Story von Alexander “Tiff” Kaiser
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Gut gelaunt, nein, sehr gut gelaunt wanderte ich durch die Schule. Wie immer hatte ich den Kragen meiner Schuluniform aufgeknöpft und die Hände tief in die Taschen meiner Hose vergraben. Aber im Gegensatz zu normalen Zeiten lächelte ich vergnügt und pfiff sogar ein Weihnachtslied.
Ja, es weihnachtete sehr. Und das schöne daran war, dass ich die ganze Bande Zuhause haben würde. Sakura, Makoto, Yoshi, Lilian, Hina, Akane, Kei, Doitsu, Akari, Kenji, Daisuke, Sarah, Ami und Megumi. Einem fröhlichen Fest stand nichts im Wege. Kurz nur trübte ein düsterer Gedanke meine Stimmung. Ich war endlich dazu gekommen, mich Vater etwas anzunähern und hatte ihn selbstverständlich für die Feier eingeladen. Aber er hatte abgesagt. Unaufschiebbare Weihnachtsfeier auf dem OLYMP, hatte er gesagt.
Nun, es war sein Leben und somit seine Entscheidung. So wie diese Entscheidung, alle zu mir einzuladen, mein Leben war.
Immer noch fröhlich pfeifend betrat ich die Parallelklasse. Ich tauschte ein paar Weihnachtsgrüße mit den Jungs und Mädchen aus, während ich mich langsam meinem Ziel näherte. Mein Blick verlinkte sich, die Automatik übernahm und ich schoss direkt auf sie zu: Megumi.
„Frohe Weihnachten, Megumi“, hauchte ich ihr ins Ohr. Ich hatte erwartet, meine Stimme, so nah neben ihr, würde sie erschrecken oder wenigstens etwas aus der Fassung bringen.
Stattdessen tat sie lange Zeit überhaupt nichts, bevor sie sich endlich bequemte, zu mir herüber zu sehen. „Oh. Du bist es, Akira. Gibt es einen Grund für die gute Laune?“
Für einen Moment hatte ich große Lust verärgert zu sein. Aber schlagartig setzte meine gute Laune wieder ein. „Natürlich. Eben gerade hat Hina-chan zugesagt. Damit habe ich alle unter einem Hut. Das wird ein Fest. Eierpunsch, deutscher Christstollen, viele Weihnachtslieder, ein bunt geschmückter Baum, viel zu essen, …“
Für einen Moment lächelte Megumi sanft. „Ich merke es schon, du planst eher westliche Weihnachten.“
„Sommersonnenwende, schon mal davon gehört? Es ist ein westliches Fest“, erwiderte ich.
„Schon gut, schon gut.“ Sie seufzte leise. „Warum darf ich dir eigentlich nichts schenken? Das wird das erste Weihnachtsfest sein, das wir seit langer Zeit zusammen verbringen.“
Das brachte mich dazu, geradezu zu strahlen. „Weil“, begann ich und hob dozierend den Zeigefinger, „diesmal nur ich Geschenke verteile. Ihr seid alle meine Gäste, meine Freunde und mein Leben. Und zu diesem Weihnachtsfest will ich euch alle glücklich machen.“
Wieder lächelte Megumi kurz. Es war ein sehr schönes, sanftes Lächeln, das mich bezauberte.
„Nur für dich habe ich noch nichts. Gibt es irgendetwas, was sich Lady Death, die Hoffnung der Menschheit, zu Weihnachten wünscht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, soweit habe ich alles. Danke.“
„Und wie sieht es mit Megumi-chan aus, meiner Freundin?“
Kurz wurde sie rot. „Du redest wieder, Akira.“ Ihr Blick glitt aus dem Fenster hinaus.
Ich folgte ihrem Blick und sah das satte Grün der belaubten Büsche und die knorrigen Skelette der entlaubten Bäume. Ein kalter Wind trieb über den Schulhof und fegte ein paar braune Blätter zusammen.
„Du könntest es für mich schneien lassen“, hauchte sie.
„Na, nun bleib mal realistisch. Wie wäre es mit einem Diamantring?“, fragte ich mit einem Zwinkern.
