Das fantastische Fanzine

Meine drei liebsten Perry Rhodan Fantheorien

Ein Perry-Rhodan-Hintergrundartikel von Roland Triankowski

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Ein weiser alter Perry-Rhodan-Fan sagte einmal: Es gibt keine Widersprüche in der Handlung, es gibt nur Geschichten, die noch nicht erzählt worden sind. Und so sind tatsächlich über die Jahrzehnte hinweg etliche vermeintliche Logik-, Plot- und Handlungslöcher von den Autorinnen und Autoren durch einfallsreiche neue Geschichten gestopft worden. Freilich werden gleichzeitig auch immer wieder etliche neue Löcher aufgerissen, aber das soll uns hier nicht stören.

Zeigt her euren Kopfkanon!

In den meisten Fällen sind ohnehin Fandom und Lesendenschaft gefragt, um mit ihrer eigenen Fantasie empfundene oder tatsächliche Unstimmigkeiten auszugleichen. Hier kommt das ins Spiel, was gemeinhin Kopfkanon oder Fantheorie genannt wird: eine individuell oder kollektiv erdachte Erklärung für Sachverhalte, die aus dem Originalmaterial höchstens indirekt geschlossen werden kann.

In den Jahrzehnten meiner Fan- und Lesekarriere habe ich mir natürlich auch einen umfangreichen Perry-Rhodan-Kopfkanon zurechtgelegt – und einiges davon sogar in Fanfictions gegossen. Euch geht es sicherlich ähnlich. Ich bin daher neugierig und rufe hiermit auf:

Was sind eure drei liebsten Perry-Rhodan-Fantheorien, seien sie selbst erdacht oder irgendwo aufgeschnappt (dann gern mit Quellenangabe)?

Das darf gern in Form einer Blogparade geschehen (ihr schreibt also in eurem eigenen Blog einen Artikel dazu und verlinkt hierher – wir verlinken natürlich zurück) oder ihr kommentiert einfach hier drunter oder ihr reicht für das nächste WoC einen eigenen Artikel zum Thema ein. Es müssen selbstredend auch nicht dero drei sein, eine genügt vollkommen – und wenn ihr fünf am Start habt, immer her damit! Ich bin gespannt auf eure Theorien, hier sind meine:

Positronik: ein Scherz von Crest

Wie die meisten anderen SF-Veteranen habe auch ich den Begriff “Positronik” die meiste Zeit nie groß hinterfragt. Immerhin ist er auf dem Mist des unfehlbaren Asimov gewachsen, bei Perry Rhodan wird schon seit 1961 mit den Dingern gerechnet und selbst Lieutenant Commander Data hat eine in seinem Schädel. Aber wenn man dann doch mal drüber nachdenkt, fragt man sich schnell: Was soll das eigentlich sein? Dasselbe wie Elektronik, nur dass da Positronen – also Antimaterieteilchen – durch die Leitungen flitzen? Und was soll das bringen, außer einen unfassbaren Aufwand, um diese Positronen an der sofortigen Zerstrahlung zu hindern?

Ich bin sicher, dass es vermutlich in mehreren kanonischen Perry-Rhodan-Romanen Erklärungen gibt, was genau die Positronen in einer Positronik anstellen. Wenn man es sich einfach machen will, erklärt man das Wort schlicht zu einem Teekesselchen und behauptet, dass Positronen in der Teilchenphysik etwas anderes sind, als in der Informatik. Schließlich kommen Protonen auch in Biologie und Medizin vor und bezeichnen dort etwas anderes als in der Physik.

Mir kam vor einer Weile aber eine ganz andere Idee. Woher wissen denn die Terraner, dass die arkonidischen Rechner “Positronik” heißen? Das hat ihnen Crest erzählt. Und welche Sprache hat er dabei benutzt? Größtenteils englisch, damit hat er schließlich auch Perry und Bully als erstes begrüßt. Es ist ebenfalls bekannt, dass sich der alte Arkonide sehr intensiv mit der irdischen Kultur beschäftigt hat, woher auch seine Begeisterung für die Menschen stammt.

Ich behaupte daher folgendes: Im ursprünglichen Satron heißen die Rechner ganz anders, vermutlich schlicht “Rechner” oder “Denkmaschine” oder ähnliches. Als Crest die englische Sprache lernte, hielt er das Wort “Computer” als Übersetzung für unpassend, da all das, was 1971 unter diesem Begriff auf der Erde existierte, so gar nichts mit den Rechenmaschinen der Arkoniden zu tun hatte. Also bediente er sich bei der Fiktion und fand in den Werken von Asimov und Co. das Wort “Positronik”. Ich denke, es entspricht seinem Humor, dass er diesen Begriff als Übersetzung wählte und ihn stets verwendete, wenn er englisch sprach. “Positronik” gehörte dann schließlich zu einem der ersten englischen Begriffe, der in das moderne Interkosmo einging und das ursprüngliche Satron-Wort verdrängte.

