Buchbesprechung von Uwe Lammers

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Zeitreisen sind eine heimtückische Sache, das weiß man spätestens dann, wenn man zwei oder drei Zeitreisegeschichten gelesen hat, die als klassisch definiert werden. Denn es geht immer etwas schief. Auch in Waldrops Geschichte ist das so, und doch ist sie auf angenehme Weise bemerkenswert anders.
Die Handlung: Im Jahre 1929 graben Archäologen im Süden der Vereinigten Staaten eine Reihe von Hügelgräbern der so genannten „Mound-Builder“ aus, die im Mittelalter dort gelebt haben.
Verblüffenderweise entdecken sie in einem Hügel aus dem 13. Jahrhundert Pferdeskelette. Und manche von ihnen wurden gar per Gnadenschuss durch die Stirn getötet!
Sie haben nicht viel Zeit, dieses Rätsel zu lösen, denn eine Überschwemmung droht die Grabstätten zu zerstören, darum müssen sie Tag und Nacht arbeiten, um das Mysterium aufzuklären.
Parallel dazu gibt es eine andere Handlungsebene. Sie erzählt von dem Zeitreisescout Yazoo Leake, der vorausgeschickt wird aus dem 21. Jahrhundert, in dem die USA einen Weltkrieg zu verlieren drohen und alles zugrunde geht. Die einzige Chance, die die dortigen Militärbefehlshaber sehen, ist eine Expedition an den Anfang des 20. Jahrhunderts, um dort einige Weichen anders zu stellen.
Doch Yazoo stellt betroffen fest, dass er sich in einer vollkommen untechnisierten Gegend befindet.
Als er über Indios stolpert und sich bei dem Volk der Hügelbaumeister wieder findet, merkt er, dass etwas furchtbar schief gelaufen ist. Er hat nur bizarres Glück im Unglück: einer der Indios kann Altgriechisch (sic!) und kann sich deshalb mit ihm verständigen. All das wäre noch keine Katastrophe – wenn denn Spauldings Kompanie, auf die er gewartet hat, mit den 147 anderen Ausgewählten hinterherkäme und in derselben Zeit landete wie er.
Doch kommt niemand. Yazoo bleibt alleine.
In einer dritten Parallelebene wird das Schicksal jener 147 Männer und Frauen erzählt, die Leake ursprünglich folgen sollten. Auch sie kommen in einer absolut untechnisierten Umgebung heraus und treffen auf Indios. Doch sie finden keine Spuren von Leake und haben keine Ahnung, was los ist. Ein Rücktransfer ist unmöglich, weil die Zeitmaschine vorläufig nur in eine Richtung funktioniert.
Während Yazoo sich mit den Hügelbaumeistern anfreundet und verwirrt feststellt, dass ein Volk, das sich Huasteken nennt, mit ihnen rituelle Kämpfe liefert (aus denen während seiner Anwesenheit blutiger kriegerischer Ernst wird!), verderben es sich die Soldaten im 13. Jahrhundert mit ihren Indio-Nachbarn, als dort die eingeschleppte Grippe ausbricht. Im Nu herrscht Belagerungszustand, und es stellt sich heraus, dass überragende Bewaffnung durchaus nicht besagt, dass die technologisch Überlegenen auch die Sieger sein werden …
Während sich im Verlauf des Romans recht schnell herauskristallisiert, wer in dem Grabhügel liegt und welcher Handlungsstrang zu welcher Welt gehört, hat es die Welt von Yazoo durchaus in sich.
Das fängt mit dem Altgriechisch sprechenden Indio an, geht über Händler, mit denen er Kontakt aufnimmt bis zum Huastekenreich. Natürlich ist es so, dass der Roman an manchen Stellen äußerst brutal ist, an anderen aber geschickt und dezent ausblendet.
Das etwas unzutreffende Cover sollte der neugierige Leser dabei besser ignorieren. Der Roman weist dieses Manko bei weitem wieder auf. Ich muss sagen, es hat mir schon lange kein Zeitreiseroman mehr so zugesagt wie dieser. Und ich kenne einige. Er zeigt, dass das aktuelle Heyne-Programm auch für anspruchsvolle SF-Leser durchaus etwas Lohnendes neben vielem Serienmischmasch zu bieten hat.

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