Interessiert sah sie zu mir herüber. „Diamantring? Diamonds are a Girls best Friends. Willst du vielleicht für etwas Wichtiges üben, Akira?”
Ich zwinkerte ihr zu. „Wer weiß, wer weiß. Lass dich überraschen.“
„Idiot“, sagt sie und wandte den Blick wieder nach draußen. Auf ihren Wangen stand tiefe Röte. „Eigentlich wünsche ich mir nur das, was du mir ohnehin schon gibst. Das Fest mit dir zu feiern.“
„Dann ist für uns beide ein Wunsch in Erfüllung gegangen“, sagte ich leise.
Bevor die Szene peinlich werden konnte, hob ich die Rechte zum Kopf und salutierte spöttisch. „So, ich muss wieder in meine Klasse. Frohe Weihnachten und bis heute Abend!“, rief ich und ging wieder auf den Flur.
***
„Frohes Fest!“, rief Akari, als Kenji und Hina durch den Vordereingang eintraten. Hinter ihnen schob sich Ami in den Flur.
Kenji Hazegawa warf dem Oni einen schiefen Blick zu. „Okay, die rote Pudelmütze mit der weißen Bommel lasse ich mir noch gefallen. Aber dieses Weihnachtsmann-Minirockkleid ist doch etwas gewagt, oder?“
Akari lächelte verlegen. „Ich bin zwar nur ein Oni, aber Yoshi-sama meinte, deswegen könnte ich trotzdem mal meine tollen Beine zeigen. Und zu Weihnachten wäre das nicht unüblich… Hat er gesagt.“
„Stimmt“, kommentierte Ami Shirai und schälte sich aus ihrem Mantel. Sie trug ein ähnliches rotes Kleid, das nur unwesentlich länger war und kurze Ärmel hatte. Dabei strahlte sie mit dem Oni um die Wette. „Frohe Weihnachten, Akari.“
Kenji seufzte leise. „Vielleicht hätte ich doch als Weihnachtsmann verkleidet kommen sollen. Was ist mit dir, Hina? Kommst du nicht?“
„Äh“, machte das blonde Mädchen und öffnete ihren Mantel. Kenji schlug sich eine Hand vor den Kopf, als er ein ähnliches Kleid an Hina sah. Nur war ihres tief ausgeschnitten und ärmellos.
„Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Komm schon, Hina“, ermunterte Kenji sie.
In diesem Moment kam ich aus meinem Zimmer, von wo aus ich die Ankunft der drei mitbekommen hatte.
Kenji seufzte erleichtert, als er sah, dass ich kein Weihnachtsmannkostüm trug.
Dennoch hob er misstrauisch eine Braue. „Ein Smoking, Akira? Gibt es heute eine Kleiderordnung?“
Ich grinste. „Nicht wirklich. Kommt, das Essen beginnt gleich und es sind auch schon alle da.“
***
Nach einem opulenten Mahl und einigen Weihnachtsliedern, die hauptsächlich nach dem Motto: Besser laut als richtig gesungen worden waren, bat ich um Ruhe. Doitsu, der ausgelassen wie selten ein neues Lied anstimmen wollte, verstummte mitten im Satz.
„Liebe, gute Freunde“, begann ich. „Erstmal freut es mich sehr, dass Ihr alle gekommen seid. Sonst hätte ich das viele Essen nie geschafft.“
Leises Gelächter antwortete mir.
„Und dann möchte ich noch einmal erklären, warum niemand Geschenke mitbringen sollte.
Heute beschenke nur ich. Damit will ich niemanden beschämen oder belohnen. Ich will einfach den Menschen, die ich liebe, eine große Freude machen. Das ist eigentlich sehr egoistisch von mir, aber gönnt mir das bitte.“
Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und sah in feucht schimmernde Augen oder peinlich berührte, abgewendete Gesichter.
„Leider habe ich mir nicht zu jedem so viele Gedanken machen können, aber meine Geschenke kommen alle von Herzen.“
Ich erhob mich, ging kurz in mein Zimmer und kam mit einem Sack wieder.
