Ein Perry-Rhodan-Hintergrundartikel von Torben Kneesch
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Roland hat im letzten WoC mit Perry Rhodan Fantheorien vorgelegt. Das mit Perrys ständiger Wiederwahl hat mich nicht so ganz überzeugt, vielleicht fällt uns dazu noch mehr ein. Thomas Ziegler hat sich darüber auch mal in Form eines frustrierten Oppositionspolitikers lustig gemacht, wenn ich mich richtig erinnere.
Ich möchte noch anmerken zu seinem Zitat, dass die Kolonien ab 2930 nicht mehr mitwählen durften: Die Vollversammlung der Administratoren aller Mitgliedswelten des Solaren Imperiums hat ab Band 400 ein gewichtiges Wort mitzureden (vergleiche Band 419 „Konferenz der Verräter“, in dem Esybon Herrihet sich von den 1400 Administratoren zum neuen Großadministrator wählen lassen möchte). Ich sehe das eher so, dass das Solare Imperium ab Band 400 deutlich föderaler und loser ist als davor. Wahrscheinlich als Zugeständnis an die Autarkiebestrebungen, die andere Welten zur Gründung eigener Sternenreiche veranlasst haben.
Sind die Lemurer direkt von Lemuria zu den Sternen gereist? Möglich, sie hatten schon Dampfturbinen und Zeppeline, als sie noch von Zyklopen und Zentauren in ihrer Expansion eingeschränkt worden sind. Technisch waren sie also gar nicht so weit weg von der Raumfahrt, als sie endlich die Freiheit zum Expandieren über den ganzen Planeten hatten.
Jetzt aber zu meinen Theorien:
Positronik: Ein fortschrittlicher Quantencomputer
Wir nähern uns in der realen Welt mit schnellen Schritten den ersten praktikablen Quantencomputern. Das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) rechnet als Arbeitshypothese damit, dass um 2030 heute als sicher geltende Verschlüsselungsalgorithmen durch Quantencomputer unbrauchbar werden (genau genommen, dass Quantencomputer in überschaubarer Zeit aus einem öffentlichen Schlüssel zum Verschlüsseln den dazugehörigen privaten Schlüssel zum Entschlüsseln berechnen können).
Ein paar Fakten über Quantencomputer:
- Quantencomputer können nur bestimmte Arten von Problemen superschnell lösen (ich kenne gestandene ITler, die dem Irrtum erliegen, diese wären einfach viel schnellere Supercomputer als heutige Elektroniken). Dazu gehört beispielsweise das Faktorisieren sehr großer Zahlen, was für Kryptographie wichtig ist.
- Vereinfacht ausgedrückt können sie eine Überlagerung aus sehr vielen Eingangszuständen parallel verarbeiten, wo Elektroniken die Zustände nacheinander abarbeiten müssen.
- Leider muss der Ausgangszustand gemessen werden, was bei Quantenphysik Zufälligkeit mit sich bringt. Das Ergebnis kann falsch sein und muss mit einem herkömmlichen Computer schnell überprüfbar sein. Beim Faktorisieren großer Zahlen kann man das Ergebnis einfach wieder per Elektronik multiplizieren, um es zu überprüfen.
- Insgesamt kommt man trotzdem viel schneller zu einem richtigen Ergebnis, zumindest für passende Aufgaben. Aber halt nicht für beliebige Probleme. Die Kryptographie ist besonders betroffen, neue dagegen sichere Algorithmen werden derzeit gefunden und geprüft, erweisen sich dann aber bei näherer Untersuchung gerne mal als schon unsicher gegenüber heutigen Computern. Das ist halt wirklich anspruchsvolle Mathematik.
- Voraussetzung für Quantencomputer ist die Möglichkeit, elementare Teilchen in genau definierte Zustände versetzen zu können, beispielsweise Elektronen in einer Falle durch Laserimpulse.
So, jetzt gibt es noch spannende Theorien wie Quantenverschränkung, bei der eine Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen („spukhafte Fernwirkung“), die gemeinsam erzeugt wurden, experimentell noch untersucht wird. Das Thema ist verwandt und hätte vielleicht zusätzliche Anwendungen.