Lemurer: von der Insel direkt ins Sternenreich

Die Idee, dass die Menschheit vor langer Zeit schon einmal eine weltraumfahrende Hochkultur war, ist eines der zahlreichen reizvollen Elemente der Perry-Rhodan-Serie – wenn man sie denn als rein fiktionales Konzept betrachtet und nicht als geschwurbelte bare Münze nimmt. Aber das macht ja ohnehin niemand von uns.

Dennoch ist die Idee der “Ersten Menschheit” auch in der inneren Logik des Perryversums erklärungsbedürftig, da seine Historie bis ins 20. Jahrhundert der unseren doch sehr gleichen soll. Auch hier wurden nie irgendwelche archäologischen Hinweise gefunden und selbst nach dem ersten Kontakt mit den menschlichen Arkoniden hatte man bis ins 25. Jahrhundert keinen blassen Schimmer von den 50.000 Jahren zuvor ausgestorbenen Lemurern. (Was zu diskutieren wäre, da ich mir nicht vorstellen kann, dass irdische Genetiker und akonische Historiker das alles nicht längst wussten oder wenigstens ahnten.)

Die Serie selbst beantwortet die Frage mit dem Vernichtungskrieg der Bestien, der alle Spuren des Lemurischen Sternenreichs restlos von der Erde und aus der Milchstraße getilgt hat. Ich möchte dem noch einen weiteren Gedanken hinzufügen, der zudem erklären kann, warum die Lemurische Kultur so homogen erscheint und wieso die “Ersten Menschen” offenbar allesamt körperliche Besonderheiten aufwiesen, die Terraner nicht haben – lemurische Nachfahren wie Tefroder, Akonen und Arkoniden aber schon. Allem voran sei hier die “Paradrüse” im Gehirn genannt.

Meine These ist, dass sich die Lemurer – also die Bewohner des Kontinents Lemuria und ihre Kultur – nie über die Erde ausgebreitet haben, jedenfalls nicht in der Form, dass sie auf den anderen Kontinenten gesiedelt und die dortigen Menschen verdrängt hätten. Einzige Ausnahme dürfte der Kontinent Atlantis gewesen sein, wo es vor 50.000 Jahren keine indigene Bevölkerung gegeben hat. Die Gründe mögen vielfältig gewesen sein: Lemuria war womöglich lange Zeit groß genug, sodass eine Expansion nicht notwendig war. Vielleicht kannte die Lemurische Kultur auch aus religiösen oder anderen Gründen eine Art Erste Direktive, wonach andere Menschenkulturen in ihrer natürlichen Entwicklung nicht beeinflusst werden durften. Oder die Lemurer waren durch ihre lange Isolation auf ihrem Kontinent sehr anfällig gegenüber harmlosen Krankheiten der Menschen in Asien, Afrika und Australien, weswegen sie den Kontakt auch nach der Entwicklung ihrer Hochkultur gemieden haben.

Als raumfahrende Zivilisation richtete sich ihr Expansionsdrang schließlich zu den Sternen – aber auch dort neigten sie dazu, nur “punktuell” auf Planeten zu siedeln und sie nie “in Gänze” zu erschließen. Womöglich auch ein Grund, warum es den Bestien so leicht fiel, überall ihre Spuren auszulöschen – und warum auch die Kulturen ihrer Nachfahren meist sehr homogen und statisch erscheinen.

Auch hier bin ich sicher, dass die Perry-Rhodan-Serie an etlichen Stellen meinen Überlegungen widerspricht. Ich halte sie jedoch für schlüssig genug, um sie in meinem Kopfkanon zu bewahren.

Perrymandering: warum Perry Rhodan immer wieder zum Administrator des Solaren Imperiums gewählt wurde

Mit der Idee, dass der unsterbliche Titelheld der Serie unbedingt auch der dauerhafte Staats- und Regierungschef der Menschheit sein musste, haben sich die Autoren (ja, damals waren es nur Kerle, Marianne Sydow kam erst nach dem Ende des Solaren Imperiums dazu) durchaus ein Ei ins Nest gelegt – zumal der Sternenstaat der Menschheit trotz seiner martialischen Bezeichnung (zum Imperiumsbegriff vielleicht an anderer Stelle mehr) ausdrücklich eine freiheitliche Demokratie und ein Rechtsstaat sein sollte. Hinzu kommt, dass die Herren, wenn sie denn mal demokratische und politische Prozesse beschrieben haben, nicht gerade geschickt vorgegangen sind. Politische Gegner des Helden waren grundsätzlich Schwerverbrecher, die entsprechend zu behandeln waren.

In der Perrypedia ist zu Recht angemerkt, dass die dokumentierte Handlung nur einen Bruchteil der 1.500 Jahre beschreibt, in denen das Solare Imperium existiert hat. Es wäre daher ein legitimer Kopfkanon anzunehmen, dass in den nicht beschriebenen Jahren oft auch andere als Rhodan den Posten des Ersten Administrators oder später Großadministrators innehatten. Dagegen spricht aber vermutlich, dass in der Serie oft von der ununterbrochenen Regentschaft Rhodans die Rede ist. Bin ich mir jedenfalls ziemlich sicher.