„Eeeh?“, rief Akari aufgeregt. „Vorhin war aber noch keiner in deinem Raum, Akira-sama!“
„Hast du etwa nach den Geschenken gesucht?“, tadelte ich den Oni, was aber im allgemeinen Gelächter unterging.
Ich lächelte sanft und griff in den Sack. „Da du dich vorgedrängelt hast, hier dein Geschenk.“
Der Oni sah mich überrascht an. „Meister. Du schenkst mir auch etwas?“
Sie nahm das kleine Päckchen entgegen und öffnete es. „Ist das schön. Das ist wirklich für mich?“
Verlegen legte ich eine Hand in den Nacken. „Ich weiß ja, wie vernarrt du in Klamotten bist. Aber ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dir ein weißer Yukata mit roten Kirschblüten gefallen würde. Der Stoff ist jedenfalls richtig teuer.“
„Danke, Akira-sama“, rief der Oni und fiel mir um den Hals.
„Na, na“, kommentierte ich amüsiert.
„Der Nächste ist Daisuke. Es ist sehr schwierig für dich irgendetwas zu finden. Aber Sarah hat gepetzt. Hier.“ Ich reichte ein schlankes Päckchen an den Mechapiloten.
Er öffnete es und sah sofort erstaunt zu mir herüber. „Der Portefolio über die Hawk-Entwicklung! Die einzige Nummer die mir fehlt. Woher hast du…“ Er verstummte. Dann verneigte er sich leicht. „Danke, Akira. Du machst mir eine große Freude.“
Sarah Anderson, die neben ihm kniete, kicherte leise.
„Und für Sarah habe ich etwas, was mir Daisuke verraten hat. Es war eigentlich ganz einfach, euch gegeneinander auszuspielen“, bemerkte ich amüsiert und zog ein weiteres längliches Buch hervor. Sie warf ihrem Nachbarn einen verwirrten Blick zu, bevor sie das Päckchen mit einem Lächeln entgegen nahm und öffnete.
„Wow. Zehntausend Schachpartien der Großmeister zum nachspielen. Inklusive der Titelkämpfe aller russischen Weltmeister. Ich weiß gar nicht, wem ich um den Hals fallen soll.“
„Im Zweifelsfall Daisuke“, erwiderte ich grinsend.
Sarah wurde rot. „Später vielleicht.“
Diese Bemerkung ließ nun den Mechapilot erröten.
„Für Sakura-chan habe ich was ganz besonderes: Französische Unterwäsche. Merkwürdigerweise habe ich eines Morgens auf meiner Türschwelle einen Zettel mit dem Namen eines Geschäftes, der Größe und der Farbe von drei Sets gefunden.“
Sakura nahm die kleine Tüte entgegen und erwiderte trocken: „Bevor du mir irgend etwas schenkst…“
Ich lächelte und sah zu Makoto. „Das gleiche habe ich übrigens für dich, mein lieber Cousin.“
„Momomoment!“, rief er über das begeisterte Kreischen der Mädchen hinweg. „Das kannst du mir nicht antun!“
„Stimmt“, erwiderte ich und reichte ihm einen eingewickelten Gegenstand. „Hier, ein neues Shinai für unsere gemeinsamen Kendo-Übungen.“
„Das ist nur recht und billig, Akira“, rief er lachend, während einige der Damen doch enttäuscht wirkten, „immerhin hast du das alte auf dem Gewissen!“
Ich lachte ebenfalls. Und sah zu Yoshi herüber. „Hier. Ein neuer Sportbogen. Ich habe eine Halterung anbringen lassen, eine Art Haken für deine Bannsprüche.“
Der Freund packte sein Geschenk aus. „Danke, Akira. Ich habe dir zwar keinen Zettel auf die Schwelle gelegt, aber das ist genau der Bogen, den ich mir gewünscht habe. Woher wusstest du das?“
„Ach, eine achtlos aufgeschlagene Sportzeitung ist oftmals wie ein Wink mit dem Zaunpfahl“, erwiderte ich.
„War keine Absicht“, beteuerte Yoshi.
