Fleck in unserer Wahrnehmung, wiewohl jeder von uns ihn einmal erreicht: Es handelt sich um den Begrenzungshorizont unserer Existenz, den Tod.
Niemand beschäftigt sich gern und ohne triftigen Grund mit der Tatsache, dass sein Dasein endlich ist, das kann man verstehen. Noch weniger gern denkt man darüber nach, dass die Welt sich nach unserem Ableben vermutlich nur noch kurze Zeit unserer erinnern wird. Selbst Grabstätten werden in der heutigen Zeit üblicherweise nach 30 Jahren eingeebnet, Haushalte werden direkt nach dem Ableben aufgelöst, alles, was die Persönlichkeit ausmachte, auf verstreute Bilder und einzelne Erinnerungsstücke reduziert.
Schriftsteller sollten im Grunde in anderen Dimensionen denken. Für sie ist das Fortbestehen dessen, was ihre Profession ausmacht, was ihr Leben darstellt – also ihre kreativen Werke, die sie verfasst und günstigstenfalls veröffentlicht haben – dasjenige von bleibendem Wert, das der Nachwelt erhalten bleiben soll. Dies ist ihr Gedächtnis für die Zeit nach ihrer Existenz. Das ist zumindest die Hoffnung, aber was man dafür tun muss, um das auch sicherzustellen, das bleibt aus dem Blick entrückt. Und das bringt uns zum fundamentalen Problem, für das ich eine Lösung suche.
Problemstellung
Nach meinen bisherigen Recherchen ist dies die Realität: Veröffentlichte Werke sind in der Regel mehr oder minder gut vor dem Vergessen geschützt (z.B. durch die Deutsche Nationalbibliothek, die Phantastische Bibliothek Wetzlar oder Initiativen wie beispielsweise die Villa Galactica usw.). Dies ist der Fall, weil sie eben schon einen Teil der öffentlichen Kultur darstellen. Für alle anderen schriftstellerischen Hinterlassenschaften sieht das dagegen grundlegend anders aus. Für all jene Werke, die von Autoren hierzulande entworfen, begonnen und noch nicht veröffentlicht worden sind, stehen die Chancen dafür, dass sie das Ableben ihrer Verfasser überdauern, leider ausgesprochen schlecht. Das gilt auch für die sonstigen Materialien, die Schriftsteller, Hobbyschriftsteller, Selfpublisher usw. ansonsten entwickelt haben. Dazu zählen Recherchematerial, briefliche Hinterlassenschaften, Konzeptpapiere und all ihre weitergehenden Ideen, die sie in ihrer Lebenszeit nicht mehr vollenden konnten. All diesen Hinterlassenschaften, die Teil unseres kulturellen Erbes sind, das in der Regel aber nicht im Blick der Öffentlichkeit ist, droht die umgehende Vernichtung.
Vielfach befinden sich insbesondere Autoren phantastischer Texte in der wenig schmeichelhaften Lage, dass ihre Angehörigen mit ihren Werken nichts anfangen können und es ihnen an Akzeptanz mangelt. Gar zu leicht kann bei ihrem Ableben die ignorante Verwandtschaft die Lösung ihrer Hinterlassenschaften darin sehen, diese den Papiercontainern zu überantworten und damit ihr Leben und ihr Denken final zu entsorgen. Glaubt mir, ich habe diesbezüglich persönliche Erfahrungen gemacht, das ist eine reale Gefahr!
Lösungsansatz
Diesem Umstand soll ein Projekt abhelfen, das ich derzeit ins Leben zu rufen versuche und für das ich engagierte Mitstreiter und Helfer suche. Die bisherigen Recherchen haben ergeben, dass die Nachlässe von prominenten Autoren augenscheinlich auf verschiedenste regionale Archive verstreut sind. Eine zentrale Erfassung der im deutschen Sprachraum tätigen phantastischen Autoren konnte von mir so noch nicht entdeckt werden. Es gibt freilich im Rahmen von regionalen Projekten gewisse Ansätze (Literaturhaus Hannover e.V., die Webseite des Selfpublisher-Verbandes oder die Seite des Phantastik Autoren-Netzwerks, wo aber wohl nur Mitglieder erfasst sind). Auch hier wird vermutlich nur der Bestand der veröffentlichten Werke abgebildet. Der oben erwähnte Horizont der unveröffentlichten Dokumente bleibt damit außen vor.
Meine Intention besteht nun darin, dies zu ändern und den bislang nicht berücksichtigten Werkbestand zentral in den Blick zu nehmen. Dafür sollen aus der prinzipiell unüberschaubar großen Zahl an in Frage kommenden Texten zunächst zwei Segmente erfasst werden. Für diesen Aufruf konzentriere ich mich aber nur auf eins davon: Auf die vom Verlust bedrohten Manuskripte und sonstigen Dokumente von alternden Autoren phantastischer Provenienz, um nach Möglichkeit ihren langfristigen Erhalt sicherzustellen.
Materialeingrenzung
Da das durch den „Zukunftshorizont“ in den Blick genommene Material naturgemäß uferlos sein dürfte, ist dies der wahrscheinlichste Grund, weshalb sich niemand bislang ernsthaft mit diesem Projekt befasst hat, das ja auch wirklich abschreckende Dimensionen besitzt. Doch wie erwähnt verschwindet das Thema nicht von der Agenda, sondern es wird immer dringlicher, und die Gefahr des Verlustes wächst von Tag zu Tag. Rasches Handeln ist somit geboten.
