Battletech-Fortsetzungsgeschichte von Alexander “Tiff” Kaiser, Fortsetzung von “La Jolla | Teil III” in World of Cosmos 79 (liegt leider nur noch antiquarisch vor)

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Nach einem überraschend milden, aber langen Winter brach der Frühling vor allem mit Schauern und niedrigen Temperaturen über Bahrein und die umliegende Region herein. Die Frühjahrsflut des Odangos fiel relativ schwach aus, weil es in den Gordun-Bergen nicht genug Schnee gegeben hatte, der schmelzen konnte, und das bedeutete, dass die Downtown eines der Jahre erlebte, an denen es keine nassen Füße gab. Die Regel waren zwei bis drei Meter Hochwasser am Hafen, für mindestens zwei Wochen. In wirklich schlimmen Jahren konnten es fünf Meter und mehr werden, was bedeutete, dass in der Downtown alle Gebäude bis zum Ersten Stock hoch im Wasser lagen. Aber wie gesagt, nur in schlimmen Jahren. So war das Wetter mäßig, das Hochwasser moderat, und das Leben einigermaßen beschaulich, wenngleich sehr viel weniger Pflanzen zu blühen begannen als sonst zu dieser Zeit üblich. Mit anderen Worten: Es war ein mäßiges, nasses Sauwetter, bei dem man ungern jemanden vor die Tür jagte. Das Ende des Winters bedeutete natürlich auch, dass die Tage länger wurden. Aber noch endeten die Nächte spät und begannen spät. Da der Planet eine stärkere Achsneigung als die gute alte Erde hatte, war es besonders extrem, und selbst in der Hauptstadt, die nur zwanzig Längengrade südliche des Äquators lag, gut zu spüren. Aber weil Landmassen und Wasserflächen ein Verhältnis von achtzig zu zwanzig einnahmen, waren zumindest die Stürme weniger ausgeprägt als auf Terra. Das Fehlen von Bergketten über viertausend Metern über Normalnull taten ihr Übriges, sodass die hochatmosphärischen Jetstreams viel leichter fließen und ein gleichmäßiges Wetter aufrecht erhalten konnten. Einer der Gründe, warum Ja Jolla überhaupt besiedelt worden war.

Jens Lennardi, der Anführer der Rumble Rocketeers, stand bei eben diesem frühen Sonnenuntergang am großen Panoramafenster seines Büros und sah dabei zu, wie die Sonne im Südwesten langsam hinter der planetaren Krümmung verschwand. Mit dem heutigen Tag waren sie geschlagene fünf Monate auf dem Planeten und übten die Kontrolle aus; es lief alles recht gut für die Rocketeers, und selbst die letzten Skeptiker, die den Planeten und besonders die planetare Hauptstadt lieber gebrandschatzt hätten, wurden von den Annehmlichkeiten der Zivilisation und vor allem von den prallen Konten zufriedengestellt. Natürlich war es hilfreich gewesen, die schlimmsten Störenfriede, die er nicht ganz offen hatte beseitigen können, mit Hilfe der Miliz auszusortieren. Aber alles in allem wurden die Piraten satt, faul und träge. Genau, wie er es geplant hatte.

Seit etwa dem dritten Monat waren die Rocketeers dabei, Clockwork aufzugeben, das Höllenloch von Planet, auf dem sie ihr armseliges Versteck hatten. Jens evakuierte alle Menschen, die mehr oder weniger freiwillig bei den Rocketeers hatten leben müssen, in dieses Sonnensystem. Wer sich nicht als Familie eines Piraten sah, wurde den Behörden übergeben, die versuchten, diese Menschen in die Gesellschaft wiedereinzugliedern oder an jenen Ort zu schaffen, den sie „Zuhause“ nannten. Es war allerdings erstaunlich, wie viele dieses Angebot nicht annahmen und bei “ihren” Piraten blieben, während andere, von denen Jens es nie erwartet hätte, die erste Gelegenheit nutzten, um sich abzusetzen und in der Hauptstadt unterzutauchen.

Nicht alle taten dies, um zu fliehen. Eine Horde aus neun Jugendlichen hatte dies getan, um ins Stadtleben eintauchen zu können und waren nach einer guten Woche reumütig zurückgekommen, weil man sie hatte in die Schule stecken wollen. Nur leider erwartete sie bei den neuen Rocketeers auch die Schule. Jedenfalls hielt Lennardi die Einheit einigermaßen zusammen, und das war erstaunlich genug. Aber es war wichtig für seine Pläne, dass es funktionierende Rumble Rocketeers gab. Für ihn und für den ganzen verdammten Planeten.

