Buchbesprechung von Uwe Lammers

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Eckdaten

  • Suzanne Frank
  • Die Prophetin von Luxor (OT: Reflections in the Nile)
  • Blanvalet 35188, 576 Seiten, November 1999
  • Übersetzt von Christoph Göhler

Der Zauber Ägyptens schlägt die Besucher immer wieder in seinen Bann, was niemanden wundern kann, der die jahrtausendealte Geschichte dieses Landes auch nur in Andeutungen kennt. Aber manchmal lernt man diesen Zauber so hautnah kennen, dass man sich sehnlichst wünscht, aus dem daraus resultierenden Alptraum zu erwachen. So ergeht es Chloe Kingsley.

Die Amerikanerin Chloe, 24 Jahre alt und Tochter eines Politikers und einer Archäologin, besucht kurz vor ihrem 24. Geburtstag, im Dezember des Jahres 1994, ihre ältere Schwester Camille, die in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten ist und in Ägypten Ausgrabungen durchführt. Sie ist frischgebackener Doktor und hat zudem in der Östlichen Wüste eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht.

Chloe, jung, naiv und jungfräulich, hat für pharaonische Details kein sonderlich gutes Gedächtnis. Die Neigung zur alten Kultur ist allein in ihrer Schwester daheim. Zwar hat Chloe jahrelang mit ihren Eltern in Ägypten gewohnt, war aber nun schon sieben Jahre nicht mehr hier. Inzwischen ist sie in der Werbebranche tätig, wohin sie ihre Leidenschaft für das Zeichnen und Fotografieren getrieben hat.

Nachdem sie ihre Schwester überredet hat, ihr den sensationellen Fund zu zeigen – uralte Papyri aus der Zeit der Königin Hatschepsut, auf denen in völlig unägyptischem Stil Menschen, Straßen und Gebäude zu erkennen sind -, beschließt Chloe am Abend ihres Geburtstages, sich heimlich in die Tempelruinen von Luxor einzuschleichen, um in einer geheimen Kammer Aufnahmen vom Morgenlicht zu machen. Von diesem Ausflug kehrt sie nicht mehr zurück.

In der Kammer walten zum Zeitpunkt von Chloes Geburt magische Kräfte, die ihre Seele ergreifen und sie zurückschleudern ins Jahr 1452 vor Christus. Sie erwacht zwar am selben Ort, aber keineswegs in Ruinen. Schlimmer noch: ihr Körper ist der der Hohepriesterin RaEmhetepet, und er ist von oben bis unten mit Blut bedeckt. Außerdem ist Chloe außerstande, auch nur einen Ton von sich zu geben. Der Schock des Transfers hat sie der Sprache beraubt.

Als sie erst einmal begriffen hat, das es sich durchaus NICHT um einen Traum handelt und das die Seele von RaEm offenkundig nun im 20. Jahrhundert ihren eigenen Körper bewohnt, bricht Chloe zusammen. Nicht, das ihr das helfen würde. Die Pharaonin Hatschepsut, hier leider sehr real, versucht herauszufinden, was RaEm zugestoßen ist, die auf einmal Chloes malachitgrüne Augen besitzt und sich auch sonst physisch ein wenig verändert hat. Sie setzt einen begabten, hochrangigen Arzt auf RaEm an – den Hemu neter Cheftu.

Während Chloe überhaupt nicht begreift, was los ist (oder viel zu langsam), ziehen sich um sie herum netzartig gefährliche Intrigen zusammen. Cheftu, einstmals mit RaEm verlobt, glaubt, das sie simuliert, mit ihm spielt und haßt sie deshalb, während gleichzeitig seine erloschen geglaubte Begierde wieder zu neuem Leben erwacht.
Die verstörte Zeitreisende wider Willen muß erkennen, das sie einem offenkundig abartig veranlagten Mann versprochen ist, das andere Leute sie rundweg verdammen und als lasterhafte, hurenartige Frau betrachten, die mit dem Mittel ihres Körpers alle Machtziele durchzusetzen gewohnt ist. Auch Cheftu weiß das, der sie wegen der Wahllosigkeit ihrer Männer verachtet. Und doch ist er der einzige, der ihr zu helfen vermag.