Mir wurde schon die Frage nach einer Eingrenzung des Sammlungsbestandes gestellt. Was hierbei nicht Aufnahme finden soll, ist klar: Alle schon veröffentlichten Werke, die sich an anderer Stelle erhalten lassen, werden hier außen vor bleiben. Das betrifft sowohl in Verlagen wie im Rahmen des Selfpublishings veröffentlichte Werke, es betrifft auch Fanzines und Egozines in analoger wie digitaler Form.
Eingang finden sollte allerdings alles das, was aus dem bisherigen Fokus sammelnder Institutionen ausgeblendet wird. Dazu zählen: Alle unvollendeten bzw. unveröffentlichten Werke (die langfristig dann in Editionen der neu gegründeten Institution herausgegeben werden bzw. auch durch spätere Coautoren vollendet werden könnten). Es betrifft auch alle autobiografischen Aufzeichnungen und Planungsskizzen, Schriftverkehr, soweit er nicht anderweitig (etwa in Verlagsarchiven) seinen Raum findet. Prioritär sollten jene Verfasser aufgenommen werden, deren Schriften wenig reelle Chance der Erhaltung in regionalen Archiven besitzen, etwa Selfpublisher bzw. jene Autoren, die bislang noch keine eigenständigen Veröffentlichungen aufzuweisen haben. Auf diese Weise würde die Überlieferung unentdeckter Talente langfristig gefördert werden.
Bisherige Aktivitäten und kontaktierte Stellen
Meine aktuellen Recherchen betrafen noch nicht Verlage oder spezifische Autoren, sondern haben sich bislang wesentlich auf die übergeordnete Verbandsebene beschränkt, auch sind regionale Archive noch nicht aktiviert worden. Vielmehr wurden die zentralen phantastischen Verbände kontaktiert: Der Science Fiction-Club Deutschland (SFCD) und das Phantastik Autoren-Netzwerk (PAN). Bei beiden Verbänden stieß die Initiative auf lebhaftes Interesse, das Thema war bei beiden noch nicht im Blick. Der SFCD ließ dabei durchblicken, dass organisatorisch Unterstützung signalisiert werden könne, personell, finanziell und räumlich aber keine Kapazitäten zur Verfügung stünden.
Ebenfalls kontaktiert wurde (bislang reaktionslos) der Selfpublisher-Verband und die Phantastische Bibliothek Wetzlar sowie die Villa Galactica. Aus Wetzlar kam begreiflicherweise ein abwehrendes Signal dergestalt, dass dort nur veröffentlichte Schriften phantastischer Provenienz erhalten werden könnten. Für Hinweise auf weitere mögliche Stellen, die zu kontaktieren wären, bin ich dankbar.
Planung und Erfordernisse
Ehe an die konkrete Planung der Institution gegangen werden kann, für die ich gern meine berufliche Erfahrung als Historiker mit jahrelangen Archivkenntnissen sowie mein jahrzehntelanges Engagement als Hobbyautor, Fanzine-Chefredakteur und seit langem im Fandom aktivem Fan einbringen möchte, müssen einige Punkte geklärt werden:
- Gibt es tatsächlich keine Institution, die die von mir genannten Bestände zentral und hauptsächlich sammelt?
- Kann, falls dieser Punkt negativ bewertet wird, eine bestehende Institution dazu bewegt werden, in einer Erweiterung die neu zu schaffende Sammelinstitution aufzunehmen? Dies hätte zahlreiche organisatorische, räumliche, personelle und finanzielle Vorzüge.
- Es sollte im Vorfeld eine Datenbank geschaffen werden, die die in Frage kommenden Autoren namhaft macht und nach Möglichkeit den Umfang des zu rettenden Schriftguts zumindest in Umrissen sichtbar macht.
- Mittelfristig müssen weitere Unterstützer aus Fan- und Verbandskreisen für das Thema gewonnen werden.
- Sodann sollte auch an Verlage und Archive herangetreten werden.
- Es gilt grundsätzlich, die anfallenden Aufgaben nicht auf eine Person zu konzentrieren, sondern auf mehrere Schultern zu verteilen (z.B. eine Person, am sinnvollsten ausgebildet in Archivrecht, als Leitung; weitere Personen, die sich um Webseite, Social Media, Kommunikation und Presse usw. kümmern; jemand, der den Kontakt zu den Autoren bzw. deren Hinterbliebenen hält; jemand, der die Bestände akquiriert, ordnet und verwaltet …). Konkret: Wir brauchen ein Team.
- Räumlichkeiten und Finanzen müssen geklärt werden, eine Archivordnung ist zu entwickeln und Fragen der späteren Nutzung sind zu diskutieren, auch wenn das meiste davon erst Aufgaben sind, die nicht sofort anfallen.
Ihr seht, dies ist fürwahr ein „Zukunftshorizont“, eine Aufgabe für die Zukunft, für die man einen langen Atem, viel Idealismus und Engagement braucht. Allein weil die Aufgabe so gigantisch ist, sollte sie nicht dazu verleiten, gleich die Flinte ins Korn zu werfen, sondern sie engagiert anzugehen. Denn wie ich skizziert habe: Der Tod ist sicher, und damit ist auch der Verlust all dieser Werke sicher, es sei denn, wir gehen beherzt daran, sie langfristig zu erhalten.
Ich bin dazu bereit und willens – und ich hoffe, ihr seid es ebenfalls!
Nehmt Kontakt mit mir auf, Freunde – ich freue mich darauf!
Kontaktadresse
Uwe Lammers
Schöppenstedter Str. 38
38100 Braunschweig
Mail: uwe-lammers@gmx.de
Website: www.oki-stanwer.de