“Jens?”, klang eine liebe und vertraute Stimme an der Tür zu seinem Büro auf. Lennardi warf einen Blick zurück. Natürlich war es Arida. Ihr Anblick erfreute den jungen Piratenführer wie immer, und genau wie immer musste er seine Begierde zähmen. Es war nicht nur, dass er sie körperlich begehrte. Sie war gewiss nicht die hübscheste Frau auf diesem Planeten, aber sie war auch bei weitem nicht das, was man hässlich nennen konnte. Es war ihre Art, ihr Wesen, wie sie redete, ihre Gestik, ihr Lachen. Wie sie was sagte, wie sie Informationen aufnahm und weitergab. Wie sie sprach, wie sie diskutierte. Ursprünglich nur das Feigenblatt seiner Legitimität, sich Gouvernor zu nennen, war sie eine wichtige Stütze, wenn nicht die wichtigste seiner Herrschaft geworden. Die keinesfalls aus Blut und Terror bestand, wohl aber aus einem Despoten und einer funktionierenden Verwaltung. Nicht zuletzt wegen diesem Lächeln, das sie ihm schenkte, funktionierte das System. Nur zu gerne hätte er sie verschlungen, mit Haut und Haaren, wieder und wieder, dem Klang ihrer Seele gelauscht, ihr Wissen und ihr Wesen getrunken, sich zu ihrem Sklaven gemacht, zu ihrem Herrn aufgeschwungen, und doch nur gewollt, dass sie freiwillig bei ihm war und bei ihm bleiben würde.

“Jens?”, fragte sie erneut. “Du schaust so merkwürdig.”

Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber dann schloss er ihn wieder, sah aus dem Fenster. “Komm rein, Arida. Es ist ein sehr schöner Sonnenuntergang.”

“Du magst das Büro, nicht?”, fragte sie mit amüsierter Stimme.

“Ich mag diese Stadt”, erwiderte er, als sie neben ihn trat. “Ich mag diese Menschen. Meine und deine. Ich mag, wie sie leben. Und ich mag nicht, dass der Bastard, der mein Vater war, dieser Welt so viel Kummer bereitet hat.” Lennardi ballte die Hände zu Fäusten. “Ich mag es, hier zu sein, und ich möchte nicht mehr gehen.”
Ihre Linke legte sich auf seine Rechte. “Du musst nicht gehen, wenn du es nicht willst, Jens.”

Beinahe unter Schmerzen sah er auf die lange, schmale, weiche Hand, die auf seiner rauen, breiten Pranke ruhte und ihm so viel mehr gab als es eine Kopulation hätte geben können. Wenn er gekonnt hätte, wie er wollte, dann… Dann… Aber wollte er sie verletzen? Wollte er das zerstören, was sie hatten? Dies war der einzige Einwand, den er aufbrachte, um sie vor sich zu schützen. Vor dem Monster, das unter der Tünche der Zivilisation lauerte.

“Doch. Eines Tages wird Bahrein mich und die Rocketeers wieder vom Planeten jagen. Irgendwann ist die Miliz stark genug dafür. Sie sammelt jetzt schon ihre Kräfte. Und eventuell stoßen noch Söldner in Mechs dazu, wer weiß?”

“Ich denke nicht, dass das passieren wird. Die Menschen gewöhnen sich an euch, und es geht ihnen alleine nach den ersten fünf Monaten sehr viel besser. Ihr bringt Geld und Waren auf diese Welt, die vorher für uns schlicht unerreichbar waren, und ihr vertreibt unsere Waren auf euren Kanälen und erwirtschaftet Gewinne, die wir so nicht kannten. Ein Problem könnte es vielleicht geben, wenn eine externe Macht euren Schmuggel bekämpfen will, aber wir sind ein autarker Planet mit eigener Regierung. Wir sind keine Piraten, wir haben Verhandlungsmasse.”
“Das hast du schön gesagt”, kommentierte Lennardi mit ein wenig Spott in der Stimme. “Dennoch bleibe ich der Ursupator, der hiesige Stefan Amaris. Irgendwann wird es jemanden geben, der genug hat, und sei es die Miliz, die mich niemals als planetares Oberhaupt anerkennen wird.”

“Vielleicht können wir sie dazu bringen, dich anzuerkennen?” Sie tätschelte seine Hand, und bevor er sich versah, verschränkten sich ihre Finger in seinen.

“Was meinst du?”, fragte er. Zuerst überrascht, dann verwirrt.

