Der Roman aus der Feder von Julius von Voß erschienen im Original im Jahre 1810, übertragen und Korrektur gelesen von Bernd “Göttrik” Labusch. Fortsetzung von: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 9

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Drittes Büchlein: Guido im Heere, Kapitel 10

„Wir wollen nun mit unserer Reise mehr eilen“, sprach Gelino. „Hinlänglich sahst Du das arbeitsame Treiben kleiner Städte und auf dem Lande in dieser Erdgegend. Lass uns die schnelle Luftpost dingen.“

Noch vor Aurora klang das Horn, die Reisenden warfen sich in die Gondel. Morgenschlummer sank noch über sie. Als sie davon aufdämmerten, ließ sich das Fahrzeug schon auf die Böhmische Bergkuppe nieder, wo sich die erste Station nach Wien befand. Neue Adler flogen mutiger über die lachenden Ebenen hin, man sah die rauchenden Sudeten, gleich Altären, von denen dem Ewigen der Andacht Opfer empor wallte; die Elbe, die Moldau gleich geschlängelten Silberfäden; Glockenklänge, Erntelieder, ineinander gewebt, tönten zu ihnen herauf. Gegen Mittag schwebte das sonnig glänzende Prag vorüber, zwei Stunden danach nahmen sie auf einem Hügel in Mähren, wo die zweite Luftpost erbaut war, ein erfrischendes Mahl.

Dann wurde wieder angespannt und das Sehrohr entdeckte schon die ehrwürdige gotische Pyramide, ehedem stammt ihrer Kirche dem heiligen Stephan geweiht, nun ein Christustempel, noch dauerhaft genug, ferne Jahrhunderte zu sehen.

Am Abend zog man über die Wipfel des Prater hin, vielen Lustwandelnden in der Höhe begegnend, und der Fuhrmann senkte seine Passagiere auf die Plattform des Gasthauses, zum Ochsen genannt, nieder, das seinen alten Namen in dem Betracht nicht geädert hatte, dass ein Ochs zu allen Zeiten ein ehrwürdiges Tier bleiben wird.

Sie speisten noch weit leckerer zu Nacht als in Berlin, die Enkel waren hierin den Vätern treu geblieben, auch das Bad enthielt mehr aromatische Beimengungen, stärkte die Lebensgeister und munterte zu Genüssen auf.

Am andern Tag besahen sie die Stadt und das von Schiffen wimmelnde Bassin der Donau, welches hervorzubringen, die Brigittenau zerstört worden war.

Gelino erzählte seinem jungen Freunde: wie kunstreich & mühevoll denkende Regierungen bewirkt hätten, dass selbst die gewaltigsten Seeschiffe die Donau stromauf hätten befahren können, was in alten Zeiten, bei allem erfinderischen Fleiß, nicht einmal mit kleinen Kähnen sei tunlich gewesen. Eine Übereinkunft mit Griechenland, große Summen und das Ausharren bei vieljähriger Arbeit, hätten dennoch allen Widerstand besiegt. Da der zu starke Fall des Stromes alle Hindernisse legte, waren zu seinen Seiten hohe Dämme aufgeführt, das Flussbett vertieft und geändert, und demnächst von dreißig Meilen zu dreißig Meilen bis zum Schwarzen Meere Wasserfälle angelegt worden, die dem von Niagara flüchtig glichen. So hatte die Hydraulik die Fluten zu einem ruhigen Lauf gezwungen. Kam nun ein Schiff dem Strom entgegen – entweder vom Winde oder von Maschinenruderwerken geleitet – bis an einen Wasserfall, hob es eine Schleuse empor; im anderen Falle trug sie es nieder.

