Buchbesprechung von Uwe Lammers

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Agenten der Galaxis
(OT: The Flying Saucer Gambit)
Von Larry Maddock
Terra-Taschenbuch 153
160 Seiten, TB, 1968 (1960)
Aus dem Amerikanischen von Werner Gronwald
Keine ISBN

Die Erde ist in Gefahr.

Nun gut, das ist eigentlich in der Science Fiction nichts Ungewöhnliches, vermutlich annähernd jeder zweite SF-Roman, der je geschrieben wurde, thematisiert auf die eine oder andere Weise eine Bedrohung für unsere Heimatwelt, sei es in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, in alternativen Realitäten oder wie auch immer. Wie sieht das hier aus?

Sorobin Kimball ist Journalist im ländlichen Kansas des Jahres 1966, jedenfalls für alle Menschen im weiteren Umkreis. Aber er hat eine zweite Identität, nämlich die eines Geheimagenten für die galaktische Geheimorganisation TERRA (laut dem WIKIPEDIA-Eintrag zu Larry Maddock steht diese Abkürzung, korrekt eigentlich T.E.R.R.A. geschrieben, für „Temporal Entropy Restructure and Repair Agency“). TERRA, um bei dieser Form zu bleiben, ist eine Zeitreiseinstitution, die im Zentrum der Galaxis im 26. Jahrhundert menschlicher Zeitrechnung sitzt und darüber wacht, dass speziell auf der Ursprungswelt der Menschheit, die Zeitlinie ungestört bleibt.

Wie es sich nämlich für eine Space Opera – und darum handelt es sich hier strukturell – gehört, gibt es selbstverständlich auch „die Bösen“. Sie manifestieren sich in der vom finsteren Drofox Johrgol gegründeten Organisation „Empire“. Diese Organisation strebt eine großflächige Umformatierung der menschlichen Geschichte zu ihren Gunsten an. TERRA soll das stets verhindern.

Als der TERRA-Agent Sorobin Kimball jählings verstummt, wird der Elite-Agent Hannibal Fortune zusammen mit seinem Symbionten-Partner Webley (ich würde ihn weniger einen Symbionten als vielmehr einen Gestaltwandler nennen) nach Kansas anno 1966 geschickt, um nach dem Rechten zu sehen.

Nun, viel zu retten gibt es nicht mehr. Kimball, dessen letzter Funkspruch brüsk gestört wurde, ist so tot, wie es nur geht, und sein Symbiontenpartner Glarrk ist offenbar wahnsinnig geworden. Und es geht, sehr passend für die Zeit, augenscheinlich um UFOs … Empire-Raumschiffe, wie Fortune sofort – mit Recht – argwöhnt. Als er der Fährte nachgeht, stößt er auf die unbedarfte und vertrauensselige Katzenliebhaberin Marilyn Mostly, die quasi unablässig am Reden ist, geradezu hinreißend naiv, an UFOs und deren Friedfertigkeit sowie die Reinkarnation glaubend. Da sich Fortunes Partner Webley zu diesem Zeitpunkt in Gestalt einer Katze materialisiert hat, schließen die beiden Wesen unterschiedlicher Zeiten sofort Freundschaft. Was allerdings mittelfristig nicht verhindert, dass Miss Mostly von den Empire-Agenten entführt wird.

Die Fährte führt nach Arizona, in die direkte Nähe der Superstition Mountains (im Roman süß mit übersetzt und dort als „Aberglauben-Berge“ irgendwie drollig), wo die TERRA-Agenten mit der aparten Apachin Candy Longfellow zusammenprallen. Sie erfahren beispielsweise, dass die Berge heilige Orte der Apachen sind und als verflucht gelten. Außerdem aber läuft dort ein unerbittlicher Countdown, der nur noch nach wenigen Stunden zählt – dann nämlich will Empire die Welt mit einer willenslähmenden Spezialwaffe „befrieden“ und im Anschluss die Weltherrschaft an sich reißen.

Keine Frage, so sehr die Welt der 60er Jahre auch Frieden braucht – das muss man natürlich verhindern, weil das die Zeitlinie total verändern würde … nur wie macht man das, wenn man ein naives, UFO-gläubiges Mädchen aus einer Gefangenschaft zu befreien hat, die es noch nicht mal als solche realisiert hat? Und wie soll man das machen, wenn selbst der eigene Symbiontenpartner auf einmal verrückt zu werden scheint? Da hilft nur noch der massive Einsatz einer Zeitmaschine, und dann wird es erst recht wild …

Dieser Roman, fast so alt wie ich selbst (bezogen auf die deutsche Veröffentlichung), hat ungeachtet seines Alters einen nicht eben geringen Charme. Blendet man mal die eher skizzenhafte Rahmenhandlung des Antagonismus TERRA – Empire weitgehend aus und konzentriert sich auf das Zeit- und Lokalkolorit des Romans, dann entdeckt man schnell, dass der Autor Larry Maddock (auf dem Cover durch einen Verlagsfehler zu „Carry Maddock“ mutiert), recht ordentlich recherchiert ist.

Denn alles, was er über die Superstition Mountains, den Zusammenhang mit den Apachen und sogar die legendäre „Lost Dutchman-Mine“ erzählt (die hier für mich völlig überraschend thematisiert wurde), passt ausgezeichnet zu weiteren Informationen, die mir zu dem Thema vertraut waren. Die allgemeine UFO-Hysterie in den frühen 60er Jahren wird ebenso aufgenommen wie gewisse folkloristische Auswüchse der damaligen Zeit.

Maddock hieß eigentlich mit bürgerlichem Namen Jack Owen Jardine (1931-2009) und hat neben der Schriftstellerei, wie das allgemein so üblich war, zahlreiche andere Berufe ausgeübt, zu denen Zeitungsreporter, Rundfunksprecher, Redakteur, Fernsehtechniker, Vertreter und Kreativdirektor zweier Radiostationen in Arizona zählten. Soweit ich weiß, hat er aber neben einer Reihe von SF-Kurzgeschichten (zu dem Symbionten Webley) vier SF-Romane um Hannibal Fortune verfasst, dessen erster hier vorliegt.

Insbesondere die lockere, an den frühen Connery-Bond erinnernde Charakterisierung des Helden (und das, ehe die erste Bond-Verfilmung entstand) sowie die bisweilen wirklich goldig gezeichneten Protagonisten und die niedlichen Irrungen und Wirrungen machen die Geschichte wirklich lesenswert und lohnen meiner Ansicht nach auch heute noch eine Wiederentdeckung.

Dass ich mit dieser Ansicht offenbar nicht alleine bin, zeigt eine in den 2000er-Jahren realisierte Neuauflage dieses Romanzyklus, der mir aber physisch nicht vorliegt. Ich für meinen Teil bin jedenfalls gespannt auf die drei weiteren Abenteuer Hannibal Fortunes.

Demnächst erzähle ich mehr dazu.

© 2022 by Uwe Lammers, Braunschweig, den 19. Mai 2022

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