Oder: Was ist bloß los mit den Raumanzügen in der SF? Ein Perry-Rhodan-Hintergrundartikel von Senex

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Ich hab’s befürchtet. Kaum stellt man eine harmlose Frage, ist man schon verhaftet und tippt hier wie wild herum. Aber sehen wir mal, ob diese Fingerübungen zu etwas führen.

Aber jetzt zum Thema: Geschweißte und genietete Metallplatten, kugelförmige Gelenke, klobige Stiefel – natürlich auch aus Metall. Das Unheil nähert sich mit schweren, langsamen, donnernd hallenden Schritten. Die bedrohten Menschen – oder Außerirdischen – feuern aus allen möglichen Waffen auf die Monster. Umsonst – der Feind nähert sich unaufhaltsam, scheinbar unverwundbar.

Das kann schon funktionieren. Etwa, wenn man wie Kimball Kinnison keine Augen benötigt, um seine Umgebung wahrzunehmen und der Anzug mit einigen Triebwerken eher einem Ein‐Personen-Panzer als einem Druckanzug gleichen dürfte. Oder falls man wie Juan Rico von der ‘Mobilen Infanterie’ über eine Rüstung mit künstlichen Muskeln und einer Drucksteuerung mit postiver Rückkopplung verfügt – und der Anzug auch entsprechend dick ist. Heinlein lässt Juan in diesem Zusammenhang von Zentnern sprechen.

Wie gesagt, es KANN funktionieren. Aber allen diesen Raumpanzern ist eines gemeinsam: die Technik in diesen Romanen stellt keine individuellen Energieschirme zum Schutz des Soldaten zur Verfügung. Sie sind auf diese rein materielle Schutzausrüstung angewiesen.

Die ersten Entwürfe für Raumanzüge waren natürlich stark von den gepanzerten Tiefsee‐Helmtauchanzügen, den sogenannten Scaphandern, geprägt. Wovon denn auch sonst? Und das bedeutet nun einmal dicke Sohlen aus Blei an den Füßen und jede Menge Stahl um den Körper. Diese Anzüge für Tiefseearbeiten müssen aber auch das 40-fache des Drucks auf Normal Null aushalten, während ein Raumanzug üblicherweise weniger Belastung ausgesetzt sein dürfte. Ein Planet mit einem Atmosphärendruck von etwa 40 bar wird Besucher wahrscheinlich vor etwas größere Herausforderungen als nur den Druck stellen. Gravitation etwa.

Als der Mensch endlich (frei nach Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski zitiert) ‘seine Wiege verließ und sein Kinderzimmer betrat’, war sein Problem mit dem Druck allerdings noch nicht so sehr groß. Alles, das er fürs erste erreichen konnte, hatte weit weniger Atmosphäre als die Erde. Um genau zu sein, außerhalb seiner winzigen Kapseln befand sich das Vakuum des Weltalls. Also setzte er seine Astro- oder Kosmonauten in eine Art Luftballon in Menschengestalt, der sich bei äußerem Unterdruck aufblies. Das funktionierte schon in den ersten Tests nicht sehr gut, also ging man zurück zum Reißbrett und kümmerte sich vorwiegend um die Gelenke. Okay, etwas komplizierter war die Angelegenheit natürlich schon – aber die Beweglichkeit war tatsächlich das Hauptproblem der ersten Entwürfe. Diese Problematik kostete Alexei Leonow 1965 bei der ersten menschlichen EVA beinahe das Leben, weil er nicht in die Kapsel zurück kehren konnte. Er musste erst jede Menge Luft aus dem Anzug lassen – und war dabei nach eigenen Angaben am Rande der Panik. Verständlich.

Ich war gerade 10 Jahre alt, als Neil Armstrong seinen kleinen Schritt machte. Zugegeben, es war eher ein Hopser von der Leiter hinunter, aber wie hätte das denn geklungen? ‘A little hop for a man?’ Da klingt ‘step’ doch gleich viel seriöser. Egal. Natürlich war ich um 3:56 MEZ im Bett und konnte die Landung daher nicht mitverfolgen, aber ich durfte am nächsten Tag die Wiederholung sehen. Und es gibt wohl niemanden, der die Bilder von Neil Armstrong und Buzz Aldrin im Raumanzug auf dem Mond nicht kennt. Diese Art von Anzügen waren dann für lange Zeit der Standard. Anfang der 2000er Jahre hat sich das Massachusetts Institute of Technology, also das MIT, anstrengt, eine neue Generation von Raumanzügen zu erschaffen, welche nicht mehr so sperrig und kompliziert anzuziehen sein sollten. Ich wünsche den Astronauten, dass dieser ‘Bio-Suit’ wirklich das halten wird, was man sich zu Anfang versprochen hat. Es soll nicht mehr der gesamte Anzug mit Luft gefüllt sein, sondern nur noch der Helm. Der Rest des Anzuges ist – laut Wikipedia – ein Geflecht aus Latex und Drähten. Er soll eng anliegend den nötigen Druck erzeugen. Wie das mit der Hautatmung dann funktioniert, ich weiß es nicht. Bitte fragt einen Techniker oder das MIT.