Noch eine andere gigantische Arbeit hatte der Unternehmungsgeist hier vollbracht. Lange schon waren die Einwohner der Meinung gewesen, jener Zweig der Steiermärkischen Gebirge, unter den alten Namen, Kalenberg und Leopoldsberg, bis ans Donauufer dringend, erkälte die Gegend und mache die Witterung unbeständig. Ohne ihn, war man überzeugt, müsse das Klima so freundlich sein, als unter gleicher Breite in Ungarn. Nicht nur auf sich, sondern auch auf die Enkel blickend, hatten also die Großväter – diesen Namen zwiefach tragend – eine Summe zusammengebracht, um fünfzig oder achtzig Jahre hindurch, einige Tausend Arbeiter und Lasttiere damit verpflegen zu können. Weit hinauf gegen Steiermark zu, wurden nun die Berge gesprengt, und zwar nicht mit Pulver, um die Stadt nicht zu erschüttern, sondern durch künstlich darin erzeugtes Eis, was auch früher begreiflich gewesen wäre, da man schon im achtzehnten Jahrhunderte, die Kraft, welche eine Bombe, mit Wasser gefüllt, das in Frost übergegangen ist, sprengt, auf 3351 Pfund berechnete. Die zerstückelten Felsen, schafften nun Prahmenwagen von ungewöhnlicher Größe, auf einer eigen dazu gefertigten Kunststraße aus Eisenerz, nach Mähren. Da sie aber keine Brücke hätte tragen können, musste man sich entschließen, einen hohlen Gang unter der Donau hin zu wölben, gegen welchen die gepriesenen unterirdischen Kanäle im alten Rom, nur ein Spielwerk zu nennen waren. In Mähren war das Gebirge wieder aufgeführt. Nun wehten die südlichen Lüfte freier, die aus Norden wurden beträchtlich gehemmt.

Durch alle solche Maßregeln hatte die Bevölkerung der Stadt bis auf eine Million zugenommen. Die alten Festungswerke vertilgte man längst, wo sonst die Vorstädtische Linie ging, begrenzte sich nunmehr die Stadt, die neuen Vorstädte flossen nicht nur mit Schönbrunn, Dornbach, Nußdorf, sondern sogar mit Enzersdorf und Neuburg zusammen. Vergnügungen und Wohlleben wurden überall sichtbar.

*

Guido besuchte an einem Abend einen Maskenball. Sein Lehrer folgte ihm nicht, hatte Daheim zu schreiben. Die alte Sitte, sich scherzend zu verlarven, bestand noch, doch feinsinniger und deutungreicher. Der Jüngling erblickte viele Schönheiten, anziehend durch liebliche Formen, bei allem dichten Gewande. Doch ruhte sein Auge mehr neugierig als betroffen darauf. Eine aber darunter, wie Hebe gekleidet, das Gesicht bis an den Mund verschleiert, regte seine Aufmerksamkeit lebendiger an. Höchst edler Gang, bezaubernde Harmonie in allen Bewegungen, der untere Teil des Gesichts, wo sich das Kinn in zarten Wellenlinien, der ausdrucksvolle, lächelnde Mund in zwei rosenhaft prangenden, sanft gespannten Lippen, darstellten, begannen seinen Puls zu erhöhen. Alles mahnte ihn an Ini, nur eine etwas längere Gestalt sah er hier. Er konnte nicht umhin, der freundlichen Erscheinung im Gedränge zu folgen, den trunkenen Blick ihr nachzusenden, endlich bebend die Maske zum Tanz einzuladen. Sein Verlangen ward erfüllt, selig flog er mit der Schönheit durch die Reihen. Ihre Berührung traf ihn wie elektrische Funken. Gefühle wie aus anderen Welten durchströmten ihn. Die Musik, nur Melodien der Liebe und Wollust atmend, nahm das noch Übrige seiner Besonnenheit hin.

Wien, schon im Altertum seiner Tonkünstler wegen gerühmt, hatte auch seither hierin den Vorrang behauptet. Die Revolution der Musik, ehedem kaum geahnt, war von Wien ausgegangen. Wo sonst die Töne wild und dunkel schwärmten, fand jetzt alles klare Bedeutung. Die Musik hatte, was ihr immer fehlte, ihre Grammatik empfangen, auf diese gründete sich die Übereinkunft wegen ihrer Sprache. So konnten die bestimmten Zusammenklänge, Figuren, Zeitmaße, Worte vertreten; Poesie, Reden usw. ausgeführt werden, die der leicht Unterrichtete vollkommen verstand. Einem Götteridiom glich die herrliche Erfindung. Welchen Eindruck musste sie hervorbringen!

