Buchbesprechung von Uwe Lammers

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Eckdaten

  • James Rollins
  • Im Dreieck des Drachen (OT: Deep Fathom)
  • Blanvalet 37822, 606 Seiten, TB,2012
  • Übersetzt von Alfons Winkelmann
  • ISBN 978-3-442-37822-7

Der Ex-Navy-SEAL Jack Kirkland ist vom Unglück verfolgt, und das scheint sich im Laufe der Geschichte auf nachgerade apokalyptische Weise auf die gesamte Welt auszudehnen. Doch das ist nicht wirklich vorhersehbar, es sei denn, man hört auf die verschlüsselten uralten polynesischen Texte, die vor einem ungeheuerlichen Verhängnis warnen, das weit schlimmer ist als der sich ankündigende Nuklearkrieg.

Wie, ich gehe zu schnell vor? Okay, dann noch mal in Ruhe von vorn.

Eigentlich war Jack Kirkland Astronaut und auf einer Mission in die Erdumlaufbahn, als beim Ausbringen eines Satelliten etwas schief ging und die gesamte Mission sich in ein flammendes Desaster verwandelte. Bei dem Drama starb auch seine Verlobte, Jennifer Spangler, und er überlebte als einziger. Nach dem Drama kehrte er der Armee den Rücken und machte sich als freiberuflicher Schatzsucher selbständig. Mit seinem Boot „Deep Fathom“ (woher der Titel des Romans stammt) und einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten befindet er sich inzwischen im Pazifik auf der Fährte eines versunkenen japanischen Goldtransporters. Er kann ihn in der Tat mit dem kleinen Ein-Mann-Tauchboot Nautilus ausfindig machen … aber just in dem Moment, als ein untermeerischer Vulkan ausbricht und das Wrack verschlingt.

Dabei ist das, was unter dem Meer passiert, noch harmlos. Während einer Sonnenfinsternis am gleichen Tag kommt es zu einer heftigen weltweiten tektonischen Anomalie, die die ganze Westküste der Vereinigten Staaten und weite Teile des pazifischen Raums ins Chaos abgleiten lässt. Der US-Präsident Bishop, der gerade auf Guam weilt, um hier Verhandlungen mit den Chinesen zu führen, muss überstürzt wegen der Beben den Rückflug antreten … und kommt niemals an. Die Air Force One stürzt über dem so genannten Drachen-Dreieck ins Meer, alle Besatzungsmitglieder kommen um.

Der intrigante CIA-Direktor und der fremdenfeindliche Vizepräsident Lawrence Nafe wollen diesen Absturz als chinesischen Terrorakt hinstellen und suchen so eine Möglichkeit, machtpolitisch im Pazifik für klare Verhältnisse, wie sie das nennen, zu sorgen. Dafür müssen aber die Black Boxes des abgestürzten Flugzeugs gesichert werden.

Der einzige mit einem Tauchboot, das in die Tiefe von 600 Metern vordringen kann und sich in erreichbarer Nähe befindet, ist, Ironie des Schicksals, ausgerechnet Jack Kirkland. Eher widerwillig lässt er sich rekrutieren und stößt an der Unglücksstelle zudem auf den in CIA-Diensten rangmäßig aufgestiegenen David Spangler, den Bruder seiner verstorbenen Verlobten – und damit einen Mann, der ihn unerbittlich hasst.

In der Tiefsee entdeckt Kirkland zu seiner nicht eben geringen Überraschung aber auch eine riesige Kristallsäule mit rätselhaften Eigenschaften. In ihrer Nähe spielen Bordgeräte verrückt, die Zeit scheint dort anders zu verlaufen, und zu allem Überfluss finden sich auf der Säule auch noch eingemeißelte Symbole!

Auf einer weiteren Handlungsebene wird die Freundschaft zwischen der kanadischen Wissenschaftlerin Dr. Karen Grace und der japanischen Professorin Dr. Miyuki Nakano und den Handlungsschauplatz Okinawa umgeblendet. Hier haben die tektonischen Beben dazu geführt, dass eine untermeerische Ruinenstadt wieder ans Tageslicht gelangte. Karen fühlt sich dabei staunend an die Geschichten ihres Großvaters über den versunkenen Kontinent Mu erinnert, der angeblich im Pazifik existiert haben soll.

Ein Märchen, natürlich, da kann man ja gleich an Atlantis glauben … aber wie sind diese Ruinen zu erklären?
In den Ruinen entdecken die beiden, auf rätselhafte und ziemlich dramatische Weise von Plünderern mit Schlangentattoos verfolgt, einen mysteriösen Kristallstern, eine Sternenkarte und geheimnisvolle Schriftzeichen. Noch ist ihnen nicht bewusst, dass der Kristall aus derselben Substanz besteht wie die Kristallsäule, die Jack Kirkland entdeckt hat, und die Schriftzeichen entstammen derselben Sprache. Das kommt erst zutage, als Jack und die beiden Wissenschaftlerinnen zusammenkommen. Da wird ihnen bewusst, dass sich hier unglaubliche historische Zusammenhänge andeuten und die Mu-Legende vielleicht doch mehr ist als eben nur dies: ein Mythos.