Die arkonidische Positronik: Meine Theorie zur arkonidischen Positronik ist, dass die Bildung von Elektron-Positron-Paaren ausgenutzt wird, um sehr schnell Teilchen in verschränkten Zuständen zu haben. Die Handhabung von einzelnen Elektronen und Positronen würde unsere Technik überfordern, ebenso natürlich die Erzeugung der Teilchenpaare in einem kleinen Gehäuse plus die Handhabung der Gammastrahlung, die bei der Zerstrahlung der Positronen entsteht.
Aber wenn die Teilchenpaare auch gleich für Rechenoperationen nutzbar sind, sind vielleicht auch neue Arten von Operationen möglich, an die wir noch gar nicht gedacht haben.
Vielleicht kommt daher auch das Berechnen von Erfolgswahrscheinlichkeiten für Missionen, das in den frühen Romanen vorkommt. Da wird die ganze Mission als Simulation durch die Positronik durchgeschoben und der Ausgangszustand projiziert auf die relevanten Ergebnisse (Erfolg vs. Totalverlust Mutantenkorps) ausgewertet.
Überprüfbarkeit meiner Theorie: Verena Themsen liest meine Theorie, findet sie geil und schreibt sie in ein Datenexposé. Sonst eher nicht.
Der Herr Asimov hat bei seinen Positroniken aber auch nur irgendwas von einem Platin-Iridium-Schwamm als positronisches Gehirn geschrieben. Von einem theoretischen Ansatz, wie das funktionieren soll, nicht der Hauch einer Spur.
Thomas Cardif: Warum Perry so ein vermeintlicher Rabenvater war
Das Thema hat mich auch beschäftigt: Perry Rhodan gibt seinen Erstgeborenen weg, womöglich gar zur Adoption frei! Der große Menschenführer traut sich nicht zu, ein Menschenkind zu erziehen. Der wäre dann mit dem Namen Rhodan so belastet. Pfffft! Was für eine Ausrede, jeder hat sein Päckchen im Leben zu tragen. Und manchmal klappt es in der realen Welt auch: Joseph John Thomson, Nobelpreis 1906 in Physik für die Untersuchung elektrischer Leitfähigkeit von Gasen. Sohn George Paget Thomson, Nobelpreis 1937 in Physik für die Beugung von Elektronenstrahlen in Kristallgittern. Zack! Geht doch!
Aber wer war denn im Hause Rhodan eigentlich in erster Linie für die Kindererziehung verantwortlich?
Thomas wegzugeben war Thoras Entscheidung: Wir dürfen nicht vergessen, Perry war ein Mann geboren 1936. Die Kindeserziehung lag im Aufgabenbereich der Frau. Auch wenn Rhodan sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen war, dürfte es für ihn noch nahe gelegen haben, dass Thora bei dem Thema das letzte Wort hat. Und die war immerhin eine Außerirdische aus einer feudalen Gesellschaft.
Jetzt wird es spekulativer: Gibt es eine arkonidische Tradition, den wertvollen Spross der Dynastie unter Umständen in einem befreundeten Khasurn aufwachsen zu lassen? Wenn wir uns gedanklich in die Welt des Hochadels begeben, wirkt auf einmal einiges normaler. Der Nachwuchs hat auch eine Funktion zu erfüllen und nicht nur persönliches Glück anzustreben. In Thoras Augen war Perry für die terranische Gesellschaft der Begründer eines mächtigen neuen Hauses.
Offiziell wurde die Entscheidung mit dem Rat der (arkonidischen) Venuspositronik begründet. Thomas könnte als Mensch-Arkoniden-Hybrid gefährliche Charakterentscheidungen entwickeln. Auch das könnte typisch für arkonidischen Hochadel sein, solche Bedenken in die Erziehungsentscheidungen einfließen zu lassen. Ein würdiger Nachfolger soll geformt werden, ja regelrecht herangezüchtet werden!