Bei der Tanzmusik entstanden oft Klagen der Polizei, wenn sie zu üppige verführerische Klangworte sprach. Wie jener Grieche einst die Saiten der Lira verminderte, wie Gregor VII bei dem Tempel-Chor auf größere Einfalt drang, ließ sich jetzt eine Zensur die Tanzstücke vorzeigen, und strich manche Notenphrase. Bei den Maskenbällen sah sie indessen hie und da nach, vielleicht zu sehr, und so ging dem zu weit hingerissenen Jüngling, die alte Strenge gegen leidenschaftliche Aufwallung, beinahe zu Grunde.

Guido knüpfte, mit seiner Tänzerin im Nebenzimmer ruhend, warme Unterredungen an. Sie war im Anfang einsilbig, antwortete jedoch immer mit Witz und Gehalt. Auch tiefe, Himmel volle Empfindung verkündete sich in ihren Worten.

Guido sagte ihr, seiner nicht länger mächtig: „Ich liebe ein Mädchen daheim, ach mehr wie das Göttliche in der Natur, nimmer wankte mein Herz – als vor Deinem Anblick!“

Die Verschleierte gab zu Antwort: „Der Übergang von Liebe zu Liebe lohnt mit hoher Wonne. Der strafende Vorwurf, was kann er, als den neuen seligen Taumel würzen!“

Guido rief: „O wie unterwirft mich der Zauberklang deiner Stimme! Dein Auge strahlt helle Glorien durch den Schleier. O warum darf ich es, warum die Blüte der Wangen nicht sehen?“

„Hier nicht“, entgegnete die Schönheit: „Doch folge nach meiner Wohnung.“ Sie stand auf, eine ganz verhüllte, ältliche, weibliche Maske, trat hinzu, begleitete jene.

Guido zauderte lange. Ein drängender Zug, den Himmel weissagend, gebot ihm ihr nachzueilen, eine innere tadelnde Stimme hielt ihn zurück. Doch eine weiche Hand, die die seinige ergriff, und mit ätherischer Wärme durchglühte, ließ keine Wahl mehr.

Unten harrte ein niedlicher Wagen. Die Masken stiegen in den selben. Guido nahm rückwärts seinen Platz, man rollte dahin. Das Herz von süßen Erwartungen bebend, die Gewissensregungen niederkämpfend, saß der vor Liebe glühende da, zur Rede kaum ermannt.

*

Man hielt an einem Gartentor, das sich auf ein Zeichen öffnete. Holde Blumendüfte atmeten den Eintretenden entgegen. Der rötlich aufgehende Mond schien durch die blühende Orangenbäume, die holde Maske führte Guido nach einem Lusthaus, wo eine kleine Lampe vor einem hohl geschliffenen großen Amethyst brannte. Diese magische Helle verklärte alle Gegenstände umher. Köstliche Teppiche waren im Zimmer ausgebreitet, das Ruhebett im Hintergrunde umfloss eine künstliche Wolke, aus dem Rauch betäubender arabischer Spezereien floss.

Die Maske führte Guido hinein, alle Fiebern und Nerven erklangen in ihm. Er stammelte: „Nun, nun, lass mich dein Antlitz schauen!“

„Nicht ehe, bis Du mir, ein Abtrünniger Deiner vorigen Erwählten, ewige Liebe schwörst.“

Guido erschrak heftig, seine Sinn-Verwirrung nahm jedoch zu.

Dann, fuhr sie fort: „Bist Du mein Gott diese Nacht, Deine Jo umarmt dich in dem Zaubergewölk.“

Guido schlug auf die Brust. Die Lippe wollte sich öffnen, doch seine Hand hatte Inis Bild am Herzen verborgen, getroffen. Dies rief ihm Ermannung durch die Seele. Er riss das Gemälde hervor, warf einen Blick darauf, hohe Gewalt der Unschuld kehrte ihm zurück.

„Nein, Verführerin“, rief er: „Treue ist schöner als Wollust! Heil mir, dem der Mut zu fliehen erwacht!“

*

Er eilte aus der Grotte, stark, kräftig in wiedergekehrter Tugend. Es schien ihm, als ob Himmel süße Stimmen ihn zurück riefen, er widerstand.