Die Fährte führt nach Mikronesien in die uralte Ruinenstadt Nan Madol. Eine Ruinenstätte, wie ich ergänzen möchte, die wirklich außerordentlich faszinierend ist. Wer mehr dazu erfahren möchte, der sei auf die National Geographic-Dokumentationsreihe „Spuren verlorener Städte“ mit Dr. Albert Lin hingewiesen. Teil 2 „Die Geisterstadt des Pazifiks“ (2019) handelt genau davon.

Während der Vizepräsident Nafe zum neuen Staatsoberhaupt vereidigt wird, sorgt sein „Mann fürs Grobe“, niemand Geringeres als David Spengler, dafür, dass „handfeste Beweise“ für chinesische Sabotage beim Absturz der Air Force One auftauchen. Dabei schreckt Spangler vor Mord auch nicht zurück. Und ergänzend möchte er endlich auch Jack Kirkland umbringen und lässt ihn von seinem Mordteam verfolgen. Derweil schaukelt sich die politische Lage in Fernost zu einem veritablen Krieg hoch, der erst Taiwan erfasst und dann auf Okinawa übergreift, bis der Einsatz von Nuklearwaffen von beiden Seiten nur noch eine Frage von Tagen ist.

Außerdem sind amerikanische Wissenschaftler ebenfalls auf die Kristallsäule aufmerksam geworden und wollen ihre Energie als potenzielle Superwaffe ausbeuten. Zugleich, und das spielt dann Spangler einmal mehr in die Hände, sollen alle zum Schweigen gebracht werden, die von diesem Geheimnis wissen, das ja auch die Lüge von der chinesischen Sabotage an der Air Force One bedrohen könnte. Allen voran natürlich Kirkland.

Sie alle ahnen überhaupt nicht, dass es eine weit größere Gefahr gibt – der ist Jack Kirkland mit seinen Gefährten inzwischen in Polynesien auf der Spur. Diese Bedrohung hat vor rund zwölftausend Jahren schon einmal im Pazifik eine Landmasse versenkt. Doch die sich jetzt binnen weniger Tage anbahnende Katastrophe wird um ein Vielfaches schlimmer sein. Genau genommen sprechen sie hier vom Ende der Welt. Da verblasst sogar ein Nuklearkrieg zur Randnotiz … wenn sie das Verhängnis nicht aufhalten können. Aber wie sollen sie das wohl machen, wenn der Psychopath Spangler ständig dazwischen schießt und außer seiner Privatrache blind für alles andere ist?

„Rollins macht Jagd auf die Nerven seiner Leser. Klasse!“, urteilte die Bild am Sonntag. Auf solche Pressestimmen gebe ich üblicherweise nicht viel, aber in diesem Fall muss ich eingestehen, dass das Statement über mehrere hundert Seiten des Romans wirklich sehr zutreffend ist. Was sich aus den scheinbar harmlosen Anfängen der Geschichte entwickelt, ist ziemlich atemberaubend. Weniger die politischen Verwerfungslinien als vielmehr das Potpourri von Verbindungslinien, das sich hier entfaltet.

Wir haben den Kontinent Mu. Wir haben die Ruinenstadt Nan Madol. Man füge die Rongorongo-Inschriften der Osterinsel hinzu und mische dies mit exotischen Stoffen, die überaus faszinierende Eigenschaften aufweisen. Das alles mixe man dann noch zusammen mit dem Themenkomplex Dunkle Materie und Dunkle Energie, Bermuda- und Drachen-Dreieck, Mythologie sowie Zeitreisen (!), ergänzt um ein paar interessante Dinge, die ich hier jetzt nicht erwähnen möchte, um ein paar Überraschungen zu bewahren … und heraus kommt eine ziemliche wilde Achterbahnfahrt des Abenteuers, die aber einfach nur Spaß macht.

Okay, das Ende ist dann tatsächlich etwas sehr süßlich und erinnerte mich ein wenig an den – zumindest in meinen Augen – leicht missglückten Abschluss von Peter F. Hamiltons „Armageddon-Zyklus“. Aber dafür, dass dieser Roman nicht als Phantastik gekennzeichnet ist, indes jede Menge phantastische Elemente enthält, ist er sehr interessant geraten. Jeder Phantast, der gern man mittels eines vermeintlichen veritablen Thrillers einen kleinen Blick über den Tellerrand seines Genres werfen möchte, ist hier gut aufgehoben.

Ich für meinen Teil habe daraus gelernt, dass Rollins nicht nur in seinen Sigma Force-Romanen äußerst solide, packende Thriller zu schreiben versteht, sondern auch in seinen „Solo“-Romanen, die nicht zu größeren Zyklen gehören. Versteht das ausdrücklich als klare Leseempfehlung!

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