„Akane. Für dich etwas zu finden ist so schwer. Erst dachte ich an eine Reitgerte, damit du die Schüler in Zukunft noch besser antreiben kannst.“
Leises Gelächter bestätigte mich. „Doch dann fand ich, dass das hier besser zu dir passt.“
Akane öffnete die Packung mit stoischer Gelassenheit. Doch als sie den Inhalt sah, schmolz sie dahin. „Gesammelte Texte über die Spezielle Relativitätstheorie, mit Originalkommentaren von Einstein. Danke, Akira. Das wollte ich schon immer mal lesen.“
Ich winkte ab. „Schon gut, schon gut. Habe ich wen vergessen? Ne? Dann lasst uns weiter feiern. Ja, ist ja gut. Ich habe euch nicht vergessen“, rief ich, als die Unbeschenkten laut protestierten.
„Lilian, du hast hier bei uns viele Hobbys entwickelt. Aber dein liebstes sind Konsolenspiele. Deshalb habe ich gedacht, ich gebe dir was zu tun. Diese zehn Spiele werden dich mindestens zehn Tage beschäftigen“, scherzte ich und konnte ihr gar nicht das Paket reichen.
Sie hatte mich sofort umarmt. „Danke, großer Bruder. Danke.“
„Habe ich noch wen vergessen? Hina. Für dich etwas eher Einfaches.“
Das blonde Mädchen öffnete das kleine Päckchen und sah mich entrüstet und erschrocken zugleich an. „Aber Akira-san, das ist doch…“
„Ja, das ist der Orden, den ich erhalten habe, als du mich gerettet hast. Ich wünsche mir, dass du ihn behältst. Er ist vielleicht nicht das richtige Geschenk für ein Mädchen, aber glaube mir, dass er mir sehr viel bedeutet. Ich gebe ihn nicht leichtfertig her.“
„Ich weiß das, Akira-san“, hauchte sie mit feucht schimmernden Augen. Sie erhob sich, kam zu mir und drückte mich kurz. „Mir bedeutet dieser Orden jetzt auch sehr viel. Danke, Akira-san.“
„Es freut mich, das er dir gefällt“, erwiderte ich. Dann fiel mein Blick auf Kenji. „Was schenkt man dem Mann, für den kein Geschenk passt? Tut mir leid, aber mir ist nichts Besseres für dich eingefallen.“ Langsam zog ich ein großes Bündel aus dem Sack.
„Boxhandschuhe?“, argwöhnte der Riese, als er es öffnete.
Ich nickte. „Wie ich schon sagte, ich wusste nicht, welches Geschenk bei dir passt. Also habe ich diese Neun Unzen-Boxhandschuhe und einen Gutschein für zehn Trainingsstunden besorgt.“
Kenji lachte entgegen seiner Art laut auf und klopfte sich auf den muskulösen Bauch. „Das passt, Akira. Ich drohe ohnehin etwas zu fett zu werden. Da kommt mir die Übung gerade recht.“
„Und wieder jemanden glücklich gemacht“, bemerkte ich zwinkernd. Ich sah zu den letzten beiden herüber. Ami und Doitsu.
„Ami-chan. Ich kann mich gar nicht entscheiden, was sinnvoller für dich ist. Eine Handfeuerwaffe oder ein Erste Hilfe-Koffer.“
„Sehr witzig“, brummte sie als Antwort, während die anderen kicherten.
„Stattdessen habe ich mich hierfür entschieden.“ Diesmal zog ich einen großen Packen hervor. „Drei Kilo Shojo-Mangas.“
Die kleine Ami Shirai wirkte plötzlich völlig aufgeregt. „Gib her, gib her, das muss ich sehen. Sind Titel dabei, die ich noch nicht kenne?“
Sie riss mir die Bücher beinahe aus der Hand und ging sie durch. „Ooooh, alles neu. Akira, du bist ein Schatz!“
„Natürlich ist alles neu. Einiges davon erscheint eigentlich erst im Januar“, erwiderte ich. Es war ein wunderschönes Gefühl zu schenken. Und heute fühlte ich mich großartig.
Mein Blick traf Doitsu. „Für dich habe ich auch etwas.“
„Irgendwie habe ich das erwartet“, spottete er.