Vielleicht gab es auch Sicherheitsbedenken. Wie fest saß Perry im Jahr 2020, als Thomas geboren wurde, im Sattel? Über diese Dekade haben wir so gut wie keine Informationen.
Wer waren eigentlich die Cardifs? Das alte PR-Lexikon sagt, Thomas wurde in dem Glauben gelassen, der Sohn eines arkonidischen Generals zu sein. Wen er für seine Mutter hielt, wird nicht erwähnt, Miss Cardif wohl nicht.
Ich gehe jetzt aber auch nicht davon aus, dass er seinen Namen davon hat, dass man ihn als Säugling im Bastkörbchen vor einem Waisenhaus in Cardiff, Wales ausgesetzt hat und die nur noch ein ‚f‘ für das Namensschild übrig hatten. Nein, nein, Thomas sollte alle Möglichkeiten haben und eine erstklassige Ausbildung erhalten, also musste er in die Obhut einer reichen Familie gegeben worden sein. Ich würde auf eine reiche, einflussreiche nordamerikanische Familie aus Politik und Wirtschaft tippen analog zum Kennedy-Clan.
Ist die Theorie überprüfbar? Einerseits wäre es mal spannend, wenn es kanonische Informationen zu den Cardifs zu finden. Vielleicht kommen ja noch mal Kurzgeschichten aus der Frühzeit des Solaren Imperiums? Oder habe ich eine Quelle übersehen?
Auf der anderen Seite gibt es inzwischen diverse Geschichten über arkonidische Khasurns. Da sind in den letzten Jahren einige dazu gekommen. Mir fehlt der Überblick, ob es dabei vergleichbare Konstellationen zwischen Khasurns und ihrem Nachwuchs gibt, die die Theorie stützen würden.
Völlig fremd ist die Idee den Arkoniden nicht: Immerhin ist Atlan als legitimer Kristallprinz wegen akuter Gefahr für Leib und Leben durch seinen machtgierigen Onkel unter falschem Namen fern vom Thron aufgewachsen. Natürlich war das eine sehr konkrete Gefahr. Aber gab es eventuell die Sichtweise: Thomas Rhodan, legitimer Nachfolger Perrys, gefährdet durch menschliche Gegner und seine eigene Biologie?
senex
22. Dezember 2023 — 19:08
Über die Positronik kann und möchte ich nichts sagen.
Zur Idee bezüglich Thomas Rhodan: Es sind tatsächlich Zivilisationen denkbar, bei denen adelige Kinder bei anderen Familien aufwachsen.
Aber:
1. Bei etwa gleichrangigen Familien
2. Ist es sinnlos, das Kind im unklaren über die eigene Identität zu lassen, wenn er irgendwann die Leitung eines Clans übernehmen soll.
3. Ist es nur sinnvoll, wenn man adelige Clans einführen will. Sollte das Thoras Plan sein? Hätte ein solcher Plan eine Chance?
Vielleicht hat das Venusgehirn bei Thomas während eines Gehirnscans einen Charakterfehler festgestellt, aber hätte er dann die Space-Academy besuchen dürfen?
Gibt es überhaupt einen halbwegs vernünftigen Grund?
Roland
9. Januar 2024 — 11:23
Nee, halbwegs vernünftig kann man das kaum begründen. Aber es ist nunmal ein Faktum der Serie. Die Autoren wollten einen schurkischen Rhodan-Sohn haben – das war ihre Idee, einen solchen zu verwirklichen.
Wie Torben schreibt, war es der Rat der arkonidischen Venuspositronik, so zu verfahren. Es ist also ein rein arkonidisches Ding. Mehr verraten uns die Quelltexte tatsächlich nicht – ich hatte das aus untengenannten Gründen recht genau recherchiert. Lange vor der Geburt hatten Thora, Perry und Crest so entschieden (Bully war als einziger dagegen) und an dieser Entscheidung wurde nie ernsthaft gerüttelt (an einer Stelle heißt es, dass Thora Thomas einmal zurückholen wollte, als er ein Kind war, daraus ist allerdings nichts geworden – das ist aber nur ein Nebensatz).