Am Gartentor angekommen, fand er es verschlossen, was ihn peinigend ängstigte. Er wollte hinaus in die Freiheit, desto ehe Meister zu sein der gefährlichen Leidenschaft, in Gelinos Armen Schutz dagegen suchen, wenn die eigne Kraft nicht mehr lange. Seine Furcht war heftig, doch gerecht. Er wusste auch, der wahre Mut könne sich der Verführung nur entwinden, und ein feiges Beben durchflammte Heldengefühl.

Umsonst bemüht das Tor zu öffnen, weilte er mit einem Male starr und unbeweglich. Eine Melodie ergriff ihn so wunderbar. In holden Zaubertönen redend, edler, siegender, wie alle die er in Wien gehört hatte, doch schon einst von ihm gehört, löste sie göttlich seine innere Welt. Erinnernd, die seligsten Bilder der Vorzeit im Gefolge, traf ihn die Melodie. Die Saiten einer Zephir-Harmonika strömten sie nieder, dort in Sizilien hatte sie ihn einst zu einem verklärteren Dasein emporgetragen. Was hieß das? Was sollte Guido denken?

Er konnte nicht mehr fliehen, wandte sich um, nach der Seite des Klanges horchend. Süß lispelten die Zweige der Blüten duftenden Linde, im stärker wehenden, warmen Abendwind. Höher schwebte der klare Mond, heller gossen sich seine Strahlen auf die Wipfel nieder, Guido sah etwas über diesen Wipfeln, sanft leuchtend und rosig schimmern, und wandelte bebend den Pfad dorthin. Die schwarze Maske trat ihm entgegen, nahm ihn bei der Hand, führte ihn durch eine dunkle Krümmung, wo er aus den Blick verlor, was er eben gesehen hatte, doch immer noch, die Melodie vernahm. Kein Wort konnte die Lippe stammeln. Bald endete das Dickicht vor einem freien vom Mond glänzenden Hügel, und völlig sichtbar in der ereilten Nähe, winkte das hohe Instrument, dem ähnlich, das Guido auf dem heimatlichen Eiland entzückte. Die Hebe rührte nun ihre Saiten nicht mehr, stieg herab, ach! wie einst Ini im Abendschein. Guido sank aufs Knie, Ahnung, Verwirrung, Furcht und selige Wonne zugleich im Busen. Des Mädchens weißer Arm zog den Schleier vom Antlitz.

„O Himmel! – Geliebte!“ mehr vermochte der Jüngling nicht zu sagen.

Ini trat näher, erhob ihn lächelnd. „Prüfen wollt’ ich Deine Liebe“, sprach sie: „Athania war Zeugin von allem.“

Die schwarze Maske enthüllte auch ihr Gesicht.

„O ich bin ein Unwürdiger, verdiene den Tod!“ rief Guido mit zerrissenem Gemüt.

„Richte, Athania!“ sprach Ini wieder.

Die Erzieherin fing an: „Männlich hast Du der scheinbaren Verführung widerstanden. Deine Flucht war Treue und Tugend. Nicht darf Dich die Liebe anklagen.“

„O Ini“, brach Guido aus: „Der Schrecken in nie geahnten Himmel vollen Entzückungen verwirrt mir die Seele. Lass mich Besonnenheit sammeln, damit ich mein Herz fragen könne, ob Schuld seine Reinheit trübt? Dann – O dann will ich entfliehen, mich ewig zu verbergen!“

„Frage“, entgegnete hold das Mädchen.

Guido schwieg lange, mit tief gesenktem Blick; dann hob er das Auge langsam empor, doch freier, klarer.

Freudig errötend rief Ini: „So blickt nur die Unschuld auf. Du bist rein!“

„Ach“, entgegnete Guido: „Wenn Deine Gestalt mich einen Augenblick mir selbst raubte, so konnte es auch nur diese, diese Gestalt. Ich habe mich nicht anzuklagen, sie gebietet meinem Leben.“

„Er blieb Deiner wert“, fiel Athania ein: „Glückliche Freundin!“

„Wenn meine alten Bedingungen erfüllt sind, ist er meiner wert; und ich seiner, wenn ich selbst vollbrachte, was ich mir einst aufgelegt habe“, war Inis Antwort.