Ich grinste schief und zog einen weiteren länglichen Gegenstand hervor.
Er wickelte ihn aus und staunte. „Wow. Das ist eine fünfunddreißig Zentimeter lange Bowieklinge mit Überlebensausrüstung. Komplett mit Kompass, Angelhaken und Schnur, Streichhölzern, GPS-Sender und, und, und …“
„In Deutschland gefertigt“, kommentierte ich. „Dort stellen sie nach Japan die besten Messer her.“
„Genau das Richtige für mein nächstes Wochenende in den Bergen, Akira. Du kommst doch mit, oder?“, fragte er mit einem Augenzwinkern.
„Na, jetzt, wo wir dank des GPS-Senders nicht mehr verloren gehen können…“, erwiderte ich schmunzelnd.
Ich schlug mir auf die Schenkel. „So, das war es. Der Sack ist leer.“
„Hey. Wo bleibt denn Megumis Geschenk?“, protestierte Lilian aufgeregt. „Kriegt sie nichts?“
Megumi senkte den Blick.
„Sie bekommt ihr Geschenk nachher. Aber jetzt lasst uns erst mal feiern.“
Ein dünnes Lächeln spielte um Megumis Mund, als sie unmerklich den Kopf hob. „Moment, Akira. Da gibt es noch etwas. Du hast zwar gesagt, du willst heute der einzige sein, der etwas verschenkt. Aber das geht doch nicht. Deshalb haben wir alle uns zusammen etwas überlegt. Etwas, was dir wichtig ist. Was dir etwas bedeutet. Worüber du dich freuen würdest.“
Sie erhob sich und ging auf den Flur. Kurz darauf sah ich sie wieder, wie sie mit aller Kraft an etwas zog. Kurz darauf kam ein Arm in mein Blickfeld. „Nun stell dich nicht so feige an, ja?“, rief Megumi laut.
Mit einer letzten Kraftanstrengung hatte sie den dazugehörigen Körper vor die Tür gezogen.
Ich erstarrte und mein Magen verwandelte sich in eine Kohlegrube.
„Frohe Weihnachten, alle miteinander“, sagte Eikichi Otomo und lächelte verlegen. „Akira, ich hielt es ja für keine gute Idee, aber Megumi-chan, Sakura-chan und die anderen haben mich so lange belagert, bis ich zugesagt habe…“
Ich erhob mich mechanisch und ging auf die Tür zu. Dort löste ich Megumis Griff um Eikichis Arm – sanft natürlich.
Die nächste Bewegung kam für Vater sichtlich überraschend. Ich schloss ihn in die Arme. „Willkommen Zuhause, Vater. Jetzt kann Weihnachten erst richtig beginnen.“
Ich legte einen Arm um Eikichis Schultern und zog ihn mit mir ins Wohnzimmer. „Danke. Danke euch allen. Ihr macht mir eine Riesenfreude. Wirklich eine Riesenfreude. Und dabei wollte ich heute doch der einzige sein, der tolle Geschenke macht.“
Ich spürte, wie mir die Tränen liefen. Die anderen lachten und pfiffen. Yoshi stimmte ein Weihnachtslied an, in das alle einfielen. Ich inbegriffen.
***
Eine Stunde später stand ich im Garten und pfiff das Weihnachtslied weiter, das ich in der Schule gepfiffen hatte. Dabei starrte ich in den Himmel. Kurz sah ich auf meine Uhr, danach pfiff ich weiter und musterte die Sterne.
„Akira?“, erklang Megumis Stimme hinter mir.
Ich lächelte. „Komm her, Megumi.“
Leise trat sie neben mich. Sie trug kein Weihnachtskostüm, wenn man von der roten Jacke und der roten Mütze absah.
Sie sah nach oben. „Ein wundervoller Anblick in dieser sternenklaren Nacht. Das All wirkt so friedlich.“
„Ja. Wir wissen es besser, aber dieser Anblick ist so wundervoll. Dieser Teppich aus Licht, das ist reine Magie. Ich wünschte mir, ich könnte sie aus der Nähe sehen.“
Megumi legte ihren Kopf auf meine Brust. „Mir wäre es lieber, wenn du hier bleiben würdest“, hauchte sie.