Man mag mich korrigieren, aber Thomas Cardif kommt im Übrigen ausschließlich in den Romanen von Kurt Brand vor. Daher ist seine Schilderung und die seiner Hintergrundgeschichte auch stark von diesem Autor geprägt.
senex
10. Januar 2024 — 8:35
Ja, weil der heilige Perry nicht fremd gehen kann und darf. Dabei wäre das die viel einfachere Lösung gewesen.
Für diverse Psychosen benötigt man keine Arkoniden, außerdem würde er zu einer Zeit gezeugt, in der sich Perry immer wieder im arkonidischen Gebiet befindet. Also – theoretisch ginge es sich aus.
Torben
6. Januar 2024 — 11:00
Bei den möglichen Clans dachte ich schon eher an Familie, die man in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts als mächtig ansehen würde: Also nicht mit einem alten Adelstitel versehen, sondern mächtig in der Gesellschaft. Der Kennedy-Clan wäre ein Beispiel, oder die Bush-Familie, die prominent zwei US-Präsidenten und einen Gouverneur hervorgebracht hat. Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Bush_(Pr%C3%A4sidentenfamilie) sind beim Rest viele Bänker vertreten.
Im deutschen Raum könnte man an die Familie Quandt denken (BMW und anderes).
Perry würde natürlich an moralisch einwandfreie Leute denken.
Und ja, ein halbwegs vernünftiger Grund? Ich kriege es auch nur mit der Begründung halbwegs nachvollzogen, dass Thora ein Alien ist.
senex
8. Januar 2024 — 20:12
Aber sie ist auch ein ziemlich intelligentes und vernünftiges Alien, und die Logik dürfte ziemlich dieselbe sein.
Aber gut, welcher Autor muss denn nicht ab und zu seltsame Kurven nehmen muss, weil man einen Effekt braucht. Da bleibt manchmal der sogenannte ‘gesunde Menschenverstand’ auf der Strecke.
Roland
9. Januar 2024 — 11:11
Sehr guter Artikel! So hatte ich mir das vorgestellt.
Vollkommen zufrieden bin ich mit meinem Erklärungsansatz für Perrys ewige Wiederwahl auch nicht – aber ich fürchte, dass jede Erklärung für diesen unbefriedigenden Sachverhalt selbst unbefriedigend bleiben muss. Ich denke schon, dass es letztlich darauf hinausläuft, dass die Verfassung des Imperiums immer wieder angepasst wurde, um es zu stabilisieren und zu erhalten. Gar nicht mal mit krimineller Energie, sondern aus bestem Wissen und Gewissen und unter stetiger Einhaltung der Verfahren.
Unsere Positronik-Ansätze schließen sich nicht aus. Dass die arkonidischen Denkmaschinen im Grunde Quantencomputer sind, halte ich für plausibel, an irgendeiner Stelle dürfen da auch gern tatsächlich Positronen eine Rolle spielen. Aber auch dann halte ich den Gedanken für reizvoll, dass Crest den Begriff “Positronik” der irdischen Science-Fiction entnommen und in sein Satron-Englisch-Wörterbuch aufgenommen hat.
Tja, bei Deiner Thomas-Cardif-Theorie hatte ich einen winzigen Moment lang überlegt, ob ich meine Vize-Redax-Macht missbrauchen und sie aus dem Artikel nehmen soll.
Spaß. Das hätte ich natürlich niemals getan. Du erinnerst Dich, wie wir uns vor ein paar Jahren genau darüber ausgetauscht haben, da ich eine ganz ähnliche Idee in einer Perry-Rhodan-Fanfiction verarbeitet habe. Es könnte sein, dass dieser Romantext in nächster Zeit höhere Veröffentlichungsweihen erhält. Dann wird diese Theorie in etwas abgewandelter Form eventuell Bestandteil des Fanfiction-Kanons (wäre das dann Gamma? Delta?) werden.