Der Roman aus der Feder von Julius von Voß erschienen im Original im Jahre 1810, übertragen und Korrektur gelesen von Bernd “Göttrik” Labusch. Fortsetzung von: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 11

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Drittes Büchlein: Guido im Heere, Kapitel 12

Gelino hatte schon zuvor nach Paris geschrieben, und einen Mietpalast, wie es deren für sehr reiche Wanderer gab, auf die Tage ihrer Anwesenheit bestellt. Sie kamen nun dort, von den Dienern des Wechslers geleitet, an. Er war aus rotem und weißen Marmor gebaut, hatte ein vergoldetes Bleidach, das im Strahl der Sonne prangend leuchtete. Eine zahlreiche, glänzende Dienerschaft, stand am Portal. Die innere Einrichtung entsprach der äußeren Pracht vollkommen. Man erblickte Zimmer, deren Wände mit dem köstlichsten Mosaik bekleidet waren, andere mit staunenerregenden Meisterwerken der Malerei umhangen. Es befand sich ein Konzertsaal hier, den die Standbilder der neun altgriechischen Musen, zu Athen gefertigt, schmückten, und zum Personal des Palastes gehörte zugleich das treffliche Orchester, was sich auf Verlangen des Mieters hören ließ. Eben so ein kleines Theater, mit Schauspieler und Schauspielerinnen. Ferner eine große Bibliothek, der einige Gelehrte vorstanden. Der Speisesaal war mit Silbergeschirr erfüllt, goldne Lampen hingen von den Decken nieder. Das Bad war den altrömischen ähnlich, welche die Kaiser Trajan oder Tiber anlegten. In der Küche bereitete man sich, wie einst bei Apicius, immer auf eine große Zahl von Gästen, doch viel schmackhafter noch als bei jenem waren die Speisen zugerichtet, was jetzt um so mehr anging, da die Küchenchemie eine eigne weitläufige Wissenschaft galt, über die Professoren, von Lehrlingen der Tafelkunde gehört, lasen. Noch fand man im Hofe Wagen aller Art, einen Stall trefflicher Pferde, einen andern mit Adlern, und mehrere schöne Gondeln, denn ein kleiner Kanalarm führte von dort nach dem Strome. Auch ein schönes Landhaus mit weitläufigen Gärten gehörte noch zu diesem Mietpalast. Allerdings gab man aber auch eine Miete, die den zu findenden Bequemlichkeiten angemessen war.

Guido fragte: „Wie ist es möglich, Unternehmungen der Art zu wagen?“

„Wirkungen des Reichtums“, antwortete der Lehrer. „Das ewige Zuströmen der Fremden nach dieser Stadt, bringt so viel Geld hinein, und sie sendet es wieder in die Ferne, um das alles herbeizuschaffen, was die Fremden ferner anreizen kann. Es prangen mehrere Gebäude der Art, und selten stehen sie leer, weil es vermögende Wanderer genug gibt. In den vergangenen Jahrhunderten wären Erscheinungen der Art unmöglich gewesen, weil man da weder Freiheit, noch Tätigkeit, noch Kenntnis genug, über den beweglichen Umlauf der Reichtümer, und ihre Vermehrung der Erzeugnisse während ihrem schnellen Wirbel, hatte. Damals gab es wenige Reiche und unerhört viel Armut. Jetzt sieht man Jene in großer Zahl und diese ist meistens verschwunden. Große Entwürfe im Handel oder anderer Art, klug und glücklich ausgeführt, bereichern um so leichter, da sie auf den allgemeinen Wohlstand berechnet sind. Damit aber den noch, nicht wenige Familien zuletzt so viel wuchernd an sich reißen können, dass andere von ihnen abhängig sind, ist die überaus weise Erbschaftsteuer eingeführt worden, die den Zweck vor Augen hat, den Erwerber zwar die Frucht seiner Tätigkeit vollkommen genießen zu lassen, dagegen aber die Untätigkeit der Erben, die von der Arbeit des Toten müßig schwelgen möchten, nach Möglichkeit abzuschneiden. Je vermögender, je höher die Steuer vom Nachlas, und sie steigt auch nach Maßgabe der näheren oder weitläufigeren Verwandtschaft der Erben. Dies hat zur Folge, dass der Reich gewordene auch bei seinem Leben viel wieder in den Umlauf gibt, und ihm wird auch, in Betracht des Gemeinbesten, und insofern sie nicht unmoralisch ist, Verschwendung nachgesehen. Mag er bauen, reisen, Künsten und Wissenschaften lohnen, dadurch empfängt das alles höheres Leben.“

„Wo bleiben aber die Summen, aus dieser Erbschaftsteuer?“ fragte Guido.