Ein lautes Brummen in der Luft erweckte unsere Aufmerksamkeit. Ich sah nach Osten.
„Nanu? Das ist eine Fregatte der Yamato-Klasse. Was macht die im Tiefflug über Tokio?“, argwöhnte Megumi und löste sich von mir.
Ich erwiderte nichts, zog stattdessen ein handliches Funkgerät aus meiner Hosentasche. „Der Kurs ist gut, EDO. Vorgehen nach Plan.“
Megumi sah mich an. „Was hast du vor? Soll die EDO Salut schießen? Aber für ein Feuerwerk ist es doch etwas früh, was?“
Ich lächelte sie an. „Das ist mein Geschenk für dich, Megumi. Das beste, was mir eingefallen ist. Also sei bitte gnädig.“
Sie verzog das Gesicht zu einer spöttischen Miene. „Also, einen Fregattenkapitän dazu zu überreden, so tief über Tokio hinweg zu fliegen, dass er die Spitze des Towers fast mit nimmt, ist schon eine grandiose Leistung. Nicht unbedingt das übliche Geschenk, Akira“, erwiderte sie mit einem Lächeln.
Die Fregatte flog wirklich verdammt dicht über den Boden dahin. Für einen Augenblick wirkte es tatsächlich so, als wolle sie den Tokio Tower rammen, aber das war nur eine optische Täuschung.
Schließlich flog sie über uns hinweg, und obwohl sie wusste, dass die Besatzung sie nicht sehen konnte, winkte Megumi der Fregatte hinterher.
Sie lächelte zu mir herüber. „Ich muss sagen, das war ein sehr imposanter Anblick. Da hast du wirklich etwas geleistet, Akira. Ich…“
Irritiert betrachtete sie ihre Nasenspitze. „Was ist das denn? Asche?“
Dann sah sie nach oben. Das Licht, welches aus dem Haus fiel, fiel auf Dutzende weiße Punkte, entriss sie der Finsternis. Aus Dutzenden wurden Hunderte, dann Tausende, bis der ganze Himmel weiß zu sein schien.
„Ho, ho, ho. Frohe Weihnachten, Akira!“, kam die Stimme von Jeremy Thomas über Funk.
„Frohe Weihnachten, Sensei. Und vielen Dank“, antwortete ich, während ich Megumi dabei beobachtete, wie sie durch das weiße Glitzern tanzte.
„Schnee! Das ist Schnee! Richtiger, echter Schnee!“
Sie schaute in den Garten, der mittlerweile von einer weißen Schicht bedeckt war. „Das ist… Das ist…“
Ihr Blick kehrte zu mir zurück. „Akira. Du hast es für mich schneien lassen. Du hast mir weiße Weihnachten geschenkt!“
Stürmisch lief sie auf mich zu, fiel mir um den Hals und trieb uns beide zu Boden.
„Frohe Weihnachten“, hauchte ich und spürte, wie ihre Freudentränen auf mein Gesicht rannen.
„Frohe Weihnachten“, erwiderte sie und gab mir einen langen Kuss.
„SCHNEEBALLSCHLACHT!“, hörte ich Yoshis Stimme rufen und spürte im nächsten Augenblick, wie ein Schneeball an meinem Kopf zerplatzte. Lachend kam ich auf die Beine und half Megumi hoch. Dann bückte ich mich, um einen eigenen Schneeball zu formen. „Den kriegst du wieder!“, rief ich. Neben mir hatte auch Megumi einen Ball geformt. Wir besahen uns kurz das quirlige Treiben unserer Freunde, die sich mittlerweile alle im Garten eingefunden hatten. „Wir tauchen auf der fünf ein und schalten gezielt die Asse aus. Bleib an meiner Seite, ja?“, kommandierte ich.
„Verstanden!“, rief sie und wir stürzten uns lachend ins Gefecht.
Thorsten Kerensky gewidmet, einem guten Freund, Mitautor und Ideengeber.
^^ Frohe Weihnachten, und einen guten Rutsch!!!