Tja, und dann ist da auch noch ein Mann namens Ramoses, der sein Volk, die Hebräer, aus Ägypten fortführen möchte und beispiellose Katastrophen über das Land am Nil herabruft. Und Chloe steckt mittendrin.

Der erste Band des vierteiligen Zeitreise-Zyklus um Chloe Kingsley ist eine Überraschung, ganz unbestreitbar. Anfangs war ich natürlich ein bißchen reserviert, schließlich ist mit der Thematik erkennbar, das Suzanne Frank einwandfrei auf den Spuren von Diana Gabaldon wandelt und sie definitiv nicht erreicht.

Aber schon bald schwand das kurzlebige Ressentiment des Gabaldon-Fans. Ich begann ihren Roman mit anderen Augen zu sehen und zu genießen, wie gut sie sich im Alltagsleben und vor allen Dingen der magischen Kultur des alten Ägypten auskannte. Diana Gabaldon war rasch nicht mehr der Vergleichsmaßstab, sondern der Ägyptologe Christian Jacq mit seinem Ramses-Zyklus, den ich ja geringschätzen gelernt habe. Im Vergleich zu Jacq gelingt es Frank viel besser, dem Leser die ägyptische Seele nahezubringen. Es gibt Beschreibungen, Gerüche, Intrigen, lebendige Figuren, verflochtene, komplexe Handlungsstränge, die sich erst nach zweihundert bis dreihundert Seiten entflechten. Finstere, bösartige Überraschungen, wie sie sich Christian Jacq nicht mal vorzustellen wagt (!), muß man immerzu gewärtigen.

Am beeindruckendsten aber waren die biblischen Plagen. Bei Christian Jacqs Roman „Die Herrin von Abu Simbel“ (Teil 4 des Zyklus) werden sie ja mehr oder weniger als billiger Taschenspielertrick abgetan. Nicht so bei Suzanne Frank, wo sie apokalyptische Ausmaße annehmen. Man fragt sich danach, warum überhaupt noch was von Ägypten übrig ist, allen Ernstes. Das ist sehr lesenswert, auch wenn man – wie ich – auf dem Standpunkt steht, das der Exodus der Israeliten aus Ägypten nie stattgefunden hat (das ist die überwiegende Lehrmeinung der Wissenschaft).

Defizite hat der Roman natürlich dennoch, das bleibt nicht aus. So entwickelt Chloe erst relativ spät eine ausgeprägte, eigene Persönlichkeit, die durchsetzungsfähig ist. Man kann das natürlich der Tatsache ihres Alters zuschreiben, aber es paßt irgendwie nicht recht zusammen mit ihrem selbstbestimmten Leben in den Staaten. Ferner merkt der Leser deutlich, das Frank Schwierigkeiten hat mit sanitären Problemen (etwa verseuchtem Trinkwasser. Die Tatsache, das man das abkochen muß, kommt nicht ein einziges Mal vor, obwohl das wirklich elementar ist). Alle Kampfszenen fallen seltsam gekünstelt aus und wirken deshalb erkennbar unrealistisch. Aber daran kann man ja noch arbeiten.

Zuletzt kann man noch grinsend den Kopf darüber schütteln, was sich der Verlag wohl gedacht hat, als Titelbild eine offensichtliche Darstellung eines islamischen Harems zu wählen, der überhaupt nicht zum Inhalt paßt. Und die deutsche Titelwahl ist auch irreführend. Ansonsten jedoch ist das aufregendes Lesefutter für nicht ganz so anspruchsvolle Leser wie mich, und selbst Leser wie ich gehen nicht ohne Gewinn und ohne Behagen aus dem Buch raus. Gegenwärtig lese ich schon am Nachfolger und schätze nach dem ersten Eindruck, er wird mich auch nicht viel mehr als vier Tage beschäftigen – so lange wie der erste Band.

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