Der Lehrer gab zur Antwort: „Sie werden zum Vorteil des Landes auf mannigfache Weise angelegt, so dass sie den niederen Ständen wieder zuströmen. Man gräbt Kanäle, wo sie noch fehlen, baut, macht Versuche mit nützlichen Erfindungen, wozu, wie Du weißt, auch andere Summen vorhanden sind, unternehmende, aber nicht bemittelten Bürger können Anleihen nachsuchen. Kurz auch hier ist wieder der rasche Zirkelgang, des, die Dinge und den Kunstfleiß darstellenden, Metalls, Endzweck. Hätte die Vorzeit die Wunder der Freiheit und Ruhe ahnen können, trauen, sie würde um einige Jahrhunderte früher geeilt haben, den Thron der Vernunft zu erhöhen, und in einem Erdteil, wo die Menschen schon lange sich durch Bildung ähnlich wurden, die unsinnigen Kriege einzustellen. Vielleicht ging das aber auch nicht eher an, bis der Zeitgeist alles von selbst schönerer Reife entgegen führte. Wie langer, vorbereitender Aufklärung, bedurfte es unter andern zu dem großen Schritte, die Religion an die Stelle der Kirchlichkeit zu bringen. Freilich folgte er erst dem blutig geendeten Kampfe der Politik, und hätte ihm vorausgehen können, wodurch der Christenstaat ohne jene schauderhaften Schlachten, wovon die Geschichte meldet, zu gründen gewesen wäre. Denn in der Tat, liest man einige alte Schriftsteller aus dem achtzehnten Jahrhundert, in deren Köpfen bereits so viel Licht anbrach, kann man nicht genug über die seltsame Verstocktheit ihrer Zeitgenossen staunen, welche es nicht nützen wollten, das Heil, die Bestimmung der Menschheit erkennen, Wahrheit und Irrtum, Gutes und Böses unterscheiden zu lernen. Indessen ist es nun einmal so. Das Genie der Verbesserung hat zu allen Zeiten Widerspruch gefunden, oft mußte der große Mann erst begraben sein, ehe das Recht seiner Aussprüche erkannt wurde. Geht es doch bisweilen noch jetzt nicht anders. Sind wir doch, trotz aller Religion und Erkenntnis zuweilen genötigt, uns mit Asien oder Afrika zu bekriegen.“

„Oh! Schöner Voranflug seines Zeitalters!“ rief Guido. „Oh, dass ich der Menschheit irgend eine Wohltat ersinnen könnte, dass die Nachwelt mein Andenken segnete!“

„Der Friede mit anderen Weltteilen wäre solch eine Wohltat“, antwortete Gelino. „Er fehlt der Menschheit. Allein die Leidenschaften werden nicht überall so glücklich bekämpft als in Europa, und auch hier, wir wollen nicht prahlen, gelang es noch nicht so weit damit, als wohl zu wünschen wäre. Im Geheimen treiben sie oft ihr Spiel fort; denn wer sieht das Innere der Seele, wenn die Menschen in der Tugendlarve heucheln. Es gibt doch hie und da einen Fürstenrat, einen hohen Priester des Gesetzes von gewichtigem Ansehen, entscheidenden Einfluss, der sein wahres Spiel birgt, und Zwietracht mit der Fremde, oder Zwietracht im Innern hervorruft. Man muss auf seine Tugend bauen, wer vermag sie genau zu erkennen?“

Hier fühlte sich Guido von einem Gedanken ergriffen, dem er in der Folge eifrig nachhing. Jetzt antwortete er dem Lehrer: „Die richtige Erkenntnis des Menschen scheint mir nicht unmöglich, aber den Frieden aller Völker zu knüpfen, ist schwer. Ich sehe nicht ein, auch wenn ich Kaiser wäre, was ich da tun wollte. Da muss das Schicksal selbst freundlich zutreten.“

„Nun das wird auch einst geschehen“, antwortete Gelino. „Auch gebieten ja die Menschen dem Schicksal immer mehr, wie ihre Weisheit steigt.“

*

Die Reisenden borgten in Paris vornehme Namen und knüpften Bekanntschaften an. Die angesehensten Einwohner, Künstler, Gelehrte, wurden zu ihrer Tafel, zu ihren Konzerten, nach ihren Gärten geladen, und baten sie dagegen zu sich. Es war noch in Paris wie vormals, das Neue erregte viel Aufsehen, alle Welt sprach davon. Nicht eben die Verschwendung des reichen Jünglings konnte auffallen, doch er selbst, sein Verstand, mehr noch seine Schönheit. Die Damen waren ganz entzückt, sie schworen, nie eine so vollkommene männliche Gestalt erblickt zu haben. Dies benutzten Maler, Kupferstecher und andere Künstler, bildeten ihn vielfach ab, und wenn er ausging, sah er beschämt überall Gemälde, Gipsabdrücke, Statuen von sich. Auch Gedenkmünzen wurden auf ihn geschlagen und in den Gassen ausgerufen, viele Damen trugen ihn in Gemmenringen am Finger. Er empfing auch verliebte Zuschriften voller Witz, und übte wieder den eignen Witz, indem er die zärtlichen Anträge so ablehnte, dass sich die Schönen dennoch bezaubert fühlten. Dadurch entstand viel neues Gerede, und eine gelehrte Dame veranstaltete sogleich eine Sammlung dieser tugendhaft witzigen Billets, die man eilig mit Stereotipen druckte, eines ungemeinen Absatzes gewiss.