Auch in der Literatur und im Film waren zuerst eher sperrige Druckpanzer stark vertreten. Man muss nur etwa an Edward. E. ‘Doc’ Smith denken, bei dem die Spacemarines der Patrouille mit ‘Raumpanzern’ und ‘Raumäxten’ gegen die Piraten von Boskone vorgingen. Dazu wäre auch zu bemerken, dass bei Doc Smith keine – oder doch kaum – individuelle Schutzschirme vorkamen. Aber in der Literatur wurden die Anzüge rasch leichter, der Helm wurde bald wie eine Kapuze in die Kleidung integriert. Manchmal sogar im Kragen versteckt. Im Roman ‘Der Wüstenplanet’ stellte Frank Herbert 1965 einen Überlebensanzug vor, welcher allerdings nicht als Raumanzug brauchbar war. In den 80er Jahren kam zuerst der Patent- und wenig später der Hautanzug von L. Neil Smith zwischen die Buchdeckel. Perry Rhodan hatte einen Raumanzug, dessen Helm als Kapuze im Kragen war und sich im Notfall sogar automatisch entfaltete, die Kleidung wurde immer elastischer und leichter zu tragen. Eigentlich eine durchaus logische Entwicklung. Oder? Oder doch nicht?

Die Kostümdesigner bei Film und Fernsehen waren ebenso anderer Meinung wie Titelbildmaler und Illustratoren. Ich bin durchaus ein Fan der ‘Raumpatrouille Orion’ und der klassischen Star-Trek-Serie. Aber was hier die Ausstatter als Schutzanzug verkauften war ziemlich lächerlich. Bei den Helmen sah man manchmal noch das Loch oben am Scheitel. Im Jahr 1968 kam dann bei ‘2001, Odyssee im Weltraum’ endlich ein realistischer Anzug auf die Leinwand. Aber Stanley Kubrick war nun einmal Perfektionist in Reinkultur, da musste jedes Detail stimmig und glaubhaft sein.

1977 kam mit den ‚Imperialen Sturmtruppen’ wieder eine neue Art von Raumanzug ins Kino. Ich spreche jetzt nicht von den Helmen, welche selbstverständlich ihre Berechtigung haben, sei es als Schutz vor einer eventuellen lebensfeindlichen Umgebung oder vor dem gefährlichen Virus des Individualismus. Aber diese Hartschalen-Anzüge aus offensichtlichem Plastik behindern rasche Bewegungen, machen den Träger zur leichten Zielscheibe und schützen noch nicht einmal. Ein Treffer aus Han Solos Pistole, und der Sturmtruppler ist tot. Da fragt man sich schon nach dem Sinn des Dings. Wobei so etwas wie ein Kürass, also ein harter Brust- und Rückenteil noch einen gewissen Sinn ergeben könnte. Wenn man Schlauch- oder Kabelanschlüsse schnell wechseln muss, ist es vielleicht einfacher.

Bei Stargate kamen dann im Jahr 1997 wirklich mittelalterlich wirkende Rüstungen zum Einsatz, inklusive Kettenhemd und -Schurz. Nur die sich selbst entfaltenden Helme und die Waffen passen nicht so ganz dazu.

Was mich endlich zu Perry Rhodan und dem SERUN bringt:

‘Der Arkonidenanzug war ein klobiger Ganzkörperanzug…’ (Zitat Perrypedia). Ich kann mich noch gut an die Beschreibung dieses Anzuges erinnern. Dieser Anzug war ein ziemlich normal aussehender Anzug, vergleichbar vielleicht mit einem Neoprenanzug oder einem Monteuroverall. ‘… verwandelte sich das bisher klobige Exoskelett … in einen leichten … Schutzanzug. … den jeweiligen Körperformen und Einsatzanforderungen angepasst. So weit, so gut. Eine logische Entwicklung auch bei Perry Rhodan. Wirklich?