Gehen wir also davon aus, dass Rhodan immer und immer wiedergewählt wurde – und das Imperium dennoch ein demokratischer Staat war. Wie hätte das funktionieren können?

Nun, eine Antwort hat niemand geringeres als Klaus Frick bereits vor Jahrzehnten gegeben: Man stelle sich eine Wahl vor, bei der der eine Kandidat eine unsterbliche real existierende Sagengestalt ist – und die anderen Kandidierenden irgendwelche Heinis. Damit ist ein Großteil der Frage vermutlich beantwortet. Aber noch nicht alles, zumal das auf Stabilität bedachte Imperium hier nichts dem Zufall überlassen hat.

Eine weitere Antwort kann man den Romanen selbst entnehmen: mindestens einmal wird eine Verfassungsänderung beschrieben, die großen Teilen der Bevölkerung das Wahlrecht für den Großadministrator entzogen hat. Glaubt ihr nicht? Ich zitiere aus der Perrypedia: “30. April 2930 – Die Verfassungsänderung des Solaren Imperiums tritt in Kraft. Aufgrund der Vielzahl der abfallenden Kolonien und autarken Systeme sind nur noch die Menschen des Solsystems zur Wahl des Großadministrators berechtigt. Ferner wird der Amtsträger nicht mehr vom Solaren Parlament sondern direkt von den Menschen Terras gewählt.” Es war also ausdrückliche Doktrin – zumindest in dieser Phase des Imperiums – für eine stabile Regierung auf der obersten Verwaltungsebene zu sorgen.

Man kann zudem ziemlich sicher sein, dass die Verfassung und das Wahlrecht zwischen den Jahren 1990 und 3499 mehrfach geändert und angepasst wurden, was ja auch in der Realität völlig normal wäre. Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass die Gesellschaft und politische Landschaft der geeinten Menschheit kurz nach Gründung des Imperiums noch nicht sonderlich homogen waren. In “Perry Rhodan: Das größte Abenteuer” wird zum Beispiel Fidel Castro als Vertreter des Bundestaats Kuba erwähnt – wie demokratisch der an dieses Mandat gekommen ist, lasse ich mal dahingestellt. In den ersten 50 Jahren ist die Regierung des Solaren Imperiums daher möglicherweise wie die Europäische Kommission heute bestimmt worden, nämlich nach Absprache der Vertreterinnen und Vertreter der Bundesstaaten.

In späteren Verfassungen wird es dann mal eine Wahl durch das Parlament, mal eine Direktwahl und mal eine Wahlleute-Lösung wie in den USA gewesen sein, mal hat man auf das Mehrheitswahlrecht und mal auf das Verhältniswahlrecht gesetzt. Auch die Länge der Wahlperioden wird nicht immer gleich gewesen sein. Bei der deutlich verlängerten Lebenserwartung aller Menschen in späteren Jahrhunderten hielte ich eine Legislaturperiode von zehn Jahren nicht für ungewöhnlich. Schließlich wird Perry bei den meisten Urnengängen gar keinen Gegenkandidierenden – oder nur irgendwelche Spaßpartei-Witzbolde – gehabt haben.

Nun wird es aber mit Sicherheit nicht zu jeder Wahl eine Verfassungsänderung gegeben haben. Hier käme meine Idee des “Perrymandering” ins Spiel. Schon mal von Gerrymandering gehört? Lest euch bei Interesse den Wikipediaartikel zu dem Stichwort durch, ist spannend. Kurz gesagt, geht es darum, in einem Mehrheitswahlrecht die Wahlkreise so zuzuschneiden, dass das gewünschte Ergebnis wahrscheinlicher wird. Klingt jetzt auch nicht sonderlich demokratisch, mit der zur Verfügung stehenden KI-Unterstützung und dem langen Atem der Akteure wird das im Perryversum aber verhältnismäßig subtil umsetzbar gewesen sein.

Meine eigentliche These wäre in diesem Zusammenhang ohnehin die: Das Solare Imperium war zu allen Zeiten und auf allen Ebenen eine rechtsstaatliche Demokratie (von den oben angedeuteten Übergangsjahrzehnten zu Beginn einmal abgesehen) – auf der obersten Verwaltungs- und Regierungsebene überwog allerdings von Anfang an eine Stabilitäts-Doktrin, die ohne großes Zutun der Akteure fast automatisch alles dafür tat, dass eben jene Regierung stabil blieb.

Ich merke schon, man kriegt bei diesem Gedankengang keine allzu befriedigende Kurve mehr. Nehmen wir daher abschließend zur Kenntnis, dass das Solare Imperium längst Geschichte ist und seine Rechtsnachfolger auch auf oberster Ebene stets wesentlich demokratischer daherkamen.

Ihr seid gefragt

Aber nun seid ihr an der Reihe! Zeigt her euren Kopfkanon! Bringt mir eure Fantheorien! Und nehmt meine Überlegungen gern schonungslos auseinander! Ich freu mich drauf.

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