“Ich meine, ich bin keine Freundin langer Verlobungszeiten. Lass uns heiraten. Dann könnt ihr Rocketeers ganz regulär auf dem Planeten bleiben. Vorausgesetzt, eure Unterordnung unter unser Rechtssystem ist nicht gespielt. Da aber die wüstesten Gesellen, die denken, dein Vater regiert die Rocketeers noch, so nach und nach verschwinden, als gäbe es eine Art Absprache mit der Miliz, glaube ich das nicht.”

“Du meinst, ich soll dich heiraten?”

“Darauf läuft eine Verlobung doch hinaus”, sagte sie amüsiert. “Bestell das Aufgebot. Ich besorge die Ringe.”
“Das ist ein Scherz, oder?”, fragte Lennardi. Seine Gesichtszüge fühlten sich an, als würde er das dümmste Gesicht seines Lebens machen.

Arida zog die Finger aus seinen hervor, nahm die Hand zurück. Jens registrierte es mit einem tiefen Gefühl der Enttäuschung. Natürlich brach die Realität immer dann über ihn herein, wenn er sich hatte einlullen lassen. Wie immer. Die Schwachen bekamen die Kloppe.

Als ihre Linke an seine Kehle fuhr, war er dann auch nicht wirklich überrascht, aber unfähig, einen Finger zur Gegenwehr zu bewegen. Sie drückte ihn vom Fenster fort, gegen die nächste Wand. Dann war ihr Gesicht dem seinen so nahe, dass er ihren süßen Atem schmecken konnte.

“Ich bin es so satt, Jens, so unendlich satt. Dieses hin und her und drumherum, das du seit fünf Monaten veranstaltest, geht mir so unendlich auf den Zeiger! Ich halte das nicht mehr aus!” Sie drückte ihren Körper an ihn, und deutlich spürte er ihre Weichheit und Wärme.

“Du bist der letzte Mensch, den ich ausnutzen will”, sagte er.

Sie prustete laut. “Da ist aber ein Teil von dir anderer Meinung. Oder ist das eine Laserpistole in deiner Hose?”

“Arida, wenn ich etwas nie wollte, dann…”

“Seit du hier eingebrochen bist, seit du dich zum Gouvernor erklärt hast, seit du mich das erste Mal angesehen hast, seitdem warte ich. Warte auf den Tag, an dem wir endlich miteinander schlafen, an dem wir eins werden. Ich wäre anfangs auch mit einer schnellen Nummer oder mehreren zufrieden gewesen, einfach um etwas Dampf abzulassen. Weißt du eigentlich, wie attraktiv du für mich bist, Jens Lennardi? Vom ersten Moment an wollte ich dich. Aber jetzt, wo ich dich länger und besser kenne, will ich nicht nur deinen Körper, ich will das ganze Paket.”

Sie drückte sich noch enger an ihn. “Ist es so unverständlich, wenn ein Mädchen einen Jungen lieben möchte? In beiden Formen? Oder bin ich dir nicht mehr als eine Nummer wert? Nein, nicht mal das?” Sie nahm die Linke von seinem Hals, löste sich von ihm. Dann wandte sie sich ab.

Jens griff zu, erwischte ihr rechtes Handgelenk. Wirbelte sie daran herum, wieder zu sich, in seine Arme. Er umfasste sie, drückte sie an sich. Ihr Gesicht war voller Erwartung und Vorfreude. “Ich habe keine Termine mehr, und die Couch ist sehr bequem.”

Sie drängte sich wieder an ihn, verschloss seine Lippen mit einem kurzen Kuss. “Für den Anfang wird das reichen, mein großer, böser Pirat. Jetzt fick mich endlich, bevor ich es mir anders überlege.”
Wieder küssten sie sich, er drückte sie in Richtung Couch, und noch bevor sie diese erreichten, fielen die ersten Kleidungsstücke. Als sie halbnackt, einander in den Armen haltend, auf die große, breite Liegestatt fielen, fischte er ein Präservativ hervor. Sie schnappte es sich und warf es hinter sich. “Erstens sind wir verlobt, mein Lieber, und zweitens bin ich auf Verhütung. Übrigens nicht erst, seit du auf diesem Planeten bist, Jens Lennardi.”

“Dann kann ich mich ja schadlos halten”, erwiderte der Pirat mit rauer Stimme.

Sie wühlte durch seine Haare, während sein Kopf ihren Körper hinab wanderte und mit Küssen übersäte. “Halt dich schadlos. Endlich.”