Dem gegenüber stehen nämlich so manche Titelbilder und Illustrationen. Zum Beispiel PR 1563, Titelbild. Nachdem es auf der SERUN-Seite gezeigt wird, ist wohl anzunehmen, dass dieses Bild einen solchen Anzug darstellen soll. Oder PR 1912, Datenblatt in PR-Report 290, SERUN-Gefechtseinheit. Also bitte, im Vergleich zu dieser Gefechtskleidung macht ein achaischer Glockenpanzer aus Bronze noch eine schlanke Figur. Bei anderen Zeichnungen sind Schulterstücke wie bei einer mittelalterlichen Turnierrüstung angebracht, mit Armröhren, Beinröhren, Achselstücken, Gelenkplatten und allem, was so dazu gehörte. Nun kann man natürlich sagen: ‘Du solltest einmal im Vergleich dazu die schweren Anzüge sehen’. Kann man tatsächlichsagen. Aber trotzdem komme nicht umhin zu fragen:

Wozu diese schwere Panzerung? Egal aus welchem Material diese Panzerung geschnitzt wird, selbst ein billiger Prallschirm, den Thora oder Crest in der GOOD HOPE aus Ersatzteilen zusammen geklöppelt hätten, böte mehr Schutz als diese Metall- oder Plastikplatten. Auch wenn sie aus Terkonit wären. Viel mehr Schutz. Außerdem wäre ich doch eigentlich davon ausgegangen, dass in der Zwischenzeit bereits zumindest ein HÜ- oder Paratron-Schirmgenerator am Gürtel hängt. Und im Übrigen – falls die Energie ausfallen sollte, kann der Träger bei diesem Gewicht ohnehin nur noch auf den Mann (oder die Frau, Echse, Mantide oder sonst jemand) mit dem Dosenöffner warten und hoffen, dass es ein Freund ist, der-die-das kommt. Also wozu diese Panzer? Damit es dem Soldaten nicht zu bequem in seinem Gerät wird und er Dienst nicht schläft? Damit er stärker aussieht? Sich stärker und unbesiegbar fühlt? Letzteres könnte ganz schnell in die Hosen gehen, Bob Heinlein legt in seinem Roman ‘Tunnel in the sky’ recht überzeugend dar, dass Selbstüberschätzung der schnellste Weg zum Grab ist.

Oder ist es einfach, dass jeder Betrachter eines Bildes sofort sehen kann, dass es sich um einen Raum- und Kampfanzug handelt? Dass der Träger ein unschlagbarer Held ist? Der Held?

Es ist jetzt natürlich ganz einfach, nur zu meckern. Also stelle ich jetzt ganz kurz meine Vorstellung von einem Anzug vor. Ziemlich eng anliegend, etwa wie der Bio-Suit, etwa 7 bis 9 Millimeter dick. Mit Kraftverstärkung – also künstlichen Muskeln – möglicherweise 10 bis 15 Millimeter, das sieht dann etwa wie ein Superheldenkostüm in den modernen Verfilmungen aus. Helm als Kapuze, für einiges an Kleinkram wie Ausweis, Kreditkarte, Taschentücher, Smartphone, Klimpergeld, Schlüsselkarte fürs Hotelzimmer, Lippenstift, Abdeckpuder und ähnliches mehr zum Einstecken 8 bis 9 Taschen, also je 2 Brust-, Gesäß-, Hüft- und Oberschenkeltaschen, wie halt die meisten Uniformen. Vielleicht noch eine am Oberarm. Ein Gürtel, an dem einiges angeklippt werden kann. Für EVAs könnte noch eine Weste darüber gezogen werden, da könnte man von Gesteinsproben bis Ersatzmagazinen so ziemlich alles unterbringen. Keine Metallplatten, keine klobigen Scharniere (die im Notfall vielleicht auch noch klemmen und wieder der Typ mit dem Dosenöffner gefragt ist), alles elastisch, flexibel und bequem. Gegen die unangenehmen Zeitgenossen, die einem an die Wäsche wollen, gibt es Prallschirme oder stärkeres.

Für mich persönlich fallen diese Rüstungen in die gleiche Kategorie wie Ein-Schuss-Energie-Magazine für Strahlwaffen aus Atlans Jugend. Sie sind schlichtweg kontraproduktiv, eine Verschwendung von Platz, Gewicht und Material.

Jeder hat natürlich seine eigenen Vorstellungen, und die stehen ihr oder ihm auch zu. Aber Metall- oder Plastikrüstungen finde ich für meinen Teil echt sinnlos, wenn Energieschirme zur Verfügung stehen. Selbst moderne Schutzwesten für Soldaten des 21. Jahrhunderts wirken gemütlicher als die SERUN-Panzer der Bilder.

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