Sie nahm Guido bei der Hand, ihn in ein erleuchtet Gemach zu bringen. Er folgte, immer noch mit einigem Zittern.

„Ich bin nach Afrika beschieden“, sagte sie auf dem Wege: „Ohne zu wissen, wie lange ich ausbleibe. Du kamst nach Wien, der Abstand von Sizilien ist so weit nicht, ich beschloss, Dich hier zu sehen, zu prüfen, mietete den Garten. Doch nur eine Stunde kann ich noch weilen, dann steige ich in meinem Wagen auf und fliege zur Heimat.“

Sie hatten das Gemach erreicht, hohe freudige Bestürzung über des Mädchens vollkommene Schönheit in Guidos strahlendem Blick, aber auch das nämliche süße Staunen in Inis glühendem Auge.

„O“, rief sie: „Viel, viel hat mein Guido während seiner Entfernung getan, die innere Schönheit auszubilden, der letzte Sieg göttlicher Tugend machte Dich verwandter noch mit meinem Ideal, der unverkennbare Zug des edlen Triumph-Gefühls ist Dir auf ewig eingeprägt.

„O Ini – ich weiß mich nicht anzuklagen, und dennoch – ich hätte nicht folgen sollen -“

„Ohne Gefahr kein Kampf, ohne Kampf kein Sieg.“

Guido ließ nun seinem Entzücken über Inis neue hinreißende Anmut freien Lauf.

Sie sprach: „Das Weib kann daheim nur im Stillen sinnen, wo der Mann in die Ferne schweift, handelt, wirkt. Doch über sein Handeln und Wirken sinnt eben einsame Liebe ungestört, und fragt das ruhige Gefühl nach dem Rechten, Guten, Wahren. Ich, die Malerin, ersann daheim Deine Aufgabe. Mein Gefühl weissagte ihre Lösung. Der Geist Deiner Liebe musste ferner walten, und redlich hat er gewaltet. Doch ist das Ziel noch nicht erreicht. Vielleicht lange noch nicht. Sei nicht traurig. Die Zeit vor Dir, die Kraft in Dir, werden mächtig fortgestalten. Nur vergiss nicht, dass Du Gemüt und Geist in immer vollkommeneren Einklang bringen musst, den Preis der höchsten Schönheit davon zu tragen. Noch gab’ Dein Gemüt oft zu vielen Ausschlag. Dieser Durst nach Heldenruhm, um den ich Dich einst anklagte, wenn er gleich dem Manne ziemt, muss sich der Betrachtung über die schönere Eintracht der Menschheit unterwerfen. Das Wissen, die hellere Übersicht, müssen diese Betrachtung rufen. Doch wenn Pflicht es gebietet, musst Du entsagen können, auch wirklich entsagen. Dies Wort verstehe wohl, dann wird erst das Göttliche in Herrlichkeit den inneren Menschen durchstrahlen, und von vollendeter Bildung die verklärte Gestalt zeugen. Roher Sinnenwahn, niedere Leidenschaft gebieten nicht mehr in Dir, durch den letzten Kampf hast Du Dich ihnen ganz entwunden, des Denkers gereiftere Kraft wohnt auf der weit vorgedrungenen Stirn, was den Linien im Antlitz sonst hie und da ein Missverhältnis erzog, ist viel ausgeglichen. Viel — nicht vollkommen. Noch Übung im edlen Denken, im richtigen Empfinden, noch ein großer Triumph über selbstsüchtig Begehren, und ich hoffe, Du stehst am Ziel.“

Es folgte eine Himmel-volle Stunde trunkener Unterhaltung.

Sie floh wie ein Augenblick.

Dann mahnte Athania.

Kein Flehen hielt Ini zurück.

Sie erhob sich im vom Mond beleuchteten ätherischen Wagen, flog unter den Sternen hin, einem Seraph ähnlich, in der Glorie aus Lunas Strahl gewunden, und schwand dann in blauer dunkler Ferne dem entwichenen Meteor gleich.

Guido empfand die Nacht und den folgenden Tag hindurch, nur den Nachklang der seligen Erscheinung, alles um sich vergessend; dann ermannte er sich, und drang wieder, um den schönen Preis kämpfend, ins Leben.

Fortsetzung: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 11

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