***

Man sagte einiges über den Raumhafen von Bahrain. Dass er nicht besonders gut ausgerüstet war, da er nur über fünf Landemulden verfügte, die zugleich drei UNION und zwei OVERLORD aufnehmen konnten. Nicht, dass es jemals zugleich so viel Verkehr gegeben hätte. Dass er mit einem geduckten Tower, einer Radaranlage und einer Umrandungsmauer, die ein Areal von etwas zwei Quadratkilometer umfasste, nicht besonders gut gegen BattleMech-Angriffe geschützt war. Dass die automatischen Lasertürme schon seit sehr langer Zeit außer Funktion waren und nur noch als Abschreckung gegenüber jenen dienten, die es nicht wussten. Tatsächlich hatten die vier überschweren Lastertürme mit den Vierlingsläufen nicht gefeuert, als die AMUR das erste Mal gelandet war und die Rumble Rocketeers die Macht erst in Bahrein und dann auf dem Planeten übernommen hatten. Dass dies nicht geschehen war, weil die Piraten zuvor die Energieversorgung sabotiert hatten, war nicht vermeldet worden, weil Lennardi darauf gehofft hatte, dass das Nichtfeuern der Flaks zur Legendenbildung der Rocketeers beitragen würde.

Dass die Energieversorgung nicht nur wiederhergestellt worden war und dass die Rocketeers die Leitungen gegen einen Angriff wie ihren und ein paar weitere Piratenhaufen, die sie kannten, extra geschützt hatten, wurde jedenfalls nicht erzählt. Auch nicht, dass das Sicherheitspersonal, das nun durch einige erfahrene Kämpfer der Rocketeers ergänzt worden war, die sich auf Anschleichen verstanden, in der vorigen Nacht genau so eine Sabotage schnell und blutig verhindert hatten.

Als dann tatsächlich die Lasertürme unvermittelt zum Leben erwachten und ihre Läufe nach Südosten richteten, war dies zuallererst eine Überraschung. Vor allem für die vier Piloten, die in den vier mittelschweren Maschinen vom Typ Sperber und Drossel saßen und Angriffskurs auf den Tower hielten.

Im Tower selbst saß einer von Lennardis engeren Vertrauten, der hier eine Position und eine Verantwortung erreicht hatte, die ihm die Rocketeers alleine nie hätten ermöglichen können. Mark Rubert Covin, bei den Piraten nur ein kleiner, unterdrückter Techniker, hier aber dank seines technischen Verständnis zum Leiter des Towers aufgestiegen, checkte die eingehenden Radarwerte, und drückte dann ohne Anweisung des Hafenkapitäns auf den großen roten Knopf, der die Laser selbstständig feuern lassen würde. Kurz bevor die vorweg fliegenden Drosseln ihre eigenen Waffen abfeuern konnten, eröffneten zwei der Geschütze ihr Laserbombardement. Eine Drossel wurde schwer getroffen, der Pilot stieg aus, die andere Drossel drehte ab, geriet dabei aber in Reichweite einer dritten Flak, die sofort zu feuern begann und große Teile der rechten diskusförmigen Tragfläche zertrümmerte. Die beiden Sperber schienen wenig Lust zu verspüren, die gleiche Behandlung zu erfahren und drehten ab. Leider erreichte die eine Maschine dabei die Maximalreichweite eines Turms, der die schlanke Maschine sofort unter Feuer nahm. Da die Sperber gerade eine Kurve flog, knallte die Salve in dem Rumpf und ins Heck, wo der Fusionsantrieb lag. Die Maschine wurde furchtbar verprügelt, der Antrieb versagte. Der Auftrieb der Flügel hielt nicht lange an bei einem Modell, das auf einen konstanten Triebwerksstrahlausstoß angewiesen war, wenn sie in einer Atmosphäre flog. Das Wunderwerk der Technik fiel herab wie ein Stein und explodierte am Boden. Der Pilot war nicht ausgestiegen. Die verbliebenen beiden Maschinen suchten das Weite.

Lennardis Vertrauter Covin nahm den harten Schlag zur Kenntnis und nickte dazu. Dann griff er zum Telefon und ließ sich mit dem Gouvernor direkt verbinden. “Sie sind da.”

„Wer?“

„Du hast ein Dossier mit allem gekriegt, was wir bisher wissen, Jens.“

„Gut. Ich arbeite mich ein. Gib Bescheid, Mark“

Der Mann legte wieder auf und wählte eine neue Nummer. Als sein Gegenüber abnahm, sagte er wieder nur: “Sie sind da.”

Die Antwort war knapp. “Wir sind bereit.”

Dann legte er wieder auf. “Bereit machen für einen Bodenangriff.”

Fortsetzung folgt in La Jolla | Teil V

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