Buchbesprechung von Uwe Lammers

Zum Inhaltsverzeichnis von World of Cosmos 118

Eckdaten

  • Bob Shaw
  • Orbitsville
  • Goldmann 0216, 160 Seiten, TB, 1975
  • Übersetzt von Tony Westermayr
  • ISBN 3-442-23216-3

Die Erdregierung unter Präsidentin Elizabeth Lindstrom residiert in einem Palast auf Island, und genau genommen handelt es sich bei der Erdregierung um eine despotische Einrichtung, und sie ist Diktatorin auf Lebenszeit. Die Menschheit leidet noch immer unter Bevölkerungsüberdruck, hat aber inzwischen zumindest den interstellaren Sternenflug entdeckt und eine weitere Welt namens Terranova, die in bescheidenem Ausmaß kolonisierbar ist. Lindstroms „Starflight House“ hat das Monopol über die Auswanderung und reguliert sie streng. Weitere bewohnbare Welten sind bislang nicht entdeckt worden.

Bis zu dem Zeitpunkt, da Kapitän Vance Garamond gezwungen wird, mit seiner Frau Aileen und seinem Sohn Chris sowie seinem Schiff Bissendorf die Flucht zu ergreifen. Er weiß, dass die Präsidentin ihn mit gnadenlosem Hass verfolgen wird, und ihm ist ebenfalls bewusst, dass die Mittel seines Schiffes begrenzt sind, Ziele scheinen nicht in Sicht zu sein … also beschließt er, einer Legende nachzugehen.

Vor Jahren wurden auf einem anderen Stern die Ruinen einer Alienzivilisation gefunden, der so genannten Saganier, die vor rund siebentausend Jahren durch Selbstzerstörung zugrunde gingen. Hier fand man Sternenkarten von einer Region des Alls, die mit terranischen Schiffen erreichbar wäre – und dort gibt es einen Ort, den man den „Stern von Pengelly“ nennt. Scheinbar eine Sonne, die erloschen ist. Garamond, der zugleich weiß, dass man niemals saganische Raumschiffe gefunden hat, geht davon aus, dass Überlebende der Hochkultur dorthin geflohen sind. Folgerichtig muss es dort etwas geben.

Und er behält Recht. Nur was sie dort vorfinden, sprengt all ihre Vorstellungen: sie entdecken Orbitsville, wie sie es nennen.

Orbitsville ist ein gigantischer Himmelskörper künstlicher Natur, der einen Durchmesser von 320 Millionen Kilometern besitzt und von einem kleinen Eisplaneten umkreist wird. Vor dem anscheinend einzigen Einlass in diese gewaltige Hohlwelt entdecken sie eine Flotte von Schiffswracks, die möglicherweise von den Saganiern stammen könnten. Und dann stoßen Kapitän Garamond und seine Leute in das Innere der phantastischen Hohlwelt vor, wo sie unglaubliche Dinge erwarten.

Aber die Besatzung hat die Entdeckung von Orbitsville an die Erde weitergemeldet. Und so folgt ihnen die Präsidentin Lindstrom hierher und ein großer Tross von Kolonisten.

Damit ist nicht nur Garamonds Bedrohung reaktiviert, sondern es ergeben sich auch noch andere Komplikationen. Denn Orbitsville ist nicht unbewohnt.

Bob Shaws Roman „Orbitsville“ stand ungelesen jahrzehntelang in meinem Buchregal, aber als ich ihn erst mal zur Hand genommen hatte, verschlang ich ihn binnen von zwei Tagen – in meinen Augen ein mehr als eindeutiges Zeichen dafür, dass er auch ungeachtet der langen Zeit, die seit seinem Erscheinen verstrichen ist, definitiv lesenswert ist.

Orbitsville reiht sich ein in die großen künstlichen Weltentwürfe wie die Ringwelt Larry Nivens oder etwa die Morlock-Sphäre bei Stephen Baxter, fraglos könnte man auch (in bescheidenem Ausmaß) den Todesstern bei Star Wars oder die Sporenschiffe bei Perry Rhodan dazurechnen. Im Verlauf des Romans gelingt es Shaw bemerkenswert gut, ungeachtet der Kürze des Romans, dem Leser die schier überwältigenden Dimensionen des künstlichen Innenraumes deutlich zu machen und vor allen Dingen die unmenschlichen Anstrengungen, die er ihnen abverlangt. Eine nivellierende physikalische Beeinflussung erschwert hier zugleich die Exploration des Innenraumes mittels Hightech-Methoden. Funkwellen wirken nicht, höhere Technologie stellt ihren Dienst ein, Metalle existieren im Innern der Hohlwelt nicht, deren unzerstörbare Schale nur wenige Zentimeter misst – Letzteres ist deshalb zwingend erforderlich, um nicht den sofortigen gravitatorischen Kollaps der Hohlwelt zu erzwingen. Das hat Shaw zweifellos gründlich vorher berechnet.

Was den Leser also nach der Entdeckung erwartet, ist interessanterweise eine Lowtech-Abenteuerreise in dieser riesigen Welt und ein kathartischer Konflikt, über dessen Ausgang ich nichts weiter sagen möchte. Tatsache ist, dass das Werk durch die schiere Monumentalität des Designs atemberaubend genannt werden kann und den neugierigen Leser schlichtweg mitreißt. Es lohnt ohne Frage eine Wiederentdeckung, die ich jedem Neugierigen guten Gewissens ans Herz legen kann.

Zum Inhaltsverzeichnis von World of Cosmos 118