*

Kurze Zeit nach seiner Ankunft hörte Guido von einem sonderbaren Rechtshandel. Er hatte sich schon über die Menge von Diamanten gewundert, welche ihm überall zu Gesicht kam; die Frauen der niederen Klassen waren so damit bedeckt, dass man auf Spaziergängen nicht nach der Seite blicken konnte, wohin die Sonne schien, selbst die Dienstmädchen in seinem Palast, trugen Haar, Ohren, Busen und Arme voll davon. Der Glaube, sie möchten unechtsein, fand die Widerlegung der Kenner, allein man benachrichtigte ihn: es sei in Paris ein Juwelenhändler vorhanden, der die edlen Steine um einen tief geringen Preis verkaufe, dabei ein unerhört angefülltes Warenlager hielt, und so auch den Pöbel in Stand setzte, den gepriesenen Schmuck zu tragen. Deshalb aber, wie man wohl denken kann, verschmähten ihn nun die Damen der feinen Welt, und sich ohne Juwelenschimmer zeigen, hieß glänzen.

Die andern Kleinodienverkäufer sahen sich zu Grunde gerichtet, feindeten ihren Nebenbuhler an, belangten ihn vor Gericht. Hier begriff auch Niemand, wie der Mann das Teure so wohlfeil losschlagen könne. Neue Prüfungen über die Güte seiner Steine folgten, sie schlugen abermals zu seinem Vorteil aus. Man fragte: „Aus welcher indischen Diamanten-Grube er kaufe?“

Er antwortete, das er dies als Folge der Handelsgesetze nicht nötig habe zu erklären.

Man verlangte aber wenigstens, ein fremdes Handelshaus zu nennen, mit dem er Geschäfte pflege, ein Schiff, das seine Waren herbeiführe.

Dies konnte er nicht, und nun lag zu Tage, seine Steine würden nicht von Auswärts gezogen.

„Er verfertigt sie selbst“, riefen die Gegner: „folglich sind sie, trotz allen Proben, unecht!“

„Gut“, sprach der Juwelier: „Ich verfertige sie, doch eine Unwahrheit ist eure andere Behauptung. Untersucht so lange ihr wollt, ihr werdet keinen andern Gehalt finden, als ob die Steine von Golkonda oder Brasilien kämen. Ich betrog nicht, verkaufe echte Diamanten, dem Käufer kann es gleich sein, ob die Natur oder ob ich sie hervorbringe!“

Bei näherer Untersuchung fand sich, dass der Mann, den lange schon in der Chemie genannten Bestandteil, reinen Kohlenstoffs, so zu verdichten gewusst hatte, dass der wirkliche Diamant erzeugt wurde.

Das Gericht war am Anfang im Zweifel. Die große Zerrüttung des Wertes der Edelsteine, welche der glückliche Erfinder veranlasste, machte Bedenken. Doch zuletzt entschied die Stimmenmehrheit: Der Mann dürfe keiner Strafe anheimfallen, auch die Fortsetzung seiner Kunst dürfe ihm nicht untersagt werden. Möchten die Weiber gern schimmern, so wäre ihnen die Gelegenheit aufgetan, zum wohlfeilen Preis ihren Wunsch zu erlangen. Gefiele ihnen der wohlfeile Schimmer deshalb nicht mehr, zeigten sie noch größere Torheit als zuvor. Der Mann könne dann zu ihrer Heilung beitragen, und wenn das andere Geschlecht mehr auf Pflege der wahren Schönheit hielt, mehr dem Manne durch weibliche Tugenden als kindische Glanzfunken zu gefallen strebte, hätte das Gemeinwohl dem Künstler sogar innig zu danken. Verlören übrigens manche Juwelenhändler, sei das zufällig, und das Gesetz könne ihres einzelnen Vorteils halber, keine irrigen Grundsätze aufstellen. – Dabei blieb es.

„In der Tat“, rief Guido als er bald darauf einige mit Edelsteinen überladene Frauenzimmer sah: „Mir scheinen sie selbst nicht mehr so köstlich, als da ihre Seltenheit mich bestach.“

„So bist Du denn auch von blinden Vorurteilen nicht frei“, fiel der Lehrer ein. „Doch möchte nur alles Schöne so gemein werden, dass man keine Auszeichnung darin fände, desto besser Stünde es um die Menschheit. Zum Glück ist es auch schon mit vielen Tugenden dahin gekommen. Was die Vorwelt staunend gepriesen hätte, blicken wir oft als gleichgültige Alltäglichkeit an. – Wohl uns!“

Fortsetzung: INI – Ein Roman aus dem 21. Jahrhundert, Drittes Büchlein, Kapitel 13

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